Im Juni gab es in unserem Pfarrblatt einen Artikel über den Jurisdiktionsprimat. Wie kurzes Googlen ergabt, erschien dieser Artikel, der einer Zeitschrift entstammt, die als Hilfe bei der Erstellung von Pfarrbriefen erscheint, auch in vielen anderen Juniausgaben von Pfarrblättern. Ist ja auch naheliegend, zumindest wenn man noch nicht vergessen hat, daß am 29. Juni das Hochfest Peter und Paul gefeiert wird.

Der Artikel selbst ist jedoch einigermaßen schauerhaft. Ok, man muß einräumen, daß es aus Perspektive des Autors, der evangelischer Kirchengeschichtler ist, sicherlich ein gelungener Text ist, denn er steht voll und ganz in „guter“ protestantischer Tradition. Aus katholischer Perspektive ist dazu jedoch zu sagen, daß dieser Artikel selbst in der vorsichtigsten Interpretation „eine beharrliche Leugnung“ oder zumindest „einen beharrlichen Zweifel einer kraft göttlichen und katholischen Glaubens zu glaubenden Wahrheit“ (Can. 751 CIC i.V.m. Pastor Aeternus) darstellt, oder einfacher gesagt: Häresie. Wie dieser Text unkommentiert in die katholische Ausgabe nämlicher Zeitschrift kommen konnte… naja, wundert mich irgendwie nicht so wirklich, skandalös ist es (insbesondere im eigentlichen Sinne des Wortes) trotzdem.

Das Schlimmste an dem Artikel ist, daß die dargestellten Fakten gar nicht so falsch sind, aber sehr wohl fehlerhaft eingeordnet werden:

  • Behauptung: „Erst der erste Clemensbrief deutet um die Jahrhundertwende 90/100 n.Chr. einen Märtyrertod des Paulus und Petrus in Rom an…“
    Richtig ist: Der Erste Clemensbrief ist unbestritten die älteste halbwegs sicher datierbare nachbiblische Quelle.[1] Wie man es dreht und wendet, das „erst“ ergibt keinen Sinn. Geht man von Frühdatierungen der biblischen Schriften aus, sind die meisten vor 64-67 (den vermuteten Jahren des Martyriums Petri) entstanden, dann ist der etwa 90-100 entstandende Erste Clemensbrief die erste Quelle, in der man ernsthaft etwas vom Martyrium Petri zu erfahren erwarten darf. Geht man hingegen von Spätdatierungen aus, dann ist das „erst“ geradezu lachhaft, denn dann wäre ein Großteil der biblischen Schriften sogar noch jünger als der Erste Clemensbrief.
  • Behauptung: „…später berichtet Irenäus von Lyon (gest. 202), dass Petrus der erste Bischof der Gemeinde in Rom gewesen sei.“
    Richtig ist: 1. Irenäus von Lyon ist zwar um 202 gestorben. Seine hier maßgeblichen Schriften lassen sich jedoch recht sicher auf die 170er Jahre datieren, als sein Lehrer Polykarp gerade mal zwanzig Jahre tot war. Polykarp aber war ein direkter Schüler des Apostel Johannes. Irenäus selbst, geboren um 120, gehört also erst zur Generation der „Apostelenkel“. Er ist daher als Quelle keineswegs als „spät“ einzustufen.
    2. Irenäus berichtet nicht etwa beiläufig über Petrus als Bischof von Rom, sondern er ist der Systematiker der Apostolischen Sukzession als Kriterium der Rechtgläubigkeit! M.a.W.: Er erfindet nicht mal eben aus lauter Jux und Dollerei die Apostolische Sukzession, sondern auf der Suche nach einem Kriterium, wo die rechte Lehre zu finden ist, greift er auf die apostolische Sukzession, d.h. die Weitergabe der apostolischen Sendung von Bischof zu Bischof zurück. Infolgedessen muß der Gedanke der apostolischen Sukzession (von der Praxis ganz zu schweigen) bereits klar und deutlich vorgelegen haben, als er ihn aufgegriffen hat. Und das ist auch alles andere als unwahrscheinlich, findet sich doch die Einsetzung von Gemeindeleitern durch die Apostel (z.T. mit Handauflegung) bereits in den biblischen Quellen.
  • Behauptung: Mt 16,18 sei das „Wort auf das die katholische Tradition die Vorrangstellung des Apostels zurückführt“.
    Richtig ist: 1. Die katholische Tradition führt darauf keineswegs die Vorrangstellung des Apostels Petrus zurück, sondern den Jurisdiktionsprimat des Papstes!
    2. Die katholische Tradition führt darauf den Jurisdiktionsprimat nicht zurück, sondern verwendet Mt 16,18 als Schriftbeweis für ihn. D.h. in einer bestimmten theologischen Methodik wird die deutlichste Stelle als biblische Grundlage einer kirchlichen Lehre angeführt – als pars pro toto!, d.h. in dieser Stelle kommt am deutlichsten die klare Überlieferung der Heiligen Schrift zum Ausdruck. Die Stelle ist aber sehr wohl im Kontext aller Schriften zu betrachten, und da fällt doch deutlich der Vorrang Petri ins Auge. Obwohl er nicht annähernd so charismatisch wie Johannes und Paulus ist, die ungefähr genauso häufig erwähnt werden wie Petrus (alle anderen Apostel sind weit, weit, weit abgeschlagen), hat er sowohl vorösterlich als auch nachösterlich die Rolle der entscheidenden Autorität im Apostelkollegium inne. Das zeigt sich auch darin, daß sowohl Johannes als auch Paulus den Vorrang des Petrus ausdrücklich bestätigen.

Zwei Aussagen sind allerdings nur schlicht und ergreifend falsch zu nennen:

