Johannes Paul II.

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Bischof Feige hält in einem Interview mit der KNA die Frauenordination für möglich und das Argumentieren mit der Tradition für unzureichend.

ad traditionem

Wenn es in der katholischen Kirche 2019 nicht mehr ausreicht, mit der Tradition zu argumentieren, dann ist Polen bereits offen. Es gibt kein legitimes theologisches Argument, das nicht aus der Tradition stammt. Das hat einfach mit den loci theologici zu tun, also den Quellen theologischer Argumente. Ohne allzusehr ins Detail gehen zu wollen, kennt die Kirche nur zwei aufeinander verwiesene Offenbarungsquellen, aus denen theologische Argumente abgeleitet werden können: Schrift und Tradition. Diese sind insofern aufeinander verwiesen als die Heilige Schrift selbst Teil der Tradition ist und die Tradition in ihrem Kern Schriftauslegung. Dabei ist die Tradition als der eine große und ununterbrochene Prozeß der Glaubensweitergabe von Generation zu Generation zu verstehen (Werbeblock: Wer zuviel Geld hat, kann sich ja mal meine Diplomarbeit über den „Kanon“ von Vinzenz von Lerin reinziehen, womit auch geklärt wäre, wo mein Pseudonym seinen Ursprung hat :-).

Aber meint Bischof Feige hier nicht etwas anderes mit Tradition, nämlich Gewohnheit? Nein! Ganz klar nein! Denn die vom kirchlichen Lehramt in Ordinatio Sacerdotalis aufgeführten Gründe gegen die Frauenordination sind nicht aus mehr oder weniger langen Gewohnheiten abgeleitet, sondern aus der Schrift, die mit Hilfe der Glaubensüberlieferung, also dem Prozeß der Tradition, ausgelegt wird.

Hier zeigt sich ein unanimis consensus patrum, ja saeculi – kein katholischer Autor kennt die Weihe von Frauen, die vielmehr als Zeichen heidnischer oder häretischer Gruppen verstanden wird, z.B. bei Gnostikern, Katharern und Waldensern. Dabei wird nicht aus Gewohnheit oder patriachalischer Misogynie argumentiert (wenngleich solche Argumente gelegentlich als Angemessenheitsgründe angeführt werden), sondern lehrmäßig – aus dem in der Schrift vorgefundenen Willen Christi heraus. Die ungebrochene Gewohnheit, dass die Kirche noch nie Frauen zur Priesterweihe zugelassen hat, kommt dann in den Argumenten von Paul VI. und Johannes Paul II. nur als äußere Bestätigung der bereits belegten inneren Überzeugung ins Spiel.

Natürlich setzt Bischof Feige auf die Zweideutigkeit des Begriffs und die – nach 50 katechesefreien Jahren erwartbare – Unkenntnis der Gläubigen über den Begriff der Tradition. Dieser Begriff ist in der landläufigen Wahrnehmung negativ besetzt und zu einem Synonym für Gewohnheit geworden. Er erwartet, daß bei den mehr oder weniger unbedarften Lesern seines Interviews all die negativen Konnotationen des Begriffs aufgerufen werden und man ihm spontan recht gibt, man brauche bessere Argumente als die bloße Gewohnheit. Und wer wollte letzteres bestreiten!

Doch ist das theologische Argument mit der Tradition eben nicht diese bloße, am besten noch unreflektierte Gewohnheit, sondern das glatte Gegenteil: Die Tradition, der Prozeß der Glaubensweitergabe, ist nach über 5.000 Jahren doch recht ausgefeilt, und nach rund 2000 Jahren christlichen Durchdenkens und Theologie in einem Maße reflektiert, daß man als heutiger Theologe, um überhaupt noch irgendwas Neues „entdecken“ zu können, sich schlicht etwas ausdenken muß (oder irgendeine nicht ganz so bekannte Häresie aus dem Reservoir von 2.000 Jahren wieder aufwärmen).

