Wenn ein Mensch lügt, ermordet er einen Teil der Welt. Das sind die bleichen Tode, die Menschen für ihr Leben halten. All das kann ich nicht länger mit ansehen. Kann nicht das Reich der Erlösung mich heimholen? (Cliff Burton)
Nunja, bin ich zurück? War ich weg? Keine Ahnung. Zwischenzeitlich war ich tatsächlich weg, denn ich war nicht „drin“. Aus dieser Geschichte wurde leider ein zweimonatiges Trauerspiel inkl. Notwendigkeit, auf UMTS auszuweichen… Irgendwie gibt es einfachere Methoden zu sagen: „Wir wollen Sie nicht als Kunden.“
Aber das gibt mir eine gute Gelegenheit, mal wieder eine Bestandsaufnahme zu machen. Im Juni hatte ich etwas kryptisch-pathetisch geschrieben, ich sähe meine Zukunft auf den Straßen vor meiner Haustür. Das scheint sich jetzt zu bestätigen. Gerade wenn ich bedenke, wieviel Krampf in den letzten zwei Jahren war (und das praktisch überhaupt nicht durch lokale Verursacher), dann läuft im Augenblick alles wunderbar, geradezu himmlisch: Bisher ohne jeglichen Gegenwind, dafür mit voller Unterstützung durch die „Strukturen“ werden zum Jahr des Glaubens drei „Bekloppte“ einen Glaubenskurs durchführen (wenn bis dahin nicht schon Himmel und Erde vergangen sein werden). Das Gespräch mit dem Pfarrer lief im wesentlichen: Wir haben da was vor… — Super! Wollten wir schon lange machen, haben bloß keinen gefunden, der’s leisten will und kann. Boff. So macht Neuevangelisierung Spaß! Als ob das nicht schon klasse genug wäre, kommen da Leute auch noch plötzlich mit Ideen um die Ecke, die ich selbst vor fünf Jahren mangels passender Leute wieder verworfen habe. Und viele, viele Kleinigkeiten, die sich zu einem halbwegs harmonischen Gesamtbild sturkturieren.
Im Augenblick stehen also alle Vorsignale auf „Freie Fahrt erwarten“ 🙂
(Könnte nur bedeuten, daß ich deutlich weniger Zeit und Lust habe, online zu sein.)
Worum es mir aber im Ernst geht, ist die Kritik an der Diskussion über eine Musikkultur unter Ausblendung der Musik selbst. Mir ging es zunächst (und eigentlich auch abdriftenderweise) um eine rein negative Abwehr einiger (zum Teil nur scheinbar) auf die Musik bezogener Argumente gegen den Metal. Damit ist nicht mehr und nicht weniger gesagt, als daß die Kritik am Metal eben genau den Metal ausblendet.
Nicht mehr bedeutet dabei, daß es ja durchaus auch eine soziale Praxis gibt, also der Metal auch eine Subkultur ist, und daß man Kritik an den Inhalten der Songtexte nicht einfach zur Seite wischen kann. Nicht weniger aber bedeutet, daß mindestens eben jene soziale Praxis sich um die Musik herum bildet und nicht andersrum, daß die soziale Praxis also die Musik interpretiert (sowie die Musik die soziale Praxis) und nicht bloß eine beliebige Begleiterscheinung ist.
Wenn ultramontanus in der ComBox schreibt: „Das heißt, um seine Bedeutung zu erfassen, genügt es nicht, nur zu konstatieren, ah, hier und hier und da auch kommt ein Tritonus vor, sondern seine Stellung im Stück und die weitere Progression müssten schon mit betrachtet werden“, dann hat er eigentlich genau den Punkt getroffen, um den es mir im positiven Sinne geht (auch wenn zitierter Abschnitt eine andere Zielrichtung hatte). Die Kritiker lehnen die Musik ab, weil sie laut ist (ohne zu erklären, warum Lautstärke, über den möglichen gesundheitlichen Schaden hinaus, schlecht ist), weil sie musikalisch anspruchslos wäre (ohne darzulegen, welchen musikalischen Anspruch sie dabei als notwendig voraussetzen), weil sie disharmonisch ist (ohne zu erklären, ob Disharmonie erst beim Tritonus anfängt oder bereits die Polyphonie vom Bösen war), kurz: weil sie ihnen nicht gefällt (was ja niemand verlangt, es reicht ja, wenn sie den Metallern gefällt).
