Liturgie

Als ich heute in den Dom kam, war ich einen kurzen Moment lang erschreckt, wie leer es war. Ah, ok, dritter Sonntag im Monat, also Latein (im novus ordo, wohlgemerkt :-), da ist öfter mal nicht ganz so voll. In der Statio wurde ich dann von Regens Karlson aufgeklärt, daß „im deutschsprachigen Raum“ schon seit langem der 2. Sonntag im Jahreskreis „Familiensonntag“ sei (und der Seminar-Spiritual fügte in der Predigt noch hinzu: in keinem der heutigen Meßtexte gehe es auch nur annähernd um Familie; er hat dann doch die Lesungstexte darauf abgeklopft, was sie für das Familienleben zu sagen hätten, durchaus erfolgreich übrigens, schien mir aber trotzdem etwas weit hergeholt). Anlaß für einen zweiten Blick, der mich noch mehr erstaunte: Das Durschnittsalter lag bestimmt deutlich unter 50, eher sogar unter 40. Und so hätten wir auch wie in früheren Zeiten wieder ein Kindermeßbuch (mit den lateinischen Texten und deutschen Übersetzungen), damit wir die Messe in der Sprache der weltweiten Familie der Kirche feiern können (die spätere Überleitung zu den Vermeldung auf Latein ist mir leider, vor allem der Intonation wegen, unreproduzierbar). Ja, so gedeutet kann ich dann auch mit einem „Familiensonntag“ leben 🙂

Seit ich regelmäßig in eine Messe gehe, in der man zum Gabengebet fast geschlossen sitzen bleibt, bin ich (wieder mal) auf der Suche nach einer nachvollziehbaren Begründung für diese Angewohnheit. Die einzige Erklärung, die ich dafür jemals bekommen habe, war: Um das nachfolgende Hochgebet hervorzuheben.

Die Begründung halte ich schlicht für Quatsch. Denn die Körperhaltungen in der Liturgie bringen nicht vornehmlich die Wichtigkeit eines liturgischen Elements zum Ausdruck (sonst dürften wir wohl kaum zu den Lesungen sitzen), sondern die körperliche ist Ausdruck einer inneren Haltung. Sitzen, so habe ich mal gelernt, drücke aufmerksames Zuhören aus. Entsprechend verstehe ich nicht, warum ich bei einem Gebet überhaupt aufmerksam zuhören anstatt mitbeten und speziell beim Gabengebet sitzen soll, wenn ich beim Tages- und Schlußgebet stehe.

Kann mir jemand eine sinnvolle liturgische/theologische Begründung nennen?

(Lange dachte ich, es handle sich um unreflektierte Praxis durch das Weglassen der Einleitung „Lasset uns beten“, die zumindest für mich immer das Signal zum Aufstehen war [hier wird die Begründung, das hieße doch, daß vorher nicht gebetet worden sei, selbst dann nicht besser, wenn ich sie aus dem Mund des deutschen liturgiewissenschaftlichen Oberfuzzis höre]. Im konkreten Fall wird diese Einleitung aber gesprochen, „die“ Leute bleiben trotzdem sitzen.)

Im Lied „Luxus“ von Grönemeyer heißt es, der Osten sei ausgezählt. Und obwohl viel an dem Text mittlerweile (wieder?) aktuell ist (und die Frage aufwirft, ob das vielleicht eher eine Generationenfrage als eine der politischen Ausrichtung ist…), ausgezählt ist der Osten ganz sicher nicht, oder wie soll man das heutige Meßangebot im Umkreis von 10 Minuten zu Fuß nennen:

7:00 Waisenhaus
7:30 St. Severi
8:00 St. Lorenz
9:00 St. Martini
11:00 Dom
12:00 St. Ursula
18:00 St. Crucis
18:00 Dom

Ok, es ist ein gebotener Feiertag, das sollte sich auch ein bißchen im Meßangebot wiederspiegeln, allerdings ist heute in Thüringen weder staatlicher Feiertag noch sind das alles nur für Epiphanie angesetzte Gottesdienste — nur der Vormittagsgottesdienst im Dom ist eine Ausnahme (und daß die dortige Abendmesse ein Pontifikalamt ist). Ansonsten ist das der normale Freitags-Meß-Plan. Und das in der 8%-Diaspora. Wenn das kein Luxus ist!

(Und nein, die Messen sind nicht leer. Ganz im Gegenteil.)

