Immer wieder fällt mir bei meinen nicht-kirchlichen Aktivitäten auf, wie stark sich andere mit ihren Hobbys identifizieren, wieviel Zeit sie in diese stecken und welche Bedeutung sie für ihre Sozialkontakte haben, sei es Sport, sei es Musik, seien es Rollenspiele, Computer, Internet oder whatever. Ich hätte da nie soviel Zeit reinstecken können, und wunderte mich, wie das überhaupt gehen soll. Als Antwort hatte ich mir zurechtgelegt, daß ich ja stattdessen soviel Zeit in die kirchlichen Aktivitäten steckte.
Mit der Entdeckung der „Mysteria ecclesiae germanicae“ ist diese Deutung allerdings in sich zusammengebrochen: Es gibt parallele Strukturen in der Kirche, in die andere soviel Zeit stecken wie meine Bekannten in ihre nicht-kirchlichen Hobbys, ich jedoch nicht. Da stellte sich mir dann wieder die Frage: Wie machen die das?! Die Antwort ist ebenso banal wie erschreckend: Die haben offenbar keine außerkirchlichen Kontakte.
Umso mehr scheint das sogar für hauptamtliche Mitarbeiter der Kirche (auch die Laien) zu gelten, die nicht einmal beruflich aus dieser Parallelwelt herauskommen. Im Gegenteil, die innere Logik und Dynamik des hauptamtlichen Kirchenbetriebs zieht einen geradezu da rein, wenn man nicht aufpaßt.
Von da aus ist es nicht mehr weit zur Heuchelei: Es geht um das Überleben im System, nicht um das Wachsen im Glauben, um die Verkündigung des Reiches Gottes, um die Mission. Dementsprechend ist es zwar wichtig, fromme Reden im Mund zu führen, aber nicht ihnen zu entsprechen.
Das muß natürlich nicht die Folge sein, und viele würden sich wohl zu Recht gegen den Vorwurf der Heuchelei verwehren. Allerdings sind mir tatsächlich einige Leute über den Weg gelaufen, die großes Heuchelpotential hatten (und es auch nutzten). Sie hatten ihre Ausbildung offenbar gut verinnerlicht — sie wußten, wie man mit Leuten umgehen „muß“, wie man sich ihnen gegenüber verhalten „muß“, und sie haben das erlernte Programm auch ständig umgesetzt. Nur fehlte es ihnen — zwangsläufig — an der nötigen Authentizität. Wenn sich immer wieder Worte und Verhalten im persönlichen Kontakt auf der einen Seite und Entscheidungen und Organisationshandeln auf der anderen Seite widersprechen, dann gilt: An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen. (Klinge ich eigentlich schon nach Memorandum?!)
Am meisten hat mich allerdings sprachlos gemacht, daß Kritik an entsprechender Inkonsistenz auch noch die Rechtfertigung (und eben keine Verteidigung gegen den Vorwurf!) kam: „So ist die Welt eben.“ Wohlgemerkt von Leuten, die nach eigener Auskunft keinerlei Verankerung in einem Milieu außerhalb der Kirche haben, die also überhaupt nicht wissen, wie es „da draußen“ zugeht. Ganz davon abgesehen, daß es bei uns aber nicht so sein soll…