Satanismus

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Im letzten Post schrieb ich, dass Er mir zeigte, „wie falsch die bisher von mir fast unhinterfragt übernommenen Kategorien waren“, ohne dass ich erklärt hätte, was ich damit meinte. Ich wollte den Post nicht überfrachten. Es ist aber die eigentliche Erkenntnis aus der geschilderten Erfahrung, und sie verändert nicht nur die Wahrnehmung, sondern auch die Entschiedenheit.

Bisher bewegte sich mein Denken über die gegenwärtige kirchliche Situation – wie gesagt, unhinterfragt – in den üblichen, in der Regel digitalen Kategorien: „konservativ“ vs. „progressiv“, „vor-“ und „nachkonziliar“, „Traditionalisten“ und „Modernisten“. So richtig hilfreich waren diese Kategorien nicht, um die Gegenwart zu verstehen. Es blieb immer ein viel zu großer Überschuß nicht damit erklärbarer Umstände, was wesentlich daran liegen dürfte, daß es sich um (kirchen-)politische Kategorien handelt, die als solche von der Wahrheitsfrage absehen. Hilfreicher war da das Verständnis als Deutungsmusterkonflikt mit einer dritten Kategorie (noch dazu weniger aggressiv benamst): „traditional“, „modern“, „post-modern“ (M. Widl), wobei das moderne Deutungsmuster das älteste war und das traditionale erst Anfang der 1980er und das postmoderne in den 1990ern wahrnehmbar wurde. Trotzdem konnte ich mich dort nicht recht verorten; ästhetisch war/bin ich nix davon. Auch fühlte ich mich mit dem einfachen Ausweg des „dritten“ Weges „postmodern“ nicht wohl; das wäre zu einfach (und klingt zu dialektisch – These, Antithese, Synthese).

Was mir die Ereignisse der letzten zwei Jahre gezeigt haben, ist, dass diese Kategorien völlig an der Sache vorbei gehen. Es ist kein Deutungsmusterkonflikt, er ist kein Konflikt zwischen Vor- und Rückwärtsgewandten. Es gibt nur zwei ernst zu nehmende Kategorien: Christussucher und Nicht-Christussucher – und die gibt es in jedweder Ausprägung, modern, traditional, postmodern. Die Skala ist hier sicherlich breit und man kann die Kategorien weiter aufsplitten, etwa in Gläubige (Sich-Vergöttlichung-Schenken-Lassende), Suchende, Indifferente und Satanisten (Selbst-Vergöttlicher) (vgl. S. 89f. meiner Diss). Aber es bleibt bei der grundlegenden Entscheidung: Suchst Du Christus – oder nur Dein eigenes Wohlergehen?

Was landauf, landab abgeht, hat nichts mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil oder gar seiner Liturgiereform zu tun, nicht einmal mit dem Konzil der Medien und schon gar nicht mit irgendeinem obskuren Geist des Konzils. Es ist Folge eines steifen, unveränderlichen, christusfernen Traditionalismus, der sich in agnostischer Unentschiedenheit schließlich von der letzten Ehrfurcht vor Gott und der Gottesverehrung frei gemacht hat.

Spannenderweise ist der von der Kirche im 19. Jahrhundert verurteilte Traditionalismus ein direkter Vorläufer des Modernismus, und seine Vertreter, insbesondere die erste Tübinger Schule aus den 1830er und 1840er Jahren, feierten Mitte des 20. Jahrhunderts fröhlich Urständ, und die bis heute gemeinsame Wurzel ist – Agnostizismus: Glaubst Du das wirklich? Kann man das überhaupt glauben? Wie kannst Du Dir so sicher sein? Das ist mir zu dogmatisch! Zweifel gehören zum erwachsenen Glauben. – Alles falsch: „Zehntausend Schwierigkeiten machen noch nicht einen Zweifel“ (Seliger John Henry Newman).

Weitläufig erleben wir noch heute, im Jahr 2019, die vorkonziliare Bet-Sing-Messe: mit nur einer Lesung, den Kurzfassungsliedern anstelle der Ordinariumsgebete (was vorkonziliar liturgisch sogar noch einigermaßen Sinn ergab, aber in den Messen in der außerordentlichen Form, die ich jemals besucht habe – was zugegebenermaßen so viele nicht sind –, war viel mehr von Sacrosantum Concilium zu spüren als in einem durchschnittlichen deutschen Gemeindegottesdienst), dem „Zwischengesang“ anstelle des Antwortpsalms und derselben Lieblosigkeit und Schluderigkeit, mit der viele altehrwürdige Meßfeiern verunstaltet wurden („ich schaffe eine gültige Messe in 9 Minuten!“) – es hat sich nur das Meßbuch geändert, das mißachtet wird. Dafür ist der Mensch in den Mittelpunkt des „Gottes“dienstes getreten, und die Gemeinschaft unter den „Gläubigen“ geht über alles. Oder anders gesagt: Die Liturgiereform ist in Deutschland noch überhaupt nicht angekommen! (Disclaimer: Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel, aber deren Zelebranten sind dann entweder 75+ oder <45 Jahre alt und/oder sind schon lange in der Schublade "konservativ" gelandet.)

Oder genauer: in der meistens zu erlebenden deutschsprachigen Liturgie. Egal ob bei den Kroaten, den Portugiesen oder den Amerikanern – in jeder, wirklich in jeder Liturgie für Fremdsprachler, die ich in den letzten beiden Jahren besucht habe, konnte offenbar jeder ganz selbstverständlich das Ordinarium auswendig sprechen, also inklusive Gloria und Großem (!) Glaubensbekenntnis. Psalm und Halleluja sind hier völlig normal, bevor man sie durch ein Lied ersetzt, spricht man sie, und es scheinen keine ach so pastoralen Gründe für das Weglassen einer Lesung zu existieren (wenn man den ganzen unliturgischen Killefitt zwischendrin weglässt, dauert es mit zwei Lesungen auch nicht länger…). Absolut entlarvender Höhepunkt war die Formulierung des englischen Zelebranten, mit der er die Erklärung einleitete, warum man sich heute ausnahmsweise mit Stuhl-Ellipse um Altar und Ambo inmitten des Kirchenschiffs anstatt im (riesigen!) Altarraum mit Hochaltar befinde, weil das Licht dort oben heute nicht funktioniere: „We are in the german section of the church today…“

Ich habe es so satt, irgendwelche „politischen“ oder „pastoralen“ Rücksichten zu nehmen, die letztlich zu nichts anderem als einer Schere im Kopf führen, die aus „Rücksicht“ nicht sagt, was wahr ist, sondern selbst dort schweigt, wo Reden notwendig ist, ja sogar die Wahrheit zum Schweigen zu bringen versucht, wo sie gesagt wird. Dann braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn überhaupt keiner versteht, was an so einer Vergewaltigung schlimm sein soll: „Das ist doch ganz normal, das machen wir doch immer so.“ – Natürlich macht der Ton die Musik und man soll die Wahrheit nicht wie ein nasses Handtuch den Leuten um die Ohren schlagen, aber dieser Einwand zeigt doch nur exakt die Schere im Kopf: Die Wahrheit zu sagen könne doch nur in der Form des nassen Handtuchs geschehen, also lieber sie verschweigen als irgendjemand irgendetwas zumuten. Das ist schlimmer als jede Häresie – das ist laaaangweilig!

Erst jetzt, wo allmählich rauskommt, dass auch andere Mißbrauchsfälle keine versehentlichen Unfälle waren, sondern dass dahinter mitunter äußerst böswillige und zerstörerische Absicht, ja manchmal sogar System steckte, und dass dieses System von Verantwortlichen gedeckt wurde, wird mir klar, dass das alles nichts mit mir zu tun hatte, dass ich niemals irgendetwas dagegen hätte tun können und dass es an vielen Orten und in großer Zahl ständig und immer wieder passiert(e). Dass hinter vielen dieser Berichte nicht nur Versehen, Unwissen oder „gut gemeint“ steckte – sondern Böswilligkeit, Glaubensabfall und Zerstörungswut: Wenn ihr Mich liebtet, hieltet ihr Meine Gebote!