  • Falsch ist: Die „biblischen Quellen […] wissen […] von einem Romaufenthalt des Petrus nichts“.
    Richtig ist vielmehr: Die biblischen Quellen geben als Abfassungsort des Ersten Petrusbriefes Rom an.[2]
  • Falsch ist: „Aus diesen Notizen ist erst Jahrhunderte später eine Vorrangstellung des römischen Bischofs abgeleitet worden…“
    Richtig ist vielmehr: 1. Sowohl der Erste Clemensbrief als auch die Schriften von Irenäus sind zentrale, maßgebliche und noch dazu gut überlieferte Quellen über die frühe Kirche. Sie trotz ihrer breiten Bezeugung des Jurisdiktionsprimates als „Notizen“ zu bezeichnen, ist, als würde man behaupten, die Evangelien und die Paulusbriefe enthielten einige Notizen über einen Handwerker aus Galiläa, aus denen Jahrhunderte später die Vorrangstellung Jesu Christi in der Kirche abgeleitet wurde![3]
    2. Diese und weitere, unterschlagene Quellen sind nicht Ursprung, sondern bereits Zeugnis des Jurisdiktionsprimats.[4]
  • Falsch ist: „…anfangs gab es neben Rom weitere Patriarchate in Alexandria, Antiochia, Jerusalem und Konstantinopel.“
    Richtig ist vielmehr: 1. Jerusalem als Patriarchatssitz gibt es erst seit 451 (Konzil von Chalkedon), und auch Konstantinopel wird erst 325 (Konzil von Nicäa) den „von alters her“ bestehenden Patriarchaten Rom, Antiochien und Alexandrien hinzugefügt. Soviel zum Thema „Jahrhunderte später“… Zudem stehen die Patriarchate überhaupt nicht in Konkurrenz zum Jurisdiktionsprimat, wie es auch alles andere als zufällig oder willkürlich ist, daß Rom hier als erstes genannt wird.
    2. Am Jurisdiktionsprimat hat der Verfasser (man ist fast geneigt zu sagen: nur) zu bemängeln, daß es keine biblische Quelle für Petri Aufenthalt in Rom gebe.[5] Für die Patriarchate als einheitsstifendes Moment oder gar Inhaber der höchsten kirchlichen Gewalt gibt es in der Bibel nicht den leisesten Anhalt. Ihr Ursprung liegt auch weitgehend im Dunkeln. Selbst die Konzilien haben mehr biblische Grundlage als die Patriarchate, vom Jurisdiktionsprimat ganz zu schweigen.

Soviel (reine Apologetik) für heute. Nächste Woche soll es nochmal von der anderen Seite aus weitergehen. Denn die Deutlichkeit, mit der der Jurisdiktionsprimat sich durch die Jahrhunderte zieht, hat mich selbst überrascht.

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[1] Je nach Datierung könnten die Didache und der Barnabasbrief älter sein. Sie weisen jedoch Datierungsabweichungen von einem halben bis dreiviertel Jahrhundert auf, können also auch deutlich jünger als der Erste Clemensbrief sein. (hoch)

[2] 1 Petr 5,13 lautet: „Es grüßt euch aus Babylon die Gemeinde, die mit euch auserwählt ist, und mein Sohn Markus.“ Babylon ist eine frühchristliche Chiffre für Rom (siehe z.B. in der Offb). Man könnte zwar argumentieren, der 1 Petr sei pseudepigraphisch, wobei man sich dabei gegen den gegenwärtigen Trend der Forschung stellte, jedoch ändert das nichts daran, daß 1 Petr als biblische Quelle sehr wohl die Anwesenheit Petri in Rom voraussetzt. (hoch)

[3] Ja, auch diese Auffassung gibt es tatsächlich. Aber man muß ja nicht jeden Schwachsinn diskutieren. Die Evangelien zu lesen, sollte ausreichen, um zu merken, daß in ihnen nichts so deutlich ist wie der Anspruch Jesu Christi, Gott zu sein. (hoch)

[4] Ok, ich gestehe zu, daß wir hier bereits in der Quelleninterpretation sind. Man kann natürlich jede einzelne Quelle für sich wegdiskutieren, und das ist eine beliebte Methode. Dennoch kann die Breite und die Vielzahl der Zeugnisse für den Jurisdiktionsprimat, die man da jeweils einzeln wegdiskutieren muß, nur erstaunen. (hoch)

[5] „Nur“ deshalb, weil dieser Einwand nicht die Lehre vom Jurisdiktionsprimat als solche angreift, sondern lediglich den Anspruch des Papstes, ihn als Nachfolger Petri ausüben zu können. Selbst wenn nachgewiesen werden könnte, daß Petrus nie in Rom war, folgte daraus also nicht, daß der Jurisdiktionsprimat falsch ist, sondern die Frage, wer ihn stattdessen ausüben müßte. Dafür gibt es aber überhaupt keine Kandidaten, wie eben auch der Aufenthalt und das Martyrium Petri in Rom bis zur Neuzeit niemals und von niemandem bestritten wurde. (hoch)

Die zwei Straßengräben des Umgangs mit geistlicher Bibellektüre sind „Willkür“ und „das ist historisch gar nicht passiert“. Im ersten Straßengraben wirft man die von Anfang an bei den Kirchenvätern beliebte allegorische Auslegung komplett über Bord und reduziert die Schrift auf ihren historischen Sinn, in dem man dann nach Informationen über Gott oder geistlich wertvollen Erkenntnissen sucht. Im anderen Straßengraben sucht man nach der Bedeutung hinter der Bedeutung, liest die Bibeltexte als Allegorien und narrative Psychologie, läßt aber den historischen Sinn fallen. In beiden Straßengräben kommt man zu wertvollen Erkenntnissen, doch in keinem von beiden kommt man der Fülle des biblischen Inhalts auch nur nahe.

Vielmehr setzt die geistliche Lektüre den historischen Sinn voraus. Nur weil es geschehen ist, hat es überhaupt einen geistlichen Sinn, der wirklich geistlich ist und tatsächlich im Geschehen steckt. Oder wie es der heilige Augustinus in einer Predigt über den heiligen Johannes den Täufer ausdrückte: „Bedenke, was alles geschehen ist, weil es im Bild die wahre Wirklichkeit darstellte.“[1] Das heißt, auch allegorische Auslegung ist niemals willkürlich. Auch wenn es verschiedene legitime Interpretationsansätze geben kann, so schließen diese sich nicht aus, sondern ein. Und sie müssen auch mit dem Kontext des historischen Geschehens passen.

Das ganze will ich an einem Beispiel illustrieren, das letzten Endes sogar ziemlich deutlich ist, nämlich der Speisung der 5.000 und der Speisung der 4.000 und der Auslegung, die sich auf dem Blog von Gregorius Braun findet.

Zunächst einmal ist festzustellen, daß es sich bei diesen beiden Speisewundern nicht um zwei verschiedene Traditionen desselben Ereignisses handeln kann, auch wenn die Unterschiede auf den ersten Blick nur gering sind und das grobe Geschehen sogar identisch scheint. Jedenfalls kommt man mit dieser Erklärung nicht weit, wenn man bedenkt, daß bei Markus und Matthäus beide Speisewunder in enger Nachbarschaft stehen. Lukas und Johannes hingegen lassen die Speisung der 4.000 weg. Solange man Markus und Matthäus nicht eine Buchhaltermentalität unterstellt, in der zwei verschiedene Traditionen desselben Ereignisses aufgrund der Nichtharmonisierbarkeit zu zwei verschiedenen Ereignissen werden (anstatt sich für eine der Traditionen zu entscheiden), müssen sie sich etwas gedacht haben, als sie beide Wunder in ihr Evangelium aufnahmen. Auch an späterer Stelle wird auf beide Wunder als getrennte Ereignisse verwiesen. In den eher unscheinbar liegenden Abweichungen müssen sie also einen tieferen Sinn gesehen haben.

