Mein Erstkontakt mit diesem Stück war ziemlich früh in meiner „Metal-Karriere“, wennauch in dieser Form. Diese rein instrumentale Fassung hat mich, naja, nicht auf Anhieb weggeblasen, setzte sich aber in den Gehirnwendungen fest und entwickelte sich dort immer mehr. Zeigt eigentlich nur, wie stark der Song ist rein musikalisch ist:
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Die Gläubigen sollen also die Welt heiligen. Aber wie heiligt man die Welt?
In der ostkirchlichen Theologie bin ich in diesem Kontext auf den auf den ersten Blick etwas esoterisch anmutenden Begriff „Priester der Schöpfung“ gestoßen. Ich weiß nicht, wie allgemein verbreitet dieser Begriff in der orthodoxen Theologie ist, ich bin nicht gerade ein Kenner derselben. Der Kontext, in dem er fiel, war jedoch ein klassischer Topos orthodoxen Denkens, nämlich die Theiosis, die Vergöttlichung. Hier wird jeder Gläubige zum Mittler des Heiles Gottes, und das nicht nur gegenüber anderen Menschen, sondern der gesamten Schöpfung. Der Gläubige ist berufen, (sich und) die gesamte Schöpfung auf Gott auszurichten und so zu vergöttlichen. Auf dem Hintergrund von Gen 3 klingt das für „lateinische“ Ohren etwas schräg, der Gedanke ist aber sehr wohl auch in der westlichen Tradition präsent und wird dort bezeichnet als – Heiligung!
Begründet ist dieser Gedanke im Römerbrief:
Denn die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes. Die Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen, nicht aus eigenem Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat; aber zugleich gab er ihr Hoffnung: Auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt. (Röm 8,19–22)
Wie aber heiligt man „die Schöpfung“, wie verkündet man „der Schöpfung“ das Evangelium?! Diese Frage hat mich jahrelang beschäftigt, obwohl die Antwort eigentlich so nahe liegt. Denn wie heilige ich mich selbst, abgesehen von den Sakramenten, die ich nur empfangen, aber nicht spenden kann? Wie heilige ich meine Kinder? – Durch Gebet, Buße, Fasten, Almosengeben; durch Segnen, sie an das Wort Gottes heranführen und erklären. Was aber bleibt dabei für „die Schöpfung“, also auch für die unbelebte, übrig? Natürlich vor allem das Gebet, aber auch das Segnen: Einfach mal durch die Stadt oder die Natur gehen und beten – Gott lobpreisen und für die Menschen, die einem begegnen, beten, sie still segnen.
Bei mir ging dieser Erkenntnis die Praxis voraus. Als ich das erste Mal unterwegs gebetet habe, den Rosenkranz, den zu beten meine eigentliche Motivation war, „draußen“ zu beten (weil in einer großen Familie drinnen die Ruhe fehlt), fühlte ich mich ziemlich komisch, insbesondere, da ich auf dem Weg wohin war, wo ich mit meinem Glauben ziemlich alleine dazustehen erwartete. Schon die Gegend (sozialistisches Plattenbaugebiet) war nicht unbedingt der Andacht förderlich. Der eigentliche Grund, mich komisch zu fühlen, lag aber überhaupt nicht in den Äußerlichkeiten. Nein, der Grund lag in mir. Zunächst einmal war es ungewohnt, aber warum war es ungewohnt? Weil ich merkte, daß ich nach wie vor die Trennung zwischen Kirche und Welt (Glaube und Gebet hier, „normal“ sein dort) praktizierte, obwohl ich sie rational schon lange massiv in Frage gestellt hatte und durchaus zu meinem Glauben stand, wenn ich angefragt wurde oder in Konflikte zwischen Glaube und Welt geriet. Aber eben nicht in der Praxis des Gebets.
