Evangelisation

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Einer kommt und will den brachliegenden Bau der Gottesstadt fortsetzen und die Mauer vollenden: die Kirche/eine Gemeinde aufbauen und befestigen. Dabei hat er die Unterstützung des Königs (Christus). Doch andere, Sanballat, Tobija und Geschem (weltlich gesinnte Menschen in der Gemeinde oder drumherum, jedenfalls solche, die nicht wirklich dem Volk angehören, aber Macht über es ausüben, wenngleich nicht im Einklang mit dem König, dem sie sehr wohl unterstehen), „verdroß [es] sehr, daß da ein Mann kam, der sich für das Wohl der Israeliten einsetzte“ (Nehemia 2,10).

Nehemia beginnt, die Mauer wieder zu errichten, die Spötter spotten – und machen das Werk verächtlich. Nehemia aber antwortet ihnen: „Der Gott des Himmels wird uns Erfolg verleihen. Wir, Seine Knechte, wollen ans Werk gehen und bauen. Ihr hingegen haben weder Anteil [an der Stadt] noch Anrecht [auf sie]; es gibt keine Erinnerung an euch in Jerusalem.“ (2,20) [Sehr interessant, daß er nicht auf die weltlich-königliche Unterstützung verweist, sondern direkt auf den Herrn – was die allegroische Auslegung stützt!]

Darauf motiviert Nehemia die Priester und Bewohner der Stadt (die, die wahrhaft zu Christus gehören) an der Befestigung der Stadt mitzuwirken – jeder an seinem Platz, da wo er wohnt. Trotz des andauernden Spotts der Feinde bauen sie so die Befestigung halb fertig.

Da beginnen die Feinde, den Aufbau von außen zu stören – doch der Herr sorgt dafür, daß die Störaktionen und Angriffe bekannt werden, bevor sie Schaden anrichten können. Nehemia stellt Wachen auf, und wer arbeitet, arbeitet mit dem Speer in der Hand und dem Schwert um die Hüfte (vgl. Eph 6!).

Doch dann kommt es zu Unfrieden in den eigenen Reihen. Die Ungerechtigkeiten innerhalb des Volkes fordern ihren Tribut. Um weiterbauen zu können, muß erst eine gerechte, dem Gebot Gottes entsprechende Ordnung hergestellt werden; die Zeit der Brache hat zuviel Unkraut sprießen lassen, auch bei den Bewohnern der Stadt. Nehemia verzichtet daher sogar auf den ihm zustehenden Unterhalt, d.h. um Gerechtigkeit herzustellen, muß jeder auf das verzichten, auf das er verzichten kann, obwohl es zu fordern nicht ungerecht wäre; aber nur so bekommen alle, was sie unbedingt brauchen.

Die Feinde versuchen nun Nehemia direkt auszuschalten – schlag den Hirten und du zerstreust die Herde. Nehemia geht jedoch nicht in ihre Falle. Sie bedrohen ihn sogar offen mit Anzeige beim König und setzen Gerüchte über ihn in die Welt. König dürfte hier weltlich verstanden sein, d.h. es ist an Anzeige beim Staat oder beim Bischof zu denken. Nehemia tritt dem offen entgegen und weist die Gerüchte als unwahr zurückt, d.h. die Gerüchte ans Licht zerren, dann zerfallen sie, da sie nur im Schatten gedeihen können. Selbst einen Bewohner Jerusalemes können sie für einen Anschlag auf Nehemia dingen. Er soll Nehemnia zu einer Sünde verleiten, die es ihnen ermöglicht hätte, Nehemias Ruf zu schädigen und sein Handeln unwirksam zu machen. Nehemia erkennt aber die Sündhaftigkeit des Vorgeschlagenen und riskiert lieber sein Leben als zu sündigen. So bewahrt ihn der Herr vor allen Bedrohungen, Angriffen und Verrätern, und Nehemia kann die Mauer vollenden. Erst danach, vor den Feinden geschützt, beginnt der innere Wiederaufbau der Stadt Gottes und Seines Volkes.

D.h. für den, der am Aufbau des Reiches Gottes mitwirken will, ist es wichtig, die Unterscheidung herbeizuführen, wer zum Volk Gottes gehört und wer nicht, und er muß das Volk Gottes vor den Feinden durch Bollwerke schützen. Diese geistliche Mauer wird wohl durchaus durch die Menschen hindurchgehen, niemand ist ganz Freund oder ganz Feind Gottes. Daher muß er vor allem darauf bedacht sein, Gerechtigkeit in der Gemeinde herzustellen, Angriffe als solche zu erkennen und zurückzuschlagen, Lügen offen entgegenzutreten sowie sich von aller Sünde fernhalten und auch in der Angst nicht unbedacht handeln.

Um das tun zu können, muß er im Auftrag des Herrn wirken, es muß ihm zuerst um das Reich Gottes gehen. Er muß selbst aus der Nähe des Königs kommen (Nehemia war dessen Mundschenk) und im Gebet und im Handelm Ihm verbunden bleiben. Es gibt aber noch eine Voraussetzung: den (im Kern) rechten Gottesdienst; ihn findet Nehemia bereits vor, er wurde schon im Buch Esra wiederhergestellt.

Gewissermaßen Fortsetung von dem hier und inspired by this.