An dieser Stelle setzt Gregorius Braun im Rückgriff auf Kirchenväterauslegungen an. Um sein Posting kurz zusammenzufassen: Die erste Speisung, die der 5.000, richtet sich an das Volk Israel (5 Brote = 5 Bücher der Torah, 2 Fische = die 2 Ämter des Königs und des Hohepriesters), die zweite Speisung, die der 4.000, hingegen an die Heiden (die weder Torah noch die Ämter haben, wohl aber 7 Brote haben = die 7 Tugenden kennen und ein paar Fische = ein paar große Denker wie Sokrates und Platon, die das Christentum erahnt haben). Es bleiben 12 Körbe beim Volk Israel übrig (für jeden der Zwölf einer = apostolische Tradition) und 7 Körbe bei den Heiden (= 7 Gaben des Heiligen Geistes), mithin also gibt in diesen beiden Wundern Christus seiner Kirche das Fundament.

Damit erscheinen beide Wunder als mehr als „nur“ übernatürliche Belege der Göttlichkeit Jesu. Vielmehr handelt es sich um prophetische Zeichen, und so wirft Er sowohl Seinem engeren Jüngerkreis (Mt 16par) als auch dem Volk, das Ihm folgt, vor, nicht verstanden zu haben, was diese Zeichenhandlungen bedeuteten. (Letzteres freilich nur bei Johannes, der nur die Speisung der 5.000 kennt, statt der Speisung der 4.000 hat er hingegen die Brotrede, in der sich der Vorwurf an das Volk findet. Wäre auch nochmal spannend zu betrachten, sprengt aber hier den Rahmen.)

Daß diese Auslegung alles andere als willkürlich ist, obwohl sie auf den ersten Blick so wirken könnte, zeigt sich, wenn man sie in ihrem Kontext betrachtet und insbesondere beachtet, was zwischen den beiden Speisewundern passiert (ich folge hier im wesentlichen Matthäus):

Voraus geht der Bericht über die Enthauptung Johannes des Täufers. Nachdem sich Jesus schon zuvor durch Sein Verhalten und Seine Lehre mit den Autoritäten des Volkes Israel angelegt hatte, zeigt sich hier besonders deutlich, welches Schicksal Ihn erwartet. Wenn die Führer des Volkes den, der das Volk Israel auf seinen Erlöser vorbereiten sollte, hinrichten lassen, werden sie auch Jesus ablehnen und hinrichten lassen. Deutlich ist also, daß Seine Mission, das Volk Israel als Volk zu erlösen, zum Scheitern verurteilt ist.

In dieser Situation erfolgt die Speisung der 5.000. In der allegorischen Auslegung (s.o.) wird hier das Volk Israel, bzw. diejenigen Juden guten Willens, in die Kirche überführt. Spannend übrigens, daß dieses Wunder bei Johannes in Verbindung mit der Brotrede quasi die Einsetzung der Eucharistie darstellt. Johannes versteht also die Speisung der 5.000 nicht nur konkret als Begründung der apostolischen Tradition, sondern sieht hier – naheliegenderweise! – auch die Gabe ihrer geistlichen Quelle, der Eucharistie.

In den folgenden Perikopen spitzt sich die Aufforderung zur Entscheidung zu. Als Jesus über das Wasser zu den Jüngern im Boot geht, kann auch Petrus auf dem Wasser gehen, solange er auf Jesus Christus vertraut und an Ihn glaubt. In dem Moment, wo er das Vertrauen verliert, beginnt er unterzugehen, doch selbst hier noch rettet ihn sein Glaube: „Herr, rette mich!“ Und so kulminiert die Perikope bei Matthäus im eindeutigen Bekenntnis der Jünger „Wahrhaftig, du bist Gottes Sohn!“ – während Markus deutlich macht, daß sie nach wie vor nicht verstehen, was die Speisung der 5.000 bedeutete.

Die folgenden drei Verse könnten zwar leicht als „Link“ zwischen zwei größeren Abschnitten untergehen, sind aber geistlich alles andere als unbedeutend. Wenn Jesus alle zu Ihm gebrachten Kranken heilt, so stellen diese Wunder wieder mehr als bloße Belege Seiner göttlichen Autorität dar. Vielmehr ist auch dies ein prophetisches Zeichen dafür, daß in Ihm das Heil anbricht – wie Er schon dem Täufer antwortete: „Blinde sehen wieder und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und den Armen wird das Evangelium verkündet.“ (vgl. Ps 146, Jes 42 u.ö.)

Entsprechend Seiner Antwort an Johannes, die mit: „Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt“, endet, folgt nun ein längerer Abschnitt, in dem es zum deutlichen Zerwürfnis mit den Pharisäern über die Reinheitsvorschriften kommt. Nicht von außen, sondern aus dem Innern komme die Unreinheit, die Sünde, die Pharisäer hingegen spricht Er als: „Ihr Heuchler“ an. Die Pharisäer sind entsprechend empört, und Jesus bricht mit ihnen endgültig: Laßt die Blinden die Blinden führen! Das Volk Israel als Volk Gottes existiert nicht mehr.

Und genau nach diesem Zerwürfnis folgt die Perikope, in der Jesus die Bitte einer heidnischen Frau erhört. Sie bestreitet keineswegs den Vorrang Israels, glaubt aber, daß das dem Volk verkündete Heil so groß ist, daß auch etwas für die Heiden abfallen kann. „Frau, Dein Glaube ist groß“, antwortet ihr Jesus. Was Er zuvor mehrfach strikt abgelehnt hatte (z.B. in Mt 7,6, aber auch noch in der Perikope selbst), tut Er nun: Er wendet sich den Heiden zu.

Ausgerechnet hierauf folgt nun die Speisung der 4.000! Die Speisung der 4.000 wurde bei Gregorius Braun als Aufnahme der Heiden in die Kirche interpretiert. Was ergäbe vom Kontext her mehr Sinn? Die Kirche ist zunächst aus dem Volk Israel gegründet worden, doch da das Volk nicht als Volk das Heil will, sondern wichtige Führer es = Ihn ablehnen (Pharisäer), und weil das Heil so groß ist, daß es nicht für das Volk Israel alleine da ist (wie schon im AT die Erwählung des Volkes Israel zum Volk Gottes werkzeuglich verstanden wird, nämlich damit durch die Juden Gottes Heil zu allen Menschen kommt), sondern es auf den Glauben des Einzelnen ankommt (siehe Petri Gang auf dem Wasser), werden nun auch die Heiden in die Kirche, das Neue Volk Gottes, aufgenommen.