Diese Situation des Ungwohnten und ein bißchen auch Unangenehmen auszuhalten und allmählich zu überwinden hat mir der Rosenkranz sehr erleichtert. Es ist immer schwer, im Trubel der Stadt die Gebetskonzentration zu halten, insbesondere da mir schlicht die Zeit fehlt, extra zum Beten in die Stadt zu gehen und ich somit auf meinen alltäglichen Wegen zu beten versuche. Frei zu beten wäre schlicht schiefgegangen: zu viel Ablenkung, zu viele vom Gebet ablenkende Gedanken. Der Rosenkranz war hier eine nicht zu unterschätzende Hilfe. An ihm konnte ich mich „festhalten“, an seinen Wiederholungen von durch und durch auswendig bekannten (Grund-)Gebeten, vor allem aber auch ganz praktisch an der haptilen Hilfe der Perlen, die mich sowohl daran erinnerten, daß ich beten wollte als auch was ich beten wollte – und wo ich eigentlich gerade im Gebet war.
Ich garantiere: Das verändert. Zunächst den Beter, aber dann (insbesondere bei Regelmäßigkeit) auch die „bebeteten“ Orte und schließlich die „bebeteten“ Menschen. Denn man sollte bei all dem auch die geistliche Dimension nicht vergessen: „Denn wir haben nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen die Fürsten und Gewalten, gegen die Beherrscher dieser finsteren Welt, gegen die bösen Geister des himmlischen Bereichs.“ (Eph 6,12) Auch hier habe ich noch vor Jahren den Gedanken, daß es eine „geistliche Qualität“ von Orten gibt, daß das Böse, aber auch das Gute, sich an ihnen festsetzen kann, als esoterisch abgelehnt. Bis ich schließlich genau das erfahren habe.
Irgendwann stellte ich fest, daß die geistlichen Angriffe (die sich sehr konkret weltlich äußern können) alle aus einer bestimmten Himmelsrichtung kamen – in die ich selten bis nie ging. Als ich mir dann vornahm, genau diese Richtung in Angriff zu nehmen, fiel mir auf, daß ich reproduzierbar immer in einer bestimmten Straße besondere Schwierigkeiten hatte, die Gebetskonzentration zu halten. Natürlich kommt es immer mal vor, daß man sich „verhaspelt“, den Faden verliert, trotz der Perlen nicht mehr weiß, wo man eigentlich gerade war. Aber nicht so kontinuierlich in einer bestimmten Straße, vor bestimmten Häusern. Selbst als ich im Lichte dieser Erfahrung mich bewußt konzentrierte, kam ich noch raus. Erst mit der Zeit wurde es besser, aber ich spüre dort immer noch besonderen Widerstand gegen mein Gebet. Die geistlichen Angriffe haben seitdem zumindest erstmal eine Pause eingelegt. Und so wage ich zu behaupten, daß mein unauffälliges Gebet in dieser Straße, vor diesen Häusern, eine ganz konkret heiligende Wirkung auf diese Straße hat, daß ich hier der Schöpfung die Erlösung verkünde (denn nichts anderes sind ja die Rosenkranzgesätze von „den Du, oh Jungfrau, vom Heiligen Geist empfangen hast“ über „der für uns am Kreuz gestorben ist“ bis hin zu „der alles vollenden wird“).
Nachdem ich am Samstag beim Marsch für das Leben mal wieder gemerkt habe, daß für mich Langeweile sehr viel anstrengender ist als Aggression ausgesetzt zu sein, kann die Konsequenz in Vorbereitung auf 2016 nur heißen: mehr Doom Metal hören.
Dummerweise tut mir Doom Metal häufig tatsächlich einfach nur weh. Ausnahmen bestätigen die Regel, und eine solche Ausnahme gibt’s heute auf die Ohren, die irgendwie textlich auch was mit dem Marsch für das Leben zu tun hat (aber hier geht’s um die Musik, der Song geht bis 5:36, doch das ganze Album lohnt sich):
BTW: „Candlemass“ bezeichnet keineswegs ein okkultes Ritual, wie manch ein Metalkritiker meinte, sondern (wenn man dem Schreibfehler mit dem Doppel-S keinen besonderen Sinn geben will) korrekt ins Deutsche übertragen „Mariä Lichtmeß“.