Ok, eins muß ich allerdings zugeben: Ein ästhetisches Urteil ist immer auch ein moralisches, nämlich über die Werte, die hinter dem ästhetisch beurteilten Kunstwerk intuitiv angenommen werden. Und genau damit sind wir auch beim eigentlich Inhalt der Kritik, nämlich an den (angeblichen) Werten, die vom Metal vertreten werden, und den daraus resultierenden Handlungen. Der springende Punkt ist nur: Das intuitive Urteil wäre zu durchdenken und zu einem reflektierten Urteil zu machen. Dieses sollte dann auf Musik, Texten und sozialer Praxis zugleich beruhen.
Das Dumme ist nur, daß ein solcher Ansatz etwas komplizierter ist, als einfach nur bestätigende Indizien für die eigene Meinung zu suchen und aneinanderzureihen.1 Und möglicherweise würde man dabei festellen müssen, daß die ästhetisch-intuitive Ablehnung musikalisch nicht ganz so leicht zu begründen ist, denn, wenngleich das Niveau auch schwankt, ist es nicht so leicht, dem Metal einen künstlerischen Anspruch abzusprechen. Darauf will ich demnächst näher eingehen.
Für heute soll als praktische Einführung die „A-Seite“ von „Master of Puppets“ genügen (denn über Musik zu schreiben ist, wie zu Archtiektur zu tanzen), die vielfach für Metal in Beinahe-Perfektion gehalten wird. (Anmerkung: Metal ist eigentlich schlecht dazu geeignet, komprimiert zu werden [es kommt leicht zu „Klirrgeräuschen“], und die Lautstärke sollte eigentlich auch nicht übertrieben werden, weil es sonst leicht zu Übersteuerungen und infolgedessen ungewollten Verzerrungen kommt. Und die Leute, die den Baßregler bis zum Anschlag aufdrehen müssen, kotzen mich ja auch an. Oder anders gesagt, ich habe lange gesucht nach den Videos, aber die Soundqualität befriedigt mich [auch dank „dieses Video ist in deinem Land nicht verfügbar“] immer noch nicht. Kauft euch also das Album. Am besten gleich auf Vinyl :-P)
Track 1: Battery
Track 2: Master of Puppets Track 3: The Thing That Should Not Be
Track 4: Welcome Home (Sanitarium)
Fußnote 1) Damit ihr versteht, warum mich diese Vorgehensweise so aufregt, ein durchaus repräsentatives Beispiel. Hans-Jürgen Ruppert zitiert in den EZW-Texten, Band 140: Satanismus, auf Seite 38 folgende „Einladung zu einem Konzert“ (grau hinterlegt hervorgehoben): „Wenn ihr blutgeil seid, müßt ihr auf unser nächstes Slaughter in Hell-Konzert kommen. Wir zersägen Kreuze und blutige Köpfe, erschießen Mönche und Jesus Christus… etc. Bloodlust!“
1. Das Zitat dient dazu, die Verbindung zwischen Satanismus und Rockmusik zu belegen, die zumindest ein gefährliches Spiel mit dem Bösen darstelle. Könnte man ja erstmal so stehen lassen, denn diese Verbindung gibt es ja.
2. Rupperts Text ist von 1998.
3. Endnote 131 gibt preis: Das Zitat stammt aus dem Materialdienst der EZW 12/1986 (!) und ist dort dem „Metal Hammer“ entnommen.
Wir fassen bis hierher nochmal zusammen: 1998 wird als Beleg für die gefährliche Verbindung von Rockmusik und Satanismus ein 12 Jahre altes Zitat gebracht und nach einer Sekundärquelle zitiert sowie im Fließtext keinerlei Hinweis auf das Alter des Zitats gegeben, sondern vielmehr der Eindruck von Aktualität erweckt. Sollte es, wenn diese Verbindung tatsächlich existiert (was ich ja keineswegs bestreite), nicht neuere Zitate geben, die man direkt aus der Quelle zitieren kann? (Ja, gibt es — in Massen!)
4. Wenn der zuvor vielleicht noch gewogene (sonst würde er das ja gar nicht lesen) Metaller angesichts des Anfang der 90er ganz andere Dimensionen satani(sti)scher Praxis weit außerhalb von Konzertbühnen erreichenden norwegischen Black Metals nicht schon jetzt lachend in der Ecke liegt, dann tut er es spätestens, nachdem er die Encyclopedia Metallum nach „Slaughter in Hell“ befragt hat und dabei über die überaus erfolgreiche und für die ganze Szene repäsentative, weil epochale Band „Antichrist“ gestoßen ist, die so abgrundtief true ist, daß sie auch nach fast 30 Jahren nicht über den Demo-Status hinausgekommen ist. Man beachte übrigens auch (unter „Members“), daß die Band offenbar zwischen 1986 und 2003 nicht aktiv war.