ad sacerotalem ordinationem

Papst Johannes Paul II. hat in Ordinatio Sacertdotalis (der Text ist übrigens nicht lang, kann man mal eben nebenbei lesen, außerdem sollte man den wesenlichen Verweisen, insbesonderen zu Inter Insigniores folgen, es lohnt sich!) als endgültig festgestellt, dass die Priesterweihe von Frauen unmöglich ist, weil die Kirche keine Vollmacht hat, die Sakramente über den Willen Christi hinaus auszudehnen. Man kann es so zusammenfassen:

Weder Schrift noch Tradition in ihrer Gesamtheit lassen auch nur den leisesten Anhalt erkennen, daß Christus bei der Einrichtung des Sakraments des Ordo eine Weihe von Frauen eingeschlossen hätte. Wenn Christus aber keine Frauen weihen wollte, hat die Kirche schlicht keine Möglichkeit, daran etwas zu ändern.

Vielmehr ist es die beständige Lehre aller Päpste einschließlich Franziskus (Evangelium Gaudium Nr. 104), dass dieses Tor geschlossen ist. Zuletzt hatte sich der Präfekt der Glaubenskongregation erst im Mai 2018 genötigt gesehen, dies in Erinnerung zu rufen.

Alle Gegenargumente basieren auf rein konjunktivistischer Mutmaßerei: Wenn Christus heute gelebt hätte, würde er Frauen geweiht haben. Mal davon abgesehen, daß dies eine völlig uninteressante Hypothese ist – denn Christus hat nun einmal nicht heute gelebt, sondern sich entschieden, vor 2000 Jahren zu leben! –, gibt es durchaus einige Gründe, anzunehmen, daß, wenn Er Frauen als Priester gewollt hätte, Er dies ohne weiteres getan hätte.

Die Frauen im Gefolge Christi spielten eine damals geradezu skandalöse Rolle. Sie finanzierten seine Wanderpredigerschaft und waren – völlig unerhört für die damalige Zeit – mit Ihm und Seinen Jüngern unterwegs auf eben dieser Wanderschaft. Seine Beziehung zu ihnen war zum Teil so nah, daß Ihm bis heute nicht nur von Dan Brown Verhältnisse oder gar mehr mit Maria Magdalena angedichtet werden. Es wäre ein leichtes gewesen, sie auch zum Letzten Abendmahl mitzunehmen und zusammen mit dem Zwölferkreis zu Priestern zu weihen. Aber nicht einmal in den Zwölferkreis hat Er eine Frau aufgenommen, und niemanden außer dem Zwölferkreis hat Er zum Letzten Abendmahl zugelassen.

Im Gegensatz zu den Begriffen Apostel und Diakon, die an einigen Stellen der Heiligen Schrift durchaus in femininer Form auftauchen, ist dies für Presbyter (aus diesem Wort hat sich unser „Priester“ entwickelt) und Episkopoi (Bischöfe) nirgends der Fall.

Für die Diakonin hat die Liturgiewissenschaft inzwischen festgestellt, dass es sie durchaus gab, aber nicht im Sinne einer sakramentalen Weihe, sondern im reinen Wortsinn, also Helferinnen des Bischofs insbesondere bei Taufen von Frauen, die damals Ganzkörpertaufen waren.

Ähnlich wie bei Feiges o.g. Äquivokation zwischen der Tradition und den Traditionen setzt auch das „Apostolin“-Argument auf ein landläufiges Mißverständnis, die Gleichsetzung der Funktions“~ und der Amtsbezeichnung „Apostel“. Als Amtsbezeichnung bezieht sich „Apostel“ ausschließlich auf die Zwölf und Paulus, und ihr Amt wird nur von denen weitergetragen, die sie einsetzten. Die Wortbedeutung ist jedoch ähnlich wie die des Engels die Beschreibung der Tätigkeit des Bote-Seins. So werden etwa auch der heilige Bonifatius „Apostel der Deutschen“ und die heiligen Cyrill und Methodius „Slawen-Apostel“ genannt. In diesem Sinne bezeichnet auch die kirchliche Liturgie seit alters her Maria Magdalena als die Apostelin der Apostel – wohl wissend, daß dies ein Wortspiel und keine Identifikation ist.