Kaum etwas wird heute so falsch verstanden wie das gemeinsame Priestertum der Gläubigen. Denn dieses hat fast nichts mit dem besonderen Priestertum zu tun, insbesondere stellt es keinen graduellen Anteil am Weihepriestertum dar, sondern es ist etwas ganz anderes. Das Zweite Vatikanum stellt demzufolge fest, das „gemeinsame Priestertum der Gläubigen […] und das Priestertum des Dienstes, das heißt das hierarchische Priestertum, unterscheiden sich zwar dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach“, sie seien aber aufeinander hingeordnet, weil sie beide dem Priestertum Christi entspringen (LG 10):
Der Amtspriester nämlich bildet kraft seiner heiligen Gewalt, die er innehat, das priesterliche Volk heran und leitet es; er vollzieht in der Person Christi das eucharistische Opfer und bringt es im Namen des ganzen Volkes Gott dar; die Gläubigen hingegen wirken kraft ihres königlichen Priestertums an der eucharistischen Darbringung mit und üben ihr Priestertum aus im Empfang der Sakramente, im Gebet, in der Danksagung, im Zeugnis eines heiligen Lebens, durch Selbstverleugnung und tätige Liebe. (ebd.)
Das Amtspriestertum wird hier wesentlich deutlicher beschrieben als das gemeinsame Priestertum. Auch im folgenden finden sich nur Andeutungen, wie das gemeinsame Priestertum sich ausdrücke, denn es wird quasi immer vom Empfang der Sakramente und damit von liturgischen Feiern her entwickelt. Das führt aber zu dem Mißverständnis, das gemeinsame Priestertum wäre auf den Gottesdienst in der Kirche bezogen. Das ist es zwar auch, insofern die Gemeinde nicht unwichtig für den Gottesdienst ist (aber als Gemeinde) und der Gottesdienst zur Selbstheiligung beiträgt. Sein eigentlicher Kern aber liegt vor den Kirchentüren.
Das Konzil deutet den Schritt vor die Kirchentür bereits durch „im Zeugnis eines heiligen Lebens, durch Selbstverleugnung und tätige Liebe“ an, die eben primär außerhalb der Kirche geübt werden. Ein bißchen deutlicher wird es in der Beschreibung der Wirkung der Sakramente, die nicht nur zur Selbstheiligung da sind, sondern zur Weitergabe des Glaubens durch Wort und Tat befähigen (sollen).
Vergleicht man dies nun mit dem Weihepriestertum, kann man den Unterschied knapp (und etwas ungenau) so benennen: Die Priester sind dazu da, die Gläubigen zu leiten, anzuleiten, zu belehren und in den Sakramenten zu heiligen; die Gläubigen hingegen sollen so gestärkt das Wort Gottes in die Welt tragen. Das besondere Priestertum ereignet sich im geschützten Raum der Kirche, das gemeinsame draußen in der „rauen Welt“.
Die Geimeinsamkeit freilich, die auch die Bezeichnung als Priestertum rechtfertigt, besteht in der Heiligung: der geweihte Priester heiligt die Gläubigen, die Gläubigen heiligen die Welt.
Ich komm vom Hölzchen aufs Stöckchen: Es gab da noch ein Album, das ich voller Vorfreude in den CD-Player schob und dann erstmal etwas geschockt rationalisieren mußte, daß ich wohl besser ein bißchen Zeit zum Reinhören einplane. Zur Feier des Tages (Kreuzerhöhung), würde zwar „Invert the Inverted Cross“ am besten passen, aber das hatte ich schonmal vor fünf Jahren (dort auch mehr Infos), also das ganze Album. Und überhaupt: Diese Musik funktioniert eigentlich gar nicht anders als als Album. Man nennt sie übrigens „Unblack Metal“: Musikalisch ist es Black Metal, inhaltlich Anti-Black Metal 🙂
Ich habe in letzter Zeit mehrere Anfragen zu „ist das und das im Metal tatsächlich so“ bzw. „wie geht man mit dem und dem im Metal um“ bekommen, insbesondere zum Satanismus und zum Rechtsextremismus (NSBM). Ich will das beides zusammen behandeln, da in beiden Fällen dasselbe Grundaxiom im Raum steht: Ein Christ darf keine Musik von Satanisten oder Nazis hören.
Grundsätzlich gibt es drei (und nur drei) Möglichkeiten, mit dieser Frage umzugehen:
- Ich blende das Thema aus und höre die Musik, ohne über die evtl. transportierten Inhalte und die religiösen oder politischen Einstellungen ihrer Produzenten nachzudenken.
- Ich lehne die Musik ab, weil in ihr (oder auch nur mit ihr) diese Themen transportiert werden.