Dieser Post liegt schon seit über drei Jahren im Entwurfsordner. Am Anfang sollte es eine komplette Papst-Predigten-und-Ansprachen-Reihe werden. Irgendwann fehlte mir erst die Zeit, dann geriet das Projekt in Vergessenheit. Als ich wieder drüber stolperte, hatte sich meine Situation so weit verändert, daß ich mir nicht mehr sicher war, den Post noch so verantworten zu können. Tatsächlich würde ich ihn heute nicht mehr so schreiben. In der Sache hat sich meine Auffassung nicht geändert. Nur ist es nicht mehr so existentiell.

Mit der Papstpredigt im Olympiastadion (Video, Predigt ab 48:30) bin ich persönlich sehr verbunden. Es waren genau die richtigen Worte zur richtigen Zeit, die Antwort auf eine zuvor meditierte Frage.

Ich habe die Kirche immer geliebt. Auch jahrelange „Indoktrination“ (durch wen kann ich gar nicht sagen) hat das nicht ändern können, mir aber doch ein schlechtes Gewissen gemacht: Wenn ich die Kirche liebe, bin ich dann ein schlechter Christ, weil ich Christus nicht liebe? Ja, dieser Gedanke ist so bekloppt, wie er aussieht, aber das hat mich lange beschäftigt. Erst als ein Professor (noch dazu ein Freiburger!) die alte Tradition zitierte, daß man die Kirche nicht lieben könne, ohne Christus zu lieben, daß also die Liebe zur Kirche Liebe zu Christus ist, löste sich diese Hemmung auf. Ha, ich darf also nicht nur die Kirche lieben, wenn ich Christus lieben (möchte), ich muß es sogar.

Doch bald darauf hatte ich das nächste Problem: Wenn ich die Kirche lieben muß, wenn und weil ich Christus liebe – woher kommt dann all das abfällige Gerede über die Kirche in der Kirche?! Nie hatte ich ein Problem mit Kirchenkritik von außen, aber die (destruktive[1]) Kritik an der Kirche von innen, die Häme, teilweise der Haß gegenüber ihren Repräsentanten sogar durch einfache Gläubige, die innere Zerstrittenheit der Hierarchie selbst, all das habe ich nie begreifen können.

Ok, ich muß einräumen, daß ich das Glück hatte, nur periphär und erst spät mit solchen Erfahrungen konfrontiert zu werden, obgleich meine Heimatpfarrei auch nicht immer ein Herz und eine Seele war – aber Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. 🙂 So bin ich auch nie mit der inneren Logik dieser Kirchenkritik konfrontiert worden und habe sie auf Unverständnis und mangelndes Glaubenswissen zurückgeführt. Also: Wenn man den ganzen Kritikern mal in Ruhe alles erklären würde, könnten sie gar nicht anders, als die Kirche ebenfalls zu lieben und konstruktiv zu kritisieren. (Daß es unter den destruktiven Kritikern auch Theologieprofessoren gab, habe ich geflissentlich ausgeblendet.) Jedenfalls wollte ich nie einem Katholiken in seiner Kirchenkritik einen bösen Willen unterstellen. Gerade aus Liebe zur Kirche kann ich das doch eigentlich auch gar nicht. Auch der destruktive Kritiker ist doch als getaufter Katholik Teil der Kirche und damit des Leibes Christi. Ich verstehe zwar nicht, wie er tickt, aber daß er aus seiner Lebensgeschichte heraus konsequent und im Glauben so tickt, habe ich immer vorausgesetzt.

Mir ist zwar über die Jahre immer deutlicher geworden, daß gerade das Verständnis der Kirche als Leib Christi praktisch verdunstet ist, daß das Glaubenswissen nicht nur im Argen liegt, sondern vielfach bei Null. Aber eine Möglichkeit habe ich nie in Betracht gezogen: Daß sogar die Mehrheit der aktiven Katholiken in Deutschland leben könnte, als ob sie nicht glaubte, daß tatsächlich ein Großteil der Kirche de facto vom Glauben abgefallen ist. Bis ich einen längeren Blick in den Maschinenraum der deutschen Kirche werfen konnte. Da kamen mir dann langsam Zweifel an meinem Optimismus. Klar, man kann nie wirklich beurteilen, ob und was der andere glaubt (auch sehr überraschende Zeugnisse habe ich schon erlebt, die mir meinen eigenen Hochmut vor Augen geführt haben). Aber von einem Gedanken mußte ich mich langsam aber sicher verabschieden: Daß es reicht, einfach mal alles ordentlich zu erklären. Viel zu viele sind dermaßen in einer gut geölten Maschinerie aktiv, daß sie gar nicht merken, daß die Maschine gleichermaßen heiß wie leer läuft. Sie machen tolle Aktionen, sind in der Gesellschaft präsent – bringen aber Christus nicht nur nicht zu den Menschen, sondern sind auf dieser Ebene sogar gar nicht ansprechbar. Da redet man einfach an ihnen vorbei. Sie verstehen einen überhaupt nicht. So wird das nichts mit der missionarischen Kirche. Es gibt keine Kommunikationsmöglichkeit. Über die praktische Umsetzung unseres Glaubens. Es fehlt die gemeinsame Grundlage. Und was kann die gemeinsame Grundlage sein, wenn nicht Christus?! Also fehlt ihnen Christus?

Μὴ γένοιτο! Das sei ferne! Es kann nicht sein, was nicht sein darf! Und natürlich, ich habe auch andere Menschen im kirchlichen Dienst erlebt, die sich wirklich gemüht haben, Christus zu verkündigen und dabei sogar ähnliche Aktionen gemacht haben, wie diejenigen, die auf dieser Ebene überhaupt nicht ansprechbar waren. Es kommt nicht darauf an, was jemand macht, sondern auf welcher Grundlage er es tut. Aber es waren nur ein paar wenige. Und so nagte der Verdacht weiter in mir.