Die bei Matthäus zwar etwas vage Ortsangabe (unbewohnte Gegend am See Genezaret) läßt zudem darauf schließen, daß sich die Speisung der 4.000 auf heidnischen Gebiet ereignete. Deutlicher ist hier Markus, bei dem Jesus nach dem Zerwürfnis mit den Pharisäern nicht nur ausdrücklich Galiläa nach Tyrus hin verläßt, sondern über Sidon ins Gebiet der Dekapolis zieht, das im Nordosten an den See Genezaret angrenzt.

Auch die folgenden Perikopen passen voll in diesen Rahmen. Wie Jesus mit den Pharisäern gebrochen hat, so versuchen diese zusammen mit den Sadduzäern Ihn, also Gott, auf die Probe zu stellen, worauf Jesus Seine Jünger vor denselben warnt – und zwar gerade mit dem Verweis auf die beiden Speisewunder. Anschließend folgt das Messiasbekenntnis des Petrus und die Übertragung der Schlüsselgewalt, quasi also die Begründung des Papsttums. Wenn man noch bedenkt, daß erst in Mt 10 und damit kurz vor den beiden Speisungen die Berufung der Zwölf (= Stammväter des neuen Israels) erfolgt, so könnte man glatt sagen, daß der ganze Abschnitt Mt 10-16 von nichts anderem berichtet, als der Begründung der Kirche.[2]

Die allegorische Auslegung, wie sie Gregorius Braun dargelegt hat, läßt sich also aus dem Kontext heraus stützen, ja sie macht sogar auf Details aufmerksam, die einem sonst entgangen wären.

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[1] Vgl. Sermo In Natali Ioannis Baptistae 293,2; in: PL 38, 1327f. (hoch)
[2] Vielleicht kann man auch noch die erste Ankündigung von Leiden und Auferstehung, der Aufruf zur Kreuzesnachfolge und die Verklärung Jesu, vielleicht sogar die noch folgenden Perikopen (z.B. den Rangstreit der Jünger) bis zum Aufbruch nach Judäa, also zur Kreuzigung, zur „Kirchgründung“ zählen. Der Gedanke kam mir gerade erst, den habe ich noch nicht durchmeditiert. (hoch)

Heute mal was halbwegs Außergewöhnliches: Biblischer Black Metal aus Israel. Das war zumindest die Beschreibung, die mich bewogen hat, das Album zu kaufen, auch wenn die Musiker schon deutlich gemacht haben, daß sie die Bibel nicht gerade mit so richtig gläubigen Augen lesen. Trotzdem sind die Texte des Intros (Unveil the Curtain of Sanity) und des ersten Stücks (Eyes Gaze to a Future Foreseen), die eigentlich ein einziges Stück darstellen, durchaus interessant. Insbesondere „Unveil the Curtain of Sanity“ nimmt eigentlich meine Diss vorweg: Metal zieht den Vorhang der Vernünftigkeit hinweg und zeigt das Chaos einer vom Sündenfall bestimmten Welt ungeschönt.

Aber in dieser Kategorie geht es ja nicht um den Text, sondern die Musik. Es ist zunächst einmal melodischer Black Metal, also normalerweise so überhaupt nicht mein Fall. Und tatsächlich schwächelt das Album ziemlich ab. Meine erste Beschreibung war damals „Harry Potter Metal“. Trotzdem hat es mir der Anfang des Albums ziemlich angetan, denn hier wird wunderbar musikalisch umgesetzt, was textlich vorgegeben ist.

Zunächst das Intro, das langsam vor sich hinplätschert, aber die Saat aussäht, daß vielleicht unsere Welt nicht so rational ist, wie Spock sie gerne hätte. Allein schon diese herablassende Stimme, die „komm, ich zeich Dir ma, wie die richtige Welt aussieht, harhar“ zu sagen scheint! Und schließlich, als das Intro zu Ende plätschert, merkt man plötzlich, was für eine Spannung es aufgebaut hat, die durch die in die Tiefe absinkende Stimme nochmal gesteigert wird. Unnötig zu erwähnen, daß es ausgerechnet das Wort „sanity“ ist, das „insane“ artikuliert wird.

Dann, leider durch die Pause im eingebetten Video ein wenig um seine Wirkung gebracht, bricht das Chaos herein, der Vorhang ist weggezogen: Was da in den ersten anderthalb Minuten des zweiten Stücks passiert, ist mehr als auf dem ganzen restlichen Album! Kaum ein Riff wird länger als 10 Sekunden beibehalten! Ok, es bleibt immer noch melodisch, also kein Vergleich zu Technichal Death Metal 🙂 , aber gerade durch die Melodik kann die Musik den Hörer in dieses Chaos mitnehmen, während Technichal Death Metal den Hörer eher „ausspuckt“. Aber genug der Worte, hört selbst:

Wenn die Diskussionen über die Ehe in den letzten Wochen, seien sie gesellschaftlich, seien sie innerkirchlich, eins gezeigt haben, dann das: Was die Ehe eigentlich ist, weiß kaum noch einer. Da wird die Ehe über die in ihr gelebten Werte definiert (hä? und was, wenn die Werte faktisch nicht gelebt werden, ist es dann keine Ehe?!) oder sie wird willkürlich auf alle möglichen Beziehungen ausgedehnt.

Ich will mich jetzt nicht auf die Grundsatzdiskussion einlassen, ob man legitim naturrechtlich argumentieren darf (ja, natürlich), weshalb ich mich auf das kirchliche Verständnis beschränke, das allerdings beansprucht, die Ehe so zu verstehen, wie sie eigentlich von vornherein gedacht war („Nur weil ihr so hartherzig seid, hat Mose euch erlaubt, eure Frauen aus der Ehe zu entlassen. Am Anfang war das nicht so.“ [Mt 19,8]; im AT gibt es auch Polygamie).

Ausgehen möchte ich von der Umschreibung der Ehe als „Bund fürs Leben“. Vielfach eher belanglos als poetisch erscheinendes Synonym verwendet (wobei selbst das nicht mehr in den letzten 10–15 Jahren) steckt dort eigentlich alles drin, was die Ehe ausmacht.

Wie gesagt, geht es in der Ehe nicht um Werte, sondern um jemanden, nämlich meinen Ehepartner. Die Ehe ist der Bund zwischen einem Mann und einer Frau, der eine Gemeinschaft des ganzen Lebens begründet. „Des ganzen Lebens“ ist dabei sowohl qualitativ als auch quantitativ gemeint: Die Ehepartner geben sich ganz einander hin und versprechen sich damit, daß der jeweils andere ihnen wichtiger ist und sein wird als sie selbst.