- Ich greife die unhinterfragte Voraussetzung der Problemstellung an und differenziere zwischen Kunstwerk und Künstler; d.h. ich stelle die Frage, ob das Kunstwerk eine künstlerische Aussage darstellt oder reine Propaganda.
ad 1) Die erste Lösung ist eine bewußt unreflektierte. Ich verweigere das Nachdenken über Dinge, die keineswegs nebensächlich sind. Wären sie nebensächlich, müßte ich nicht bewußt diese Dinge ausblenden, sondern könnte sie als nebensächlich abtun.
ad 2) Die zweite Lösung ist streng genommen sogar noch unreflektierter als die erste. Während die erste immerhin noch die geistige Anstrengung unternimmt, bewußt nicht darüber nachzudenken, zieht dieser Umgang mit der Problemstellung voreilige Schlüsse: Wenn jemand „Hail Satan“ in ein Mikrofon brüllt, dann muß er damit exakt das meinen, was ich darunter verstehe. D.h. ich verweigere mich unbewußt dem Nachdenken darüber, was dieser Typ mir wohl sagen will, wenn er Worte in den Mund nimmt, die in meinem Denken als gefährlich gelten (und infolgedessen für mich auch sind). Insbesondere verweigere ich die geistige Anstrengung, darüber nachzudenken, ob der Typ wohl dasselbe denkt, wenn er den Begriff „Satan“ verwendet.[1]
ad 3) Die dritte Variante versucht zu verstehen, was in den problematisierten Thematiken zum Ausdruck gebracht werden soll und entscheidet von Fall zu Fall, wie sie das konkrete künstlerische Produkt beurteilt. So könnte als Kriterium für „Propaganda“ zum Beispiel geprüft werden, ob die Band diese Thematiken nur künstlerisch verarbeitet oder auch in „satanistischen Sekten“ oder rechtsextremen Netzwerken aktiv ist.
Das Problem des Metals ist nun, daß er aus seiner Eigenlogik heraus keine dieser drei möglichen Varianten vertreten kann (obwohl alle drei auch von Metallern im Metaldiskurs vertreten werden; aber der Metal-Gesamtdiskurs kann keiner der drei Varianten auch nur mehrheitlich zustimmen). Denn:
1) ist dumm und weiß auch noch, daß es dumm ist. Die meisten Metaller halten sich aber für zu reflektiert und klug, um diese Position einzunehmen. Vor allem sind sie sich bewußt, daß diese Lösung eigentlich nur hilflos ist. Sie funktioniet in der Praxis auch nur dann, wenn man so zwischen Musik der Band und der politischen Ausrichtung der Bandmitglieder unterscheidt, daß man ruhigen Gewissens sagen kann, in der Musik spiele die Politik keine Rolle. Das kommt 3) aber schon wieder recht nahe.
2) ist die Lösung der Spießer (nichts Grundsätzliches gegen Spießer, bin selbst manchmal einer). Dabei ist es auch egal, ob der Spießer jetzt meint a) „Hail Satan“ sei ein Anbeten des Teufels (weil das in seinem Denken anders nicht sein kann) oder b) an sich harmloser Ausdruck jugendlicher Rebellion (weil das in seinem Denken anders nicht sein kann). Natürlich ist das Ergebnis diametral entgegengesetzt: a) hält Metal für gefährlich, b) für harmlos.
Witzigerweise kann der Metal auf Dauer mit a) sogar besser leben als mit b), denn er hält sich sogar selbst für „gefährlich“, und selbst wenn der Metaller für sich selbst den Metal als reine Rebellion versteht, wäre es etwas witzlos, wenn diese Rebellion niemanden juckt, weil das ja nur eine vorübergehende Entwicklungsphase sei.
Problematisch wird Position a) jedoch, wenn mit politischen, wirtschaftlichen oder rechtlichen Machtmitteln gegen den Metal vorgegangen wird – das kann naturgemäß nicht mehr mit dem Selbstverständnis des Metals in Übereinstimmung gebracht werden. Insofern ist im Metal doch wieder eher eine Neigung zu b) zu spüren, getreu dem Motto „die lassen uns wenigstens machen“.