Tja, und dann kam der Papst. Ich hatte schon wieder etwas Abstand zu meinen irritierenden Erfahrungen und kam bei der Reflexion über sie immer wieder zu dem Punkt: Kann es denn sein, daß ein Großteil der Kirche in Deutschland vom Glauben abgefallen ist? So auch am Abend des 22. September 2011. Während der Papst in Berlin predigte, stand ich unter der Dusche und meditierte dabei (auch unter dem Eindruck der absolut schäbigen Begrüßung des Papstes durch unseren damaligen Bundes-Wulff) diese Frage, brachte sie im Gebet vor Gott. Aber den Eindruck, der sich in mir immer mehr verstärkte, wollte ich immer noch nicht wahrhaben. Ich habe kein Problem, mit apokalyptischen Höllenpredigten und der massa damnata zu provozieren, aber doch immer nur, um aufzurütteln, um die Gefahr vor Augen zu führen, aber ihr Eintreten letztlich zu verhindern. Daß das tatsächlich das Ende einer großen Zahl von Menschen sei, vielleicht sogar der größten Zahl der Menschen und gerade meiner Zeitgenossen, noch dazu solcher, die neben mir in der Kirchenbank gesessen haben? Ich will das nicht, aber ich kann es nicht verhindern, wenn es so sein sollte, also darf es so nicht sein!

Das waren also die Voraussetzungen, unter denen ich dann unmittelbar nach dem Duschen die Aufzeichnung der Predigt aus dem Olympiastadion gehört habe. Und sie traf mich wie ein gut plazierter rechter Haken. Mit der grandiosen Vorlage des wahren Weinstocks (Joh 15,1-8) predigte der Papst genau die Kirche als Leib Christi:

Und dieses Zueinander- und Zu-Ihm-Gehören ist nicht irgendein ideales, gedachtes, symbolisches Verhältnis, sondern – fast möchte ich sagen – ein biologisches, ein lebensvolles Zu-Jesus-Christus-Gehören. Das ist die Kirche, diese Lebensgemeinschaft mit Jesus Christus und füreinander, die durch die Taufe begründet und in der Eucharistie von Mal zu Mal vertieft und verlebendigt wird. „Ich bin der wahre Weinstock“, das heißt doch eigentlich: „Ich bin ihr und ihr seid ich“ – eine unerhörte Identifikation des Herrn mit uns, mit seiner Kirche.

Das Gleichnis vom Weinstock bleibt aber nicht dabei stehen, diese Identifikation einfach freudig zu verkünden, sondern seine eigentliche Spitze hat es in der Verwandlung der Rebe durch den Winzer, der den Weinstock pflegt und hegt, „die dürren Reben abschneidet und die fruchttragenden reinigt, damit sie mehr Frucht bringen“. Der Papst fährt fort mit einem anderen, der Realität noch näheren Bild des Propheten Ezechiel (für mich eines der schönste Bücher des Alten Testamentes): „Gott will […] das tote, steinerne Herz aus unserer Brust nehmen, und uns ein lebendiges Herz aus Fleisch geben (vgl. Ez 36,26), ein Herz der Liebe, der Güte und des Friedens. Er will uns neues, kraftvolles Leben schenken.“ Und diese Dynamik wird vermittelt durch die Kirche, die der Leib Christi ist und Gottes Heilswerkzeug für die Menschen, die Sünder, „um uns den Weg der Umkehr, der Heilung und des Lebens zu eröffnen“. Was für eine froh machende Botschaft diese Reinigung doch ist!

Doch dann kam der Abschnitt, der mich tatsächlich „ausknockte“. Der Papst selbst spielt auf die Zustände in der deutschen Kirche an, die ziemlich genau meine Erfahrungen im „Maschinenraum“ trafen:

Manche bleiben mit ihrem Blick auf die Kirche an ihrer äußeren Gestalt hängen. Dann erscheint die Kirche nurmehr als eine der vielen Organisationen innerhalb einer demokratischen Gesellschaft, nach deren Maßstäben und Gesetzen dann auch die so sperrige Größe „Kirche“ zu beurteilen und zu behandeln ist. Wenn dann auch noch die leidvollle Erfahrung dazukommt, daß es in der Kirche gute und schlechte Früchte, Weizen und Unkraut gibt, und der Blick auf das Negative fixiert bleibt, dann erschließt sich das große und schöne Mysterium der Kirche nicht mehr.

Dann kommt auch keine Freude mehr auf über die Zugehörigkeit zu diesem Weinstock „Kirche“. Es verbreiten sich Unzufriedenheit und Mißvergnügen, wenn man die eigenen oberflächlichen und fehlerhaften Vorstellungen von „Kirche“, die eigenen „Kirchenträume“ nicht verwirklicht sieht! Da verstummt dann auch das frohe „Dank sei dem Herrn, der mich aus Gnad‘ in seine Kirch‘ berufen hat“, das Generationen von Katholiken mit Überzeugung gesungen haben.

Dieser kurze Absatz traf und deutete die „Maschinenraum“-Erfahrungen dermaßen deutlich und stimmig, daß mir seit diesem Moment völlig klar ist: Es ist nicht nur möglich, es ist sogar der Fall, daß ein großer Teil der deutschen Kirche vom Glauben abgefallen ist. Und daß ausgerechnet diese für jeden, der Christus anhängen will, wirklich frohe Botschaft, dieser kurze Abschnitt über die Reinigung der Reben als „Drohbotschaft“ die öffentliche Wahrnehmung der Predigt bestimmte, sagt doch eigentlich schon alles. Damit ergab sich eigentlich auch gleich noch, daß es keine Rückkehr in den „Maschinenraum“ geben kann, daß der Eindruck in ebenjenem „neutralisiert“, wirkungslos zu sein, weil bereits die Grundlage dessen, was ich dort erreichen wollte, nicht gegeben ist und die entsprechenden Anstrengungen, sie zu schaffen, mich nur zeitlich davon abhalten, tatsächlich missionarisch tätig zu sein, nicht aus der Luft gegriffen war. Und wer die Hand an den Pflug legt und noch einmal zurückschaut, ist des Himmelreiches nicht würdig…

Wo ich die Predigt gerade noch einmal lese, fällt mir auf, wie deutlich der Papst auch im Folgenden immer und immer wieder nichts anderes tut als seine Zuhörer zur Umkehr aufzurufen. Mit frohen und ermutigenden Worten, aber nichtsdestoweniger deutlich: Immer und immer wieder steht Christus als Wurzelgrund im Mittelpunkt, fordert der Papst uns auf, in Christus zu bleiben, der uns im Umkehrschluß eine Bleibe in schwieriger, geradezu dunkler Zeit schenkt, „einen Ort des Lichtes, der Hoffnung und der Zuversicht, der Ruhe und der Geborgenheit. Wo den Rebzweigen Dürre und Tod drohen, da ist in Christus Zukunft, Leben und Freude.“ In Christus zu bleiben, und das ist der nächste Hieb auf die deutsch-katholische Kirche, bedeutet, in der Kirche zu bleiben: „Wir glauben nicht allein, wir glauben mit der ganzen Kirche aller Orten und Zeiten, mit der Kirche im Himmel und auf der Erde.“ Boah, da kann ich mich als „Vincentius Lerinensis“ nur persönlich angesprochen fühlen. Und als ob das nicht schon reichte, legt er einen halben Absatz später noch einmal nach, so daß ich mich auch als Sebastian Berndt durch diese Predigt nur persönlich und gerade in der ganzen Komplexität der oben dargelegten Fragestellung angesprochen fühlen kann:

Daher konnte Augustinus sagen: „In dem Maß, wie einer die Kirche liebt, hat er den Heiligen Geist“ (In Ioan. Ev. tract. 32,8 [PL 35,1646]).

Und so maße ich mir an, den folgenden Abschnitt:

Wer an Christus glaubt, hat Zukunft. Denn Gott will nicht das Dürre, das Tote, das Gemachte, das am Ende weggeworfen wird, sondern das Fruchtbare und das Lebendige, das Leben in Fülle, und Er gibt uns Leben in Fülle.

umzukehren: Wer nicht von Christus her lebt und durch alles, was er tut, Seine Liebe zu den Menschen zu verkünden versucht, hat keine Zukunft.

Laßt die Toten ihre Toten begraben.


=====
[1] Es gibt natürlich auch eine legitime Kirchenkritik, die sich gerade aus der Liebe zur Kirche speist. Aber die ist nicht destruktiv, nicht Rechte von anderen einfordernd, sondern konstruktiv und fängt beim Kritiker selbst an. Sie ist eine Kritik in Demut, die sich vom Kern des Glaubens, von Christus her versteht, und nicht aus Hochmut. (hoch)

Bei der Abschlußrunde war es noch zu früh, um die Gedanken, die ich tatsächlich aus Freiburg mitgenommen habe, in Worte zu fassen, und sie hätten auch zeitlich den Rahmen gesprengt. In der Diskussion über das Bloggerprojekt zum Jahr des Glaubens sind einige Konfliktlinien aufgebrochen, die nicht ausdiskutiert werden konnten, aber zu wichtig sind, um weiter unthematisiert vor sich hin zu schwelen.

Nachdem ich eine Nacht drüber geschlafen habe, meine ich fünf Punkte benennen zu können, die zumindest für mich den Kern des Konfliktes ausmachen:

  1. Die Behauptung, das Abarbeiten an innerkirchlichen Themen sei nicht missionarisch und interssiere „keine Sau“.
  2. Ein zerstrittener Eindruck sei schädlich für die Außenwirkung (Beispiel Linkspartei, Schlagwort: „Sie waren ein Herz und eine Seele“).
  3. Haben wir das Evangelium/Gott oder entdecken wir es mit dem anderen zusammen?
  4. Schüler hätten viel fundamentalere Fragen als die, die wir in der Blogoezese thematisieren und diskutieren.
  5. Die in der Konzeption des Projekts implizite Vorstellung von Neuevangelisierung als „neue Christen machen“ (genannt: die erreichen, die wir sonst nicht erreichen, indem wir etwa in weltlichen Medien präsent sind).

Ad Primum
Die Zahlen – 30 Blogger in Freiburg, und noch viel mehr Blogger, die nicht da waren, auch zentrale, wichtige -, das Stattfinden des Bloggertreffens an sich, die weit verbreitete Angst vor den Bloggern und kath.net in Diözesanleitungen, unter Hauptamtlichen an sich und vor allem der Kirchenpresse sowie das generelle Erstarken „konservativer“ Gruppen sprechen eine andere Sprache. Die Blogoezese würde nicht so immens wachsen, wenn die behandelten Themen „keine Sau“ interessierten.

Wenn man die 1-9-90-Regel anwendet, daß also nur 1% selbst Inhalte schaffen (hier: bloggen), weitere 9% kommentieren und 90% nur lesen, dann müßte die Blogoezese locker flockig ein Potential von etwa 5.000 bis 10.000 Leser haben. (Ok, das ist nur ein Potential, Alipius berichtet von 1.000 bis 1.500 täglichen Besuchern, bleibt die Frage, ob die Regel hier falsch ist oder ob die Blogoezese noch so „frisch“ ist, daß erst die 1-10% da sind, egal: so oder so interessiert es nicht „keine Sau“). Die Behauptung ist also schonmal empirisch falsch.

Ad Secundum
Es mag ja stimmen, daß zerstrittene Institutionen weniger Anziehungskraft entfalten als geschlossen wirkende. Aber hier stellt sich doch die Frage nach der Wertigkeit des Kriteriums. Hat es der Linkspartei denn geholfen, daß sie den Streit in den vergangenen Jahren – der Konflikt schwelt hier doch mindestens seit der Vereinigung von WASG und PDS, eher länger – unter den Teppich gekehrt hat, keine klaren Positionen entwickelt hat, um nur niemanden zu verprellen? Kurzfristig schon, umso größer aber ist jetzt der Absturz, daß auch eine zwischendurch scheinbar gesamtdeutsch etablierte Linkspartei nun unter die 5%-Hürde abzustürzen droht.

Vor allem ist das Argument aber theologisch fragwürdig. Denn es ist die Wahrheit, die uns frei machen wird. Diese Wahrheit ist Jesus Christus selbst, und Er ist die Möglichkeitsbedingung, daß wir überhaupt erst ein Herz und eine Seele sein können. Wie es empirisch gesehen offenbar keinen langfristigen Nutzen hat, Konflikte schwelen zu lassen statt sie auszutragen, ist es auch theologisch nicht zweckmäßig, Konflikte zu kaschieren. Daß sich mit kath.net und der Bloggerszene eine innerkirchliche Gegenöffentlichkeit gebildet hat, dürfte eher Folge bestehender Konflikte, die in den bisherigen Bahnen nicht ausgetragen werden konnten, als Ursache neuer Konflikte sein.

Ad Tertium
Der Frage, ob wir das Evangelium/Gott „haben“ oder nur mit dem anderen zusammen entdecken können, liegt eine fehlerhafte Gegenüberstellung zugrunde. Beide Teile der Frage schließen sich gar nicht aus, sondern setzen einander voraus:

Wenn wir von Gott nichts Sicheres wissen, können wir ihn auch nicht entdecken, denn dann würden wir Seine Spuren im Gegenüber bzw. in dessen Ansicht gar nicht als Seine Spuren erkennen (wie ja auch bereits die Voraussetzung, wir könnten Gott gar nicht „haben“ bereits ein ziemlich sicheres Wissen über Gott voraussetzt, nämlich daß Er von Seinem Wesen her unsere Erkenntnis übersteigt). Und wenn Er sich nicht entdecken ließe, dann könnten wir auch nichts Sicheres über Ihn wissen.

Oder, weniger erkenntnistheoretisch als vielmehr fundamentaltheologisch formuliert: Gott hat sich selbst offenbart, und zwar in Jesus Christus abschließend. Die Offenbarung ist abgeschlossen, da Gott über sich selbst hinaus nichts von sich offenbaren kann, klar. Was sollten wir also mit „dem anderen“ noch entdecken, was nicht bereits in der Person Jesu Christi offenbar ist. Andererseits zeigt uns gerade diese Selbstoffenbarung, daß Gott unseren Verstand übersteigt, daß wir ihn nicht „in der Tasche“ haben können, daß er uns immer ein Mysterium bleiben wird. Auch wenn wir noch so viel von Ihm verstanden haben, bleibt Er uns immer noch unverständlich. Und insofern können wir unseren Glauben an, unser Wissen über und unsere Beziehung mit Gott immer noch in der Auseinandersetzung mit anderen Glaubenden vertiefen.

Entscheidend ist aber, daß wir dabei nicht immer wieder bei Null anfangen müssen, sei die Null jetzt Adam und Eva oder Hexenverbrennungenkreuzzügeinquisition. Es gibt Dinge, die wir über Gott mit Sicherheit wissen, zumindest im negativen Sinn. Soviel wir immer noch kennenlernen können, so genau können wir sagen, wie Gott nicht ist.

Und genau an einer solchen Frage entzündete sich in der konkreten Diskussion der Widerspruch. Ob es das wert ist, sich an der Frage, ob man Gott als Mutter bezeichnen kann (in einem analogen Sinn natürlich, aber ebenso natürlich nicht in demselben Sinne wie wir von Gott Vater sprechen), aufzuhängen, darüber kann man natürlich streiten, aber berechtigt war die Anfrage ganz sicher: Wie gehen wir damit um, wenn ein Blogger im Rahmen des Gemeinschaftsprojekts häretisches Zeug verzapft, also Dinge schreibt, von denen wir bei genauerer Betrachtung auch ohne Gutachten der Glaubenskongregation sagen können, daß man das ganz sicher nicht über Gott sagen kann.