Das ist natürlich eine steile These und ein hoher Anspruch. Noch dazu handelt es sich um einen ungedeckten Wechsel auf die Zukunft. Niemand weiß, was die Zukunft bringen wird, wie sich der andere entwickelt, wie man sich selbst entwickelt und ob das in Einklang geschieht. Das muß aber notwendigerweise so sein. Denn Ganzhingabe bedeutet eben, daß ich nicht meinen Vorteil suche, sondern den des anderen.

Damit begebe ich mich aber in eine große Gefahr, nämlich ausgenutzt zu werden. (BTW: Genau deswegen werden alle, die von ihrem Partner die Erfüllung ihrer Wünsche erwarten, scheitern, denn kein Mensch kann das leisten; aber das nur am Rande.) Um in dieser Ganzhingabe, in der man sich de facto vorbehaltlos selbst aufgibt, gerade nicht ausgenutzt und zerstört zu werden, ja um die Menschen vor der Selbstzerstörung aus Liebe zu schützen, ist die Ehe auch kein beliebig aushandelbarer Vertrag mit x Klauseln, und wenn man vergessen hat, eine bestimmte Absicherung einzubauen, hat man halt im Falle des Falles Pech gehabt. Nein, die Ehe ist beiden Partnern objektiv vorgegeben, und sie kommt nur zustande, wenn beide zumindest einschlußweise wollen, was die Ehe ist.

Rechtlich bildet die Ehe bildet auf diese Weise den Rahmen, in dem eine verantwortete Ganzhingabe überhaupt möglich wird. Die Ehegatten binden sich in diesem Bund also auf Gedeih und Verderb aneinander. Oder wie es die Bibel ausdrück: Sie werden ein Fleisch. Weil aber auch das immer noch über die menschlichen Möglichkeiten hinausgeht, ist die Ehe zwischen zwei Getauften Sakrament (das sich übrigens die Ehegatten gegenseitig spenden!). Sakramente sind Hilfsmittel Gottes, die es einem möglich machen, zu tun (oder auch zu lassen), was dem Menschen eigentlich unmöglich ist.

Und weil es nicht möglich ist, die Ehe ohne dieses Hilfsmittel in ihrer Idealform zu leben, kennt die Kirche in ihrem Recht auch diverese (ich bin fast geneigt zu sagen: pastorale) Ausnahmeregelungen, die sich insbesondere auf Ungetaufte beziehen, z.B. wenn ein Ungetaufter sich taufen läßt und der ungetauft bleibende Partner nicht gewillt ist, die Ehe fortzusetzen. Sie besteht aber auf der Höchst- und Idealform, in der allein wirklich eine Gemeinschaft des ganzen Lebens gelebt werden kann. (So muß sich der polygam lebende Heide, der sich taufen lassen will, für eine Frau entscheiden; freilich ohne seine sozialen Verpflichtungen gegenüber den anderen zu verlieren.)

Aus dieser qualitativ wie quantitativ zu verstehenden Ganzhingabe ergeben sich auch die vom CIC definierten Wesenseigenschaften der Ehe. Nämlich die Einheit (qualitativ) und die Unauflöslichkeit (quantitativ), die die Möglichkeitsbedingungen der Ganzhingabe darstellen. Wenn ich mir vorbehalte, mich auch anderen Menschen in der ehelichen Weise ganz hinzugeben, kann ich mich niemandem ganz hingeben (reine Logik), so daß der Bund der Ganzhingabe nur mit einem Menschen zugleich eingegangen werden kann. Aber auch, wenn ich diesen Bund der Ganzhingabe zeitlich begrenzen will, ist die Hingabe nicht mehr ganz, da immer der Vorbehalt der Beendigung im Raum steht. Beides würde also auf die eine oder andere Weise die Ganzhingabe unmöglich machen.

Wenn man nun noch eine Ebene „drunter“ guckt, stellt man fest, daß auch die Wesenselemente der Ehe sich aus dem Gedanken der Ganzhingabe ergeben. Wie schon gesagt, besteht die Ganzhingabe vor allem darin, des anderen Wohl zu suchen, so daß das eine Wesenselement der Ehe eben das Wohl der Ehegatten ist – und zwar beider gleichzeitig, was nur funktioniert, wenn ich immer das Wohl des anderen suche und dieser meines, und nicht andersrum, als ob ich einen Anspruch darauf hätte. Genau das meint nämlich Ganzhingabe: Ich gebe meine Ansprüche auf, um die des anderen zu erfüllen. Im besten Fall dient das auch meinem Wohl, aber darauf darf es mir nicht ankommen, weil dieser Ansatz genau meinem Wohl im Wege steht.

Das andere Wesenselement ist die Zeugung von Nachkommenschaft. Das scheint auf den ersten Blick vielleicht nicht unmittelbar aus der Ganzhingabe zu folgen, tut es aber. Denn wenn ich die Zeugung von Nachkommenschaft verhindere – und sei es im gegenseitigen Einvernehmen – mache ich Vorbehalte, ich schenke mich nicht ganz dem anderen hin. Das schließt natürlich nicht aus, daß es Zeiten und Umstände gibt, in denen der menschlichen Schwäche selbst in einer sakramentalen Ehe Zugeständnisse gemacht werden müssen. Allerdings ist eine Ehe, die nicht von Anfang an zumindest prinzipiell für Kinder offen ist, eben keine Ehe.

Wie drastisch der Gedanke der Ganzhingabe auch im Eherecht umgesetzt ist, zeigt sich nicht nur an den Ehehindernissen (Impotenz im Sinne von Beischlafunfähigkeit, auch und gerade wenn sie nur auf den Partner bezogen ist, macht zur Ehe unfähig, nicht aber die bloße Zeugungsunfähigkeit), sondern auch am Verständnis, wie die Ehe zustandekommt. Sowohl das Eheversprechen als auch der „Vollzug“, d.h. die sexuelle Vereinigung in wahrhaft menschlicher Weise (also z.B. nicht durch Vergewaltigung, sondern nur als Akt der zumindest versuchten Ganzhingabe), sind für das Zustandekommen einer unauflöslichen Ehe notwendig.

Abschließend noch ein Wort zur Sakramentalität der Ehe, die mir auch etwas verkürzt verstanden zu werden scheint. Das Sakrament der Ehe ist nicht punktuell. Zwar ist theologisch der Punkt der Eheschließung insofern relevant, als das Zustandekommen des Ehekonsenses den Zeitpunkt definiert, zu dem das Sakrament zustande kommt. Aber wie schon an der doppelten Bedingung für die Unauflöslichkeit der Ehe zu erkennen ist, wirkt das Sakrament nicht einmalig, sondern – ein bißchen ähnlich zu Taufe, Firmung und Weihe – fortdauernd in dem Sinne, daß die in dem einmaligen Akt vermittelten Gnaden dadurch vertieft werden können, daß ich sie mehr zu wirken zulasse, oder auch wieder aufleben, etwa indem ich meine Sünden beichte. Wie die ganze Ehe, so auch ihre Sakramentalität: Ganzhingabe. Sie ist ein Geschenk, das mich durch den Partner erreicht, wenn ich mich ihm ganz hingebe.