3) kommt immerhin als Lösung für den Einzelnen durchaus in Frage. Da es sich aber um Einzelfallentscheidungen mit Ermessensspielraum handelt, kann daraus keine allgemeingültige Antwort „des Metals“ abgeleitet werden. So gab es durchaus auch Nicht-Rechtsextreme, die den NSBM für einen legitimen Teil des Metals hielten.
Die zuletzt genannte Position ist tatsächlich aus der Eigenlogik des Metals ableitbar: Metal soll gefährlich sein, sich mit den dunklen Elementen menschlichen Daseins beschäftigen und sie gerade in ihrer Bosheit darstellen – was nur geht, wenn man im künstlerischen Ausdruck konsequent auf moralische Urteile verzichtet. Dann kann aber das Thema, das in der heutigen Wahrnehmung über den Teufel weit hinaus das schlimmste ist, das es gibt, der Nationalsozialismus, nicht außen vor bleiben. Dann muß es neben „Hail Satan“ auch „Heil Hitler“ geben. Das ist reine Logik.
Doch hört hier selbst für die meisten Metaller der „Spaß“ auf. Lieder wie „Angel of Death“ von Slayer, das das Grauen des Dr. Mengele (fast) unkommentiert darstellt, geht gerade noch so durch, ecken aber auch schon bei einigen Metallern an. Glorifizierungen des Nationalsozialismus wie im bekennenden NSBM hingegen, sind für die meisten Metaller ein „No-go“. Das ist dann doch zu gefährlich.
Nur steht das eigentlich in einem Widerspruch zum Metal-Selbstverständnis, was in ein Dilemma führt, das jeder nur für sich selbst beantworten kann: Wieso ist der Nationalsozialismus zu gefährlich, der Satanismus hingegen nicht? Die naheligende Antwort scheint mir: Wei wir den Satanismus eigentlich nicht ernstnehmen. Das gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, daß Satanismus im Metal, wenn mehr als bloß künstlerisches Ausdrucksmittel, meist philosophischer Satanismus ist, der vielleicht nicht sozial gefährlich ist, aber aus christlicher Perspektive zu geistlicher Selbstzerstörung führt, da er auf der Ursünde des „Selbermachens“ basiert. Diese Gefahr wird dann aber nicht ernstgenommen.
Worin liegt dann aber die Berechtigung des Metals an sich? – In der künstlerischen Verarbeitung des Bösen, das eber gerade nicht rational angemessen erfaßt werden kann. Das Böse ist wesenhaft irrational und entzieht sich dem rationalen Verständnis. Das mit ihm dem Menschen gestellte Problem ist rational letztlich nicht lösbar. Die Kunst hingegen hat Möglichkeiten, menschliche Erfahrungen auszudrücken und zu vermitteln, die über das rein Rationale hinausgehen. Doch selbst in der Kunst wird das Böse häufig moralisch verarbeitet, d.h. mit negativen Urteilen belegt, die die durch das Böse verursachte Verunsicherung sofort durch die Selbstvergewisserung „wir sind ja die Guten“ suspendieren. Das Böse aber ästhetisch als das darzustellen, was es ist, nämlich als Böses, gelingt m.E. nur wenigen – und das hauptsächlich in mehr oder weniger abseitigen Teilen der populären Kultur. In diese Kategorie gehört auch der Metal.
Daraus folgt für die eingangs gestellte Fragestellung: Die dritte Möglichkeit ist tatsächlich die einzige Möglichkeit. Wer über die Fragestellung nachdenkt, wird merken, daß es ein Tanz auf Messers Schneide ist und bleibt. Aber die Alternativen überzeugen m.E. noch weniger, denn sie reproduzieren die Varianten 1) und 2): sich der Auseinandersetzung mit dem Bösen ganz entziehen, seine Existenz auszublenden und in eine scheinbar „heile Welt“ flüchten – oder sich mit dem Bösen unzureichend, insbesondere rationalistisch verengt, auseinanderzusetzen.[2]
Abschließend sei doch noch eine vierte Variante genannt, eine Kombination aus 3) und 1): Sich der Gefährlichkeit bewußt zu sein, sie aber bewußt auszublenden. Das dürfte praktisch der häufigste Umgang sein. Dann könnte man aber keinen Blogpost drüber schreiben, weil man dann schon die Frage nicht stellen könnte…
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[1] Um das dem Theologen etwas verständlicher zu machen: Die Dogmengeschichte ist zu einem nicht unwesentlichen Teil ein Ringen um Begriffe. Nicht wenige Häresien gründeten darauf, daß sie zwar dieselben Begriffe wie die Großkirche verwendeten, damit aber etwas anderes meinten.
