Stundengebet

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In zwei Karmetten und einer Ostersonntagvesper hatte ich Gelegenheit, das neue Gotteslob einem Praxistest zu unterziehen (in den Messen waren die Lieder alle aus dem alten bereits bekannt). Um das Ergebnis vorwegzunehmen: das Urteil fällt gemischt aus.

Auf den ersten Blick war ich begeistert, denn als erstes fiel mir auf, daß die Karmetten drinstehen und einige Abweichungen des alten Gotteslobs von den Texten des Stundenbuchs korrigiert wurden (so z.B. das Sonntagscanticum aus der Offb mit den vielen Hallelujas, und vor allem die Sache mit dem „Ehre sei dem Vater…“). Auf den zweiten Blick bemerkte ich auch höchst erfreut, daß offenbar viele „krasse“ Hymnen aus dem Stundenbuch nun vertont im Gotteslob zu finden sind (z.B. Nr. 338 und 642). Und überhaupt ließ sich mit dem neuen Gotteslob sehr viel besser arbeiten, weil das Verzeichnes der enthaltenen Psalmen sehr viel übersichtlicher geworden ist.

So lala finde ich allerdings die Verwendbarkeit in der Tagzeitenliturgie selbst. Da muß man nämlich wie bekloppt durch das ganze Gotteslob blättern, weil die Psalmen an drei verschiedenen Stellen zu finden sind: zunächst im „Psalmenteil“ selbst (Nr. 30-80), dann im Teil der Tagzeitenliturgie (Nr. 613-667) und schließlich noch ein Psalm in der Karsamstagsmette (Nr. 310). Das führte unter den Mitfeiernden zu einigermaßen Hektik, und zwar umso mehr, je weniger sie mit dem Stundengebet vertraut waren (es gibt bei uns eine kleine Gruppe von ungefähr 10 Leuten, die regelmäßig zu den Laudes an Montagen und Mittwochen kommen, zu den erstmalig hier angebotenen Karmetten waren 25 bis 30 Leute da). Die zweite Kritik, die von einigen Mitfeiernden geäußert wurde, war gegen die neuen Psalmtöne gerichtet. Die sollen zwar einfacher sein (einer nannte sie treffend: langweiliger), das hilft aber nicht, wenn die halbe Gemeinde immer wieder in den alten Psalmton rutschen will, weil sie den rauf und runter kennt (YMMV). Was mich aber noch mehr gewundert hat: derselbe Psalmton ist mal in geänderter, mal in altbekannter Fassung drin, vgl. z.B. der IV. in Nr. 639,2 und Nr. 651,4. Wenn mir das mal jemand erklären könnte…

Der Teufel jedoch steckt (wieder mal) im Detail. Und dieses Detail lautet: Man kann nicht einfach das nehmen, was im Gotteslob steht, wenn einem das Stundengebet wichtig ist. Nur die Karmette am Karsamstag könnte man fast so nehmen, wenn man mal davon absieht, daß ausgerechnet dieses Jahr bei den Lesungen eigentlich die II. Jahresreihe dran war.

Bei der Karfreitagsmette frage ich mich allerdings, warum man bei fünf Psalmen, die in Lesehore und Laudes vorgesehen sind (2; 22; 38; 51; 147) und von denen vier im Gotteslob stehen (2; 22; 51; 147), bei der Reduktion auf drei Psalemen einen völlig anderen Psalm reinpacken muß (142) und dabei auch noch die Reihenfolge umstellt. Monastisches Stundenbuch? Keine Ahnung.

Bei der Ostervesper hätte man ja auch mal für fünf Pfennig nachdenken können. Oder bin ich der einzige, der es für am wahrscheinlichsten hält, daß die Vesper am Ostersonntag gebetet wird? Und mit dieser hätte man die komplette Osteroktav erschlagen gehabt! Und wenn man schon das unliturgische „one size fits all“-Prinzip nimmt, hätte man doch wenigstens einen Verweis auf GL 335 (durch diese Antiphon wird in der Osteroktav das Responsorium ersetzt) aufnehmen können! Also haben wir die Antiphonen abgetippt und gesprochen. Kannte die Gemeinde schon von den Karmetten. Da paßten die im Gotteslob vorgesehenen am Karfreitag auch überhaupt nicht. Aber warum? Da nimmt man eine Liturgie ins Gotteslob auf, die nur einmal im Jahr gebetet wird, und dann kriegt man es nicht gebacken, die vorgesehenen Antiphonen vertonen zu lassen?

Bis hierhin dachte ich ja noch, vielleicht liegt’s an mir. Aber ich zerbreche mir jetzt seit drei Wochen den Kopf, unter welchen Umständen es überhaupt Sinn ergeben könnte, wie in den Karmetten vorgesehen das Invitatorium mit „Oh Gott komm mir zu Hilfe“ zu beginnen („Herr, öffne meine Lippen“ ist Nr. 614,1, da hätte man sich dann auch den Hinweis „ohne Ehre sei dem Vater sparen können“). Das würde doch bedeuten, daß ich schon eine Hore vor Laudes und Lesehore gebetet habe, aber ohne das Invitatorium?!

Ok, ja, ich gebe es zu, das ist Jammern auf hohem Niveau. Aber was wäre z.B. so schwer daran gewesen, die Psalmen am Stück aufzunehmen und in der Tagzeitenliturgie den Ablauf mit Verweisen unterzubringen (wie in den Karmetten), selbige in die Nähe des Psalmteils zu packen und zudem noch einen Teil mit Antiphonen zur Auswahl oder wenigstens die wichtigsten Antiphonen (insbesondere die vom Sacrum Triduum) zu den entsprechenden Psalmen zu packen?

Und über die Steilvorlage für die völlig Abgefahrenen unter unseren freikirchlichen Freunden, die marianischen Antiphonen allesamt mit der Nummer 666 zu versehen, lasse ich mich jetzt lieber nicht aus…

Das Stundengebet ist ein Gebet der Kirche mit und/oder zu Christus. Am heutigen Freitag findet sich ein Psalm in der Lesehore, der das besonders deutlich macht, was mit dem „mit“ gemeint ist, Psalm 35.

1 Streite, Herr, gegen alle, die gegen mich streiten, bekämpfe alle, die mich bekämpfen!
2 Ergreife Schild und Waffen; steh auf, um mir zu helfen!
3 Schwing den Speer und die Lanze gegen meine Verfolger! Sag zu mir: «Ich bin deine Hilfe.»
4 In Schmach und Schande sollen alle fallen, die mir nach dem Leben trachten. Zurückweichen sollen sie und vor Scham erröten, die auf mein Unglück sinnen.
5 Sie sollen werden wie Spreu vor dem Wind; der Engel des Herrn stoße sie fort.
6 Ihr Weg soll finster und schlüpfrig sein; der Engel des Herrn verfolge sie.
7 Denn sie haben mir ohne Grund ein Netz gelegt, mir ohne Grund eine Grube gegraben.
8 Unvermutet ereile ihn das Verderben; er fange sich selbst in seinem Netz, er falle in die eigene Grube.
9 Meine Seele aber wird jubeln über den Herrn und sich über seine Hilfe freuen.
10 Mit Leib und Seele will ich sagen: Herr, wer ist wie du? Du entreißt den Schwachen dem, der stärker ist, den Schwachen und Armen dem, der ihn ausraubt.
11 Da treten ruchlose Zeugen auf. Man wirft mir Dinge vor, von denen ich nichts weiß.
12 Sie vergelten mir Gutes mit Bösem; ich bin verlassen und einsam.
13 Ich aber zog ein Bußkleid an, als sie erkrankten, und quälte mich ab mit Fasten. Nun kehre mein Gebet zurück in meine Brust.
14 Als wäre es ein Freund oder ein Bruder, so ging ich betrübt umher, wie man Leid trägt um die Mutter, trauernd und tief gebeugt.
15 Doch als ich stürzte, lachten sie und taten sich zusammen. Sie taten sich gegen mich zusammen wie Fremde, die ich nicht kenne. Sie hören nicht auf, mich zu schmähen;
16 sie verhöhnen und verspotten mich, knirschen gegen mich mit den Zähnen.
17 Herr, wie lange noch wirst du das ansehn? Rette mein Leben vor den wilden Tieren, mein einziges Gut vor den Löwen!
18 Ich will dir danken in großer Gemeinde, vor zahlreichem Volk dich preisen.
19 Über mich sollen die sich nicht freuen, die mich ohne Grund befeinden. Sie sollen nicht mit den Augen zwinkern, die mich grundlos hassen.
20 Denn was sie reden, dient nicht dem Frieden; gegen die Stillen im Land ersinnen sie listige Pläne.
21 Sie reißen den Mund gegen mich auf und sagen: «Dir geschieht recht. Jetzt sehen wir’s mit eigenen Augen.»
22 Du hast es gesehen, Herr. So schweig doch nicht! Herr, bleib mir nicht fern!
23 Wach auf, tritt ein für mein Recht, verteidige mich, mein Gott und mein Herr!
24 Verschaff mir Recht nach deiner Gerechtigkeit, Herr, mein Gott! Sie sollen sich über mich nicht freuen.
25 Lass sie nicht denken: «Recht so! Das freut uns.» Sie sollen nicht sagen: «Wir haben ihn verschlungen.»
26 In Schmach und Schande sollen alle fallen, die sich über mein Unglück freuen, in Schimpf und Schande sich kleiden, die gegen mich prahlen.
27 Alle sollen sich freuen und jubeln, die wünschen, dass ich im Recht bin. Sie sollen jederzeit sagen: «Groß ist der Herr, er will das Heil seines Knechtes.»
28 Meine Zunge soll deine Gerechtigkeit verkünden, dein Lob alle Tage.