(Ok, wenn ich mich recht erinnere, lief es auf: Wir wollen keine Zensur ausüben, also müssen wir dann wohl oder übel in den Kommentaren widersprechen und damit wieder einen zerstrittenen Eindruck vermitteln. In Anbetracht der Wahrscheinlichkeit, daß in dem Gemeinschaftblog im Stundentakt Häresien gepostet werden, ist das wohl eine gute und praktikable Lösung. Angesichts der Emotionen, die in diesem Teil der Diskussion hochkochten, obwohl alle berchtigte Anliegen vertraten, dachte ich, das müssen wir nochmal ausdiskutieren.)

Ad Quartum
Dieses Argument liegt quasi als Bindeglied zwischen dem ersten und dem fünften. Ich habe es vor allem wegen des audiatur et altera pars als eigenes Argument aufgeführt, weil es mich persönlich bewegt und die zugrundeliegende persönliche Erfahrung meine Position zum fünften Argument vielleicht verständlicher macht.

Ich denke, auch meine Religionslehrer wollten sich um die vielen mehr oder weniger ungläubigen Schüler kümmern, die viel fundamentalere Fragen hatten als z.B. das pro multis. Das Dumme war nur: Ich war damals schon gläubig und hatte diese fundamentaleren Fragen eigentlich nicht, weil sie für mich (zumindest implizit) bereits beantwortet waren. Vor lauter Milch im Glauben wäre ich damals fast verhungert, außer in meinem Firmunterricht habe ich kaum feste Nahrung bekommen. Jedenfalls habe ich einige sehr zentrale Basics, etwa daß und warum wir durch das Kreuz erlöst sind, erst im Studium gelernt. Da habe ich mich, gelinde gesagt, etwas verarscht gefühlt, denn nach neun Jahren Religionsunterricht hatte ich nur eins gelernt: Daß ich offenbar schon alles Notwendige über den Glauben gelernt hatte.

Ad Quintum
In der Vorstellungsrunde habe ich gesagt, daß der ursprüngliche Grund, warum ich blogge, darin liegt, daß ich während der Arbeit an meiner Diss auf so viel verschüttete Tiefe und Vielschichtigkeit unseres Glaubens gestoßen bin, die ich letztlich nicht vollständig in die Diss pressen konnte. Das war in gewisser Weise schon eine Meta-Erfahrung zur unter 4. geschilderten schulischen Erfahrung. Wenn ich bedenke, daß ich schon zu Schulzeiten dachte, ich wüßte eigentlich alles über den Glauben, und dann noch nach zehn Jahren intensiver Vertiefung des Wissens im Studium (und auch heute noch) über neue, spannende Zusammenhänge und Vertiefungen stolpere, bei denen ich mich frage, wie ich eigentlich ohne sie leben konnte (ganz davon abgesehen, daß ich zugleich immer deutlicher merke, was mir alles noch fehlt, wieviel mich immer noch von Gott trennt), dann kann ich eigentlich nicht umhin, den Grund für die Glaubenskrise weniger bei den Fernstehenden als vielmehr bei den bereits Glaubenden zu sehen.

Natürlich kann man nie den Glauben eines anderen beurteilen, und dennoch macht es mich traurig, daß ich, wenn ich nicht durch einige Zufälle (oder göttliche Fügung :-)) im Theologiestudium gelandet wäre, jetzt wohl immer noch denken würde, ich wüßte ja alles Notwendige, ohne zu wissen, was ich alles nicht weiß. Und ich kann mir nicht vorstellen (und meine Erfahrungen in den Weiten des Internets, aber auch im RL bestätigen das), daß mein Religionsunterricht die (schlechte) Ausnahme war.

Deswegen halte ich ein Verständnis der Neuevangelisierung als „neue Christen machen“ für einseitig und, vor allem auch unter praktischen Gesichtspunkten, für ineffektiv. Mindestens genauso wichtig wie „nach draußen zu gehen“, wenn nicht sogar wichtiger, ist es „nach innen zu gehen“ (aber: das eine tun, ohne das andere zu lassen!). Auch das ist missionarisch. Es gibt so viele, die eine gewisse Glaubensgrundlage und -praxis haben, deren Glaube aber nicht vertieft und genährt wird. Und das meine ich nicht in einem arroganten „die sind nicht richtig katholisch“-Sinne, sondern es tut mir weh, daß sie so vernachlässigt werden, daß ihnen eine Vertiefung ihrer Gottesbeziehung verwehrt bleibt.

Hier anzusetzen dürfte nicht nur einfacher sein als Ungläubigen oder Fernstehenden eine Glaubensperspektive zu erschließen (wer da andere Begabungen hat als ich, der mag das anders sehen), sondern vor allem auch effektiver. Denn damit schafft man Multiplikatoren, die ihrerseits in ihren Kontexten (Familie, Gemeinde, Beruf) (selbst-)evangelisierend wirksam werden können, anstatt alleine immer wieder neue Gläubige zu werben, sie dann aber sich selbst zu überlassen.

Es gab eine ganze Menge Leute, die die Predigt des Papstes in Erfurt für schwach hielten. Im wesentlichen hätte er geschichtliche Fakten aufgezählt. Das ist zwar nicht falsch, und es gibt tatsächlich einige Passagen der Predigt, die man wohl getrost überspringen kann, wenn man nicht gerade wissen will, wie die Jugendhäuser der Bistums Erfurt heißen. Dennoch war ich schon damals der Meinung und bin es, nachdem ich die Predigt nochmal gelesen habe, heute umso mehr, daß der Papst in diesen geschichtlichen Fakten und vor allem in der Auswahl der Fakten eine deutlich aufs Hier und Heute gerichtete Botschaft vermitteln wollte.