Wo ich schon gerade bei Ouvertüren war, gibt’s diesmal eine richtige: Dead Winter Dead ist ein Konzeptalbum über den Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina, und die Ouvertüre ist tatsächlich eine Zusammenstellung von Themen des weiteren Albums, die auf das Folgende vorbereitet. In dieser Form ist klassischer Ami-Power Metal auch heute immer noch ein Ohr wert:

Bester Song des Albums ist m.E. übrigens „Doesn’t Matter Anyway“. Aber insgesamt ist das ein Album, das als Album so funktioniert, wie es gedacht ist und selbst dann noch emotional bewegt, wenn man verstanden hat, warum es so funktioniert. Also, zumindest mich 🙂

In einer Facebook-Diskussion vor einigen Wochen habe ich in Ermangelung einer adäquaten Übersetzung den englischen Begriff redemptive suffering verwendet.[1] Aufgrund des Kontextes schoß mir durch den Kopf, da sei doch ein super Unblack Metal-Bandname. Tatsächlich hat mich dieser Gedanke seitdem nicht mehr losgelassen. Man stelle sich nur mal die Bandvorstellung vor: „We are Redemptive Suffering!“[2]

Allerdings muß ich sagen, „Redemptive Suffering“ klingt bei genauerer Betrachtung nicht so wirklich nach (Un)Black Metal. Meine Assoziation war wohl in Immortals „Blashyrkh“-Welt of frost, war and suffering begründet, aber darüber hinaus hat sich der Black Metal nach meinem Eindruck ziemlich schnell von dieser Suffering-Schiene verabschiedet (und der Suicidal Black Metal hat nun nicht mehr den leisesten Bezug zu „redemptive“). Je länger ich drüber nachdenke, umso mehr klingt „Redemptive Suffering“ nach einer Death Metal-Band.

Witzigerweise ergab sich daraus für mich dann gleich ein ganzes Bandkonzept. Ok, vielleicht liegt das auch daran, daß ich selbst mehr dem Death als dem Black Metal fröne. Insbesondere meine Überzeugung, daß „Redemptive Suffering“ nach Brutal Technical Death Metal klingt, könnte sich daraus ergeben haben.

Aber auch von der inhaltlichen Schiene her lande ich bei Brutal Technical Death Metal: Wenn christlicher Metal, dann doch bitte inhaltlich „unangenehmer“ Metal (da bin ich mit Euronymous ganz einer Meinung: Metal muß gefährlich sein). Klar, christliche Inhalte wären im Metal schon per se eine Provokation, zumindest wenn man sie ernst meint, aber wenn dabei der Metal auf ein Vehikel der Mission reduziert wird, geht der künstlerische Aspekt baden, dann wird es reinste Anbiederung und die Band endet im reinen christlichen Metalbereich, bekehrt also nur die schon Bekehrten.

Nein, wenn christlicher Metal, dann auch für Christen unangenehmer Metal. Oder, um es mit Silenoz zu sagen:

Meiner Meinung nach liegt der Fehler der Christen vor allem darin, sich selbst als etwas Besseres als die Anhänger anderer Religionen zu sehen. So verhält sich natürlich nicht jeder Christ, aber jene, die es tun, machen es, ohne sich dessen bewußt zu sein. Zum Beispiel tragen sie nur die Passagen der Bibel nach außen, von denen sie denken, sie wären positiv, den Rest ignorieren sie einfach. Diese Art der Mentalität weist doch keinerlei Kohärenz mit der Realität auf.[3]

Ergo: Christlicher Metal müßte die Metaller genauso anpissen wie die verbürgerlichten Christen. Damit ergibt sich ganz klar für das erste Album die Vertonung der Fluchpsalmen. (Ich hab’s schonmal ausprobiert: Am besten lassen sich die Psalmen im hebräischen Original grunzen, an den Rhythmus und die innere Stimmigkeit kommt keine Übersetzung ran!) Für weitere Alben bieten sich Gerichtsprophetie und Apokalyptik an, insbesondere die Offenbarung. Wenn man sich die Bibel mal zu Gemüte führt, sollte das für ungefähr 10–15 Alben reichen. Und dabei ist noch nichtmal die Bergpredigt abgedeckt, von Märtyrerakten usw. ganz zu schweigen (da kriegt dann „Christians to the Lions“ einen ganz neuen Touch…).

Da aber die Musik dem Inhalt entsprechen muß, der Inhalt aber ganz viel mit Zorn zu tun hat, sei es die Wut über Unrecht (Fluchpsalmen), der Zorn Gottes (Gericht) oder der Zorn der Welt wider die Christen (Märtyer), muß auch die Musik eher den Zorn (Death Metal) ausdrücken als Stolz (Black Metal), wenn diese sehr grobe Zuordnung mal erlaubt sei. Zugleich muß aber eine gewisse „Stimmung“ drin sein. So genial die Musik für sich genommen ist, fehlt furztrockenem Technical Death Metal à la Origin oder industrial-angehauchtem Math Metal a la Meshuggah musikalisch die transzendente Dimension. Mithin also das „redemptive“.

Folglich erkläre ich hiermit Cryptopsys „Once Was Not“ zum Referenzwerk für Redemptive Suffering. Weitere Orientierungspunkte wären „None So Vile“ (ebenfalls von Cryptopsy) und praktisch der gesamt Backkatalog von Nile (nur wäre es albern, ausgerechnet die ägyptisch anmutenden Elemente zu übernehmen, es geht mir abstrakter um die durch diese Elemente vermittelte Stimmung, will heißen die Musik von Redemptive Suffering müßte solche Stimmungselemente aus der christlichen Tradition ableiten bzw. Stimmungselemente verwenden, die christlich anmuten[4]). Weitere Einflüsse dürfen gerne von Kataklysm („In the Arms of Devastation“), Decapitated und Behemoth stammen. Einem Schuß Grindcore wäre ich auch nicht abgeneigt. Hauptsache ein „übermächtiges Schlagzeug“ 🙂

Aus der inhaltlichen Orientierung abgeleitet ist natürlich auch schon das (abgesehen von einem Bandschriftzug) Wichtigste geklärt, die Einlaufmusik:

Ach ja, es gibt auch wohl noch keine Band dieses Namens.

