Wenn ich mich an dieser Stelle hier aufregen, wenn es bei Daniel Deckers „aushakt“, fühle ich mich gezwungen, auch darüber zu berichten, wenn er im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte und unter Einsatz seiner besten Fähigkeiten als promovierter Moraltheologe die Sache auf den Punkt bringt.
Nachdem er bereits am Samstag in einem Kommentar zum Papstbesuch „thüringer Selbsbewußtsein“ und ganz viel ratzinger’sche Theologie (neben badischem Liberalismus; gut, in der Mischung funktioniert das vielleicht) zu einer Mischung erklärte, die nicht die schlechteste für die deutsche Kirche sei, schreibt er heute (online wiederum nur für den Preis der ganzen Zeitung) über die „Kondom-Verbot-Aufhebungsdebatte“, der Papst bewege sich mit seiner Aussage
„nur auf dem in der Geschichte der Theologie längst vermessenen Feld der Güterabwägung, ohne dabei den Kern der Sexualmoral der Kirche aufzugeben: die Verbindung von Sexualität und Liebe und die Hinordnung von Sexualität auf die Weitergabe des Lebens. Diese Überzeugung preiszugeben, fiele dem Papst im Traum nicht ein — warum auch? Der Vorwurf der Liebes- und damit der Lebensfeindlichkeit trifft die recht verstandene katholische Sexualmoral kaum. Dafür gibt es keinen besseren Zeugen als Papst Benedikt XVI. Seine erste Enzyklika ‚Deus caritas est‘ ist ein Hohelied der Liebe, das noch lange erklingen wird. Wenn man es hören will.“
Wohl gesprochen! (Über das „kaum“ sehe ich einmal hinweg, ich denke, tatsächlich wird die Sexualmoral von diesem Vorwurf überhaupt nicht getroffen.)
Daß es in der öffentlichen Diskussion aber überhaupt nicht um die Frage geht, wie sinnvoll mit Sexualität, AIDS und Kondomen umgegangen werden kann, zeigt dagegen Christian Geyer im Feuilleton (auch nur gegen Geld nun auch online zu finden, via Stanislaus‘ passendem Kommentar, ich verlinke den nicht). Dort wird die Papstaussage zu Kondomen nicht einmal als „Etappensieg“ gefeiert, sondern als völlig unzureichend und realitätsverweigernd dargestellt und in einem nur sprachlich von der „Bild“ unterschiedenen (nein, das war jetzt eine Beleidigung der „Bild“) sinnbefreiten Cocktail mit dem „Bekenntnisbuch“ David Bergers, das angeblich den Vatikan in Bredouille bringe (eine Aussage, die nur zeigt, daß Geyer keine Ahnung vom Vatikan hat, von der katholischen Kirche ganz zu schweigen, aber das ist ja keine neue Erkenntnis) vermischt wird — offenbar um auf Teufel komm raus weiter die Weltfremdheit der Kirche behaupten zu können. Da muß sich ja jemand ganz schön in die Ecke getrieben fühlen, wenn er schon solche Kanonen herauskramen muß…
Irgendwie scheint das Berger-Buch voll im Kondomrausch unserer Medienmaschinerie unterzugehen.
Dann wissen wir ja endlich, warum der OR sich nicht zurückhalten konnte… Alles Taktik!
Naja, es ist keine sieben Jahre her, dass man öfter mal gefragt wurde (diskret, mit gedämpfter Stimme): "Sag mal, stimmt es eigentlich, dass der Geyer Mitglied des Opus Dei ist?"
Der Mann gondelt seit Jahren in einer permanenten Identitätskrise, und alle dürfen daran teilhaben…
Also habe ich mich doch nicht geirrt, als ich dachte, früher hätte man den Geyer doch lesen können…