Mal ein Beispiel aus der Neuzeit: Die katholische Kirche differenziert zwischen der Erbsünde und der Konkupiszenz, der ungeordneten Begierlichkeit; Luther hingegen identifiziert die Erbsünde mit der Konkupiszenz. D.h. Luther meint etwas ganz anderes, wenn er von „Erbsünde“ spricht, als die katholische Kirche. Wenn ich also im ökumenischen Gespräch von der Erbsünde rede und dabei voraussetze, daß die Protestanten dasselbe damit meinen wie ich, ist das Gespräch von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Zweites Beispiel: In den letzten 50 Jahren hat auch die katholische Theologie große Anstrengungen unternommen, klassische Begriffe der katholischen Lehre neu zu deuten. Dabei ist aber das entscheidende gar nicht der Begriff, sondern das von ihm Bezeichnete. Den Begriff wollte man behalten, aber das Bezeichnete ändern. Tatsächlich wäre es aber besser, den Begriff zu ändern und das Bezeichnete zu behalten.
Und so könnte es ja sein, daß der „Hail Satan“-Sänger hier überhaupt keinen gefallenen Engel grüßt, sondern Satan als ein künstlerisches Symbol des Bösen versteht, und mit dem Gruß des Bösen ausdrücken will, daß der Mensch ihm ausgeliefert ist. Muß nicht so sein, könnte aber. Oder anders. Dafür müßte man halt darüber reflektieren, was der Typ aus seiner Perspektive damit wohl meinen könnte. (hoch)
[2] Wie sollte etwas, das wesentlich irrational ist, rational erfaßbar werden?! (hoch)
Apropos Endlosschleife: Das letzte Woche vorgestellte Stück von Nile war nicht das erste, in das ich mich erst reinhören mußte. Zuvor hatte ich quasi „von Berufs wegen“ ein erhebliches Problem zu lösen, nämlich keinerlei Zugang zum norwegischen Black Metal zu finden. Und irgendwie dachte ich, es wäre keine gute Idee, eine Diss über Metal zu schreiben, wenn man mit einem nicht ganz unwesentlichen Teil des Gegenstands nicht klarkommt. Noch dazu mit dem, der am deutlichsten mit dem Christentum in Konflikt geraten ist.
Es war auch ziemlich egal, welchen norwegischen Krach ich auflegte, es blieb einfach nur Krach. Ok, Mayhems „De mysteriis dom sathanas“ klang völlig anders als der Rest, aber gut, war es halt anderer Krach – nicht ganz so hoch und tinitusverursachender Krach, aber trotzdem Krach.
Was tun, sprach Zeus? Blieb nur die Möglichkeit, es zu erzwingen: Dauerschleife. Hatte ja unfreiwilligerweise mit Cher damals beim Bund auch geklappt. (Man glaubt ja gar nicht, wie oft man so ein Lied innerhalb eins 24h GvD-Dienstes im Radio hören kann… Ob ich das wohl als Wehrbeschädigung hätte geltend machen können?!)
Daß es ausgerechnet Immortal wurde, lag an einem fast schon zum Running Gag gewordenen Promoten von „Pure Holocaust“ durch einen Regulars in d.a.m.m. Kein anderer Teilnehmer der Newsgroup schien dessen Vorliebe für das Album zu teilen, doch es tat seinem Enthusiasmus keinen Abbruch. Also, wenn eh alles gleich klingt, warum dann nicht eben bei „Pure Holocaust“ anfangen?