Bleibt nur die Frage, wie ich aus der Nummer wieder rauskomme. Da Saiteninstrumente und Schlagzeug feinmotorisch einfach nicht so mein Ding sind (ich tauge nur, um Krach damit zu machen, was Metal ja nun gerade nicht ist), könnte ich allenfalls noch grunzen. Doch selbst dann fehlen mir (angemessen erfahrene) Musiker. Damit ich am Ende nicht den Geistbraus mit dem schlechtesten Brutal Technical Death Metal-Song aller Zeiten (am besten in 8bit Midi) beauftragen muß, erkläre ich diese Idee für gemeinfrei. Möge Wer-auch-immer damit zur Ausbreitung des Reiches Gottes beitragen!

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[1] „Aufopfern“ wäre zwar sachlich ungefähr das Gemeinte. Das gibt’s aber auch in Englisch („to offer up“), außerdem wird „aufopfern“ in der deutschsprachigen Theologie nicht verwendet (wie allerdings das ganze Themenfeld in der deutschsprachigen Theologie m.E. nicht adäuquat zur Sprache kommt), während „redemptive suffering“ sogar einen Wikipediaeintrag hat. (hoch)

[2] Ja, ich weiß, damit das Wortspiel auch für Muttersprachler funktioniert, müßte es natürlich „We are suffering redemptively“ heißen, aber dann klingt der Bandname plötzlich nach Gothic. (hoch)

[3] Zit. n. Peter Mildner: Dimmu Borgir. Satans-Treue, in: Legacy. The Voice from the Dark Side Nr. 48 (April/Mai 2007) 16–18, hier 18. (hoch)

[4] Enthroned schaffen es ja auch, eine satanistisch anmutende Atmosphäre zu verkaufen, indem sie das Pange Lingua verwursten… (hoch)

Da die GEMA was dagegen hat, daß ich euch Possesseds „The Exorcist“ zumute, gibt’s stattdessen Dismember. Und zwar den Opener ihres Debütalbums. Das Stück gehört zu den wenigen Metalsongs, bei denen ich schon beim ersten Mal dachte „wow!“ und die bis heute nichts an Faszination eingebüßt haben. Wie der Titel schon besagt, brechen Dismember hier mit der damals weit verbreiteten „wir müssen erstmal 20 Minuten Einleitung machen“-Einstellung und fangen (fast) sofort mit einem Hammerriff an. Einziger Haken: Sowohl Album als auch Band bauen mit der Zeit immer mehr ab… Nunja, kein Grund, die Nicht-Ouvertüre nicht trotzdem zu genießen:

Und noch so ein Post, der seit drei Jahren in der Warteschleife lag, aber es verdient, ans Licht zu kommen.

In Etzelsbach ist der Papst am deutlichsten auf das Verhältnis von Kirche und Welt eingegangen. Ja, in Etzelsbach, nicht in der Konzerthausrede, denn da ging es um die Verweltlichung der Kirche.

Damals habe ich das nicht so mitbekommen, weil die Vorbereitungen auch der Helfer für die Papstmesse auf dem Domplatz auf Hochtouren liefen, und habe immer nur „Maria, Maria, Maria“ gehört. Das ist auch nicht falsch gewesen, denn anhand von Maria stellt er die christliche Seite der Alternativen dar.

Es ist wohl auch nicht zufällig, daß er dies gerade im Eichsfeld getan hat. Nirgendwo sonst hatte er ein so durchgekirchlichtes Publikum vor sich, das sich in größeren Teilen zudem noch lebhaft an die Konfrontation mit den Kräften der Welt erinnern konnte. Und so trennen die erste Nennung Mariens und die erste Erwähnung gottloser Diktaturen ganze 25 Worte.

Die zwei gottlosen Diktaturen sind eigentlich nur ein kurzer, dunkler Schatten auf einem sehr lichtreichen Abschnitt der Predigt, der im gesprochenen Wort schnell untergeht. Aber sie ist doch mehr, als nur die Erwähnung des besonderen „Charisma“ des Ortes, nämlich über 56 Jahre hinweg weitgehend geschlossen antichristlichen Diktaturen getrotzt zu haben. Beim Lesen dachte ich mir bereits an dieser Stelle: Und heute? Was über ein halbes Jahrhundert Diktatur nicht geschafft haben, scheint sich jetzt selbst im Eichsfeld durchzusetzen. Und ist es bei diesem Papst so weit hergeholt, im Hintergrund gleich noch eine dritte, heutige Diktatur, die des Relativismus mitschwingen zu hören?

Ich denke nicht. Denn etwas nach der Mitte der Predigt legt sich ein erneuter dunkler Schatten auf das Licht, das die Worte des Papstes ausstrahlen. Auch hier nur kurz, aber drastisch, zwar nur als die dunkle Gegenfolie, aber so auf den Punkt gebracht, daß man das Beschriebene theologisch nur als Satanismus bezeichnen kann (zumindest entspricht es bis in den Wortlaut hinein dem, was ich in meiner Diss als theologischen Gehalt des Begriffes Satanismus herausgearbeitet zu haben meine):

Nicht die Selbstverwirklichung, das Sich-selber-haben-und-machen-wollen schafft die wahre Entfaltung des Menschen, wie es heute als Leitbild modernen Lebens propagiert wird, das leicht zu einem verfeinerten Egoismus umschlägt.

Daß mir diese Dunkelheit als erstes auffällt, kann ich wohl mittlerweile als Berufskrankheit anerkennen lassen. Doch auch im „lichten“ Rest der Predigt scheint bei genauerer Betrachtung immer wieder auch die Dunkelheit durch. Wie sollte das auch anders sein, ist das Gnadenbild von Etzelsbach doch eine Pietà:

Eine Frau mittleren Alters mit schweren Augenlidern vom vielen Weinen, den Blick zugleich versonnen in die Ferne gerichtet, als bewegte sie alles, was geschehen war, in ihrem Herzen. Auf ihrem Schoß liegt der Leichnam des Sohnes, sie faßt ihn behutsam und liebevoll, wie eine kostbare Gabe. Wir sehen die Spuren der Kreuzigung auf seinem entblößten Leib.

Maria kennt wie wir das Leid, ja, sie kennt „das größte aller Leiden“ und kann daher alle unsere Nöte mitempfinden. So gehen von der Schmerzensreichen Trost und Stärkung aus.

Entscheidend dafür ist aber die Beziehung zwischen Mutter und Sohn und ihre Betrachtung durch den trostsuchenden Gäubigen. Der Papst weist dabei auf eine Besonderheit der Etzelsbacher Darstellung hin. Der tote Jesus liegt hier nicht, wie sonst meist üblich, mit dem Kopf nach links, so daß der Betrachter seine Seitenwunde sehen könnte, sondern mit dem Kopf nach rechts, so daß seine linke Seite, die Herzseite, der Mutter zugewandt ist. Beide Herzen kommen einander nahe. „Sie tauschen einander ihre Liebe aus.“ Cor ad cor loquitur.