Und dass meine Hilflosigkeit kein Unvermögen meinerseits, sondern Methode ist: Wenn diejenigen, die für die Menschen zum Dienst am Herrn geweiht sind, die ersten sind, die Ihn vergewaltigen, dann müssen die Menschen, die auf ihren Dienst angewiesen sind, notwendig hilflos sein. Was sollen sie denn tun? Sich die Situation „schöntrinken“ und mit vergewaltigen? Sich in ihr Schicksal ergeben und in jeder Heiligen Messe erneut erleben, wir ihr Herr und ihr geistliches Verlangen mit Füßen getreten werden? Μὴ γένοιτο! Im einen wie im anderen Falle läuft es auf Dauer darauf hinaus, sich an das Undenkbare zu gewöhnen und geistlich abzustumpfen, letztlich also zu verweltlichen. Was wohl genau das ist, was angestrebt ist.

Hier stehe ich, ich kann nicht anders. ¡Viva Cristo Rey!

Der Post-Titel ist der Schlachtruf der Edain des Nordens im Kampf gegen Morgoth. Tolkien selbst übersetzt: „Flame, light! Flee, night!“ Folgt man den Nerds und Geeks, die sich ernsthaft mit dem Sindarin auseinandergesetzt haben, müsste es soviel heißen wie: Möge Licht aufstrahlen! Möge Dunkelheit fliehen! – Wer weiß, wer Morgoth ist und was die Licht-Dunkelheit/Nacht-Dichotomie in diesem Kontext meint, kann vielleicht nachvollziehen, warum dieser Titel der einzig passende für diesen Post war!

Und überhaupt: The scale might be wide but there’s no need to be blind – between black and white there is no room for two.

Ich habe in letzter Zeit mehrere Anfragen zu „ist das und das im Metal tatsächlich so“ bzw. „wie geht man mit dem und dem im Metal um“ bekommen, insbesondere zum Satanismus und zum Rechtsextremismus (NSBM). Ich will das beides zusammen behandeln, da in beiden Fällen dasselbe Grundaxiom im Raum steht: Ein Christ darf keine Musik von Satanisten oder Nazis hören.

Grundsätzlich gibt es drei (und nur drei) Möglichkeiten, mit dieser Frage umzugehen:

  1. Ich blende das Thema aus und höre die Musik, ohne über die evtl. transportierten Inhalte und die religiösen oder politischen Einstellungen ihrer Produzenten nachzudenken.
  1. Ich lehne die Musik ab, weil in ihr (oder auch nur mit ihr) diese Themen transportiert werden.
  1. Ich greife die unhinterfragte Voraussetzung der Problemstellung an und differenziere zwischen Kunstwerk und Künstler; d.h. ich stelle die Frage, ob das Kunstwerk eine künstlerische Aussage darstellt oder reine Propaganda.

ad 1) Die erste Lösung ist eine bewußt unreflektierte. Ich verweigere das Nachdenken über Dinge, die keineswegs nebensächlich sind. Wären sie nebensächlich, müßte ich nicht bewußt diese Dinge ausblenden, sondern könnte sie als nebensächlich abtun.

ad 2) Die zweite Lösung ist streng genommen sogar noch unreflektierter als die erste. Während die erste immerhin noch die geistige Anstrengung unternimmt, bewußt nicht darüber nachzudenken, zieht dieser Umgang mit der Problemstellung voreilige Schlüsse: Wenn jemand „Hail Satan“ in ein Mikrofon brüllt, dann muß er damit exakt das meinen, was ich darunter verstehe. D.h. ich verweigere mich unbewußt dem Nachdenken darüber, was dieser Typ mir wohl sagen will, wenn er Worte in den Mund nimmt, die in meinem Denken als gefährlich gelten (und infolgedessen für mich auch sind). Insbesondere verweigere ich die geistige Anstrengung, darüber nachzudenken, ob der Typ wohl dasselbe denkt, wenn er den Begriff „Satan“ verwendet.[1]

ad 3) Die dritte Variante versucht zu verstehen, was in den problematisierten Thematiken zum Ausdruck gebracht werden soll und entscheidet von Fall zu Fall, wie sie das konkrete künstlerische Produkt beurteilt. So könnte als Kriterium für „Propaganda“ zum Beispiel geprüft werden, ob die Band diese Thematiken nur künstlerisch verarbeitet oder auch in „satanistischen Sekten“ oder rechtsextremen Netzwerken aktiv ist.

Das Problem des Metals ist nun, daß er aus seiner Eigenlogik heraus keine dieser drei möglichen Varianten vertreten kann (obwohl alle drei auch von Metallern im Metaldiskurs vertreten werden; aber der Metal-Gesamtdiskurs kann keiner der drei Varianten auch nur mehrheitlich zustimmen). Denn:

1) ist dumm und weiß auch noch, daß es dumm ist. Die meisten Metaller halten sich aber für zu reflektiert und klug, um diese Position einzunehmen. Vor allem sind sie sich bewußt, daß diese Lösung eigentlich nur hilflos ist. Sie funktioniet in der Praxis auch nur dann, wenn man so zwischen Musik der Band und der politischen Ausrichtung der Bandmitglieder unterscheidt, daß man ruhigen Gewissens sagen kann, in der Musik spiele die Politik keine Rolle. Das kommt 3) aber schon wieder recht nahe.

2) ist die Lösung der Spießer (nichts Grundsätzliches gegen Spießer, bin selbst manchmal einer). Dabei ist es auch egal, ob der Spießer jetzt meint a) „Hail Satan“ sei ein Anbeten des Teufels (weil das in seinem Denken anders nicht sein kann) oder b) an sich harmloser Ausdruck jugendlicher Rebellion (weil das in seinem Denken anders nicht sein kann). Natürlich ist das Ergebnis diametral entgegengesetzt: a) hält Metal für gefährlich, b) für harmlos.

Witzigerweise kann der Metal auf Dauer mit a) sogar besser leben als mit b), denn er hält sich sogar selbst für „gefährlich“, und selbst wenn der Metaller für sich selbst den Metal als reine Rebellion versteht, wäre es etwas witzlos, wenn diese Rebellion niemanden juckt, weil das ja nur eine vorübergehende Entwicklungsphase sei.

Problematisch wird Position a) jedoch, wenn mit politischen, wirtschaftlichen oder rechtlichen Machtmitteln gegen den Metal vorgegangen wird – das kann naturgemäß nicht mehr mit dem Selbstverständnis des Metals in Übereinstimmung gebracht werden. Insofern ist im Metal doch wieder eher eine Neigung zu b) zu spüren, getreu dem Motto „die lassen uns wenigstens machen“.

3) kommt immerhin als Lösung für den Einzelnen durchaus in Frage. Da es sich aber um Einzelfallentscheidungen mit Ermessensspielraum handelt, kann daraus keine allgemeingültige Antwort „des Metals“ abgeleitet werden. So gab es durchaus auch Nicht-Rechtsextreme, die den NSBM für einen legitimen Teil des Metals hielten.

Die zuletzt genannte Position ist tatsächlich aus der Eigenlogik des Metals ableitbar: Metal soll gefährlich sein, sich mit den dunklen Elementen menschlichen Daseins beschäftigen und sie gerade in ihrer Bosheit darstellen – was nur geht, wenn man im künstlerischen Ausdruck konsequent auf moralische Urteile verzichtet. Dann kann aber das Thema, das in der heutigen Wahrnehmung über den Teufel weit hinaus das schlimmste ist, das es gibt, der Nationalsozialismus, nicht außen vor bleiben. Dann muß es neben „Hail Satan“ auch „Heil Hitler“ geben. Das ist reine Logik.

