Pastoral

Meiner Erwartung, daß schon irgendjemand den Artikel „Im Land der Mutlosen“ von Hannes Hintermeier in der Samstagsausgabe der FAZ lobend erwähnen würde, hat Dorothea ja schon voll erfüllt. Den Witz, mit dem der Artikel beginnt, muß ich aber trotzdem nochmal zitieren, weil er nicht nur ziemlich böse ist und damit meinen Humor trifft, sondern leider auch ziemlich realitätsnah ist:

Klingelt das Telefon im Kloster. Anruf aus dem Heiligen Land: „Wir haben das Grab von Jesus gefunden, und er lag drin!“ Darauf der Pater: „Den gab’s wirklich?“

Es soll ja angeblich unheimlich viele Probleme mit ausländischen Priestern geben. Das kann ich mir, nach heutiger erneuter „Begutachtung“, gut vostellen. Da kommen nämlich Priester, die nicht nur tatsächlich glauben, sondern aufgrund ihrer beschränkten Sprachkenntnisse auch einfach auf den Punkt kommen müssen. 5 Minuten knackige Predigt mit der Kernaussage im ersten Satz: So ihr nicht betet, so glaubet ihr nicht! Daß das nicht in allen weichgespülten Pfarreien ankommt, ist nun nicht wirklich verwunderlich.

Na gut, manchmal gibt’s wirklich ernsthafte Probleme. Wir hatten mal einen vietnamesischen Priester zur Vertretung. Bei dessen Aussprache habe ich selbst im Hochgebet nicht immer gewußt, wo er gerade war. Aber die meisten, die ich erlebt habe, von Polen über Afrikaner bis Inder, hatten zwar einen deutlichen Akzent, waren aber  besser verständlich als so mancher Deutscher mit leiser Stimme oder schludriger Aussprache.

Mit der alten Messe kenne ich mich ja nicht sonderlich aus: mehr oder weniger willkürlich ausgewählte Literatur und (immerhin) ein einziger Besuch einer Messe in der forma extraordinaria. Ich habe nichts gegen sie, würde mich aber auch nicht sonderlich für sie einsetzen. (Wichtiger als ordentlich oder außerordentlich ist mir „nicht unordentlich“.)

Was ich allerdings kenne, ist das Motu Proprio Summorum Pontificum. Und eigentlich finde ich das ausgesprochen leicht verständlich. Irgendetwas muß ich aber wohl doch falsch verstanden haben. Nirgendwo finde ich eine Zuständigkeit des Bischofs für die Genehmigung einer Messe im außerordentlichen Ritus, außer wenn der zuständige Pfarrer sie verweigert. Was fehlt in dieser Schilderung an wichtigen Informationen, die begründen, warum der Dekan, wenn er doch offenbar wohlwollend ist, nicht einfach sagt: Macht mal? Das Motu proprio sagt doch sogar, daß alle dem Wortlaut desselben entgegenstehenden Regelungen aus sich selbst heraus nichtig sind, so daß doch in diesem Fall sich keiner um den Bischof scheren müßte (und nein, der vom MP erwähnte can. 392 scheint mir hier überhaupt nicht relevant zu sein).

Also: Klärt mich Unwissenden bitte über den real existierenden Katholizismus auf!

Wenn ich auswärts in die Messe gehe, wundere ich mich immer wieder, wie leer Kirchen sein können und wie es Priester schaffen, bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit irgendwelche tollen Einfälle einzuflechten und trotzdem die Sonntagsmesse unter einer Stunde fertig zu kriegen. Ein Pfarrer rechtfertigte die Kürze selbst seiner Hochämter mal, wenn er länger machte, kämen die Leute nicht mehr. Komisch, dessen Kirche wurde trotzdem immer leerer, während bei uns die Kirche meist gut gefüllt ist, obwohl man nicht damit rechnen kann, unter 60–70 min. wieder draußen zu sein.

Ich will ja keineswegs bestreiten, daß es die Möglichkeit gibt, eine Notsituation mit einer dauerhaften Lösung zu beenden. Aber das behauptet Bischof Fürst gar nicht, wenn ich das richtig verstehe. Vielmehr besteht die „pastorale Notsituation“ auch beim Einsatz von Wortgottesdienstleitern weiter. Irgendetwas kann da also nicht stimmen.

Eigentlich ist es doch offensichtlich: So wohlfeil und berechtigt die Forderung ist, Wortgottesdienste in das liturgische Leben der Gemeinden zu integrieren, so wenig ist ein Wortgottesdienst doch Ersatz für die Heilige Messe. Gesetzt den Fall, für Bischof Fürst ist ein Wortgottesdienst doch einer Heiligen Messe gleichwertig, was ist dann die „pastorale Notsituation“ und in welcher Beziehung steht die Beauftragung von Laien zu Wortgottesdienstleitern zu ihr? Sorry, irgendwas ist dadran dermaßen schief, daß ich einfach nicht verstehe, war Bischof Fürst sich da eigentlich denkt.

Ein Priester hat mal sehr deutlich zu gewissen Marotten in den Fürbittenformulierungen (vor allem Einleitung und Abschluß) gesagt, man müsse doch den lieben Gott nicht belehren. Daher dachte ich, als kürzlich ein anderer Priester ein Gebet formulierte, das mehr an die anwesenden Gläubigen gerichtet zu sein schien als an Gott, frei nach Clausewitz: „Gebet als Fortsetzung der Katechese mit anderen Mitteln.“

Nun habe ich das mal bei Google eingegeben und bin auf dieses Ergebnis gestoßen. Ehrlichgesagt bin ich bei den Hymnen nie auf die Idee gekommen, die könnten „belehren“. Klar, im Glauben stärken und auch das Staunen über die Heilsgeheimnisse lebendig halten. Aber belehren hieße doch, ich lerne (im rein rationalen Sinne) da was. Mein „Lerneffekt“ ist eher ein emotionaler. Oder habe ich da ein falsches Sprachempfinden?

Vielleicht drückt sich in dem verlinkten Text auch nur ein Unverständnis dafür aus, daß Wissen und Glauben, Lehren und Frömmigkeit doch mehr miteinander zu tun haben könnten, als sich das viele heute vorstellen können…