Genau das ist die christliche Gegenkonzeption zum „Selber-machen“,

die Haltung der Hingabe, des sich Weggebens, die auf das Herz Marias und damit auf das Herz Christi ausgerichtet ist und auf den Nächsten ausgerichtet ist und so uns erst uns selber finden läßt.

Gott läßt uns nicht im Leid versinken. Auch (gerade) bei Maria hat Er alles zum Guten gewendet. Und Maria ist sozusagen unser Vor-Bild, das Bild, an dem wir erkennen können, was Gott an uns tun will und wird, wenn wir Ihn denn nur ließen. Doch sie ist nicht nur das Bild des Heils, das uns erwartet, sondern Christus hat sie uns auch zur Mutter gegeben, durch die Er uns Seine Gnade schenken will:

Im Moment Seiner Aufopferung für die Menschheit macht Er Maria gleichsam zur Vermittlerin des Gnadenstroms, der vom Kreuz ausgeht. Unter dem Kreuz wird Maria zur Gefährtin und Beschützerin der Menschheit auf ihrem Lebensweg.

Das sollte man nicht dogmatisch mißverstehen. Der Papst meint nicht, daß es ohne die Vermittlung Mariens kein Heil gäbe. Vielmehr ist das ein pastoraler Gedanke Gottes: Es fällt vielen Menschen leichter, zu einem anderen Menschen eine Beziehung aufzubauen und von ihm Hilfe anzunehmen als direkt zu/von Gott. So ist die Mutterschaft Mariens eine Form der Fortsetzung der Inkarnation. Gott wird Mensch, um es den Menschen einfacher zu machen, Seine Gnade anzunehmen, und Er setzt Menschen ein, um diese Gnade zu vermitteln, zuallererst Seine menschliche Mutter, Maria.

Ja, wir gehen durch Höhen und Tiefen, aber Maria tritt für uns ein bei ihrem Sohn und hilft uns, die Kraft Seiner göttlichen Liebe zu finden und sich ihr zu öffnen.

Es ist schwer für den Menschen, sich seine Schwäche einzugestehen, Hilfe von anderen anzunehmen. Umwieviel schwerer ist es noch, sich einzugestehen, auf die Hilfe Gottes angewiesen zu sein!

[Maria] will uns in mütterlicher Behutsamkeit verstehen lassen, daß unser ganzes Leben Antwort sein soll auf die erbarmungsreiche Liebe unseres Gottes. Begreife – so scheint sie uns zu sagen -, daß Gott, der die Quelle alles Guten ist und der nie etwas anderes will als dein wahres Glück, das Recht hat, von dir dein Leben zu fordern, das sich ganz und freudig seinem Willen überantwortet und danach trachtet, daß auch die anderen ein Gleiches tun.

Das setzt Demut, Selbsterniedrigung voraus, so daß aus rein menschlicher Perspektive das „Selber-machen“ sehr viel verlockender und hilfreicher erscheinen mag. „Better to reign in hell, than to serve in heaven“, wie es in John Miltons Paradise Lost heißt. Und so schließt sich der Kreis. Dem weltlichen Weg der gottlosen Diktaturen, des „Selber-Machens“, der Selbstverwirklichung, ja, des Satanismus in der Selbstvergöttlichung steht der himmlische Weg Mariens zu Christus entgegen, ein Weg der Demut, der Liebe, der Zuwendung und des Friedens, der Vergöttlichung des Menschen durch den einzigen, der diese Vergöttlichung schenken kann, weil Er selbst wahrer Gott und wahrer Mensch ist (Theosis). Und ist es wohl zu weit hergeholt, Absicht darin zu sehen, daß die gegenwärtige Diktatur des Relativismus nur ansatzweise angedeutet wird? Will der Papst nicht sagen: Diese gottlosen Diktaturen, das „Selber-Machen“, das ist ein Weg der Vergangenheit (selbst wenn er vielleicht gegenwärtig beschritten wird), die Zukunft aber gehört dem himmlischen Weg, denn „wo Gott ist, da ist Zukunft“?

Heute gibt es im Monday Metal Mix mal einen Song, der bei mir etwas länger brauchte, bis er gezündet hat. Das ganze Album war schon so gut wie als „klingt alles gleich“ an mir vorbeigerauscht (damals war ich noch eher im Melodic Death zu hause), als das letzte Stück auffallend anders war. Wahrscheinlich lag’s am „alla Berndt“-Rhythmus, wie mein Keyboardlehrer meine Vorliebe für das Gegenteil von „alla breve“ nannte, vielleicht auch an dem etwas wirren Ende, möglicherweise auch daran, daß das Stück sehr viel melodischer wirkt als der Rest.

Und so brachte ich die Nacht damit zu, mich in das Album reinzuhören, zunächst mit dem Titelsong in Dauerschleife, fand dann Zugang zu Like Angels Weeping the Dark, To Reign Again und vor allem Let Them Burn (Hell, yeah: All the traitors in the world – let them burn!), entdeckte Black Metal-Riffs in In Words of Desperation und konnte irgendwann auch mit Crippled and Broken (zu sehr auf den Live-Effekt ausgelegt) und It Turns to Rust (fällt ziemlich ab im Vergleich zum Rest) meinen Frieden schließen. Open Scars finde ich nach wie vor ein bißchen zu „weinerlich“, trotzdem fand ich es ein ziemlich gutes Album, was nicht unbedingt dadurch geschmälert wurde, daß ich dem „Live in Deutschland“-Gig auf dem Party.San beiwohnen durfte.

Tempation’s Nest hingegen zündete erst Monate später. Heute würde ich sagen, es war mir zu sperrig. Ich brauchte erst den Zugang über den Text („cast away in the veins of redemption“), der in dieser Postingkategorie aber keine Rolle spielen soll. Tatsächlich halte ich das Stück für das komplexeste des Albums, wenngleich Kataklysm „Northern Hyperblast“ natürlich nie so sonderlich komplex werden kann. Dennoch, diverse Rhythmus-Wechsel bzw. -brüche und zeitweise verschiedene Rhythmen parallel, die den Eindruck des ständigen Vorwärtsstolperns vermitteln, verursachen ein Gefühl der Beklemmung (die schon durch das immerhin 40 Sekunden dauernde Intro, was für Katklysms Verhältnisse recht lang ist, vorbereitet wird), des Getriebenseins und der Unfreiheit, was für eine wunderbare musikalische Umsetzung des Textes (theologicly speaking: Erbsünde!) spricht. Aber der soll hier, wie gesagt, keine Rolle spielen, also hört selbst: