Als Kind war für mich die Welt noch einfach. Die heiligen drei Könige waren die heiligen drei Könige, Casper, Melchior und Balthasar mit Namen, einer davon schwarz. Krippenfiguren prägen. Daß im Matthäusevangelium weder ausdrücklich von drei Besuchern an der Krippe noch überhaupt von Königen die Rede ist, hat mich nie gestört. Irgendwann habe ich dann registriert, daß sie in der Einheitsübersetzung als Sterndeuter bezeichnet werden. Ok, hatten die Könige also ein Hobby, das sie auf die Spur von Weihnachten gebracht hat. Wie gesagt, für ein Kind ist die Welt noch einfach.
Im Religionsunterricht habe ich dann gelernt, all das in Frage zu stellen. Steht ja nicht in der Bibel. Zu Königen habe sie erst die Tradition gemacht, die Namen wurden auch einfach mal irgendwann erfunden, und daß ein Schwarzer darunter war, das gebe die Bibel mit ihrer Angabe „aus dem Osten“ auch nicht so recht her. Ich kann mich leider nicht daran erinnern, daß dafür irgendwas Positives dagegen gesetzt wurde, also nach dem Niederreißen meines Kinderglaubens etwas Neues aufgebaut wurde. In der Folgezeit wurde mir Weihnachten immer fremder, der 6. Januar hatte nur noch Bedeutung als Ende der Weihnachtszeit (was er ja eigentlich gar nicht ist).
Im Studium erfuhr ich dann dank Griechischkenntnisse, daß die Sache nochmal deutlich komplizierter ist, denn da ist auch nicht einfach von Sterndeutern die Rede, sondern von Magiern. Die Deutungen derselben reich(t)en von Diasporajuden aus Babylon bis Zarathustrapriester. Bei ersteren besteht die berechtigte Frage, warum Diasporajuden a) sich mit Astrologie abgeben und b) nicht gleich auf die Idee kamen, nach Bethlehem zu ziehen (diese Frage wurde aber durch die Problemstellung schwer gemacht: Warum sollten Heiden sich für den Messias interessieren? *Kopf–>Tischkante*). Letztere Deutung hingegen ist auch unter Nichttheologen verbreitet, wird sogar als terminus technicus für eben jene Priester genannt.
Und so war es dann (ausgerechnet 🙂 ein ziemliches Urgestein der Historisch-Kritischen Exegese in der katholischen Theologie, der mir im Laufe der Zeit wieder einen Zugang zu den heiligen drei Königen und so indirekt auch zu Weihnachten eröffnet hat. Denn die Auslegung lief im wesentlichen darauf hinaus, daß die Magoi als Vertreter der Heiden an die Krippe kommen und Matthäus dadurch deutlich macht, daß Jesus von Anfang an auch der Retter für die Nicht-Juden war und mit ihm die Endzeit angebrochen ist. Ausgerechnet Matthäus, der für Judenchristen schrieb? Ja, gerade der, denn Mt 2 greift die jüdische Tradition der endzeitlichen Völkerwallfahrt zum Zion auf (vgl. v.a. Jes 60), die die christliche Tradition dann weiter ausgebaut hat.
Tjaha, und da schließt sich dann der Kreis — was aber viel einfacher zu haben gewesen wäre mit einem nicht-destruktiven Religionsunterricht, der statt Bestehendes zu zerstören und eine tabula rasa zu hinterlassen auf dem Bestehenden aufgebaut hätte (was, nebenbei gesagt, eigentlich sowieso pädagogisch-didaktisches Grundlagenwissen ist oder sein sollte). Denn daß da einer der Könige schwarz ist, ist keineswegs willkürlich, sondern bezieht sich genau auf das Motiv der Völkerwallfahrt, wo weniger „von Osten“ als von Seba und Saba und von Tarschisch die Rede ist. Seba/Saba, das heißt von Israel aus: aus dem Süden (vermutlich im heutigen Jemen, wobei die Königin von Saba eher aus Äthiopien gestammt haben dürfte; zur Zeit Jesu eher ein mythisches Reicht „irgendwo im Süden“). Tarschisch dürfte vermutlich in Spanien zu suchen sein. Zusammen mit des Matthäus Ortsangabe „von Osten her“ ergibt sich also ein König aus dem Osten (Asien), einer aus dem Süden (Afrika) und einer aus dem Westen (Europa) als Repräsentanten der (Heiden-)Völker — und das steht sogar alles so in der Bibel… Da war also die „kindische“ Tradition näher an der historisch-kritischen Exegese als der ach so historisch-kritische Religionsunterricht.
Daß die drei Könige für die damals bekannten Erdteile stehen, war mir – eben dank des Schwarzen – irgendwie immer schon klar, ohne das das WiMRE mal jemand explizit erwähnt hätte.
Das einzige Mal, daß ich selber Sternsingen gegangen bin (in der Firmkatechese, aus Jux haben wir Katecheten dann selber eine Gruppe gebildet), war ich dann der mit Schuhcreme geschwärzte König mit Silberturban. Das hat mir das Fest noch sympathischer gemacht. 🙂