Doch hört hier selbst für die meisten Metaller der „Spaß“ auf. Lieder wie „Angel of Death“ von Slayer, das das Grauen des Dr. Mengele (fast) unkommentiert darstellt, geht gerade noch so durch, ecken aber auch schon bei einigen Metallern an. Glorifizierungen des Nationalsozialismus wie im bekennenden NSBM hingegen, sind für die meisten Metaller ein „No-go“. Das ist dann doch zu gefährlich.

Nur steht das eigentlich in einem Widerspruch zum Metal-Selbstverständnis, was in ein Dilemma führt, das jeder nur für sich selbst beantworten kann: Wieso ist der Nationalsozialismus zu gefährlich, der Satanismus hingegen nicht? Die naheligende Antwort scheint mir: Wei wir den Satanismus eigentlich nicht ernstnehmen. Das gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, daß Satanismus im Metal, wenn mehr als bloß künstlerisches Ausdrucksmittel, meist philosophischer Satanismus ist, der vielleicht nicht sozial gefährlich ist, aber aus christlicher Perspektive zu geistlicher Selbstzerstörung führt, da er auf der Ursünde des „Selbermachens“ basiert. Diese Gefahr wird dann aber nicht ernstgenommen.

Worin liegt dann aber die Berechtigung des Metals an sich? – In der künstlerischen Verarbeitung des Bösen, das eber gerade nicht rational angemessen erfaßt werden kann. Das Böse ist wesenhaft irrational und entzieht sich dem rationalen Verständnis. Das mit ihm dem Menschen gestellte Problem ist rational letztlich nicht lösbar. Die Kunst hingegen hat Möglichkeiten, menschliche Erfahrungen auszudrücken und zu vermitteln, die über das rein Rationale hinausgehen. Doch selbst in der Kunst wird das Böse häufig moralisch verarbeitet, d.h. mit negativen Urteilen belegt, die die durch das Böse verursachte Verunsicherung sofort durch die Selbstvergewisserung „wir sind ja die Guten“ suspendieren. Das Böse aber ästhetisch als das darzustellen, was es ist, nämlich als Böses, gelingt m.E. nur wenigen – und das hauptsächlich in mehr oder weniger abseitigen Teilen der populären Kultur. In diese Kategorie gehört auch der Metal.

Daraus folgt für die eingangs gestellte Fragestellung: Die dritte Möglichkeit ist tatsächlich die einzige Möglichkeit. Wer über die Fragestellung nachdenkt, wird merken, daß es ein Tanz auf Messers Schneide ist und bleibt. Aber die Alternativen überzeugen m.E. noch weniger, denn sie reproduzieren die Varianten 1) und 2): sich der Auseinandersetzung mit dem Bösen ganz entziehen, seine Existenz auszublenden und in eine scheinbar „heile Welt“ flüchten – oder sich mit dem Bösen unzureichend, insbesondere rationalistisch verengt, auseinanderzusetzen.[2]

Abschließend sei doch noch eine vierte Variante genannt, eine Kombination aus 3) und 1): Sich der Gefährlichkeit bewußt zu sein, sie aber bewußt auszublenden. Das dürfte praktisch der häufigste Umgang sein. Dann könnte man aber keinen Blogpost drüber schreiben, weil man dann schon die Frage nicht stellen könnte…

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[1] Um das dem Theologen etwas verständlicher zu machen: Die Dogmengeschichte ist zu einem nicht unwesentlichen Teil ein Ringen um Begriffe. Nicht wenige Häresien gründeten darauf, daß sie zwar dieselben Begriffe wie die Großkirche verwendeten, damit aber etwas anderes meinten.

Mal ein Beispiel aus der Neuzeit: Die katholische Kirche differenziert zwischen der Erbsünde und der Konkupiszenz, der ungeordneten Begierlichkeit; Luther hingegen identifiziert die Erbsünde mit der Konkupiszenz. D.h. Luther meint etwas ganz anderes, wenn er von „Erbsünde“ spricht, als die katholische Kirche. Wenn ich also im ökumenischen Gespräch von der Erbsünde rede und dabei voraussetze, daß die Protestanten dasselbe damit meinen wie ich, ist das Gespräch von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Zweites Beispiel: In den letzten 50 Jahren hat auch die katholische Theologie große Anstrengungen unternommen, klassische Begriffe der katholischen Lehre neu zu deuten. Dabei ist aber das entscheidende gar nicht der Begriff, sondern das von ihm Bezeichnete. Den Begriff wollte man behalten, aber das Bezeichnete ändern. Tatsächlich wäre es aber besser, den Begriff zu ändern und das Bezeichnete zu behalten.

Und so könnte es ja sein, daß der „Hail Satan“-Sänger hier überhaupt keinen gefallenen Engel grüßt, sondern Satan als ein künstlerisches Symbol des Bösen versteht, und mit dem Gruß des Bösen ausdrücken will, daß der Mensch ihm ausgeliefert ist. Muß nicht so sein, könnte aber. Oder anders. Dafür müßte man halt darüber reflektieren, was der Typ aus seiner Perspektive damit wohl meinen könnte. (hoch)

[2] Wie sollte etwas, das wesentlich irrational ist, rational erfaßbar werden?! (hoch)

Und noch so ein Post, der seit drei Jahren in der Warteschleife lag, aber es verdient, ans Licht zu kommen.

In Etzelsbach ist der Papst am deutlichsten auf das Verhältnis von Kirche und Welt eingegangen. Ja, in Etzelsbach, nicht in der Konzerthausrede, denn da ging es um die Verweltlichung der Kirche.

Damals habe ich das nicht so mitbekommen, weil die Vorbereitungen auch der Helfer für die Papstmesse auf dem Domplatz auf Hochtouren liefen, und habe immer nur „Maria, Maria, Maria“ gehört. Das ist auch nicht falsch gewesen, denn anhand von Maria stellt er die christliche Seite der Alternativen dar.

Es ist wohl auch nicht zufällig, daß er dies gerade im Eichsfeld getan hat. Nirgendwo sonst hatte er ein so durchgekirchlichtes Publikum vor sich, das sich in größeren Teilen zudem noch lebhaft an die Konfrontation mit den Kräften der Welt erinnern konnte. Und so trennen die erste Nennung Mariens und die erste Erwähnung gottloser Diktaturen ganze 25 Worte.

Die zwei gottlosen Diktaturen sind eigentlich nur ein kurzer, dunkler Schatten auf einem sehr lichtreichen Abschnitt der Predigt, der im gesprochenen Wort schnell untergeht. Aber sie ist doch mehr, als nur die Erwähnung des besonderen „Charisma“ des Ortes, nämlich über 56 Jahre hinweg weitgehend geschlossen antichristlichen Diktaturen getrotzt zu haben. Beim Lesen dachte ich mir bereits an dieser Stelle: Und heute? Was über ein halbes Jahrhundert Diktatur nicht geschafft haben, scheint sich jetzt selbst im Eichsfeld durchzusetzen. Und ist es bei diesem Papst so weit hergeholt, im Hintergrund gleich noch eine dritte, heutige Diktatur, die des Relativismus mitschwingen zu hören?

Ich denke nicht. Denn etwas nach der Mitte der Predigt legt sich ein erneuter dunkler Schatten auf das Licht, das die Worte des Papstes ausstrahlen. Auch hier nur kurz, aber drastisch, zwar nur als die dunkle Gegenfolie, aber so auf den Punkt gebracht, daß man das Beschriebene theologisch nur als Satanismus bezeichnen kann (zumindest entspricht es bis in den Wortlaut hinein dem, was ich in meiner Diss als theologischen Gehalt des Begriffes Satanismus herausgearbeitet zu haben meine):

Nicht die Selbstverwirklichung, das Sich-selber-haben-und-machen-wollen schafft die wahre Entfaltung des Menschen, wie es heute als Leitbild modernen Lebens propagiert wird, das leicht zu einem verfeinerten Egoismus umschlägt.

