Metal

Da ich gerade mal wieder in der zweiten Downton Abbey-Staffel bin, kam mir ein passendes „Kriegslied“ in den Sinn.

Der Hauptteil des Stücks klingt ziemlich genau nach Stellungskrieg. Er braucht das Solo, um nicht langweilig zu werden. Doch das Solo stellt nicht die erhoffte Erlösung dar, bringt aber das Lyrische Ich zur Erkenntnis, ausbrechen zu müssen. (Hier spielt der Text ausnahmsweise eine Rolle, er ist gut zu verstehen und wird mehrfach wiederholt: „Ich will nicht mehr töten!“)

Was hierbei an musikalischer Spannung aufgebaut wurde, wird aufgelöst in einer für Annihilator eher untypischen, geradezu nach New Wave of British Heavy Metal klingenden Bridge. Hier gibt’s Melodik und statt eintönigem mehr oder weniger Sprechgesang Gesang in höheren Tonlagen. Doch die Freiheit dient nicht dazu, dem Töten zu entkommen, sondern allein einem Angriff: „Move out and take that hill!“

Es gibt aus der Sinnlosigkeit des Krieges nur einen Ausweg, den Tod. So endet die scheinbar fröhliche Bridge in Tod und Verzweiflung – und führt so wieder zurück zum Anfang: In die Sinnlosigkeit des Schützengrabens, in Haß, Schmerz und Qual. Kurz bevor das Fade out beginnt, endet auch jegliche Melodik. Es bleibt nur noch das „palm muted“ „Geschrammel“. Das Fade out zeigt schließlich: Es gibt daraus keinen Ausweg.

Heute mal was halbwegs Außergewöhnliches: Biblischer Black Metal aus Israel. Das war zumindest die Beschreibung, die mich bewogen hat, das Album zu kaufen, auch wenn die Musiker schon deutlich gemacht haben, daß sie die Bibel nicht gerade mit so richtig gläubigen Augen lesen. Trotzdem sind die Texte des Intros (Unveil the Curtain of Sanity) und des ersten Stücks (Eyes Gaze to a Future Foreseen), die eigentlich ein einziges Stück darstellen, durchaus interessant. Insbesondere „Unveil the Curtain of Sanity“ nimmt eigentlich meine Diss vorweg: Metal zieht den Vorhang der Vernünftigkeit hinweg und zeigt das Chaos einer vom Sündenfall bestimmten Welt ungeschönt.

Aber in dieser Kategorie geht es ja nicht um den Text, sondern die Musik. Es ist zunächst einmal melodischer Black Metal, also normalerweise so überhaupt nicht mein Fall. Und tatsächlich schwächelt das Album ziemlich ab. Meine erste Beschreibung war damals „Harry Potter Metal“. Trotzdem hat es mir der Anfang des Albums ziemlich angetan, denn hier wird wunderbar musikalisch umgesetzt, was textlich vorgegeben ist.

Zunächst das Intro, das langsam vor sich hinplätschert, aber die Saat aussäht, daß vielleicht unsere Welt nicht so rational ist, wie Spock sie gerne hätte. Allein schon diese herablassende Stimme, die „komm, ich zeich Dir ma, wie die richtige Welt aussieht, harhar“ zu sagen scheint! Und schließlich, als das Intro zu Ende plätschert, merkt man plötzlich, was für eine Spannung es aufgebaut hat, die durch die in die Tiefe absinkende Stimme nochmal gesteigert wird. Unnötig zu erwähnen, daß es ausgerechnet das Wort „sanity“ ist, das „insane“ artikuliert wird.

Dann, leider durch die Pause im eingebetten Video ein wenig um seine Wirkung gebracht, bricht das Chaos herein, der Vorhang ist weggezogen: Was da in den ersten anderthalb Minuten des zweiten Stücks passiert, ist mehr als auf dem ganzen restlichen Album! Kaum ein Riff wird länger als 10 Sekunden beibehalten! Ok, es bleibt immer noch melodisch, also kein Vergleich zu Technichal Death Metal 🙂 , aber gerade durch die Melodik kann die Musik den Hörer in dieses Chaos mitnehmen, während Technichal Death Metal den Hörer eher „ausspuckt“. Aber genug der Worte, hört selbst:

Wo ich schon gerade bei Ouvertüren war, gibt’s diesmal eine richtige: Dead Winter Dead ist ein Konzeptalbum über den Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina, und die Ouvertüre ist tatsächlich eine Zusammenstellung von Themen des weiteren Albums, die auf das Folgende vorbereitet. In dieser Form ist klassischer Ami-Power Metal auch heute immer noch ein Ohr wert:

