Vielleicht liegt den Schwächen der EÜ auch wieder ein spezifisches Problem der Moderne zugrunde, nämlich „es“ „wissenschaftlich“ exakt auf den Punkt bringen zu müssen. Zumindest fand ich es ausgesprochen irritierend, daß im Preuschen bei gefühlt jeder dritten Vokabel eine Sonderbedeutung nur für den Jakobusbrief angegeben war (wenn es nicht sowieso schon ein Hapaxlegomenon war…), zum Teil standen sogar ganze Halbsätze im Vokabelverzeichnis! Dabei ging es natürlich auch mit den eigentlichen Grundbedeutungen, man mußte halt nur etwas bildlicher denken. Dafür verstand man besser, was eigentlich dastand.
Am krassesten war ja Jak 4,5 („pros phthonon epipothei to pneuma ho katwkisen en hemin“), wozu es im Preuschen (Eintrag phthonos) heißt: „pros phthonon epipothein Ja 4,5 ist ganz dunkel“ und, wie immer, wenn ein Exeget mit einer Stelle nicht klarkommt: „wahrscheinlich verderbt“ (bloß daß der kritische Apparat bei Nestle-Aland nur eine einzige Quelle angeben kann, die „theon“ statt „phthonon“ liest…) Aber weil alle to pneuma hier als Akkusativ auffassen (Schlachter ausgenommen) brauchen sie halt noch ein Subjekt, und noch die revidierte Lutherbibel (1984) macht aus dem „er“ noch „Gott“ (übrigens auch das ach so wortgetreue Münchener NT), so daß es dort heißt: „Mit Eifer wacht Gott über den Geist, den er in uns hat wohnen lassen“; EÜ: „Eifersüchtig sehnt er sich nach dem Geist, den er in uns wohnen ließ“, wobei der Sache nach hier als „er“ nur „Er“ in Frage kommt… – Schlachter dagegen: „Ein eifersüchtiges Verlangen hat der Geist, der in uns wohnt“. Mein Übersetzungsvorschlag ginge jedoch noch einen Schritt weiter, nämlich auch das pros phthonon nicht einfach zu „eifersüchtig“ aufzulösen: „Der Geist, der in uns wohnt, sehnt sich nach Neid“ – und siehe da, Hieronymus teilt meine Meinung , wenn er ins Lateinische übersetzte: „ad invidiam concupiscit Spiritus qui inhabitat in nobis“ und ebenso wie ich den Anfang von 4,6 zum „Schriftzitat“ hinzurechnet: „maiorem autem dat gratiam“ (größere Gnade aber gibt Er).
Und genau das ist das Problem: Man will dem „gemeinen Leser“ (oder gar den „Hörer des Wortes“ im Gottesdienst) wohl nicht gleich schwierigen Interpretationsfragen zumuten. Mit dem möglicherweise beabsichtigten Nebeneffekt, daß er sich auch gar keine großen Gedanken über den Text macht. Nicht, daß nachher jemand bei „das Rat der Geburt in Brand setzen“ (Jak 3,6) auf die Idee kommt, hier an Erbsünde zu denken (selbst wenn der ganze Kontext sachlich [siehe auch oben zu Jak 4,5f] von der Folgen derselben spricht), denn wir wissen ja, daß sowas im NT nur solche Leute finden können, die (wie Augustinus) nicht gut genug Griechisch konnten…
Allerdings muß man zur Ehrenrettung der Exegeten einräumen, daß sie beim Jakobusbrief recht ausführlich auf die stark interpretierenden Übersetzungen hinweisen. Bliebe bloß die Frage, wer dann die Übersetzung verbrochen hat…