Daß mir diese Dunkelheit als erstes auffällt, kann ich wohl mittlerweile als Berufskrankheit anerkennen lassen. Doch auch im „lichten“ Rest der Predigt scheint bei genauerer Betrachtung immer wieder auch die Dunkelheit durch. Wie sollte das auch anders sein, ist das Gnadenbild von Etzelsbach doch eine Pietà:

Eine Frau mittleren Alters mit schweren Augenlidern vom vielen Weinen, den Blick zugleich versonnen in die Ferne gerichtet, als bewegte sie alles, was geschehen war, in ihrem Herzen. Auf ihrem Schoß liegt der Leichnam des Sohnes, sie faßt ihn behutsam und liebevoll, wie eine kostbare Gabe. Wir sehen die Spuren der Kreuzigung auf seinem entblößten Leib.

Maria kennt wie wir das Leid, ja, sie kennt „das größte aller Leiden“ und kann daher alle unsere Nöte mitempfinden. So gehen von der Schmerzensreichen Trost und Stärkung aus.

Entscheidend dafür ist aber die Beziehung zwischen Mutter und Sohn und ihre Betrachtung durch den trostsuchenden Gäubigen. Der Papst weist dabei auf eine Besonderheit der Etzelsbacher Darstellung hin. Der tote Jesus liegt hier nicht, wie sonst meist üblich, mit dem Kopf nach links, so daß der Betrachter seine Seitenwunde sehen könnte, sondern mit dem Kopf nach rechts, so daß seine linke Seite, die Herzseite, der Mutter zugewandt ist. Beide Herzen kommen einander nahe. „Sie tauschen einander ihre Liebe aus.“ Cor ad cor loquitur.

Genau das ist die christliche Gegenkonzeption zum „Selber-machen“,

die Haltung der Hingabe, des sich Weggebens, die auf das Herz Marias und damit auf das Herz Christi ausgerichtet ist und auf den Nächsten ausgerichtet ist und so uns erst uns selber finden läßt.

Gott läßt uns nicht im Leid versinken. Auch (gerade) bei Maria hat Er alles zum Guten gewendet. Und Maria ist sozusagen unser Vor-Bild, das Bild, an dem wir erkennen können, was Gott an uns tun will und wird, wenn wir Ihn denn nur ließen. Doch sie ist nicht nur das Bild des Heils, das uns erwartet, sondern Christus hat sie uns auch zur Mutter gegeben, durch die Er uns Seine Gnade schenken will:

Im Moment Seiner Aufopferung für die Menschheit macht Er Maria gleichsam zur Vermittlerin des Gnadenstroms, der vom Kreuz ausgeht. Unter dem Kreuz wird Maria zur Gefährtin und Beschützerin der Menschheit auf ihrem Lebensweg.

Das sollte man nicht dogmatisch mißverstehen. Der Papst meint nicht, daß es ohne die Vermittlung Mariens kein Heil gäbe. Vielmehr ist das ein pastoraler Gedanke Gottes: Es fällt vielen Menschen leichter, zu einem anderen Menschen eine Beziehung aufzubauen und von ihm Hilfe anzunehmen als direkt zu/von Gott. So ist die Mutterschaft Mariens eine Form der Fortsetzung der Inkarnation. Gott wird Mensch, um es den Menschen einfacher zu machen, Seine Gnade anzunehmen, und Er setzt Menschen ein, um diese Gnade zu vermitteln, zuallererst Seine menschliche Mutter, Maria.

Ja, wir gehen durch Höhen und Tiefen, aber Maria tritt für uns ein bei ihrem Sohn und hilft uns, die Kraft Seiner göttlichen Liebe zu finden und sich ihr zu öffnen.

Es ist schwer für den Menschen, sich seine Schwäche einzugestehen, Hilfe von anderen anzunehmen. Umwieviel schwerer ist es noch, sich einzugestehen, auf die Hilfe Gottes angewiesen zu sein!

[Maria] will uns in mütterlicher Behutsamkeit verstehen lassen, daß unser ganzes Leben Antwort sein soll auf die erbarmungsreiche Liebe unseres Gottes. Begreife – so scheint sie uns zu sagen -, daß Gott, der die Quelle alles Guten ist und der nie etwas anderes will als dein wahres Glück, das Recht hat, von dir dein Leben zu fordern, das sich ganz und freudig seinem Willen überantwortet und danach trachtet, daß auch die anderen ein Gleiches tun.

Das setzt Demut, Selbsterniedrigung voraus, so daß aus rein menschlicher Perspektive das „Selber-machen“ sehr viel verlockender und hilfreicher erscheinen mag. „Better to reign in hell, than to serve in heaven“, wie es in John Miltons Paradise Lost heißt. Und so schließt sich der Kreis. Dem weltlichen Weg der gottlosen Diktaturen, des „Selber-Machens“, der Selbstverwirklichung, ja, des Satanismus in der Selbstvergöttlichung steht der himmlische Weg Mariens zu Christus entgegen, ein Weg der Demut, der Liebe, der Zuwendung und des Friedens, der Vergöttlichung des Menschen durch den einzigen, der diese Vergöttlichung schenken kann, weil Er selbst wahrer Gott und wahrer Mensch ist (Theosis). Und ist es wohl zu weit hergeholt, Absicht darin zu sehen, daß die gegenwärtige Diktatur des Relativismus nur ansatzweise angedeutet wird? Will der Papst nicht sagen: Diese gottlosen Diktaturen, das „Selber-Machen“, das ist ein Weg der Vergangenheit (selbst wenn er vielleicht gegenwärtig beschritten wird), die Zukunft aber gehört dem himmlischen Weg, denn „wo Gott ist, da ist Zukunft“?

Die Braut des Lammes hatte recht. Das Omen ist um einiges besser als der Exorzist, zumindest der erste Teil. Mir ging es so, daß ich mich die ganze Zeit des Filmes in der Sicherheit wiegte, daß Damien der Antichrist ist und der Vater Thorn doch endlich mal die Augen für die Realität öffnen solle.

Und dann versucht er am Ende tatsächlich, seinen Sohn zu töten und wird bei diesem Versuch von der Polizei erschossen. Hat das Böse also gewonnen. Hat es das? Die nächsten vier, fünf Sätze stellen alles in Frage, was ich in den vorangehenden anderthalb Stunden für „die Wahrheit[tm]“ gehalten hatte. Vielleicht waren die ganzen Todesfälle ja tatsächlich bloß Unglücksfälle. Jeder für sich war es jedenfalls, auch wenn sie stellenweise ziemlich kuriose Umstände hatten (siehe Video, aber bitte erst ab 16 Jahren).

Vielleicht war Robert Thorn über diese ganzen Todesfälle tatsächlich wahnsinnig geworden? Wer kann „der Welt[tm]“ verdenken, daß sie genau das meint? Das einzige harte Faktum ist das Muttermal in Form der drei Sechsen, und wie genau kann man das denn auf dem Hinterkopf unter den Haaren erkennen? Vielleicht doch alles nur Täuschung? Aber dann die Schlußszene: Damien ist genau dort gelandet, wo er laut Prophezeiung herkommen soll: im Zentrum der Macht. Der US-Präsident hat sich des Kindes seines ehemaligen Botschafters angenommen.

Hier kann man wirklich etwas über das Wesen des Bösen lernen: Es versteckt sich hinter scheinbaren Zufällen, hinter Ereignissen, die jedes für sich alles andere als eindeutig sind, bedient sich vieler unwissender Handlanger, und die wissenden Handlanger sind kaum von den unwissenden oder gar den Unbeteiligten zu unterscheiden, ja, die Polizisten, die Robert Thorn in Nothilfe erschießen, sind sogar der Meinung, dadurch dem Guten zu dienen. Der Film zeigt, wie das Böse in eine scheinbare Idylle einbricht, zugleich aber fast nie unter seinem eigenen Namen erscheint und sogar den täuschen kann, der es als das erkannt zu haben meint, was es ist – in diesem Fall den Zuschauer. Eine grandiose Geschichte, die man gesehen haben muß! (Und, wo ich mir gerade das Video nochmal angeguckt habe, grandiose Bilder! Der Film braucht eigentlich kaum Text!)

Dagegen ist der zweite Teil eigentlich nicht der Rede wert. Er ist ein Splatterfilm, noch dazu ein schlechter (insbesondere, wenn man die Bilder mit dem ersten vergleicht). Ok, man kann einem Film von 1978 nicht vorwerfen, daß er nicht über die technischen Möglichkeiten von heute verfügt und die Splatterszenen heute eher ein amüsiertes Lächeln hervorrufen. Sehr wohl kann man ihm aber vorwerfen, die Szenen nur lose verbunden aneinandergereiht zu haben, ohne eine Geschichte zu erzählen, und auf der einen Seite voyeuristisch Splatter und Gore zeigen zu wollen (und dafür auf Spannung und Dramatik zu verzichten), es dann aber nicht durchzuziehen. Das eigentliche Thema des Filmes hätte das „Coming of Age“ des Antichrist sein müssen. Das spielt er aber nicht einmal ansatzweise in der psychischen Dynamik aus, die nötig gewesen wäre, um den Film fesselnd zu machen: Damien liest Offb 13, entdeckt sein Muttermal, rennt an den See, brüllt: „Why me?!“ und ist ab da der seiner selbst bewußte Antichrist, der sich als Serienkiller betätigt. Na super. Das einzig Übernatürliche an diesem Film ist, daß Damien nie Hand anlegen muß.

Was mich an beiden Filmen stört, ist die Ängstlichkeit, ja geradezu Panik, mit der diejenigen handeln, die Damien als den Antichrist erkannt haben (mit Ausnahme von Vater und Onkel Thorn sowie der Nebenrolle des Exorzisten Carl Bugenhagen). Während das im ersten Teil noch halbwegs stimmig ist, handelt es sich doch in einem Fall um einen Priester, der jahrelang dem Teufel gedient hat und sich nicht vorstellen kann, daß Christus ihm das vergeben könne, und im anderen um einen Journalisten, der christliche Symbole dann in einem magischen-abergläubigen Mißverständnis wenig erfolgreich zu seinem Schutz verwendet, aber nicht wirklich glaubt, ist das ganze im zweiten Film nur noch Klischee, dem man allenfalls zugute halten kann, daß auf diese Weise diejenigen, die Damien als den Antichristen erkannt haben, von vorne bis hinten als durchgeknallte religiöse Fanatiker erscheinen. Oh, wo ich’s jetzt genauer betrachte, ist dieses Klischee also tatsächlich die einzige Komplexität des Filmes…

Nunja, im Netz habe ich gelesen, der dritte solle noch schwächer, und der vierte eigentlich nichts mehr mit dem Original zu tun haben. Lohnt es sich wohl, sich die anzutun?

Ich kann’s immer noch nicht glauben. Am Freitag habe ich erfahren, daß in meine Tauf- und Heimatkirche eingebrochen wurde. Was wurde geklaut? Der TABERNAKEL! Zielstrebig und ausschließlich!! Samt Inhalt!!!

Da sind mir Ziel und Motiv relativ egal.

Die Einbrecher haben sich nicht für andere Kunst- und Wertgegenstände interessiert, aber in der Sakristei die dort gelagerten Schlüssel durchsucht. Es liegt nahe, daß sie den Tabernakelschlüssel gesucht haben.

In der Gemeinde existieren zwei Theorien. Die erste ist: Die Einbrecher waren Satanisten auf der Suche nach zu verunehrenden Hostien. Nachdem sie den Schlüssel nicht gefunden haben, haben sie gleich den ganzen Tabernakel mitgehen lassen.

Die zweite ist im Kern auch die der Polizei: Wie auf diesem Bild zu sehen ist, ist der Tabernakel ein dunkler Klotz (mit zwei eingesetzten Bergkristallen) auf hellem Travertin — KUPFER. In dieser Deutung könnte die (nach einem Zeugen) möglicherweise osteuropäische Herkunft der Täter dafür sprechen, daß sie den Tabernakelschlüssel gesucht haben, um den Inhalt gerade nicht mitnehmen zu müssen.

Aber das ist schlußendlich völlig egal.

Nachdem ich es schon seit drei, vier Jahren vor hatte und die DVD auch schon seit zwei Monaten bei mir rumstand, habe ich jetzt endlich mal „The Exorcist“ geguckt. Irgendwann während meiner Diss wurde mir bewußt, daß nicht nur ein Gutteil textlicher Inhalte des Metals aus Horrorfilmen stammt, sondern daß es auch eine ästhetische Verwandtschaft zwischen beidem gibt, die bis hin zur Wirkung auf den Zuhörer/Zuschauer geht. Das habe ich zwar damals nicht weiter vertieft, trotzdem wäre es mal spannend, der Frage nachzugehen, wie der Metal es mit musikalischen Mitteln schafft, eine ähnliche Wirkung hervorzurufen wie die Filme, die mit der Kombination aus Bildern und Tönen es wesentlich einfacher haben müßten, bestimmte Emotionen hervorzurufen.

Haben müßten. Während ich den Film gesehen habe, kam mir spontan ein Dialog aus Monty Pythons Spanish Inquisition-Sketch in den Sinn: „Is that really all it is?“ — „Yes, lord.“ — „I see. I suppose we make it worse by shouting a lot.“ In der ersten halben Stunde — das ist ein gutes Viertel des Films — passiert so gut wie gar nichts. Sie ist reine Exposition und dafür viel zu lang geraten, zumal einiges von dort später keine Rolle mehr spielt, ich mich also gefragt habe, was mir diese Szenen eigentlich sagen sollten. Nach 23 Minuten kam immerhin mal ein Ouija-Bord vor, aber wie auch später — mit Ausnahme des tatsächlichen Exorzismus am Ende des Films — gibt es hier eine ganz kurze Andeutung, dann geht es im normalen Alltag weiter. Die kurzen Phasen, in denen die Besessenheit dargestellt wird, bestehen vor allem aus schreienden Frauen. Super. Ist wie im Blair Whitch Project: Ohne Ton (unfreiwillig) komisch, aber ganz sicher nicht ängstigend.

Es mag sein, daß der Film Anfang der 70er wirklich kraß war. Sprachlich bestimmt. Keine Ahnung, wie das auf Deutsch ist, auf Englisch ist in den Besessenheitsphasen großzügig geschätzt jedes zweite Wort ein „Four-Letter-Word“. Nicht nur das mit „f“, sondern gleich mehrere mit „c“ und eines mit „s“, die allesamt aus derselben subabdominalen Gegend stammen. Wie überhaupt die Besessenheit vor allem was mit Sexualität zu tun haben scheint.