Was mich an alledem am meisten erschreckt, ist das völlige Fehlen von belastbaren Argumenten. Bei Bischof Feige ist da nicht mehr als ein Blabla, daß man die Lehre nicht davon abhalten dürfe, sich zu ändern, wie Papst Franziskus sage (obwohl der die Unmöglichkeit der Frauenweihe ausdrücklich bestätigt hat, s.o.) und daß er sich selbst vor ein paar Jahren noch nicht hätte vorstellen können, die Möglichkeit der Frauenweihe zu denken.

Da geht es mir genau andersherum. Ich konnte mir die Möglichkeit der Frauenweihe immer vorstellen, so als rein praktische Möglichkeit, aber nie ein einziges, im letzten überzeugendes Argument dafür finden. Wie gesagt, alle Argumente dafür sind entweder untheologisch oder beziehen sich ausschließlich auf Diakoninen.

Die Argumente für die Frauenpriesterweihe sind in den letzten Jahren weder besser noch mehr geworden. Es ist vielmehr ein trotziges „jetzt erst recht“: Ich habe zwar nicht ein einziges Argument, ich will aber!!!!111111einself Kommt mir als Vater durchaus bekannt vor.

So ist das Beleidigendste an dem Text, der kürzlich auf Facebook die Runde machte, nicht etwa die Forderung nach dem Frauenpriestertum.

Am meisten stößt mir die strunzdoofe, nicht einmal die Ebene des rein Assoziativen erreichenden Logik hinter dem Text auf, die man schon geradezu böswillig nennen muß. Nur ein besonders deutliches Beispiel:

wenn eine frau
jesu sinneswandlung durch ein brotwort wirkte [Mt 15,27, Mk 7,28]
warum sollten frauen dann
bei der wandlung nicht das brotwort sprechen

Ich weiß nicht, ob dafür Triple-Facepalm oder 23 Bier überhaupt ausreichen. Ich bin ja eigentlich ganz gerne für fast jeden Schwachsinn zu haben. Aber dieser Schwachsinn da ist kein richtiger[tm] Schwachsinn. Er ist böswillig: Wohl wissend, daß es Schwachsinn ist, hat man sich hinter scheinbaren Bibelreferenzen versteckt, die man auch noch terminologisch vergewaltigen mußte, um überhaupt eine Strophe draus zu basteln.

Doch selbst, wenn ich die Terminologie noch für einen Moment beiseite lasse, besteht schlicht kein Zusammenhang zwischen den ersten und den letzten beiden Zeilen. Keiner. Überhaupt. Keiner. Nix Logik. Nicht mal falsche Logik:

aus „a“ folgt „b“
dann müsse aus „c“ auch „d“ folgen

Einziger Zusammenhang: der Terminus „Brotwort“. Als terminus technicus auf das erste der Wandlungsworte bezogen und so in der letzten Zeile verwendet.

Das vermeintliche „Brotwort“ aus der zweiten Zeile lautet hingegen (in der matthäischen Fassung):

Ja, Herr! Aber selbst die kleinen Hunde essen von den Brotkrumen, die vom Tisch ihrer Herren fallen.

„Brotiger“ wird es nicht.

Während in den Wandlungsworten von tatsächlichem Brot die Rede ist, das Sein Leib wird, bleibt das Brot hier reine Metapher, die für den Glauben, die Gnade und das Wirken Christi steht. Was also Jesu „Sinneswandel“ verursacht, ist nicht das wirksame Wort, das aus dem bloßen Zeichen das macht, was es bezeichnet, sondern der Glaube der Frau, der sich im Bekenntnis zum Vorrang der Juden und im Vertrauen auf die überfließende Gnade und Güte ihres Gottes manifestiert:

Frau, dein Glaube ist groß. Es soll dir geschehen, wie du willst.

Aber vielleicht ist alles noch viel schlimmer. Nicht nur in nämlichen Text fehlt jeglicher Bezug auf das Wesen des Priestertums, nämlich sich als Werkzeug Christus zur Verfügung zu stellen, so daß Er durch den Geweihten wirken kann. Oder aus der anderen Perspektive formuliert: daß der Priester geweiht wird, um in persona Christi zu leiten, zu lehren und zu heiligen. Wir haben nur einen Hirten, Jesus Christus selbst. Alle anderen, die wir als Hirten bezeichnen, sind nur insofern Hirten, als sie in persona Christi handeln, also Christus durch ihr Handeln wirken lassen.