Als Meditationshilfe steht darüber noch: „Sie versammelten sich … und beschlossen, Jesus mit List in ihre Gewalt zu bringen und ihn zu töten. (Mt 26,3-4)“ Ein sehr passender Psalm für einen Freitag, noch dazu, wo das heutige Tagesevangelium das von der Tempelreinigung (Lk 19, 45-48) ist, in dem es heißt: „Die Hohenpriester, die Schriftgelehrten und die übrigen Führer des Volkes aber suchten ihn umzubringen.“ (Ich liebe die Liturgie für solche Bezüge, noch dazu, wenn sie wie heute eher zufällig sind.) Von dort und mithin vom Karfreitag aus betrachtet, eröffnet sich auf diesen Psalm tatsächlich eine neue, tiefere Perspektive, die ihn als Prophetie erschließt.

So handelt der Psalm nicht allgemein von einem unschuldig Verfolgten, der bei Gott um Hilfe ruft, sondern von dem einen, dem eigentlichen unschuldig Verfolgten, der bei Gott Hilfe findet, weil Er Sein Sohn ist. Daher auch die feste Zuversicht, daß Seine Seele über den Herrn jubeln und sich über Seine Hilfe freuen wird.

Diese Zuversicht steht über dem ganzen Psalm (wenn auch nach der ersten Gerichtsandrohung), noch bevor mehr von den Gegnern die Rede ist, die falsche Zeugen aufbieten und das Gute, das Jesus getan hat, damit vergelten wollen, daß sie Ihn ans Kreuz bringen wollen. Und auch bevor zur Sprache kommt, daß alle Jünger Ihn verlassen haben.

Er wird vor Gericht gebracht, obwohl Er gekommen ist, um zu retten, was verloren ist. Christus erniedrigte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich („Bußgewand“), um uns Kranke zu heilen. Er wurde wirklich Mensch und damit unser Bruder. Er, der doch zugleich unser Herr ist, nennt uns nicht mehr Knechte, sondern Freunde!

Doch noch auf dem Weg nach Golgota, noch am Kreuz wird er verhöhnt. Doch das Böse wird nicht triumphieren. Das Kreuz ist das Gericht über das und den Böse(n). Die Seite, von der ich das Kreuz betrachte, entscheidet darüber, ob es für mich zum Gericht oder zur Rettung wird. Denn groß ist der Herr: Er will das Heil Seines Knechtes und aller Seiner Knechte durch Ihn. Deshalb ist dieser Psalm wahrlich ein Lobpsalm, obwohl er von der dunkelsten Stunde der Heilsgeschichte handelt.

(Die schwarz geschriebenen Verse und Versteile sind in der Liturgie übrigens weggelassen, obwohl nicht einmal alle Stellen als „Fluchpsalmen“ durchgehen. Wahrscheinlich hat man die fraglichen Verse aber auch nicht weggelassen, um den Gerichtscharakter des Kreuzes zu verschleiern, sondern damit diese Verse nicht falsch verstanden auf das jüdische Volk angewandt werden. Gegen das Anliegen an sich kann man nichts sagen, dafür aber einfach mal die Schrift umzuschreiben… Schade.)