Bester Song des Albums ist m.E. übrigens „Doesn’t Matter Anyway“. Aber insgesamt ist das ein Album, das als Album so funktioniert, wie es gedacht ist und selbst dann noch emotional bewegt, wenn man verstanden hat, warum es so funktioniert. Also, zumindest mich 🙂

In einer Facebook-Diskussion vor einigen Wochen habe ich in Ermangelung einer adäquaten Übersetzung den englischen Begriff redemptive suffering verwendet.[1] Aufgrund des Kontextes schoß mir durch den Kopf, da sei doch ein super Unblack Metal-Bandname. Tatsächlich hat mich dieser Gedanke seitdem nicht mehr losgelassen. Man stelle sich nur mal die Bandvorstellung vor: „We are Redemptive Suffering!“[2]

Allerdings muß ich sagen, „Redemptive Suffering“ klingt bei genauerer Betrachtung nicht so wirklich nach (Un)Black Metal. Meine Assoziation war wohl in Immortals „Blashyrkh“-Welt of frost, war and suffering begründet, aber darüber hinaus hat sich der Black Metal nach meinem Eindruck ziemlich schnell von dieser Suffering-Schiene verabschiedet (und der Suicidal Black Metal hat nun nicht mehr den leisesten Bezug zu „redemptive“). Je länger ich drüber nachdenke, umso mehr klingt „Redemptive Suffering“ nach einer Death Metal-Band.

Witzigerweise ergab sich daraus für mich dann gleich ein ganzes Bandkonzept. Ok, vielleicht liegt das auch daran, daß ich selbst mehr dem Death als dem Black Metal fröne. Insbesondere meine Überzeugung, daß „Redemptive Suffering“ nach Brutal Technical Death Metal klingt, könnte sich daraus ergeben haben.

Aber auch von der inhaltlichen Schiene her lande ich bei Brutal Technical Death Metal: Wenn christlicher Metal, dann doch bitte inhaltlich „unangenehmer“ Metal (da bin ich mit Euronymous ganz einer Meinung: Metal muß gefährlich sein). Klar, christliche Inhalte wären im Metal schon per se eine Provokation, zumindest wenn man sie ernst meint, aber wenn dabei der Metal auf ein Vehikel der Mission reduziert wird, geht der künstlerische Aspekt baden, dann wird es reinste Anbiederung und die Band endet im reinen christlichen Metalbereich, bekehrt also nur die schon Bekehrten.

Nein, wenn christlicher Metal, dann auch für Christen unangenehmer Metal. Oder, um es mit Silenoz zu sagen:

Meiner Meinung nach liegt der Fehler der Christen vor allem darin, sich selbst als etwas Besseres als die Anhänger anderer Religionen zu sehen. So verhält sich natürlich nicht jeder Christ, aber jene, die es tun, machen es, ohne sich dessen bewußt zu sein. Zum Beispiel tragen sie nur die Passagen der Bibel nach außen, von denen sie denken, sie wären positiv, den Rest ignorieren sie einfach. Diese Art der Mentalität weist doch keinerlei Kohärenz mit der Realität auf.[3]

Ergo: Christlicher Metal müßte die Metaller genauso anpissen wie die verbürgerlichten Christen. Damit ergibt sich ganz klar für das erste Album die Vertonung der Fluchpsalmen. (Ich hab’s schonmal ausprobiert: Am besten lassen sich die Psalmen im hebräischen Original grunzen, an den Rhythmus und die innere Stimmigkeit kommt keine Übersetzung ran!) Für weitere Alben bieten sich Gerichtsprophetie und Apokalyptik an, insbesondere die Offenbarung. Wenn man sich die Bibel mal zu Gemüte führt, sollte das für ungefähr 10–15 Alben reichen. Und dabei ist noch nichtmal die Bergpredigt abgedeckt, von Märtyrerakten usw. ganz zu schweigen (da kriegt dann „Christians to the Lions“ einen ganz neuen Touch…).

Da aber die Musik dem Inhalt entsprechen muß, der Inhalt aber ganz viel mit Zorn zu tun hat, sei es die Wut über Unrecht (Fluchpsalmen), der Zorn Gottes (Gericht) oder der Zorn der Welt wider die Christen (Märtyer), muß auch die Musik eher den Zorn (Death Metal) ausdrücken als Stolz (Black Metal), wenn diese sehr grobe Zuordnung mal erlaubt sei. Zugleich muß aber eine gewisse „Stimmung“ drin sein. So genial die Musik für sich genommen ist, fehlt furztrockenem Technical Death Metal à la Origin oder industrial-angehauchtem Math Metal a la Meshuggah musikalisch die transzendente Dimension. Mithin also das „redemptive“.