Es ist zwar nicht ganz fair, einen neueren Film gegen einen älteren auszuspielen, nur weil ich ihn früher gesehen habe, trotzdem fand ich „The Ritual“ besser als „The Exorcist“. Obwohl die Parallelen (bis hin zu den Gründen der Entstehung und dem Aufbau auf einer realen Geschichte) unübersehbar sind, ist beim „Ritual“ alles besser: Das Drehbuch, der Schnitt, die Spannung, die Darstellung der Besessenheit, ja, die ganze Story. Der „Exorzist“ ist irgendwie komisch „objektiv“, das heißt: Er bietet überhaupt keine Identifikationspersonen. Es ist nicht einmal klar, wer eigentlich die Hauptrolle hat. Die besessene Regan? Ihre Mutter? Father Karras? Aber warum heißt der Film dann „The Exorcist“? Der Exorzist ist vielmehr Father Merrin, der nur am Anfang und am Ende des Filmes vorkommt, für mich aber noch am ehesten zur Identifikationsfigur getaugt hätte — wenn er denn mehr Anteil am Film gehabt hätte. Im wesentlichen ist er nur am Anfang auf seiner Ausgrabungsstätte zu sehen und am Ende beim Exorzismus. Ok, er hält damit tatsächlich den Film als ganzes zusammen, aber auch nur so weit, daß er nicht in Fragmente gesprengt wird.

Aber immerhin weiß ich jetzt, woher Marduk das „Fuck me, Jesus“-Motiv haben und daß der Anfang von Possesseds „The Exorcist“ Mike Oldfields „Tubular Bells“ ist, m.a.W.: Das einzige einprägsame musikalische Motiv im ganzen Film (also selbst die Musik ist allenfalls durchschnittlich). Warum der Film das Prädikat „besonders wertvoll“ bekommen haben soll, ist mir ein Rätsel, genauso warum manch einer der Kommentatoren im Internet meint, wenn nicht dieser, welcher Film sollte dann FSK 18 sein. Ich gehe da eher mit dem in der Wikipedia zitierten Everson:

Man kann nicht bestreiten, dass „The Exorcist“ ein Publikum wirklich mitreißt; und trotzdem ist es ein billiger und minderwertiger Film – häufig ungeheuer plump in seiner Unfähigkeit, auch nur glatte Szenenanschlüsse zustandezubringen […]. Trotz all seines Hokuspokus gelingt es „The Exorcist“ nicht, den Teufel fürchterlicher erscheinen zu lassen als die Vampirin in Carl Dreyers „Vampyr“ [kenne ich zwar nicht, wird aber mit Sicherheit stimmen]. Es ist wohl ein Symptom für unsere wirre Zeit, daß die Leute in „The Exorcist“ gerannt sind, um sich Angst machen zu lassen, weil sie schreien wollten, verschreckt und angeekelt wieder herauskommen, aber irgendwie doch stolz darauf, daß sie es ausgehalten haben.“

Jetzt hoffe ich, daß die Omen-Reihe besser ist. Oder ich gehe doch wieder zu meinen Zombies zurück. Die sind, wenn sie schon nicht bedrohlich wirken, wenigstens lustig.

Mit dem Sledge Hammer-Post habe ich die (unbewußte) Quelle des letzten Metal-Serien-Post-Titels preisgeben. Da seht ihr mal, wie seriös und objektiv mein Bloggen ist. Schönen Gruß von Freud. 🙂

Worum es mir aber im Ernst geht, ist die Kritik an der Diskussion über eine Musikkultur unter Ausblendung der Musik selbst. Mir ging es zunächst (und eigentlich auch abdriftenderweise) um eine rein negative Abwehr einiger (zum Teil nur scheinbar) auf die Musik bezogener Argumente gegen den Metal. Damit ist nicht mehr und nicht weniger gesagt, als daß die Kritik am Metal eben genau den Metal ausblendet.

Nicht mehr bedeutet dabei, daß es ja durchaus auch eine soziale Praxis gibt, also der Metal auch eine Subkultur ist, und daß man Kritik an den Inhalten der Songtexte nicht einfach zur Seite wischen kann. Nicht weniger aber bedeutet, daß mindestens eben jene soziale Praxis sich um die Musik herum bildet und nicht andersrum, daß die soziale Praxis also die Musik interpretiert (sowie die Musik die soziale Praxis) und nicht bloß eine beliebige Begleiterscheinung ist.

Wenn ultramontanus in der ComBox schreibt: „Das heißt, um seine Bedeutung zu erfassen, genügt es nicht, nur zu konstatieren, ah, hier und hier und da auch kommt ein Tritonus vor, sondern seine Stellung im Stück und die weitere Progression müssten schon mit betrachtet werden“, dann hat er eigentlich genau den Punkt getroffen, um den es mir im positiven Sinne geht (auch wenn zitierter Abschnitt eine andere Zielrichtung hatte). Die Kritiker lehnen die Musik ab, weil sie laut ist (ohne zu erklären, warum Lautstärke, über den möglichen gesundheitlichen Schaden hinaus, schlecht ist), weil sie musikalisch anspruchslos wäre (ohne darzulegen, welchen musikalischen Anspruch sie dabei als notwendig voraussetzen), weil sie disharmonisch ist (ohne zu erklären, ob Disharmonie erst beim Tritonus anfängt oder bereits die Polyphonie vom Bösen war), kurz: weil sie ihnen nicht gefällt (was ja niemand verlangt, es reicht ja, wenn sie den Metallern gefällt).

Ok, eins muß ich allerdings zugeben: Ein ästhetisches Urteil ist immer auch ein moralisches, nämlich über die Werte, die hinter dem ästhetisch beurteilten Kunstwerk intuitiv angenommen werden. Und genau damit sind wir auch beim eigentlich Inhalt der Kritik, nämlich an den (angeblichen) Werten, die vom Metal vertreten werden, und den daraus resultierenden Handlungen. Der springende Punkt ist nur: Das intuitive Urteil wäre zu durchdenken und zu einem reflektierten Urteil zu machen. Dieses sollte dann auf Musik, Texten und sozialer Praxis zugleich beruhen.

Das Dumme ist nur, daß ein solcher Ansatz etwas komplizierter ist, als einfach nur bestätigende Indizien für die eigene Meinung zu suchen und aneinanderzureihen.1 Und möglicherweise würde man dabei festellen müssen, daß die ästhetisch-intuitive Ablehnung musikalisch nicht ganz so leicht zu begründen ist, denn, wenngleich das Niveau auch schwankt, ist es nicht so leicht, dem Metal einen künstlerischen Anspruch abzusprechen. Darauf will ich demnächst näher eingehen.

Für heute soll als praktische Einführung die „A-Seite“ von „Master of Puppets“ genügen (denn über Musik zu schreiben ist, wie zu Archtiektur zu tanzen), die vielfach für Metal in Beinahe-Perfektion gehalten wird. (Anmerkung: Metal ist eigentlich schlecht dazu geeignet, komprimiert zu werden [es kommt leicht zu „Klirrgeräuschen“], und die Lautstärke sollte eigentlich auch nicht übertrieben werden, weil es sonst leicht zu Übersteuerungen und infolgedessen ungewollten Verzerrungen kommt. Und die Leute, die den Baßregler bis zum Anschlag aufdrehen müssen, kotzen mich ja auch an. Oder anders gesagt, ich habe lange gesucht nach den Videos, aber die Soundqualität befriedigt mich [auch dank „dieses Video ist in deinem Land nicht verfügbar“] immer noch nicht. Kauft euch also das Album. Am besten gleich auf Vinyl :-P)

Track 1: Battery

Track 2: Master of Puppets
Track 3: The Thing That Should Not Be

Track 4: Welcome Home (Sanitarium)

Fußnote
1) Damit ihr versteht, warum mich diese Vorgehensweise so aufregt, ein durchaus repräsentatives Beispiel. Hans-Jürgen Ruppert zitiert in den EZW-Texten, Band 140: Satanismus, auf Seite 38 folgende „Einladung zu einem Konzert“ (grau hinterlegt hervorgehoben): „Wenn ihr blutgeil seid, müßt ihr auf unser nächstes Slaughter in Hell-Konzert kommen. Wir zersägen Kreuze und blutige Köpfe, erschießen Mönche und Jesus Christus… etc. Bloodlust!“

1. Das Zitat dient dazu, die Verbindung zwischen Satanismus und Rockmusik zu belegen, die zumindest ein gefährliches Spiel mit dem Bösen darstelle. Könnte man ja erstmal so stehen lassen, denn diese Verbindung gibt es ja.