Also mal ganz ehrlich: Was soll sowas?! Die EZW ist doch nicht irgendeine Klitsche wie die Westboro Baptist Church, sondern eine offizielle Einrichtung der EKD mit (zumindest latent) wissenschaftlichem Anspruch (die EZW-Texte sind im Gegensatz zu den freikirchlichen Traktätchen auch außerhalb einer Metal-Arbeit zitierbar). Aber das ist kein Einzelfall, schon auf Seite 22 findet sich — wohl um eine Verbindung zwischen Aleister Crowley und der (Schüler-)Band „Absurd“ sowie ihrem „Satansmord“ in Sondershausen herzustellen (was mit den Fakten aus dem Fall wohl leichter gegangen wäre) — die Aussage, Weida (wo sich Crowley in den 1920er Jahren mal kurz zu einem okkulten Kongreß aufgehalten hat und zum „Weltheiland“ ausrufen ließ) liege „unweit von Sondershausen“. Hier wäre ein handelsüblicher Straßenatlas hilfreich gewesen, aber urteilt selbst.
Was ist eigentlich los in den Blogspot-Karteileichen den Blogoezese? Ständig kriege ich in letzter Zeit neue „Test“-Posts aus ehemals aktiven Blogs, nur daß die deutsch- oder lateinischsprachig benamsten Blogs plötzlich englischsprachige Blogger zu haben behaupten. Werden da tote Blogs gekapert? Wurden die Blogs, spontan fallen mir Gespräche am Jakobsbrunnen, Lux aeternitatis und Zwischen den Kirchen ein, aufgegeben und komplett gelöscht, so daß die Namen wieder frei waren? Ich frage nur, weil ich ansonsten Blogs kenne, die schon seit einer halben Ewigkeit nicht mehr aktiv sind (etwa Commonitorium, grummelbrummel) und noch völlig intakt sind…
Und zugleich sind meine Zugriffszahlen vorgeblich ins Unermeßliche gestiegen. Sagt zumindest die Blogger-Statistik, Google Analytics hat davon allerdings nichts mitbekommen, und die Zugriffe kommen auch von lauter Kurzlink-Adressen — die, wenn man ihnen folgt, meist auf andere Blogspot-Blogs verweisen. Also sowas wie Spamming, nur anders. Versucht da jemand durch Ausnutzen einer Lücke in der Blogger-Statistik kurzfristig leichtes Geld zu verdienen (mir wird jetzt auch schon vorgeschlagen, ich sollte ob der Popularität meines Blogs mal dran denken, Geld von Blogger/Ad Sense zu bekommen)?
Aber wieso können zwei Statistik-Tools derselben Firma nicht auf die gleiche Weise Scheinzugriffe eliminieren?
Hey, cool! Auf der Suche nach dem korrekten Wortlaut dieses Zitats habe ich tatsächlich meine absolute Lieblingsfolge von Sledge Hammer bei YouTube gefunden. Just sit back and enjoy:
„Rock! I’m gonna get to the bottom of this, Doreau, and you know why? ’Cause this whole rock scene makes me puke. You know what’s responsible for the moral degeneration of our american youth? Rock! Crime in the streets? Rock! You look under any rock, you know what you find? Rock! I must go find this Vicuna character. Maybe I can catch him with some incriminating evidence and blow him away. That will clear the court calender.“
„That satanic noise you pawn off as music feeds on the minds of our young people, causing ’em to grow their hair long and smoke funny cigarettes and then cut school and stay home all day watching that…, that… NBC!“ – „MTV!“ – „Don’t confuse me!“
„Now listen up, you dirty, filthy, foul-mouth scum!“ – „Hey, ‚ve you thought about writing lyrics?“ – „Yeah, how’s this? I’m tired of your degenerate fun, so you better tell me what you’ve done, or I’ll blow you away with my gun.“ – „Yeah, that’s pretty good, allright.“
„This is terrible. It appears that their plane has crashed. – Gory details at 11.“
„You have any idea what happened to the plane?“ – „Yeah,… the plane… crashed, that’s essentially, that’s the long and the short of it.“
„Satanischer Krach“ — ist das ein Urteil über die Musik oder die Texte? Ich mach’s mal kurz: In fast allen Publikationen werden solche und ähnliche Urteile allein über die Texte sowie mitunter die Biographie der Musiker begründet. Das ärgert mich, weil es nicht nur völlig unangemessen ist, eine Musikkultur allein über ihre Texte zu beurteilen, die in vielen Fällen nicht einmal zu verstehen sind, sondern es auch in den innermetallischen Diskursen zunächst einmal um die Musik geht. Die Texte sind zwar nicht völlig unwichtig und beliebig, aber doch sekundär; sie müssen zur Musik passen.
Es gibt nur ein paar wenige Autoren, die sich in ihrer Kritik auf eine ekstatische und enthemmende Wirkung der Musik auf die Hörer berufen, aber nur einen einzigen Autor, der argumentiert und begründet, warum die Musik so wirkt und was das Problematische daran ist. Und das ist kein geringerer als — Joseph Ratzinger. Er macht aber ausdrücklich eine Voraussetzung, die nicht aus der Musik selbst stammt: den Willen der Zuhörer zur Ekstase und das dadurch angestrebte Ziel einer Identitätsauflösung. D.h. die Musik wirkt nicht automatisch ekstatisch, sondern weil die Hörer sie zum Zweck der Ekstatisierung hören. Konsequenterweise beschränkt sich Joseph Ratzinger auch nicht auf den „satanischen Krach“, der bei ihm allenfalls am Rande eine Rolle spielt, sondern verwirft (indirekt) jede Unterscheidung zwischen „bösem Metal“ und „gutem Rock & Pop“. Der Vorwurf, im moralischen Sinne schlechte Musik zu sein, trifft bei ihm die Rock- und Popmusik als ganze (wobei man korrekterweise natürlich einschränken muß: es geht, wie in allen moralischen Fragen, nicht um ein moralisches Urteil über die Musik an sich, sondern um den Umgang von zum moralischen Urteil befähigten Subjekten mit ihr). Dabei ebnet er auch nicht die musikalischen Unterschiede ein; die Wirkung von Rock und Pop unterscheide sich durchaus im Detail, aber das angestrebte Ziel bleibe dasselbe.
Diese Kritik war die einzige, die mir ernsthaft (und über Monate hinweg) zu knabbern gegeben hat. Denn die Argumentation ist nicht nur aus sich selbst heraus schlüssig, sondern wird — man höre und staune — zumindest in Bezug auf die Popmusik von Metallern nicht gerade rundheraus abgelehnt. Die Sprache ist eine andere, der Kritikpunkt — Musik nicht für das Volk, sondern für die [dumpfe] Masse, Auflösen von Individualität durch Vermassung — ist derselbe. Wissenschaftlich etwas schwierig wird die Sache aber dadurch, daß Jospeh Ratzinger an keiner der drei Stellen, an denen ich die angerissene Argumentation gefunden habe, sie durch Verweise, Zitate oder andere Belegstellen untermauert, und die Kernargumentation nirgendwo länger als anderthalb bis zwei Seiten ausmacht, aber durchaus eine gewisse Komplexität aufweist.
Um ein große Frage in möglichst blogkonformer Länge zu halten: Ich vermute hier einen Bezug auf Elias Canettis „Masse und Macht“, was die Sache wiederum nicht einfacher macht, da Bettina Roccor und Deena Weinstein in ihren Monographien über Metal Elias Canetti weitgehend zustimmend auf den Metal anwenden. Ich könnte jetzt viel über die kleinen, aber folgenreichen Verschiebungen zwischen Canettis und Ratzingers Argumentation schreiben (was ich in meiner Diss auch tue), das würde allerdings nichts daran ändern, daß die Kritik durch diese Verschiebungen zwar ein wenig die Berechtigung, sich auf Elias Canetti zu berufen, verliert, Ratzinger aber sich nicht nur nicht auf Canetti beruft, sondern gerade durch seine Verschiebungen die Kritik erst theologisch wirklich schlüssig wird.
Letzlich muß die Frage hier (zunächst?) offenbleiben. Wesentlich bleibt es Kritik am Willen zur Ekstase. Um aber herauszufinden, ob dieser in einer bestimmen Musikkultur (mehrheitlich) vorliegt, dafür geben weder Canetti noch Ratzinger ein Instrumentarium an die Hand. Dagegen sprechen beim Metal der hohe Stellenwert der Individualität sowie „metallische“ Argumentationen gegenüber der Popmusik, die der Ratzingers sehr nahe kommen. Doch es gibt auch Äußerungen, die Ratzingers Kritik bis ins Detail zu bestätigen scheinen (wobei ich eingestehen muß, daß mich deren Existenz durchaus überrascht hat). Es wäre zwar merkwürdig, aber nicht undenkbar, würde der Metal auf Konzerten ausgerechnet die Individualität aufzulösen trachten, die er ansonsten als Wert vertritt. Möglicherweise bemerken aber die starken Individualisten im Metal einfach nur nicht, wie unindividualistisch sie eigentlich sind, weil sie sich nur andere Regeln vorgeben lassen als der Durchschnittsmensch.