Folglich erkläre ich hiermit Cryptopsys „Once Was Not“ zum Referenzwerk für Redemptive Suffering. Weitere Orientierungspunkte wären „None So Vile“ (ebenfalls von Cryptopsy) und praktisch der gesamt Backkatalog von Nile (nur wäre es albern, ausgerechnet die ägyptisch anmutenden Elemente zu übernehmen, es geht mir abstrakter um die durch diese Elemente vermittelte Stimmung, will heißen die Musik von Redemptive Suffering müßte solche Stimmungselemente aus der christlichen Tradition ableiten bzw. Stimmungselemente verwenden, die christlich anmuten[4]). Weitere Einflüsse dürfen gerne von Kataklysm („In the Arms of Devastation“), Decapitated und Behemoth stammen. Einem Schuß Grindcore wäre ich auch nicht abgeneigt. Hauptsache ein „übermächtiges Schlagzeug“ 🙂

Aus der inhaltlichen Orientierung abgeleitet ist natürlich auch schon das (abgesehen von einem Bandschriftzug) Wichtigste geklärt, die Einlaufmusik:

Ach ja, es gibt auch wohl noch keine Band dieses Namens.

Bleibt nur die Frage, wie ich aus der Nummer wieder rauskomme. Da Saiteninstrumente und Schlagzeug feinmotorisch einfach nicht so mein Ding sind (ich tauge nur, um Krach damit zu machen, was Metal ja nun gerade nicht ist), könnte ich allenfalls noch grunzen. Doch selbst dann fehlen mir (angemessen erfahrene) Musiker. Damit ich am Ende nicht den Geistbraus mit dem schlechtesten Brutal Technical Death Metal-Song aller Zeiten (am besten in 8bit Midi) beauftragen muß, erkläre ich diese Idee für gemeinfrei. Möge Wer-auch-immer damit zur Ausbreitung des Reiches Gottes beitragen!

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[1] „Aufopfern“ wäre zwar sachlich ungefähr das Gemeinte. Das gibt’s aber auch in Englisch („to offer up“), außerdem wird „aufopfern“ in der deutschsprachigen Theologie nicht verwendet (wie allerdings das ganze Themenfeld in der deutschsprachigen Theologie m.E. nicht adäuquat zur Sprache kommt), während „redemptive suffering“ sogar einen Wikipediaeintrag hat. (hoch)

[2] Ja, ich weiß, damit das Wortspiel auch für Muttersprachler funktioniert, müßte es natürlich „We are suffering redemptively“ heißen, aber dann klingt der Bandname plötzlich nach Gothic. (hoch)

[3] Zit. n. Peter Mildner: Dimmu Borgir. Satans-Treue, in: Legacy. The Voice from the Dark Side Nr. 48 (April/Mai 2007) 16–18, hier 18. (hoch)

[4] Enthroned schaffen es ja auch, eine satanistisch anmutende Atmosphäre zu verkaufen, indem sie das Pange Lingua verwursten… (hoch)

Da die GEMA was dagegen hat, daß ich euch Possesseds „The Exorcist“ zumute, gibt’s stattdessen Dismember. Und zwar den Opener ihres Debütalbums. Das Stück gehört zu den wenigen Metalsongs, bei denen ich schon beim ersten Mal dachte „wow!“ und die bis heute nichts an Faszination eingebüßt haben. Wie der Titel schon besagt, brechen Dismember hier mit der damals weit verbreiteten „wir müssen erstmal 20 Minuten Einleitung machen“-Einstellung und fangen (fast) sofort mit einem Hammerriff an. Einziger Haken: Sowohl Album als auch Band bauen mit der Zeit immer mehr ab… Nunja, kein Grund, die Nicht-Ouvertüre nicht trotzdem zu genießen:

Heute gibt es im Monday Metal Mix mal einen Song, der bei mir etwas länger brauchte, bis er gezündet hat. Das ganze Album war schon so gut wie als „klingt alles gleich“ an mir vorbeigerauscht (damals war ich noch eher im Melodic Death zu hause), als das letzte Stück auffallend anders war. Wahrscheinlich lag’s am „alla Berndt“-Rhythmus, wie mein Keyboardlehrer meine Vorliebe für das Gegenteil von „alla breve“ nannte, vielleicht auch an dem etwas wirren Ende, möglicherweise auch daran, daß das Stück sehr viel melodischer wirkt als der Rest.