Blind can see the sun,
cripples walk alone,
deaf can hear my words,
they believe,

Just believe,
Just believe in me
Look! The signs are near
to perform my task
to perform my way

to perform
the way I walked

The way of the crucifix

Meine Frau hat mich deshalb schon für bekloppt erklärt, also paßt es wohl wunderbar in die Blogözese. Seit dem ersten Advent verstärkt sich in mir das unbändige Gefühl, zu Advendsliedern zu headbangen. Angefangen hat es mit „Macht hoch die Tür“, wo mir nur noch die Double Bass Drum fehlte. Bei genauerer Betrachtung und weil es sich bei immer mehr Liedern einstellte, ist mir aufgegangen, daß es an den Harmonien liegen muß. (Im Gegensatz zu Stanislaus werde ich nicht schon seit drei Wochen mit romantischen Dur-Liedern malträtiert, sondern durfte sogar die Melodie von „Oh Haupt voll Blut und Wunden“ singen :-).

Und nicht nur an den Harmonien, auch an den Inhalten. Kreuz, Gericht, Wiederkunft, Warten auf das Heil, das sind auch Themen des Metals, wenn auch in meist mehr oder weniger säkularisierter Form. Heute paßte mal wieder alles wie die Faust aufs Auge. Als ob Johannes vom Kreuz allein nicht schon gereicht hätte! (Ich hatte mal überlegt, ob ich die Dunkle Nacht an den Beginn meines im engeren Sinne theologischen Teils meiner Diss stelle.) Ne, es kam auch noch das Evangelium, das Grundlage des Songs meiner „richtigen“[tm] Metal-Initiation war (s.o. und — fast genau vor einem Jahr). Das war doch mal ein schönes Crossover!

Ich mußte mir einmal von einem promovierten Theologen anhören, die ganzen Werktagsmessen sollte man doch radikal abschaffen, da säßen eh überall nur zwei alte Damen drin, die Priester hätten eigentlich besseres zu tun und das ganze erwecke nur den Eindruck, als müßten heidnisch-magische Opfer für die Erhaltung der Welt dargebracht werden, was aber keinerlei realen Einfluß auf die Welt habe.

An diese Situation mußte ich heute früh denken, als ich mal wieder nicht ganz so leicht einen freien unter den knapp 30 Sitzplätzen fand.

Überflüssig zu erwähnen, daß nämlicher Theologe zu einem späteren Zeitpunkt offensiv bekannte, sonntags auch selbst ab und zu mal „was besseres“ zu tun zu haben. Hab leider vergessen was. War wohl nicht so wichtig.

Die Verse, die uns die Vesper unterschlägt:

9 Deine Hand wird all deine Feinde finden; wer dich haßt, den trifft deine Rechte.
10 Du läßt sie glühen wie einen feurigen Ofen, sobald du erscheinst. Der Herr verschlingt sie im Zorn, das Feuer verzehrt sie.
11 Du wirst ihre Brut von der Erde vertilgen; ihr Geschlecht (verschwindet) aus der Mitte der Menschen.
12 Schmieden sie auch böse und listige Pläne, richten sie doch nichts aus gegen dich.
13 Du schlägst sie alle in die Flucht, wenn du mit deinem Bogen auf sie zielst.

Kürzlich hatte ich an zwei Tagen nacheinander das totale Kontrastprogramm liturgischer Art. Am ersten Tag nahm ich an einer Liturgie teil, die komplett „regulär“ nach Rubriken gefeiert war, am zweiten war (wenn auch vergleichsweise harmloser) „Freestyle“ angesagt: Unter anderem waren Sanctus und Agnus Dei durch einen unspezifischen Gesang ersetzt und das sich von Statio über Predigt und Fürbitten bis zur „dritten Predigt“ nach dem Schlußgebet durchziehende „Thema“ der Messe war „Urlaub/Ferien/Durchbrechung des Alltags“ .

Entgegen aller Erwartung hatte aber die Freestyle-Messe die größere Tiefe. Denn im ersten Fall wurde ein „Programm“ abgearbeitet, formal völlig korrekt, aber eben nur formal (um nicht auf einen -ismus zurückzugreifen), selbst Verehrungsgesten liefen quasi mechanisch, ohne erkennbare Anteilnahme des Zelebranten ab.

In der Messe am zweiten Tag — und obwohl der Wortgottesdienst nur wenig mehr als belangloses Blabla erwarten lies — änderte sich das ganze Verhalten des Zelebranten mit der Gabenbereitung. Jede Geste bis hin zur Körperhaltung drückte aus: Hier bedenkt einer was er tut, hier ahmt einer nach, was er vollzieht.