Papst Benedikt hat eine ernstgemeint freundliche, werbende Sprache und versucht die Situation ausgewogen zu würdigen, auf einer tieferen Ebene aber gibt er sehr wohl deutlich zu erkennen, in welche Richtung es seiner Meinung nach gehen müßte. Schon im September habe ich geschrieben: „Nicht nur sind [seine Predigten und Botschaften] punktgenau auf den jeweiligen Ort und Anlaß geschrieben, sondern sie haben auch jeweils eine klare Kernaussage.“ Der Impuls in und für Erfurt paßte wie die Faust aufs Auge.

Der Einstieg erfolgt über die zwei Diktaturen, die über die thüringer Lande hinweggerollt sind und bis heute Spätfolgen zeitigen. 1989 war zwar ein großer Aufbruch in neue Freiheit, aber hat er uns mehr an Glauben gebracht? Ich erlaube mir, die rhetorische Frage mit Blick auf die hiesige Situation zu beantworten: Nein, und daran leiden hier gerade die Älteren, denen das Festhalten am Glauben zu DDR-Zeiten zum Teil große Opfer abverlangt hat, wie der Papst hervorhebt.

Dagegen ermutigt er: Gott ist Zukunft, und diese Zukunft beschreibt er anhand der Vergangenheit. Die heilige Elisabeth

„führte ein intensives Leben des Gebets, verbunden mit dem Geist der Buße und der Armut des Evangeliums. […] Ihr Leben auf dieser Erde war nur kurz – sie wurde nur vierundzwanzig Jahre alt –, aber die Frucht ihrer Heiligkeit reicht über die Jahrhunderte hin.“

Damit verweist er noch einmal auf den einleitenden Abschnitt: Wer hätte im Elisabethjahr 1981 ahnen können, daß die Mauer acht Jahre später fällt? Wer 1941, daß vier Jahre später das „Tausendjährige Reich“ in Schutt und Asche versinken würde? Wir wissen nicht, was sich in vier oder acht Jahren an Rahmenbedingungen geändert haben wird, wir wissen nicht, wer in dieser Zeit vielleicht den Unterschied machen wird. Und ich erlaube mir, meinen eigenen Eindruck hinzuzufügen: Wir haben hier in Erfurt alle Voraussetzungen für einen großen Aufbruch, wenn wir nicht sogar schon mittendrin sind.

Und noch einen weiteren Verweis hat er bei Elisabeth eingebaut, indem er die Fülle des Glaubens, seine Schönheit, seine Tiefe und seine verwandelnde und reinigende Kraft erwähnt. Später nämlich sagt er:

„Wenn wir uns dem ganzen Glauben in der ganzen Geschichte und dessen Bezeugung in der ganzen Kirche öffnen, dann hat der katholische Glaube auch als öffentliche Kraft in Deutschland Zukunft.“

Quod semper, quod ubique, quod ab omnibus creditum est. 🙂

Dafür steht auch Bonifatius, der

„in wesentlicher Einheit und in enger Einheit mit dem Bischof von Rom, dem Nachfolger des heiligen Pertrus wirkte; er wußte, daß die Kirche eins sein muß um Petrus herum.“

Damit hat der Papst nicht nur das wesentliche Charisma von Bonifatius auf den Punkt gebracht, sondern wiederum auf Späteres in der Predigt verwiesen, wo es heißt, niemand könne alleine für sich glauben, und „das große Miteinander der Glaubenden aller Zeiten, […] ohne das es keinen persönlichen Glauben geben kann, ist die Kirche“. Auch hier, denke ich, haben wir in Erfurt die besten Voraussetzungen, zumindest wesentlich bessere als „drüben“. Bei allen kleingeistigen Querelen, die es auch hier gibt, erstaunt mich die Einheit der Kirche im Bistum (zumindest im Vergleich), die mit Sicherheit auch mit der Überschaubarkeit des Bistums zu tun hat.

Am Ende kommt er noch einmal auf die Ausgangsfrage nach der gewonnenen Freiheit und dem Mehr an Glauben zurück. Die Motivation, zu DDR-Zeiten am Glauben festzuhalten und dafür Nachteile auf sich zu nehmen, verortet er in der Sehnsucht nach Wahrhaftigkeit. Dieses Zeugnis mache uns zusammen mit dem Zeugnis der Heiligen Mut, die neue Situation zu nuten und die gewonnene Freiheit verantwortlich zu nutzen:

„Wir wollen, wie die Heiligen Kilian, Bonifatius, Adelar, Eoban und Elisabeth von Thüringen als Christen auf unsere Mitbürger zugehen und sie einladen, mit uns die Fülle der Frohen Botschaft, ihre Gegenwart und ihre Lebenskraft und Schönheit zu entdecken.“

Betrachtet man, wo sich die aufeinander bezogenen Stellen finden, ergibt sich, daß sie keinesfalls zufällig sind, sondern daß sie in einer Art Chiasmus in der Mitte der Predigt gespiegelt sind:

Geschichte Gegenwart
Einstieg: Kirche in der DDR heutige Gefahr: Glaube als Privatsache
Elisabeth: aus der Fülle des Glaubens viel bewirkt in kurzer Zeit ganzer Glauben, ganze Geschichte, ganze Kirche; dann haben Glaube und Kirche Zukunft
Bonifatius: Einheit mit dem Papst Glauben ist wesentlich Mitglauben (der einzelne ist von Gott gerufen durch und in der Kirche)
Zur Radikalität der Heiligen ist jeder einzelne direkt von Gott her berufen
In der Radikalität der Heiligen die Fülle des Evangeliums verkünden und einladen, ihre Gegenwart und ihre Lebenskraft und Schönheit für den einzelnen in der Gemeinschaft der Kirche zu entdecken.