Und so brachte ich die Nacht damit zu, mich in das Album reinzuhören, zunächst mit dem Titelsong in Dauerschleife, fand dann Zugang zu Like Angels Weeping the Dark, To Reign Again und vor allem Let Them Burn (Hell, yeah: All the traitors in the world – let them burn!), entdeckte Black Metal-Riffs in In Words of Desperation und konnte irgendwann auch mit Crippled and Broken (zu sehr auf den Live-Effekt ausgelegt) und It Turns to Rust (fällt ziemlich ab im Vergleich zum Rest) meinen Frieden schließen. Open Scars finde ich nach wie vor ein bißchen zu „weinerlich“, trotzdem fand ich es ein ziemlich gutes Album, was nicht unbedingt dadurch geschmälert wurde, daß ich dem „Live in Deutschland“-Gig auf dem Party.San beiwohnen durfte.

Tempation’s Nest hingegen zündete erst Monate später. Heute würde ich sagen, es war mir zu sperrig. Ich brauchte erst den Zugang über den Text („cast away in the veins of redemption“), der in dieser Postingkategorie aber keine Rolle spielen soll. Tatsächlich halte ich das Stück für das komplexeste des Albums, wenngleich Kataklysm „Northern Hyperblast“ natürlich nie so sonderlich komplex werden kann. Dennoch, diverse Rhythmus-Wechsel bzw. -brüche und zeitweise verschiedene Rhythmen parallel, die den Eindruck des ständigen Vorwärtsstolperns vermitteln, verursachen ein Gefühl der Beklemmung (die schon durch das immerhin 40 Sekunden dauernde Intro, was für Katklysms Verhältnisse recht lang ist, vorbereitet wird), des Getriebenseins und der Unfreiheit, was für eine wunderbare musikalische Umsetzung des Textes (theologicly speaking: Erbsünde!) spricht. Aber der soll hier, wie gesagt, keine Rolle spielen, also hört selbst:

Damit hier ein bißchen mehr Leben reinkommt und der Metal-Teil nicht gar so unter die Räder kommt, habe ich mich zur Einführung einer neuen Kategorie entschieden, des Monday Metal Mix (allitterier dich oder ich freß dich). Und damit gleich zu Anfang klar ist, wohin die Reise geht und daß das hier nichts für Weicheier ist (whimps and posers – leave this blog!!11111elf), habe ich mich dazu entschieden, Belphegor den Anfang machen zu lassen. Zumal damit auch gleich klar wird, daß ich mich hier nicht mit den Inhalten rumschlagen will (dazu lest bitte meine Diss), sondern nur auf möglichst einfache Weise Klicks generieren rumtrollen mich einfach naiv an der Musik erfreuen. Den Text versteht man sowieso nicht. Oder hätte jemand gemerkt, daß da unten im Clip (zumindest teilweise) auf Deutsch gegrunzt wird?

Belphegor ist eigentlich eine völlig überschätzte Band. Angesiedelt im Grenzbereich zwischen Death und Black Metal verbinden sie für meine Ohren ausgerechnet die schlechteren Elemente beider Genre zu einem großen Mist. Aber da auch ein blindes Huhn gern mal einen Korn trinkt, haben auch Belphegor am Anfang, als zwar der Otto-Muehl-Gedächtnis-Satanismus schon klar und deutlich vorhanden war, aber das „Sex, Sex, Sex“ den künstlerischen Anspruch noch nicht völlig ausgelöscht hatte (Interviews, in denen es lang und breit um den Marquis de Sade und die sexuellen Vorlieben der Musiker geht, wobei die Antworten so übertrieben sind, daß [bis auf den Interviewer offenbar] selbst der letzte Idiot merken muß, daß hier nur ein Klischee bis zum Letzten ausgelutscht wird, sind sowas von <Homer Sipmson>langweilig</Homer Simpson>), eine kleine Perle geschaffen (allein schon den more cliché as cliché can-Titel „Necrodaemon Terrorsathan“ muß man sich auf der Zunge zergehen lassen). Der „Eingeweihte“ mag hier die eine oder andere Anspielung erkennen, bis hin zu Hordes „A Churchbell Tolls Amidst The Frozen Nordic Winds“ (das muß doch haargenau dieselbe Glocke sein, die da beide Alben einläutet). Alle anderen dürfen sich an roh brachialem Schlagzeug mit melodischen Untertönen erfreuen. Rumpel die Katz!

Anträge auf Exkommunikation bitte an meinen Ortsbischof.

Nach diesem Album hat die Band leider steil fallend und kontinuierlich abgebaut. Finde erstaunlicherweise nicht nur ich.