Wer als Geweihter nicht Christus wirken läßt, sondern sich in Widerspruch zur katholischen Lehre setzt, der sammelt nicht, der zerstreut!

ad titulum

Thus ends the Fifth Battle
By the treachery of men the field is lost
The night falls
And great is the triumph of evil

In den letzten Wochen bin ich beim Verfassen meiner Posts immer wieder an eine Grenze gekommen, so daß die Posts nie fertig wurden und mein Vorrat an verwertbaren Entwürfen inzwischen so ziemlich gegen Null tendiert.

Die Grundidee, an der ich mich abgearbeitet habe, betrifft einige merkwürdige Phänomene, die ich in der Kirche beobachten konnte. In allen diesen Situationen und in, wie mir scheint, immer mehr weiteren (ja, ich bin paranoid), erreiche ich gedanklich einen Punkt, an dem ich merke: So kommst Du nicht weiter. Du kannst diese Phänomene zwar auf den Punkt bringen, das wird aber nichts ändern. Es läßt sich einfach nichts ändern, zumindest nicht, indem man die konkreten Probleme direkt angeht: Es handelt sich um einen „Catch 22“.

„Catch 22“ ist ursprünglich ein Anti-Kriegsroman des Amerikaners Joseph Heller. Das Buch ist, wie ich finde, ausgesprochen anstrengend zu lesen, was wohl daran liegt, daß es die Sinnlosigkeit der beschriebenen Ereignisse und Umstände auch in der literarischen Gestaltung der Erzählung zum Ausdruck bringt. Ich bin froh, das Buch gelesen zu haben, ob ich es empfehlen kann, bin ich mir nicht so sicher.

Von diesem Buch ausgehend hat sich der Begriff „Catch 22“ im Englischen für Situationen, wie sie im Buch beschrieben werden, eingebürgert. Die deutsche Wikipedia nennt diese Situationen „Dilemmata“, das ist mindestens ungenau. Ein Dilemma ist eine Situation, in der ich, egal wie ich mich entscheide, etwas falsch mache. Bei einem „Catch 22“ kann ich zwar nichts richtig machen, aber das liegt nicht daran, daß ich etwas falsch mache, sondern daß die Situation so konstruiert ist, daß unabhängig von meiner Entscheidung das angestrebte Ziel schlicht nicht erreicht werden kann.

Das erste und bekannteste Beispiel für einen „Catch 22“ aus dem Buch ist eine Regelung, nach der wahnsinnige Piloten keine Angriffe fliegen dürfen, sondern von der Front abgezogen werden müssen. Einzige Voraussetzung dafür ist, daß der Pilot eine psychologische Untersuchung beantragt. Der „Catch“ dabei ist, daß die Beantragung dieser Untersuchung zeigt, daß er völlig gesund ist, denn nur ein Wahnsinniger würde Angriffe fliegen wollen. Infolgedessen kann der Gesunde nicht vorspiegeln, geisteskrank zu sein, und der Wahnsinnige kann nicht nach hause geschickt werden, weil er sich selbst ja nicht für wahnsinnig hält und entsprechend keinen Antrag stellen wird, und selbst wenn sich ein Wahnsinniger selbst für wahnsinnig hielte und einen Antrag stellte, würde ihm das als eindeutiges Zeichen geistiger Gesundheit ausgelegt.

Ein Catch 22 drückt sich also in der Unmöglichkeit aus, systemkonform ein Ziel, das das System als mögliches vorspiegelt, erreichen zu können. Ein (moralisches) Dilemma hingegen ist eine Situation, in der zwei absolute Werte miteinander konkurrieren, in der also die Güterabwägung nicht mehr funktioniert, um zu einer klaren Entscheidung zu kommen. Am ehesten vergleichbar ist ein Catch 22 daher mit dem Passierschein A38 aus „Asterix erobert Rom“ oder dem „Was?! Ihr müßt mir doch eine Chance lassen da raus zu kommen! Also gut, ich bin der Messias!“ aus dem „Leben des Brian“.