Ob das so geschickt war, weiß ich nicht. Es hat mehrere Tage Dauerschleife auf Kopfhörer gebraucht, die ich auch nur mit Flucht in den Eskapismus namens „Die Siedler III“ überstand, bis ich ein erstes Riff wahrnahm! (Es hat sicherlich geholfen, das Hören schon länger nicht mehr krampfhaft versucht zu haben.) Am Ende von „As the Eternity Opens“ hörte ich plötzlich aus dem Grundrauschen einen Ton heraus, der sich schnell als Teil eines Riffs identifizieren ließ (im Video bei ca. 28:00)! Glücklicherweise handelte es sich um eines der Grundriffs des Stücks, so daß ich nach der einen oder anderen Stunde Dauerschleife des Songs, der mit fünfeinhalb Minuten auch noch der längste auf dem nur knapp über eine halbe Stunde langen Album ist, Songstrukturen erkennen konnte. Der Krach war also nicht nur reproduzierbar, sondern enthielt sogar ein gewisses Maß an Melodik. Boah ey, Alda!
Was ich damit aber sagen will: Beurteile Metalmusik niemals nach dem ersten Eindruck. Metal braucht Zeit, man muß sich reinhören. In den Sound, in den Stil, in die Riffs. Als ich diesen Post vorbereitet habe, mußte ich das Album mehrfach durchhören, um das Riff wiederzufinden, denn tatsächlich ist es keineswegs das am deutlichsten zu hörende Riff. Zumindest, wenn man grundsätzlich weiß, worauf man hören muß. Aber das ist eigentlich in der „Klassik“ nicht anders, die ist nur meist ohr-gefälliger, tut also anfangs wenigstens nicht weh 🙂
Letzten Endes hat die ganze Aktion nicht übrigens nicht dazu geführt, daß ich im ganzen dem Black Metal musikalisch gewogener wurde. Ja, ich kann ihn jetzt hören und als Musik identifizieren, aber während früher Black Metal immerhin noch durch die hochtönende Abmischung ein gewisses Alleinstellungsmerkmal hatte, wurde Black Metal in der weiteren Entwicklung ein umbrella term für alles Mögliche, was sich z.T. nur noch durch den Gesang vom Power Metal unterscheidet. Will heißen: da gibt’s zuviel mediokren Mist.
Disclaimer: Ja, auch im Death Metal gibt es mediokren Mist. Aber der klingt wenigstens nicht nach Nightwish.

Matthias Grünewald: Isenheimer Altar, Kreuzigung (Quelle)
Dieses Bild enthält den Strukturplan der Dogmatik. Glauben Sie nicht? Ist aber so. Na gut, es ist nicht der Strukturplan der Dogmatik, sondern mein Strukturplan der Dogmatik.
Kürzlich versuchte ich, zwecks Einordnung der Mariologie in die Gesamtdogmatik, die dogmatischen Traktate zu sortieren und aufeinander zu beziehen. Für mich als Thomas-Fan kam dabei natürlich nur in Frage, bei Gott anzufangen und gemäß dem exitus-reditus-Schema (alles hat seinen Ursprung in Gott und kehrt dorthin zurück) weiterzumachen. Das ergab zunächst einmal Gotteslehre, Schöpfung, Eschatologie:
Gott / \ Schöpfung ― Vollendung
Zwischen Schöpfung und Vollendung gehört natürlich die Christologie, denn ohne Christus keine Vollendung:
Gott / | \ Schöpfung ― XP ― Vollendung
Wohin jetzt die weiteren Traktate? Als da wären: Soteriologie (sofern man sie nicht als Teil der Christologie betrachtet), Pneumatologie (so man diese als eigenständigen Traktat annimmt und nicht in den folgenden, v.a. der Gnadenlehre verwirklicht sieht), Gnadenlehre, Ekklesiologie, Sakramentenlehre, Mariologie und theologische Anthropologie (die mir eigentlich etwas querliegt, m.E. müßte die ein Querschnitt zwischen Schöpfungslehre, Gnadenlehre und Eschatologie sein).
Klar war also schonmal, daß die Soteriologie direkt der Christologie zugeordnet werden muß. Andererseits ist die Erlösung natürlich auch ein Werk der ganzen Trinität (wie bildlich in den Gnadenstuhl-Darstellungen ausgedrückt), d.h. irgendwo hier müßte doch auch der Heilige Geist kommen, wenn man Ihm einen eigenen Traktat widmen will. Außerdem ist die Gnade gleichermaßen ein Ausfluß der Erlösung wie des Heiligen Geistes: Durch Christus im Heiligen Geist werden wir vom Vater begnadet. Also packen wir die Pneumatologie zwischen die Soteriologie und die Gnadenlehre.