Es handelte sich also mitnichten um eine langweilige Predigt, die historische Fakten aufzählte und nur sagte, was an diesem Ort unbedingt zu erwarten war. Das war sie auch, aber sie war eben viel mehr. Selbst die drögen historischen Fakten hat der Papst kunstvoll strukturiert zu einer klaren und geistlich tiefen Aussage aufgepimpt.

Irgendwann in den nächsten zwei bis drei Jahren dürfte ich mein zwanzigjähriges Internetjubiläum haben. Am Anfang war es ein großes Spielzeug, eine Möglichkeit, andere Bekloppte kennenzulernen, was bei mir damals eher mit Al Bundy als mit Jesus Christus zu tun hatte… Richtig spannend wurde es erst nach der Entdeckung des Usenets (Foren waren mir mit ’nem Modem einfach zu langsam, und umständlich finde ich sie heute noch; bei den sozialen Netzwerken fehlt mir das „hierarchische Element“ ;-). Und damit begann auch mein „Beklopptheitswandel“ zu mehr Glaubensdiskussionen.

Meine Erfahrung war ziemlich schnell, vor allem in der Auseinandersetzung mit Freikirchlern, daß es uns Katholiken zum einen ganz mächtig an Faktenwissen mangelt, zum anderen aber an einer spezifischen Katholiziät in der Argumentation. Wenn ich mich auf eine Diskussion mit einem Freikirchler einlasse, ohne mir bewußt zu sein, daß ich seine Voraussetzung der rein biblischen Argumentation nicht teile, dann habe ich früher oder später das Problem, daß ich ihm die katholische Lehre nicht erklären und schon gar nicht begründen kann. Denn ich argumentiere ja gar nicht katholisch, sondern freikirchlich. Wie soll da also was Katholisches bei rumkommen? Zum Glück gab es da immer auch ein paar besonders „Bekloppte“, die genau diese Diskrepanz thematisierten: „Klar, unter deinen Voraussetzungen kann man das gar nicht anders denken. Aber wir Katholiken haben andere Voraussetzungen. Und daß nur die Schrift allein zähle, läßt sich mit ihr selbst gar nicht begründen. Wohl aber die Tradition, denn die ist älter.“

In den Folgejahren habe ich das dann anzuwenden versucht. Die neue Erfahrung war: Wenn man wirklich von den Grundlagen bis zu den Details katholisch argumentiert, erreicht man zwar nicht unbedingt Zustimmung, schon gar nicht existentielle, aber doch selbst von bekennenden Atheisten Respekt für die (wider Erwarten?) vorhandene innere Logik des christlichen (katholischen) Glaubens. Und manchmal auch mehr.

Reißt man aber auch nur an einer kleinen, nach der Hierarchie der Wahrheiten vermeintlich unbedeutenden Stelle ein notwendiges Element der Lehre heraus, bricht über kurz oder lang das ganze, über knapp 2000 Jahre sorgsam austarrierte Gebäude zusammen. Eine Zeitlang wird man mit wilden Stützbauten den Zusammenbruch noch aufhalten können, aber für diese Stützbauten muß man weitere tragende Elemente abtragen, die dann ihrerseits Stützbauten brauchen. Schließlich werden diese Stützbauten aber nicht mehr auf dem tragenden Fundament stehen, das Christus selbst ist. Spätestens dann wird einem die ganze Bautätigkeit um die Ohren fliegen.

Liegt also die gegenwärtige Schwäche der katholischen Kirche (im deutschsprachigen Raum) zu einem nicht ganz unwesentlichen Teil nicht daran, daß schon die Grundlagen nicht bekannt sind und intuitiv eher protestantisierende Selbstverständlichkeiten für katholisch gehalten werden? Erst kürzlich hatte ich eine Diskussion in eigentlich bewußt-katholischem Kontext. Die Mitdiskutanten haben den Vorwurf des Protestantisierens entrüstet von sich gewiesen. Und doch lief da immer untergründig so eine unkatholische „Fortschrittsfeindlichkeit“ mit, nach der eine Lehre, die erst im Mittelalter entstand und heute nochmals ganz anders ausehe als zu ihrer Entstehung, ja nicht so wichtig sein kann. Tja, und es kam wie es kommen mußte: Nachdem diese Lehre über Bord gegangen war, wurden auch gleich weitere Lehren, mit denen ich argumentieren wollte, als offenbar „nicht mehr zeitgemäß“ (oder so) abgelehnt. „Ad Fontes“ in allen Ehren — aber wo bleibt da der „Geist, der uns in alle Wahrheit einführen wird“?

Mich macht das immer ein wenig traurig. So wird das jedenfalls nichts mit der Neuevangelisierung…

Es gibt sicher viele andere Themen, die in der Kirche überlegt und diskutiert werden müssen. Ich habe bewusst das Thema Beten für diesen Hirtenbrief gewählt. Denn für unsere derzeitige geistliche Not in der Kirche gibt es meiner Meinung nach keine bessere Therapie als das Gebet. Wir brauchen geistliches Grundwasser – dann kann vieles in der Kirche wieder neu zum Blühen kommen.