Allerdings ist der Catch 22 deutlich brutaler. Asterix kommt an den Passierschein A38, indem er den Spieß umdreht und nach Passierschein A39 fragt. Ein Catch 22 kann zwar anfangs noch solche Lücken haben, sie werden aber geschlossen werden und sind nicht systemimmanent wie bei Asterix. So auch im Buch: Ein Soldat entdeckt, daß er den schützenden Rang eines Private First Class auch nach einer Beförderung durch unerlaubtes Entfernen von der Truppe, das eine Degradierung nach sich zieht, immer wieder erreichen kann – bis eben diese Lücke als solche erkannt und geschlossen wird. Brian kann sich verbergen, die Volksmenge hat keine direkte Macht über ihn, und daß er am Ende am Kreuz endet, hat nichts mit der Messiasfrage, sondern mit der Beteiligung an einem terroristischen Akt zu tun. Beide Varianten sind bei einem Catch 22 nicht möglich. Egal was Du machst, egal wie Du Dich entscheidest, die gestellte Aufgabe ist nicht lösbar, denn es gibt nicht nur keine Möglichkeit, die gestellte Bedingung zu erfüllen, die Bedingung selbst ist vielmehr völlig unsinnig: die Bedingung, um „Ziel“ erreichen zu können, besteht in „Nicht-Ziel“.

Und so gelingt es Hauptmann Yossarian, dem Antiheld von Catch 22, schließlich eher zufällig, weiteren Angriffsflügen zu entgehen, indem er zur Strafe zum Major mit Innendienstbeschreibung befördert wird. Denn jede andere Form von Bestrafung würde ihn von der Front abziehen, und dann könnten andere Piloten auch auf die Idee kommen, sich einfach zu weigern, Angriffe zu fliegen. Klingt unlogisch, ist es auch (wie der ganze Catch 22), denn es geht ausschließlich darum, den „Rebellen“ und „Abtrünnigen“ wieder ins System zu integrieren, indem man ihm gibt, was er will, ohne es explizit zu tun. Es wird also das individuelle Interesse ausnahmsweise erfüllt, um die Moral der Truppe im ganzen aufrecht zu erhalten. Und so zeigt sich der Catch 22 in einer Situation im Buch auch als das, was er tatsächlich ist: als blanke Ausübung von Macht.

Wie aber kommt man da raus? Die Antwort lautet: gar nicht. Es gibt aus einem echten „Catch 22“ keinen Ausweg, denn ein echter „Catch 22“ besteht gerade in seiner Alternativlosigkeit. Der Catch 22 ist zunächst eine reine Illusion, die die Ausübung der Macht gleichermaßen verschleiern wie absichern soll, und funktioniert selbst dann noch, wenn man ihn als solchen durchschaut hat, da er dann die Sinnlosigkeit des Versuchs offenbart, sich gegen den Catch 22 zu wehren.

Genau an diesem Punkt kam ich einfach nicht weiter. Es kann doch nicht sein, und es darf nicht sein, daß ich da wirklich nicht rauskomme, daß ich immer verliere. Und dann kam da der heutige Tagesheilige, Papst Johannes Paul II., ins Spiel. In der zweiten Lesung der Lesehore, die seiner Ansprache zu Beginn des Pontifikats entnommen ist, heißt es:

[Die Herrschaft des Herrn hat] ihre Ursprünge nicht in den Mächten dieser Welt, sondern im Geheimnis des Todes und der Auferstehung… Die uneingeschränkte und doch milde und sanfte Herrschaft des Herrn ist die Antwort auf das Tiefste im Menschen, auf die höchsten Erwartungen seines Verstandes, seines Willens und Herzens. Sie spricht nicht die Sprache der Gewalt, sondern äußert sich in Liebe und Wahrheit. […] Habt keine Angst, Christus aufzunehmen und Seine Herrschergewalt anzuerkennen! […] Habt keine Angst! Öffnet, ja reißt die Tore weit auf für Christus! […] Habt keine Angst! Christus weiß, ‚was im Innern des Menschen ist‘. Er allein weiß es! Heute weiß der Mensch oft nicht, was er in seinem Innern, in der Tiefe seiner Seele, seines Herzens trägt. Er ist deshalb oft im Ungewissen über den Sinn seines Lebens auf dieser Erde. Er ist vom Zweifel befallen, der dann in Verzweiflung umschlägt. Erlaubt also … Christus, zum Menschen zu sprechen! Nur Er hat Worte des Lebens, ja des ewigen Lebens!