2. Rupperts Text ist von 1998.

3. Endnote 131 gibt preis: Das Zitat stammt aus dem Materialdienst der EZW 12/1986 (!) und ist dort dem „Metal Hammer“ entnommen.

Wir fassen bis hierher nochmal zusammen: 1998 wird als Beleg für die gefährliche Verbindung von Rockmusik und Satanismus ein 12 Jahre altes Zitat gebracht und nach einer Sekundärquelle zitiert sowie im Fließtext keinerlei Hinweis auf das Alter des Zitats gegeben, sondern vielmehr der Eindruck von Aktualität erweckt. Sollte es, wenn diese Verbindung tatsächlich existiert (was ich ja keineswegs bestreite), nicht neuere Zitate geben, die man direkt aus der Quelle zitieren kann? (Ja, gibt es — in Massen!)

4. Wenn der zuvor vielleicht noch gewogene (sonst würde er das ja gar nicht lesen) Metaller angesichts des Anfang der 90er ganz andere Dimensionen satani(sti)scher Praxis weit außerhalb von Konzertbühnen erreichenden norwegischen Black Metals nicht schon jetzt lachend in der Ecke liegt, dann tut er es spätestens, nachdem er die Encyclopedia Metallum nach „Slaughter in Hell“ befragt hat und dabei über die überaus erfolgreiche und für die ganze Szene repäsentative, weil epochale Band „Antichrist“ gestoßen ist, die so abgrundtief true ist, daß sie auch nach fast 30 Jahren nicht über den Demo-Status hinausgekommen ist. Man beachte übrigens auch (unter „Members“), daß die Band offenbar zwischen 1986 und 2003 nicht aktiv war.

Also mal ganz ehrlich: Was soll sowas?! Die EZW ist doch nicht irgendeine Klitsche wie die Westboro Baptist Church, sondern eine offizielle Einrichtung der EKD mit (zumindest latent) wissenschaftlichem Anspruch (die EZW-Texte sind im Gegensatz zu den freikirchlichen Traktätchen auch außerhalb einer Metal-Arbeit zitierbar). Aber das ist kein Einzelfall, schon auf Seite 22 findet sich — wohl um eine Verbindung zwischen Aleister Crowley und der (Schüler-)Band „Absurd“ sowie ihrem „Satansmord“ in Sondershausen herzustellen (was mit den Fakten aus dem Fall wohl leichter gegangen wäre) — die Aussage, Weida (wo sich Crowley in den 1920er Jahren mal kurz zu einem okkulten Kongreß aufgehalten hat und zum „Weltheiland“ ausrufen ließ) liege „unweit von Sondershausen“. Hier wäre ein handelsüblicher Straßenatlas hilfreich gewesen, aber urteilt selbst.

Sie haben es also getan. Sie haben sich nach 18 Jahren beteuerter Unschuld schuldig bekannt, um gleich darauf freigelassen zu werden. Geht es eigentlich noch absurder?

Sie, das sind Damien Echols, Jessie Misskelley, Jr. und Jason Baldwin, besser bekannt als die „West Memphis Three“ (ausführlicher und mit vielen Verweisen, aber auch konfuser auf englisch). 1993 sollen sie, selbst erst zwischen 16 und 18 Jahren alt, drei Kinder ermordet haben.

An ihrer Schuld gibt es jedoch von Anfang an Zweifel, von gravierenden Ermittlungsfehlern der Polizei, die Spuren und möglichen Verdächtigen nicht nachging sowie wegen Unerfahrenheit möglicherweise Spuren zerstörte, über in der öffentlichen Diskussion eine maßgebliche Rolle spielende, in Bezug auf die später Verurteilten nicht völlig unbegründete, aber kaum mit dem Verbrechen zusammenzubringende und ziemlich krude Geschichten über Metal, Satanismus und Wicca bis hin zu DNA-Spuren, die auf einen anderen Täter aus dem familiären Umfeld eines der Opfer hinzudeuten scheinen. Verurteilt wurden die drei auch nicht wegen schlagender Beweise, sondern vor allem aufgrund von Indizien und eines später widerrufenen Geständnisses von Jessie Misskelley in Polizeiverhören. Angeblich gab Jessie Misskelley in diesen Verhören auch Täterwissen preis.

Nun hatten sie die Wahl, sich in einem Deal mit der Staatsanwaltschaft schuldig zu bekennen und freigelassen zu werden, oder einem Wiederaufnahmeverfahren entgegenzusehen, das wohl ab Dezember hätte anlaufen können. Sie haben sich nun für den Deal entschieden, aufgrund ihrer Erfahrungen mit dem Rechtssystem wohl nur sehr nachvollziehbar.

Ich habe mit diesem Deal so meine Probleme, denn es geht dabei nicht um die Wahrheit. Nicht nur werden sie Zeit ihres Lebens für die einen als Mörder, für die anderen als Opfer eines Justizskandals gelten, mit Mitte 30 ohne ernsthafte berufliche Perspektive und vorbestraft auf der Straße stehen und selbst bei später erwiesener Unschuld keine Möglichkeit haben, den Staat wegen ihrer Zeit in Haft zu verklagen (sie haben sich ja schuldig bekannt!). Sondern die Wahrheit wird auch nie ans Licht kommen, das Verbrechen wird de facto ungeklärt bleiben, obwohl es juristisch abgeschlossen scheint. Im schlimmsten Fall wird der wahre Täter ungestraft davonkommen. Zumindest in dieser Welt.

an .U., die einfach zu lang für den Kommentarbereich wurde:

„Ich habe zum Einen deinen Post gelesen (das mit den Löwen), zum anderen hat Metal, zumindest in einigen Subgruppen, eine starke Nähe zum Satanismus, und dieser Gruppe werden z.B. auch Kirchenbrandstiftereien zur Last gelegt.

Du schreibst ja selber, dass bei dem, was du hörst, der Inhalt zur Musik passe.“

Ah, jetzt verstehe ich. Du vermischst verschiedene Ebenen. Die eine ist mein Konzertbesuch am Freitag, die andere ist die Frage, ob ich als guter Katholik überhaupt Metal hören darf. Ich würde darum bitten, daß wir diese Ebenen entsprechend trennen. Deine Augangsfrage war, wieso ich mit meinem Eintrittsgeld antichristliche Propaganda unterstütze, und ich habe bestritten, das getan zu haben. Darauf hast Du, wenn ich es mal ein wenig überzeichnen darf, gesagt, alle Metaller seien antichristliche Satanisten. Jetzt hast Du es auf einige Subgruppen eingeschränkt. So kommen wir nicht weiter. Ich bestreite nicht, daß es problematische Aspekte im Metal gibt. Daß es dort ein paar Bekloppte gibt, hält mich jedoch genausowenig davon ab, mich dort wohlzufühlen, wie WisiKis und Konsorten mir mein Katholischsein verleiden können.

1. Konkret zum Freitag: Sodom haben mal als „satanische“ Band angefangen, das ist aber bald drei Jahrzehnte her, war nie ernstgemeint und hatte sich dementsprechend schnell totgelaufen. Sie haben ein sehr entspanntes, selbstironisches Verhältnis zu ihren Ursprüngen, die Musik war und ist wichtiger. Was Die Hard angeht: Wie Du auf der Eintrittskarte sehen kannst, wußte ich bis zum Konzert nicht einmal, wer die Supportband ist. Darüber hinaus wäre mir „Die Hard“ auch kein Begriff gewesen. Die Encyclopaedia Metallum läßt auch nicht erkennen, daß antichristliche Themen bei ihnen im Vordergrund stünden.