Jetzt bin ich von meiner eigentlichen Absicht, von der Musik selbst zu schreiben, ein paar Kapitel abgekommen und werde das auf den nächsten Post verschieben müssen. Bevor mir aber jemand vorwirft, Moment!, da gibt’s doch noch ganz gefährliche Dinge wie Rückwärtsbotschaften oder die satanischen Tritonus, werde ich auch dazu noch kurz etwas anfügen. Beides kommt in meiner Diss nur als Exkurs zur Sprache, was damit zu tun hat, daß sich zwar die Vorurteile gut in der entsprechenden Traktätchenszene halten, sie aber in keiner Weise auch nur ansatzweise wissenschaftlich anschlußfähig sind:
Die Theorie hinter den „satanischen Rückwärtsbotschaften“, die leider meist hinter der Frage zurückstehen muß, ob es solche Botschaften überhaupt gibt (ja, es gibt sie), weist einen ganz eklatanten Mangel (neben vielen kleineren) auf. Sie setzt nämlich ein weder psychologisch noch neurologisch anschlußfähiges Bild des Gehirns und seiner Wirkweise auf, nämlich als eine Art Computer. Dieser sei in der Lage, unbewußt gehörte Rückwärtsbotschaften umzukehren und ihre Inhalte unter Umgehung des Bewußtseins verhaltensbestimmend werden zu lassen. Das ist, soweit die Theorie überhaupt empirisch überprüfbar ist, sogar widerlegt. Seit mittlerweile 26 Jahren.
Dem Verständnis des Tritonus als „satanisches Intervall“, das womöglich sogar ungewollt den Teufel beschwören und den Beschwörenden in seine Gewalt bringen könne, liegt schlicht ein historisches Mißverständnis zugrunde. Diese Vorstellung ist erst seit dem 18. Jahrhundert nachgewiesen (und zunächst auf Italien beschränkt), während die Meidung der übermäßigen Quarte bis ins frühe Mittelalter zurückgeht (belegt ab dem 9. Jh., was übrigens nicht heißt, daß der Tritonus nicht vorgekommen wäre). Die übemäßige Quarte, ein Intervall von drei Ganztönen (Tri-tonus) war schlicht ungewöhnlich, unüblich, entsprechend schwer zu singen und brachte einiges an Hilfsmitteln beim Gesang (siehe Hexachordsystem) durcheinander. Vermutlich von hier aus entwickelte sich die Bezeichnung diabolus in musica — Durcheinanderwerfer in der Musik. In Unkenntnis des Ursprungs brauchte im 18. Jahrhundert der „diabolus in musica“ aber eine neue Erklärung…
Anzumerken wäre noch, daß der Tritonus heutzutage (und schon im genannten 18. Jh.) alles andere als ungewöhnlich ist (war), ist er doch gleich doppelter Bestandteil jedes Dominantseptakkords. Vor allem aufgrund seiner „teuflischen“ Bezeichnung und der ihm innewohnenden Spannung wurde er ab dem Barock als musikalisches Symbol für besondere Gefahren verwendet. Erst ab dieser Zeit kam überhaupt die Vorstellung auf, der Teufel hätte mit diesem Intervall mehr zu tun als nur seinen Namen dafür herzugeben. Ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert hatte er diese Funktion im hochkulturellen Musikbetrieb jenseits seiner historischen Bedeutung längst verloren. Nicht einmal in die populäre Musik wurde er erst von Black Sabbath, die als zweites Intervall im ersten Song auf dem ersten Album und damit quasi in der Geburtsstunde des Metals gleich einen Tritonus verwendeten, eingeführt, das war bereits im Jazz erfolgt. Black Sabbath verwendeten ihn im Gegensatz zum Jazz jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach genau in der klassischen Bedeutung als Symbol für besondere Gefahr, wie sie sich im Liedtext beschrieben findet:
Ich bin ein leidenschaftlicher Christ, der Jesus Christus und Seine Kirche hingebungsvoll liebt. Ich bin zu Überstunden im Weinberg des Herrn bereit und habe wenig Geduld mit denen, die weniger willens oder fähig sind als ich. Meine Leidenschaften führen mich häufig in Bereiche der Versuchung von Zorn, Wollust und Stolz.