Ok, bleibt die Frage, wie die Liedauswahl zustande kam (Liturgieausschuß?) und warum das Thema so flach blieb bzw. warum es es überhaupt gab, aber darauf kann man doch aufbauen!

Stanislaus hat auf die Antwort von Kardinal Meisner zur Frage nach einem Pontifikalamt in der forma extraodinaria hingewiesen. Stanislaus nennt das beiläufig eine „negative Antwort“. Bei genauerer Betrachtung ist es aber keine negative Antwort, weil sie überhaupt keine Antwort auf die gestellte Frage beinhaltet.

Die Frage lautete kurz und knapp:

können Sie sich vorstellen, ein Pontifikalamt in der außerordentlichen Form des römischen Ritus zu feiern?

Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum nicht?

Es gab bei „direktzu Kardinal Meisner“ mehrere Fragen zur außerordentlichen Form, und ich vermute, daß ich nicht der einzige war, der gerade diese Frage gerade wegen ihrer Formulierung unterstützt hat. Sie bot die Möglichkeit, mal ernsthafte Argumente zu bringen (sei es für oder wider). Und dann sagt er nicht einmal, ob er sich das vorstellen könnte, wenn es denn mal einen Anlaß gäbe, sondern nur, daß er zur Zeit keinen Anlaß sieht:

Zu Ihrer eigentlichen Frage:
Bisher habe ich kein Pontifikalamt in der außerordentlichen Form gefeiert. Obwohl ich 1962 zum Priester geweiht worden bin und die Messzelebration anfangs noch in der außerordentlichen Form praktiziert habe, müsste ich mich heute intensiv darauf vorbereiten. Augenblicklich sehe ich keinen Anlass, selbst ein Pontifikalamt in der außerordentlichen Form zu feiern.

Ok, sich darauf intensiv vorbereiten zu müssen, ist ein valides Argument gegen ein Pontifikalamt in der außerordentlichen Form am, sagen wir mal: kommenden Sonntag. Vermutlich ist die Planung eines Erzbischofs von Köln aber sowieso längerfristiger als bis kommenden Sonntag. Daß er im Augenblick keinen Anlaß sieht, ein solches zu feiern, sagt ja noch nichts darüber aus, was wäre, wenn ein solcher Anlaß gegeben wäre (spinnen wir mal rum: etwa anläßlich der Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft mit der Piusbruderschaft?). So kann man natürlich eine negative Antwort da reinlesen — aber sie steht da nicht. Das ist eine Interpretation, die der Rezipient vornimmt, und der wird immer seine eigenen Erwartungen in so einen Text reinbringen, sei es, daß ein deutscher Bischof eh nie außerordentliche zelebrieren wird (sei es aus Feigheit, sei es aus Überzeugung), sei es, daß Kardinal Meisner ja gerne würde, sich aber bisher eben kein Anlaß ergab, was man ja durch eine Anfrage ändern könnte, oder der Widerstand aus $FEINDBILD-Kreisen zu groß ist.

Toll, die Antwort ist mal wieder herrlich diplomatisch und stößt streng wörtlich genommen weder die einen noch die anderen vor den Kopf (sagt er ja auch: er muß der Einheit dienen), und bei Bedarf kann er die eine oder andere Interpretation vorschieben. Nur daß er auf Dauer damit beide Seiten (die sich überhaupt für die Frage interessieren) vergrätzt, die nämlich beide eine klare Positionierung wünschen. Wie wollen wir eigentlich wieder missionarisch werden, wenn wir auf klare Fragen keine klaren Antworten geben können?!

DISCLAIMER: Dieses Posting ist Ausdruck meiner persönlichen Enttäuschung darüber, daß Kardinal Meisner sich aus einer klar und präzise formulierten Frage einfach „rausgewieselt“ hat. Nicht mehr und nicht weniger.

In der Reihe „Kindermeßbuchsuche“ bin ich noch das — ziemlich banale — Ergebnis schuldig. Wir haben das Buch inzwischen gefunden. Wobei es nicht wirklich ein Kindermeßbuch ist, sondern — das Gotteslob.

Die ganze Suche fand also ihr Ende, nachdem unser Ältester lesen gelernt hatte. Seitdem liest er meist zumindest das Hochgebet im Gotteslob mit. Das einzig „Dumme“ ist, daß bei uns eher selten das zweite Hochgebet genommen wird, sondern meist das dritte oder das vierte — da dauert es schonmal einen Moment, bis die richtige Seite gefunden ist 🙂