Ökumene

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Als Grundprinzipien der Reformation gelten die vier „solae“: sola scriptura (allein durch die Schrift), sola fide (allen durch den Glauben), sola gratia (allein durch die Gnade) und solus Christus (allein durch Christus). Soweit diese positiv gefüllt sind, sind sie durchaus mit dem katholischen Verständnis vereinbar, die katholische Lehre ist jedoch weiter: Statt dem protestantischen „sola“ (nur, allein) basiert die katholische Lehre auf dem „et … et“ (sowohl … als auch).

Katholisch können die reformatorischen Grundprinzipien zwar als geistliche Schwerpunktsetzungen des Einzelnen anerkannt werden. Radikale Christusnachfolge ist meistens einseitig, ja bewusst einseitig, und dagegen hat die katholische Kirche in der Regel auch nichts einzuwenden. Problematisch wird es jedoch, wenn die persönliche Spiritualität lehrmäßig verallgemeinert wird. Die vier „solae“ der Reformation sind jedoch als Prinzipien der Lehre, nicht der Frömmigkeit gedacht. Sie sind bewusst gegen die katholische Lehre gerichtet und infolgedessen theologisch und disziplinär jeden ausschließend, der andere Schwerpunktsetzungen vorzieht. Das ist, als hätte der heilige Franziskus sein Armutsideal allen Katholiken zur Pflicht machen wollen. Damit hätte er die katholische Weite der Kirche zugrunde gerichtet und mit Sicherheit die Kirche gespalten.

Häufig als das „Fundamentalprinzip“ verstanden wird „sola scriptura“. Positiver Inhalt dieses Prinzips ist:

  • Die Heilige Schrift enthält alles, was zum Heile nötig ist (Heilssuffizienz).
  • Die verschiedenen Abschnitte der Schrift legen sich gegenseitig aus, jede Stelle muß also über den Einzelautor hinaus im Zusammenhang der ganzen Schrift betrachtet werden(kanonische Auslegung).
  • Die kirchliche Lehre muß mit der Heiligen Schrift im Einklang stehen (Schriftgemäßheit der Lehre).

All das ist so grundlegend Teil der katholischen Lehre, daß auch ihre Kurzzusammenfassung im Kompendium des Katechismus der Katholischen Kirche es deutlich zum Ausdruck bringt: „Die Heilige Schrift […] lehrt ohne Irrtum jene Wahrheiten, die zu unserem Heil notwendig sind“ (18), was im Umkehrschluß bedeutet, daß etwas, das sie nicht zumindest einschlußweise lehrt, nicht zum Heil nötig sein kann. Als das erste Prinzip katholischer Schriftauslegung wird genannt: „auf den Inhalt und die Einheit der ganzen Schrift achten“ (19).

Daß aus dem Prinzip „sola scriptura“ folge, daß der wörtliche Sinn allein den einzelnen Christen unmittelbar binde, ist jedoch ein meit evangelikal begründetes Mißverständnis der Lehre Luthers. So würde das Christentum zu einer Buchreligion, was katholisch wie lutherisch abgelehnt wird: Christus ist das Wort Gottes (vgl. Joh 1,1ff.), und nur insofern die ganze Schrift Christus verkündet, drückt sich in ihr dieses Wort Gottes aus. Dieses muß vom Heiligen Geist im Herzen des Menschen lebendig werden, „damit [die Schrift] nicht toter Buchstabe bleibe“ (Katechismus der Katholischen Kirche [KKK] 108).

Die katholische Lehre ist jedoch umfassender und geht über die genannten Aspekte hinaus („et…et“ = sowohl als auch, statt „sola“ = nur). Das „sola scriptura“ ist direkt und sogar ursprünglicher gegen diese Aspekte gerichtet:

  • Der geistliche Schriftsinn wird abgelehnt.
  • Die Schrift selbst, nicht die kirchliche Tradition, ist das einzige Auslegungskriterium.
  • Jede Auslegung, aber auch jede Schrift selbst muß sich daran messen lassen, ob sie „Christum treibet“.

Auch nach katholischem Verständnis ist der wörtliche (historische) Sinn der wichtigste und damit die Grundlage aller geistlichen Auslegung, die ohne ihn inhaltsleer wäre (vgl. 1 Kor 15!). Doch bereits die Heilige Schrift selbst legt sich nicht nur den reinen Wortlaut aus, sondern versteht „auch die Wirklichkeiten und Ereignisse, von denen er spricht“ (KKK 117), als zeichenhafte Geschehnisse für den Heilsplan Gottes.

Der im engeren Sinn allegorische Sinn („Was dürfen wir glauben?“) legt die Geschehnisse im Lichte von Ostern aus, versteht also alles auf Christus und die Erlösung hingeordnet. Am häufigsten ist dabei die typologische Lektüre des Alten Testamentes, in der z.B. der Auszug aus Ägypten durch das Rote Meer als Voraus-Bild für unseren durch die Erlösung in Christus möglichen Auszug aus dem Reich der Sünde in der Taufe. Eine andere, bereits neutestamentliche Typologie ist das Verständnis Christi als das Paschalamm (so z.B. in der Johannes-Passion und in 1 Kor 5,7).

Der moralische Sinn („Was sollen wir tun?“) versucht aus den Geschehnissen der Schrift abzuleiten, was Gott von uns möchte, daß wir es tun. Wenn Jesus etwa auf die Frage, wer mein Nächster sei, mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter antwortet, muß der Hörer – und genau so schildert es uns Lk 10,25–37 – selbst durch geistliche Auslegung des Gleichnisses auf die Antwort kommen.

Wer die Schrift im anagogischen Sinn („Was dürfen wir hoffen?“) auslegt, versteht die berichteten Geschehnisse als Bild für den Himmel. Sie ist in gewisser Weise die Fortsetzung des typologischen Sinnes und legt seinen Verheißungsüberschuß aus: Wenn wir in der Taufe durch das Rote Meer aus dem Reich der Sünde „Ägypten“ ausgezogen sind, dann ist das angestrebte gelobte Land ein Bild für unsere ewige Heimat im Himmel (vgl. Hebr 3,74,13).

Wenn sich also alle drei geistlichen Sinne bereits in der Schrift selbst ausgelegt finden, dann müßte gerade unter der Voraussetzung, daß die Schrift das einzige Kriterium ihrer Auslegung sei, die Schrift nach ihrem geistlichen Sinn befragt werden. Diese Voraussetzung würde dadurch jedoch nicht logisch akzeptabler, denn es handelt sich um einen klassischen Zirkelschluß, in dem etwas mit sich selbst begründet werden soll. Das ist Münchhausen, der sich selbst am Schopf aus dem Sumpf zieht.

Auch geschichtlich ist das Kriterium nicht haltbar. Mit Tradition ist im katholischen Sinne nicht eine konkrete Gewohnheit, auch nicht eine Summe von Gewohnheiten gemeint, sondern der eine Überlieferungszusammenhang der Offenbarung Gottes von Abraham und Mose bis (gegenwärtig) Papst Franziskus. In allen Fällen geht die Offenbarung selbst ihrer schriftlichen Niederlegung voraus. Beim Neuen Testament ist selbst bei extremster Frühdatierung nach Jesu Tod und Auferstehung noch ein Zeitraum von etwa einem Jahrzehnt zu überbrücken, in dem es keine neutestamentliche Schrift, aber sehr wohl mündliche Überlieferung gibt. Somit begründet nicht die Schrift die Tradition, sondern die Schrift ist das älteste schriftliche Zeugnis der Tradition, das sogar ausdrücklich auf darüber hinausgehende mündliche Tradition verweist (z.B. Joh 20,30; 2 Thess 2,15; 2 Joh 12).

Träger der Tradition ist die Kirche, die sich als göttliche Institution (Leib Christi) wiederum nicht selbst begründet. Auch in ihr ist der eigentlicher Ausleger der Schrift der Heilige Geist. Die Schwierigkeit der Unterscheidung der Geister erfordert jedoch eine konkrete Instanz, die in Zweifesfällen die Kompetenz hat, die Schrift verbindlich auszulegen: das Lehramt der Kirche. Auf die Maßgabe dieses Überlieferungszusammenhangs und den Heiligen Geist als den eigentlichen Ausleger der Schrift verweist ausdrücklich 2 Petr 1,20f.:

Keine Weissagung der Schrift darf eigenmächtig ausgelegt werden; denn niemals wurde eine Weissagung ausgesprochen, weil ein Mensch es wollte, sondern vom Heiligen Geist getrieben haben Menschen im Auftrag Gottes geredet.

Kein Zweifel, Christus ist die Mitte der Schrift (vgl. KKK 102f., 112, 133 und 134). Darauf die Auswahl des Kanons, dessen Mitte zuvor schon festgestellt wurde, ist jedoch willkürlich und wiederum ein Zirkelschluß: Das Kriterium des Kanons muß den Kanon bereits voraussetzen.

Der Kanon verdankt sich vielmehr der lebendigen Tradition der Kirche. Beim Alten Testament hat die Kirche schlicht den zur Zeit Jesu üblichen Kanon der griechischen Übersetzung (Septuaginta) übernommen; einen verbindlichen hebräischen Kanon gibt es nicht vor 70 n. Chr. Schon die Autoren des Neuen Testaments haben ganz selbstverständlich die Septuaginta verwendet, was sich vor allem darin zeigt, daß das Alte Testament in der Regel nach ihr zitiert wird.

Beim Neuen Testament gibt es zwei Entwicklungsschritte. Zunächst hat sich ein gewisser Kanon von im Gottesdienst verwendeten Schriften herausgebildet. Dann mußte im dritten, vierten Jahrhundert dieser Kanon gegen die Gnosis (eine synkretistische und alles andere als klar abgrenzbaren religiösen Bewegung, die auch christliches Gedankengut rezipierte) abgegrenzt werden. Aus gnostischen Kreisen stammten Schriften, die vorgaben, von Aposteln zu stammen und z.T. auch echt christliches Gedankengut verarbeiteten, also schwer zu unterscheiden waren. Die Kirche wählte hier nach Alter und Augenzeugenschaft aus und war dabei ziemlich erfolgreich: bei den heute üblichen Datierungen (ca. 50–100 n. Chr.) finden sich nur drei christliche Schriften, die möglicherweise in diesen Zeitraum fallen und nicht ins Neue Testament aufgenommen wurden; neben dem Barnabasbrief noch die Zwölfapostellehre (Didaché) und der Erste Clemensbrief.

Wo ich gerade schon bei „ich habe gerade … gelesen“ bin: Anfang des Jahres habe ich mir endlich Müllers „Katholische Dogmatik“ gegönnt, nachdem sie schon lange im Regal stand.

Das Buch war nicht ganz so eine Qual wie der Psalter, obwohl ich noch länger gebraucht habe (viereinhalb Monate). Insbesondere die ersten 200 Seiten flutschen geradezu. Denn dort beschreibt Müller recht gut auf den Punkt gebracht die Schwierigkeiten, die der neuzeitlichen Philosophie innewohnen und ihre Wurzel im spätmittelalterlichen Nominalismus haben, der den Übergang von einem qualitativen in ein quantitatives Weltverständnis markiert. Hätte ich den Müller früher gelesen, hätte ich mir einige Dinge in meiner Diss leichter machen können, denn dann hätte ich einfach auf Müller verweisen können…

Ab ungefähr Seite 230 flutschte es allerdings nicht mehr ganz so gut. Das liegt möglicherweise daran, daß Müller des öfteren riesige Anläufe nimmt, in denen er nach meinem Verständnis das Pferd von hinten aufzäumt (YMMV). So habe ich mich bis etwa Seite 420 gefragt, ob er jetzt eigentlich in den suborditianistischen, modalistischen oder doketistischen Straßengraben fahren will. Erst nach Seite 400 macht er (von zwei beiläufigen, leicht zu überlesenden Bemerkungen auf Seite 228 und 313 abgesehen) deutlich, daß die „Funktionen“ bzw. „Erscheinungen“ Gottes dem Wesen Gottes entsprechen, daß der Vater, der Sohn und der Heilige Geist subsistente Relationen (= das Wesen Gottes begründende Ursprungsbeziehungen) sind, d.h. Vater, Sohn und Heiliger Geist ist die göttliche Natur.

Womit ich mir in diesem Zusammenhang besonders schwer getan habe (und nach wie vor tue), ist seine Identifikation JHWHs mit dem Vater. Ok, man kann das vielleicht so denken, auch wenn es meinem Denken fremd ist und mich entsprechend auf die suborditianistische Verdachts-Schiene brachte. Und ja, ich erkenne auch an, daß es Müller darum geht, infolge des Rahner’schen Diktums, daß die ökonomische (heilsgeschichtliche) Trinität die immanente (dem göttlichen Wesen innewohnende) Trinität sei, immer bei der heilgeschichtlichen Erfahrung ansetzt.

Was mich jedoch stört, sind Behauptungen, das alles müsse so sein, was ja impliziert, daß man es gar nicht anders sehen könne: „Nur wenn vom AT her gezeigt werden kann, daß JHWH die erste Person der Trinität ist, kann auch die innere Einheit von Schöpfung, Heilsgeschichte und eschatologischer Vollendung […] aufgewiesen werden.“ (228, eigene Hervorhebung)

Daran stören mich, neben der „Alternativlosigkeit“ und der faktisch fehlenden Begründung, zwei Dinge. Denn zum einen reichte es vollkommen aufzuzeigen, daß der dreieine Gott im AT und NT derselbe ist (was mir wesentlich leichter scheint als die Identifikation mit dem Vater – nicht zuletzt, weil die Propheten sich ja wohl unzweifelhaft von JHWH berufen fühlten, das Credo aber davon spricht, daß der Heilige Geist, also die dritte, nicht die erste Person, „durch die Propheten gesprochen hat“; ein Argument, das wohl erlaubt sein dürfte, wenn Müller selbst auf das Credo zurückgreift, um seine Identifikation JHWH=Gott=Vater zu begründen (227), wobei er außen vor läßt, daß „Dominum“ wohl als adonai und damit als JHWH verstanden werden darf).

Zum anderen kann aus logischen Gründen gar nicht vom AT her aufgezeigt werden, daß sich im AT der Vater als JHWH offenbart hat (allenfalls, daß sich JHWH als Vater offenbart hat, aber da läge bereits eine Äquivokation vor, nämlich Vater einerseits als Name eine göttlichen Person und Vater als analog auf Gott angewendeter menschlicher Begriff), da die Kategorien bzw. Namen „Vater“, „Sohn“ und „Heiliger Geist“ als im Neuen Testament wurzelnde und erst in der Tradition klar vorliegende Bezeichnungen für die drei Personen des einen Gottes sich gar nicht im AT finden lassen können. Natürlich kann man vom NT her guckend Spuren der Trinität im AT finden, aber das bedeutet eben gerade nicht, vom AT her aufzuweisen, daß sich JHWH als dieses/r oder jenes/r offenbart hat. Es ist mir ein Rätsel, wie man in und aus dem AT allein überhaupt etwas anderes über das Wesen Gottes aussagen können soll als seine Einheit und Einzigkeit (und alles, was sich daraus ergibt).

Der Kern des Problems an Müllers Vorgehen ist m.E., daß er zwar bei der Heilsgeschichte ansetzt, daraus aber direkt die metaphysische Seinsordnung ableiten will, also das Rahner’sche Diktum zu weit treibt bzw. überinterpretiert im Sinne einer Identität, nicht im Sinne eines „für sich“ und „für uns“, die außerhalb unserer Erfahrung aber zusammenfallen.

Keine Frage, man kann Theologie immer „von unten“ oder „von oben“, d.h. von der Erfahrung der Menschen mit Gott in der Heilsgeschichte oder von der fiktiven Position Gottes her konstruieren, also beim brennenden Dornbusch oder dem Traktat De Deo Uno beginnen. Beide Ansätze haben ihre Vorteile und Schwächen. Müllers Ansatz kombiniert aber jeweils die Schwächen.

Die Theologie „von oben“ hat den Vorteil klarer, zunächst definierter Begrifflichkeiten, riecht dafür aber immer nach menschlicher Hybris, Gott in den Griff zu bekommen und zu sezieren (wie dereinst im Biounterricht den Frosch). Der Ansatz bei der Heilsgeschichte hat demgegenüber den Vorteil, immer gleich den Überschuß mit im Blick zu haben, die Unbegreiflichkeit dessen, der sich da offenbart, birgt aber die Schwierigkeit, die theologiegeschichtlich spekulativ entwickelten Begrifflichkeiten nachträglich auf das aus der Offenbarung gewonnene Gottesbild übertragen zu müssen. Müller vermittelt mir den Eindruck, daß wir aus der Offenbarung heraus Gott in den Griff bekommen können, muß aber trotzdem die klaren Begrifflichkeiten nachträglich in einer Art dogmengeschichtlichen Anhang einführen.

Nochmal konkreter: Wenn Müller zeigt, wie sich Israel altestamentlich als Sohn Gottes verstanden hat, dann lassen sich daraus durchaus gewichtige christologische Einsichten ableiten. Doch wenn diese Kategorie nicht dahingehend verstanden wird, daß sich hier ein Ansatz zum Verständnis des unbegreiflich anderen Verhältnisses Jesu zu Seinem himmlischen Vater bietet, sondern gerade diese Unbegreiflichkeit und der fundamentale Unterschied zwischen „Meinem“ und „eurem Vater“ unter den Tisch fällt, dann kann man das in so vielen verschiedenen Weisen mißverstehen, daß die angestrebte Aussage eigentlich kaum richtig verstanden werden kann:

„Gott ist vielmehr der Eigenname für die völlig voraussetzungslose Selbstmitteilung und Heilwirksamkeit JHWHs, die im Sprachgebrauch Israels und besonders Jesu als Vater angesprochen wird.“ (309)

All diese Schwierigkeiten, die ich da über knapp 200 Seiten hatte und die auch später immer mal wieder durchkamen, verhinderten jedoch nicht, daß ich das Buch im ganzen mit großem Gewinn gelesen habe. Insbesondere, da die Alternativen nun auch nicht gerade überragend sind. Im Gegensatz zu Müller, der einen Gesamtentwurf vorgelegt hat, sind die anderen Dogmatiklehrbücher, die ich kenne, allesamt bunte Zusammenstellungen ganz unterschiedlicher Autoren, so daß es kaum Bezüge über die Kapitelgrenzen hinweg gibt. Falls jemand noch ein andere dogmatische Gesamtdarstellung aus einer Hand kennt, die sich nicht in breiteste Dogmengeschichte mit kurzen systematischen Einschübe ergeht: immer her damit!

Hervorzuheben wäre bei Müller noch eine klare katholische Positionierung in kontroverstheologischen Fragen wie Maria und die Heiligen, der Analogia Entis, der Eucharistie und der Notwendigkeit von guten Werken. Auch wenn man bei der Eucharistie bedauern muß, daß er zwar lang und breit deutlich macht, daß die neuzeitlichen Philosophien aufgrund ihres quantitativen Weltverständnisses ungeeignet sind, um das Geschehen in der Eucharistie zu erläutern, dann aber genau mit neuzeitlichen Kategorien die Eucharistie zu beschreiben versucht.

Der Aufruf „Ökumene jetzt“ ist eine Totgeburt. Theologischer Dünnpfiff. Eigentlich nicht der Rede wert. Wenn man nicht davon ausgehen müßte, daß es viele gibt, die gar nicht merken, daß dem ganzen ein unrühmlicher Trick zugrundeliegt.

Der Trick besteht aus zwei Schritten. Der erste ist, das für die Trennung theologisch Entscheidende, nämlich die wesentliche Differenz im Kirchenverständnis, zu leugnen:

Weil uns Gott in der Taufe Gemeinschaft mit Jesus Christus geschenkt hat, sind Getaufte als Geschwister miteinander verbunden. Sie bilden als Volk Gottes und Leib Christi die eine Kirche, die wir in unserem Credo bekennen.

Nein, wir bekennen die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche, die in der katholischen Kirche subsistiert. Wie so häufig verhindert Quellenstudium Neuentdeckungen, denn „die eine Kirche, die wir in unserem Credo bekennen“ ist eine fast wörtliche Anspielung auf Lumen Gentium 8, das aber die einzige Kirche Christi ganz anders als rein über die Taufe definiert:

Der einzige Mittler Christus hat seine heilige Kirche, die Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, hier auf Erden als sichtbares Gefüge verfaßt und trägt sie als solches unablässig; so gießt er durch sie Wahrheit und Gnade auf alle aus. Die mit hierarchischen Organen ausgestattete Gesellschaft und der geheimnisvolle Leib Christi, die sichtbare Versammlung und die geistliche Gemeinschaft, die irdische Kirche und die mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche sind nicht als zwei verschiedene Größen zu betrachten, sondern bilden eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst. Deshalb ist sie in einer nicht unbedeutenden Analogie dem Mysterium des fleischgewordenen Wortes ähnlich. Wie nämlich die angenommene Natur dem göttlichen Wort als lebendiges, ihm unlöslich geeintes Heilsorgan dient, so dient auf eine ganz ähnliche Weise das gesellschaftliche Gefüge der Kirche dem Geist Christi, der es belebt, zum Wachstum seines Leibes (vgl. Eph 4,16).

Dies ist die einzige Kirche Christi, die wir im Glaubensbekenntnis als die eine, heilige, katholische und apostolische bekennen. Sie zu weiden, hat unser Erlöser nach seiner Auferstehung dem Petrus übertragen (Joh 21,17), ihm und den übrigen Aposteln hat er ihre Ausbreitung und Leitung anvertraut (vgl. Mt 28,18 ff), für immer hat er sie als „Säule und Feste der Wahrheit“ errichtet (1 Tim 3,15). Diese Kirche, in dieser Welt als Gesellschaft verfaßt und geordnet, ist verwirklicht in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird. Das schließt nicht aus, daß außerhalb ihres Gefüges vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit zu finden sind, die als der Kirche Christi eigene Gaben auf die katholische Einheit hindrängen. (LG 8, eigene Hervorhebungen)

Das heißt, bereits der Ausgangspunkt des Aufrufs ist katholischerseits nichts anderes als – Häresie! Denn er leugnet die hierarchische Ordnung der Kirche, die aus ihrem Wesen als Fortsetzung der „Mission“ Christi, seiner Fleischwerdung resultiert, die sich in der Kirche fortsetzt. (Daß wir der „Leib Christi“ sind, ist mehr als nur ein Bild, keine bloße Metapher!) Die Kirche bildet sich nicht aus den Getauften, ist quasi die Summe aller Getauften, wie die Jetzigen-Ökumeniker (übrigens auch im Unterschied zu Luther) meinen, sondern sie existiert streng theologisch gesehen vor und unabhängig von allen Getauften, die allerdings durch die Taufe in die Gemeinschaft der einen Kirche aufgenommen werden – so sie denn in der Katholischen Kirche getauft werden. Katholischerseits definiert sich folglich die Kirche von oben, von dem einen HErrn her, der das Haupt der Kirche ist und den Bischöfen als den Nachfolgern der Apostel mit dem Papst als ihrem Haupt die Leitung der Kirche anvertraut hat. Wir können da überhaupt nichts machen, wenn nicht der HErr selbst es tut.

(Natürlich ist die Taufe in den nicht-katholischen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften nicht nichts, denn Christus ist es, der tauft. Und natürlich resultieren aus der einen Taufe auch diverse Möglichkeiten ökumenischen Miteinanders – nicht, daß einer meint, ich hätte was gegen Ökumene. Aber wer nicht in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri steht, ist nicht Teil der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche, wie auch die echten kirchlichen Gaben außerhalb der katholischen Kirche zur katholischen Einheit hindrängen.)

Mit diesem unkatholischen Verständnis von Kirche ist bereits der zweite Teil des argumentativen Tricks vorbereitet:

Heute ist die Kirchenspaltung politisch weder gewollt noch begründet. Reichen theologische Gründe, institutionelle Gewohnheiten, kirchliche und kulturelle Traditionen aus, um die Kirchenspaltung fortzusetzen?

Aber hallo! Welche anderen als theologischen Gründe konnten denn jemals die Kirchentrennung begründen? Wäre die reformatorische Erkenntnis eine der politischen Kompromißbereitschaft gewesen, dann hätte es doch vor lauter kompromißbereiter Irenik nie zur Kirchentrennung kommen können. Nein, die Kirchentrennung ist nicht etwas, was Politiker mit Kompromissen oder Aufrufen überwinden könnten, sondern sie besteht aus sich selbst heraus, wenn die irdische Ordnung der Kirche nicht der göttlichen Ordnung ihrer Einsetzung entspricht.

Und mit diesen beiden Stellen hat sich der Aufruf bereits von selbst erledigt. Er ist einfach argumentativ unaufrichtig, indem er die fundamental kirchentrennende Differenz in der Lehre von der Kirche einfach einebnet. So geht ein berechtigtes Anliegen leider in einer Vielzahl von Halb- und Unwahrheiten unter, nämlich daß es tatsächlich einer äußeren Einheit bedarf, die nicht bei versöhnter Verschiedenheit bei Fortbestehen der Kirchentrennung stehen bleiben darf.

Irgendwann in den nächsten zwei bis drei Jahren dürfte ich mein zwanzigjähriges Internetjubiläum haben. Am Anfang war es ein großes Spielzeug, eine Möglichkeit, andere Bekloppte kennenzulernen, was bei mir damals eher mit Al Bundy als mit Jesus Christus zu tun hatte… Richtig spannend wurde es erst nach der Entdeckung des Usenets (Foren waren mir mit ’nem Modem einfach zu langsam, und umständlich finde ich sie heute noch; bei den sozialen Netzwerken fehlt mir das „hierarchische Element“ ;-). Und damit begann auch mein „Beklopptheitswandel“ zu mehr Glaubensdiskussionen.

Meine Erfahrung war ziemlich schnell, vor allem in der Auseinandersetzung mit Freikirchlern, daß es uns Katholiken zum einen ganz mächtig an Faktenwissen mangelt, zum anderen aber an einer spezifischen Katholiziät in der Argumentation. Wenn ich mich auf eine Diskussion mit einem Freikirchler einlasse, ohne mir bewußt zu sein, daß ich seine Voraussetzung der rein biblischen Argumentation nicht teile, dann habe ich früher oder später das Problem, daß ich ihm die katholische Lehre nicht erklären und schon gar nicht begründen kann. Denn ich argumentiere ja gar nicht katholisch, sondern freikirchlich. Wie soll da also was Katholisches bei rumkommen? Zum Glück gab es da immer auch ein paar besonders „Bekloppte“, die genau diese Diskrepanz thematisierten: „Klar, unter deinen Voraussetzungen kann man das gar nicht anders denken. Aber wir Katholiken haben andere Voraussetzungen. Und daß nur die Schrift allein zähle, läßt sich mit ihr selbst gar nicht begründen. Wohl aber die Tradition, denn die ist älter.“

In den Folgejahren habe ich das dann anzuwenden versucht. Die neue Erfahrung war: Wenn man wirklich von den Grundlagen bis zu den Details katholisch argumentiert, erreicht man zwar nicht unbedingt Zustimmung, schon gar nicht existentielle, aber doch selbst von bekennenden Atheisten Respekt für die (wider Erwarten?) vorhandene innere Logik des christlichen (katholischen) Glaubens. Und manchmal auch mehr.

Reißt man aber auch nur an einer kleinen, nach der Hierarchie der Wahrheiten vermeintlich unbedeutenden Stelle ein notwendiges Element der Lehre heraus, bricht über kurz oder lang das ganze, über knapp 2000 Jahre sorgsam austarrierte Gebäude zusammen. Eine Zeitlang wird man mit wilden Stützbauten den Zusammenbruch noch aufhalten können, aber für diese Stützbauten muß man weitere tragende Elemente abtragen, die dann ihrerseits Stützbauten brauchen. Schließlich werden diese Stützbauten aber nicht mehr auf dem tragenden Fundament stehen, das Christus selbst ist. Spätestens dann wird einem die ganze Bautätigkeit um die Ohren fliegen.

Liegt also die gegenwärtige Schwäche der katholischen Kirche (im deutschsprachigen Raum) zu einem nicht ganz unwesentlichen Teil nicht daran, daß schon die Grundlagen nicht bekannt sind und intuitiv eher protestantisierende Selbstverständlichkeiten für katholisch gehalten werden? Erst kürzlich hatte ich eine Diskussion in eigentlich bewußt-katholischem Kontext. Die Mitdiskutanten haben den Vorwurf des Protestantisierens entrüstet von sich gewiesen. Und doch lief da immer untergründig so eine unkatholische „Fortschrittsfeindlichkeit“ mit, nach der eine Lehre, die erst im Mittelalter entstand und heute nochmals ganz anders ausehe als zu ihrer Entstehung, ja nicht so wichtig sein kann. Tja, und es kam wie es kommen mußte: Nachdem diese Lehre über Bord gegangen war, wurden auch gleich weitere Lehren, mit denen ich argumentieren wollte, als offenbar „nicht mehr zeitgemäß“ (oder so) abgelehnt. „Ad Fontes“ in allen Ehren — aber wo bleibt da der „Geist, der uns in alle Wahrheit einführen wird“?

Mich macht das immer ein wenig traurig. So wird das jedenfalls nichts mit der Neuevangelisierung…

Phil hat mich durch einen Kommentar (indirekt) auf Folgendes gestoßen:

Als ich den Titel „Death to the World“ gelesen habe, dachte ich ja zuerst, wie kann man aus einem Kloster ein Death Metal-Zine machen. Pustekuchen. Wobei die ästhetische Nähe ja durchaus frappierend ist (und gleich ein ganzes Bündel meiner Vermutungen stützt). Abgefahren.

…sei angemerkt, daß es bei Daniel Deckers wieder eingehakt hat. Über die Entscheidung der Kirche von England, Frauen als Bischöfe zuzulassen, schreibt er heute:

„Viele Kirchen des Südens halten das Wohlwollen der Episkopal Church in den Vereinigten Staaten und der Church of England gegenüber Homosexuellen und Frauen im Bischofsamt für eine neue Spielart des weißen Imperialismus. Nicht nur die Schrift und die Tradition haben sie auf ihrer Seite, sondern auch die Demographie. Wenn die Anglikanische Kirche dieses Jahrhundert überlebt, dann nicht als ‚weiße‘ Kirche.“

  • Sonntagfrühmesse in St. Peter: exakt 30 Minuten. NO ohne Offb-Lesung, ohne Predigt, dafür in „old school“-Casel und versus orientem (die ist doch geostet, oder?); liturgische Antworten und Lieder durch die Gemeinde eher geflüstert, dafür Kommunionspendung an Kommunionbank in allen Variationen: stehend, kniend, Hand, Mund… Ich hoffe, ich habe mich verhört, als ich meinte, zwei Bänke hinter mir jemanden sagen zu hören, das sei doch mal eine feierliche Messe gewesen.
  • Gespräch mit Generation 50+: Obwohl sie sogar von sich aus empört sagten, manchmal lügten „die Medien“ ja, daß sich die Balken biegen, waren sie nicht in der Lage, sich grundsätzlich von „den Medien“ zu distanzieren. Insbesondere der eigenen regionalen Tageszeitung wurde fast Unfehlbarkeit zugesprochen. Die Vorstellung, eine mögliche weltanschauliche Einstellung des Blattes, der Redaktion oder auch nur des einzelnen Journalisten zu berücksichtigen und weitere, weltanschaulich anders gelagerte Quellen heranzuziehen, war ihnen nicht zu vermitteln. Und die[tm] kritisieren die Medienkompetenz „der Jugend“, die angeblich alles glaube, was auf irgendwelchen obskuren Seiten im Netz steht. Vielleicht können sie ja auch gar nichts dafür. Früher[tm] funktionierte das halt so. Gott sei Dank ändert das Netz solche Machtmonopole!
  • Eine Mutter ruft ihren spielenden Kindern zu: „Wir wollen jetzt wieder zum Messegelände rausfahren.“ Die Kinder begeistert: „Oh, toll, Kinderbetreuung!“ Würden meine Kinder so reagieren, ich fragte mich, was ich falsch gemacht habe.
  • Die erste Frage bei der Podiumsdiskussion zu Gemeinschaft im Internet: „Gibt es denn jetzt ein gemeinsames Abendmahl, und wenn ja, wann und wo?“ Zusammenhangslos? Ja, aber nicht zusammenhangslos genug, daß sie übergangen worden wäre: Es gibt wieder eine Hasenhüttl-Veranstaltung, natürlich nicht offiziell. Naja, wenigstens kann sich diesmal keiner mehr einreden, er hätte nichts gewußt.

Ja, der heutige Tag entwickelt sich besser als der gestrige, ja sogar überraschend gut. Prof. Dr. Dr. Sternberg MdL, immerhin Sprecher für kulturpolitische Grundfragen des ZdK, sponn bei der heutigen Podiumsdiskussion zu Vergemeinschaftungsformen im Internet ein wenig rum (im positiven Sinne) — und kam zu (mich) überraschenden Gedanken. Daß es im katholischen Glauben durchaus der Virtualität des Netzes vergleichbare Phänomene gibt, ist mittlerweile fast schon ein Allgemeinplatz. So war es durchaus noch gängig zu hören, daß die Communio Sanctorum und die Engel in der Liturgie „virtuell“ anwesend seien, d.h. die Grenzen von Zeit und Raum überschreitend. Ungewöhnlich ist der Verweis auf die himmlische Liturgie aber bei einem ZdK-Vertreter allemal, selbst wenn er Liturgiker ist. Viel interessanter war aber, daß eine Begründung folgte: Liturgie sei Kommunikation, aber Kommunikation auf anderer Ebene. Um genau das deutlich zu machen, trügen da einige besondere Kleidung und haben besondere Augaben und mache man bestimmte (rituelle) Gesten (wie etwa das Bekreuzigen mit Weihwasser). So wird deutlich: Ich rede mit Gott, und er hört mich. Aber er hört mich nicht so, wie ein anderer Mensch. Es ist eine andere Form von Kommunikation.

Zu Flashmobs fiel ihm ein: Das machen wir in der Liturgie dauernd, den Augenblick betonen. Wir nennen das Kirchenjahr. Besonders deutlich am Gründonnerstag: „Das ist heute.“ Aber auch Volkfrömmigkeit konnte er in diesem Kontext einiges abgewinnen: Wo ist der große Unterschied zwischen einem Flashmob, wo verschiedene, sich meist unbekannte Leute auf ein Kommando (SMS) hin dasselbe täten, und dem Angelusbeten, wo (wenn man es denn noch täte) auf ein Kommando hin (Glockenläuten) mitunter einander unbekannte Leute dasselbe tun (nämlich Angelus beten) — was in beiden Fällen eine neue Form von Vergemeinschaftung (huch, der gehört ja auch dazu!) ergäbe.

Auf eine Frage in der Diskussion nach der Nutzung des Internets für die Beichte antwortete er, das Beichtgespräch sei ein viel zu komplexes Geschehen, als daß es ins Internet verlagern könnte. Aber nach seiner Beobachtung funktionierte die Beichte wenn überhaupt noch da, wo ein Beichtstuhl verwendet wird. Daher sei es als Chance zu begreifen, daß das Internets eine ähnliche Erfahrung von Anonymität und Intimität kenne, mit deren Hilfe neues Verständnis für die Beichte zu wecken.

Das Internet ist also doch eher katholisch. Ich bin einigermaßen beeindruckt.