Die Ekklesiologie und die Sakramentenlehre sind hingegen Konkretisierungen der Gnadenlehre, nämlich wie die Gnade konkret zu uns kommt: durch die Kirche, dem Grundsakrament, das dem Ur-Sakrament Jesus Christus entspringt, und die Sakramente:
Gott | Schöpfung ― XP ― Vollendung | Erlösung | Heiliger Geist | Gnade | Kirche | Sakramente
An der Stelle hatte ich also schon ein Kreuz gebaut, was mir erst auffiel, als ich partout nicht wußte, wo ich jetzt die Mariologie unterbringen soll. Die Lehre von Maria hat starke Bezüge zu fast allen anderen Traktaten, insbesondere zur Christologie und zur Gnadenlehre sowie zur Ekklesiologie, aber auch zur Eschatologie und zur Schöpfungslehre. Sie erscheint geradezu als Konkretisierung aller Dogmatik, nämlich als Erläuterung, wie die (scheinbar) äußerlich bleibenden Lehren tatsächlich unser Inneres betreffen. In Maria ist konkret (und vollendet!) wozu wir (noch) nur berufen sind. Insofern ist die Mariologie (wie Gerhard Ludwig Müller schon schrieb) das Gegenstück in der Heilsordnung zur theologischen Anthropologie.
Und an dieser Stelle kamem mir plötzlich die Kreuzigungsdarstellungen mit Maria und Johannes in den Sinn. Maria steht nicht im Kreuz, sondern unter dem Kreuz, und in Johannes könnte man das Gegenstück erkennen:
Gott / | \ Schöpfung ― XP ― Vollendung | Erlösung | Heiliger Geist | Gnade Mensch | Maria Kirche | Sakramente
Jetzt mußte ich nur noch begreifen, daß ich mein Schema umdrehen mußte, damit es zu den Bildern paßt, also quasi „hebräisch“ von rechts nach links lesen muß, damit Maria an der rechten Seite Christi, an Seiner Ehrenseite steht. Dieses „Drehen“ kann man auch so verstehen, daß eine so aufgebaute Theologie mit den Augen Christi auf die Welt gucken muß, und nicht von uns her auf Christus und das Kreuz.
Als ich mich dann konkret für das Bild von Grünewald entschieden hatte, zunächst einmal weil dieses Bild von demselben Altar stammt wie die Versuchung des heiligen Antonius, die der Einbandgestaltung meiner Doktorarbeit zugrundeliegt, fielen mir noch mehr Dinge auf, die dieses Bild im Vergleich zu vielen anderen sehr passend machten:
- Auf den meisten Bildern steht Maria zur Rechten und der Apostel Johannes zur Linken Christi. Zwar paßt das rein chronistisch betrachtet durchaus bei der Kreuzigungsszene, da Maria als die Immaculata bereits voll auf der Heilsseite, der Apostel Johannes hingegen noch mehr auf der Unheilsseite stand. Da störte mich bei vielen Bildern aber der Heiligenschein ein wenig… Johannes der Täufer hingegen paßt geistlich verstanden viel besser in dieses Schema, da er der letzte, wenn auch größte Vertreter des Alten Bundes ist, Maria und der Apostel Johannes hingegen ganz dem Neuen Bund zuzuordnen sind.
- Auch die Bildaufschrift bei Johannes dem Täufer: „Er muß wachsen, ich aber kleiner werden“, paßt voll und ganz in dieses Schema: Der gefallene alte Mensch muß immer kleiner werden, Christus aber in ihm wachsen, damit die Neue Schöpfung sich in ihm ausdrücken kann, wie sie (Er) es in Maria und Johannes tat.
- In diesem Sinne stellt Maria Magdalena, die sich auf anderen Darstellungen sogar an das Kreuz klammert, als „die“ Sünderin, die Vergebung und Heiligung erfahren hat, den Weg dar, wie wir von der einen auf die andere Seite kommen.
- Last but not least steht bei Johannes dem Täufer das Lamm Gottes, das geschlachtet wurde und dessen Blut in den Kelch fließt. Womit sogar die Sakramentenlehre als unterster Punkt in „meinem“ Theologie-Kreuz Bestätigung findet. 🙂