Damit sind wir bei meiner Antwort „das ist bei genauerer Betrachtung gar keine Propaganda“. Mein Fremdwörterlexikon definiert Popaganda als:

„1. systematische Verbreitung politischer, weltanschaulicher o.ä. Ideen und Meinungen mit massiven publizistischen Mitteln mit dem Ziel, das allgemeine politische Bewußtsein in bestimmter Weise zu beeinflussen. 2. Werbung, Reklame (bes. Wirtsch.).“

Dafür sind zwei Lieder im letzten Drittel des Sets, die zudem noch bei genauerer Betrachtung rein beschreibend sind und das Beschriebende so gut es geht nicht bewerten, einfach zu wenig. Hinzu kommt, daß Metaller in der Regel einen Hang zu selbständigem Denken haben, das sich zwar gerne in seinen Vorurteilen (insofern sind solche Songs durchaus evangelisatorische Anknüpfungspunkte) bestätigen, aber sich nicht von Bands vorgeben läßt, was es zu Denken hätte. Also: Die, die sich von dem antichristlichen Gehabe beeinflussen lassen, hatten diese Einstellung schon vorher, die anderen werden dadurch nicht antichristlicher. Zumal die Ankündigung des Songs eigentlich einen Selbstwiderspruch enthält: Das starke römische Reich habe versucht, die schwachen Christen auszurotten (wovon der Song handele). Komischerweise ist das römiche Reich untergegangen, die Christen gibt es immer noch. Da müßte man sich mal über Stärke und Schwäche unterhalten… — Warum ich das überhaupt erwähnt habe: Ausgerechnet diese beiden Songs waren die einzigen, die mir musikalisch überhaupt gefallen haben, der Rest war in meinen Ohren einfaches Rumgeschrammel.

2. Wenn ich schreibe, daß Inhalt und Musik für mich zusammenpassen müßten, und Du daraus schließt, daß die Texte der von mir bevorzugten Musik alle satanistisch seien, dann hieße das im Umkehrschluß, daß die Musik Deiner Meinung nach selbst satanistisch sei. Dann könnte man daraus aber auch nicht mit christlichen Texten White Metal machen. Dann wäre die Musik immer noch satanistisch, und die Texte würden nur darüber hinwegtäuschen. Das ist übrigens das Argument von niemand geringerem als Joseph Ratzinger (wobei er nicht so sehr von „satanistisch“ spricht, sondern vielmehr eine gnostische Selbsterlösungsstruktur andeutet). Er bezieht das allerdings auf sämtliche Pop- und Rockmusik. Dieses Argument würde ich grundsätzlich gelten lassen, es jetzt hier auszudiskutieren würde aufgrund der vielfältigen theologischen, philosophischen und soziologischen Voraussetzungen, die es hat, den Rahmen sprengen. Nur soviel: Es läßt sich kaum widerlegen, aber auch nicht bestätigen. Es hängt daran, ob man die Voraussetzungen akzeptiert/teilt oder nicht, und ob man in der soziologischen Praxis eine Bestätigung findet.

Ich teile es jedenfalls nicht. Aber ich betreite auch nicht, daß Metal Böses musikalisch verarbeitet. Jedoch verherrlicht er das Böse in der Regel nicht, sondern stellt es einfach bloß dar, um es künstlerisch als Böses darzustellen. Es geht um eine Auseinandersetzung mit dem Bösen, die durch musikalische Mittel auch auf die emotionale Ebene gebracht wird. Rein rationale Auseinandersetzung mit dem Bösen, das aus sich selbst heraus irrational ist, verkennt das eigentlich Gefährliche am Bösen, nämlich seine emotionale Wirkung, es bekämpfen zu wollen, was bloß zu einer Reproduktion des Bösen führt, weil das Böse nicht durch Vernichtung zu bekämpfen ist; immer kann nur der Träger des Bösen vernichtet werden, nicht aber das Böse selbst, das eben gerade in einem Mangel an Guten und an Sein besteht.

Genau deshalb halte ich Metal für etwas Gutes und eine theologische Herausforderung. Genau diese emotionale Seite des Bösen ist in einer einseitig rationalen Theologie unter den Tisch gefallen — was eine der Ursachen sein dürfte, daß viele Bestandteile der kirchlichen Lehre, die als ganze Antwort auf das Böse ist (KKK 309), heute vielen nicht mehr verständlich erscheinen: Ablaß, Abtötung, Askese, Beichte, Buße, Dämonen, Erbsünde, Fegefeuer, (Jüngstes) Gericht, Hölle, Konkupiszenz, Reue, Schuld, (läßliche/schwere) Sünde, zeitliche Sündenstrafen, Teufel, Todsünde, Vergebung, Versuchung und Wiedergutmachung zum Beispiel.

Soweit das Grundsätzliche. Im Speziellen weist der Metal natürlich auch immer wieder problematische Aspekte und Entwicklungen auf. Allerdings ist das mit den Kirchenbrandstiftungen nun doch schon ungefähr 15-20 Jahre her, und der Hauptverantwortliche für das Überschreiten der Grenze hat die meiste Zeit davon im Gefängnis verbracht. Zwar gibt es alle paar Jahre ein paar pubertierende Jugendliche, die das toll finden und nachmachen wollen, aber im großen und ganzen hat „der Metal“ diese Taten damals bereits verurteilt und verurteilt sie heute noch um so entschiedener. Ausgenommen der NSBM, der aber schon in seinem Titel eine weltanscheulich-propagandistische Grundausrichtung aufweist. Und nein, den unterstütze ich genausowenig wir Gaahl, der meint, gegen die christlichen Kirchen sei Krieg zu führen:

„Wir müssen jede Spur der semitischen Religionen, vor allem vom Christentum, vom Islam und vom Judentum auslöschen. Es handelt sich dabei wirklich um eine Krankheit, die hier nicht hingehört und keine Daseinsberechtigung hat – sie gehört einfach nicht zu uns. Es sollte ihr nicht erlaubt sein, uns mit ihrem Licht an ihre Werte zu erinnern, sondern sie sollte ausgelöscht werden.“ (Wanzek, Thor: Gorgoroth. Gorgoroth-Interview. Im Kampf mit der Welt und mit sich selbst ; in: Legacy. The Voice from the Dark Side, Nr. 43 (Juni/Juli 2006), 18–20.)

[Anmerkung am Rande: Kann sein, daß das alles nur zur Konstruktion eines Images gedient hat, seit sich Gaahl als homosexuell geoutet hat, ist er sehr viel ruhiger geworden — macht die Aussage natürlich keinesfalls besser.]

Schließlich bleibt noch eine allgemeine Erfahrung anzumerken, nämlich die Nicht-Entsprechung von Bühnen und Backstage-Verhalten. Besonders kraß etwa bei Darkened Nocturn Slaughtercult: Auf der Bühne ziehen sie eine pseudo-okkulte Schweineblutshow ab, die mit esoterisch-magischen Versatzstücken garniert wird, abseits der Bühne sind sie völlig normale Menschen, die ihre Bühnenshow für genauso „true“ halten wie Alice Cooper (wie überhaupt Black Metal mal sehr treffend als „Wagner meets punk rock, dressed as Alice Cooper“ bezeichnet wurde). Oder Asega, der Frontmann der ach so satanischen Black Metal Band Lugubre (Niederlande), der während des Gigs das arrogante Arschloch raushängen ließ, nach dem Abschminken aber freundlich lächelnd durchs Publikum streifte, alle Bekannten herzlich umarmte und im großen und ganzen den Eindruck eines großen, lieben Teddybärs machte (also völlig untrü — warum er was gegen das Christentum hat, steht übrigens hier; die darin enthaltene Gesellschaftskritik teile ich übrigens, sehe aber eine andere Ursache, nämlich gerade einen Verlust an christlichem Glauben). Oder verallgemeinert gesagt, man sollte auch bei Metalbands in der Lage sein, zwischen künstlerischer Darstellung und Ansichten des Künstlers zu trennen.