Da ging mir auf: Der Catch 22 basiert auf der erbsündlichen Verfaßtheit weltlichen Denkens, auf der Angst vor dem Tod, auf dem Streben nach Ehre, Anerkennung, dem Wunsch, etwas zu gelten – und nutzt diese brutal aus. Im Buch funktioniert der Catch 22 genau deshalb, weil die Soldaten Angst vor dem Tod haben (und jeder, der keine Angst vor dem Tod hat, wird als wahnsinnig dargestellt). Die Frage aber, ob der Krieg tatsächlich gerechtfertigt, ja vielleicht sogar notwendig ist (und wir reden hier immerhin vom Zweiten Weltkrieg), auch wenn es vielleicht nicht jeder einzelne Angriff ist, und ob das ständige Heraufsetzen der Flugzahl, bevor man auf Heimaturlaub darf, vielleicht aus Personalmangel tatsächlich notwendig ist, um den Krieg führen und gewinnen zu können – das alles spielt im Buch überhaupt keine Rolle. Es beginnt bereits mit dem Versuch, aus der (vorausgesetzten) Sinnlosigkeit des Sterbens auszubrechen.

Das Sterben in Christus aber ist nicht sinnlos. Die im Buch behandelte Sinnlosigkeit findet ihre Antwort tatsächlich in Christus, der dem nach weltlichen Maßstäben sinnlosen Leben einen Sinn geben kann. Nicht im Sinne einer Vertröstung auf das Jenseits, sondern in dem Sinn, daß er die Wahrheit und Gerechtigkeit als Maßstäbe erkennen läßt, für die es sich lohnt, Leib, Leben, Anerkennung, Würdigung, Bedeutung hin- und aufzugeben, weil Er selbst sie ist. Wer in Christus stirbt, dem wird das Leben nicht entrissen, er gibt es hin; wer in Christus stirbt, dem wird das Leben nicht genommen, sondern gewandelt.

Sicherlich ergibt das alles nur Sinn, wenn ich davon ausgehe, daß die Wahrheit und die Gerechtigkeit sich letztlich durchsetzen werden. Und der einzige Garant dafür ist Jesus Christus selbst. Sich gegen all die Catches 22 zu wehren, geht nur aus der Beziehung und Liebe zu Jesus Christus. Die Wahrheit wird euch frei machen: Wer (wirklich) in Christus lebt, ist für die weltliche Macht uneinnehmbar geworden, da er weder mit Drohungen noch mit Versprechungen korrumpierbar ist – zumindest solange er sich nicht wieder dieser Macht unterwirft.

Lebe ich mit Christus, springe ich nicht mehr über jedes Stöckchen, das mir hingehalten wird, ich kümmere mich um das, was (mir) wirklich wichtig ist, und ich entziehe mich dem Zugriff der Macht auf eine Weise, die die Logik der Macht schlicht nicht verstehen kann. Zugleich führt diese Freiheit aber notwendig in Verachtung, Ausgrenzung und vielleicht sogar Verfolgung; gerade weil ihr mit der Logik der Macht nicht beizukommen ist. Und die Verachtung, Ausgrenzung und Verfolgung erfolgt besonders da, wo es mir am meisten weh tut (wie ich im letzten halben Jahr mehrfach schmerzlich feststellen mußte). So ist das Leben mit Christus kein Zuckerschlecken. Es wird erst so richtig zum Kampf, zum Kampf aus der immer schlechteren Position, immer bergauf, aber es ist ein Leben in Freiheit, vor allem auch innerer Freiheit, in Identität mit sich selbst. Leiden tut immer weh, aber Leiden mit Christus kann die Welt verändern (aber eben nicht, indem die Probleme direkt angegangen werden), vor allem aber den mit Christus Leidenden befreien.

Habt keine Angst! Öffnet die Türen für Christus!