Me Myself and I

Da ich mich ja nicht mehr aufregen will, muß ich mir andere Themen zum Bloggen suchen. Zugleich fehlt mir aber (noch?) die Zeit, das ursprünglich hinter der Namenswahl des Blogs stehende Anliegen wieder auszugraben. Daher ziehe ich mich erstmal auf bereits Durchdachtes zurück, das ich mehr oder weniger aus dem Ärmel schütteln kann. In der nächsten Zeit wird es, soweit ich dazu komme, also eine kleine Serie über meine Metal-Leidenschaft geben.

Den Auftakt macht, zwangsläufig, mein persönlicher Zugang, denn das ist die Brille, durch die all das Folgende (vor allem auch kritisch!) zu lesen sein wird. Natürlich gibt es Abstoßendes, Blasphemisches, Satanistisches im Metal, das auch zuerst ins Auge springt. Aber wer beim ersten Blick stehen bleibt, sich nicht darüber hinausgehend mit der Musik und der sie deutenden sozialen Praxis auseinandersetzt und auf dieser Grundlage den Metal als bestenfalls belanglos, vielleicht sogar gefährlich abtut, bleibt auf der bewußt provozierenden und irritierenden Oberfläche stehen und wird dem Metal nicht gerecht. Ist natürlich jedermans gutes Recht, auch wenn man das als selbstverschuldete Unmündigkeit kritisieren könnte und eventuell daraus resultierende Äußerungen über den Metal aller Wahrscheinlichkeit nur die Vorurteile unter Metallern bestätigen, Christen seien oberflächlich und dumm, weil sie autoritätshörig anderen für sich das Denken überlassen. (Allerdings vertrete ich die Auffassung, daß der Metal solche Leute braucht, um „gefährlich“ zu wirken. Das Schlimmste wäre, wenn ihn alle gut und toll fänden, denn dann wäre er tatsächlich belanglos, aber das nur am Rande.)

Wie auch immer, ich bin nicht neutral gegenüber dem Metal eingestellt, ganz im Gegenteil, denn er hat nicht nur wesentliche Bedeutung für meinen Lebens-, sondern auch und vor allem für meinen Glaubensweg erlangt. Ein Bekannter äußerte letztens, in unserem Alter gäbe es doch keine Gläubigen, die keine grundstürzende Bekehrung hinter sich hätten, oder kennte ich denn einen, der durch die normale Pastoral gläubig geworden sei? Nunja, im ersten Moment mußte ich widersprechen, da ich selbst eigentlich kein besonderes Bekehrungserlebnis zum Glauben hatte, es war ein langer Prozeß, der zumindest nach außen hin doch recht geradlinig wirken dürfte; jedenfalls blieb er ohne einen echten Bruch.

Bei genauerer Betrachtung war aber mein Erstkontakt mit dem Metal eine Art Bekehrung. Vorher habe ich alle Vorurteile über den Metal, die man sich nur vorstellen kann, geteilt. Satanistischer Krach ohne jeden musikalischen Anspruch. Tja, die schärfsten Kritiker der Elche waren eben früher selber welche. Dummerweise spukten (vor allem Schlagzeug-) Riffs in meinem Kopf umher, die ich noch nirgendwo in der (Mainstream-) Musik wiedergefunden hatte. Insofern war ich also auf der Suche. Ich kann mich noch erinnern, wie während einer Messe, in der ich ministrierte, ausgerechnet während der Wandlung plötzlich ein solches Riff mein Hirn durchzuckte. Was ich damals mit schlechtem Gewissen als Unaufmerksamkeit deutete, erscheint mir heute eher als göttliche Eingebung in Vorbereitung späterer Ereignisse.

Jedenfalls stieß ich dann (noch dazu ausgerechnet im schulischen Musikunterricht 🙂 völlig unvorbereitet auf Metal ohne zu wissen, daß es sich um selbigen handelte, namentlich auf „Enter Sandman“ von Metallica. Und war völlig weggeblasen. Damals kannte ich zwar den Begriff noch nicht, aber das war ein Kairos. Das war die Musik, die mir schon immer im Kopf rumspukte, ohne daß ich sie jemals (bewußt) gehört hätte (keine Ahnung, ob da meine älteren Geschwister unbewußte Grundlagen gelegt haben; ist nicht auszuschließen, und es kam mir noch Jahre später so vor, als ob ich manche Musik nicht zum ersten Mal hörte, obwohl ich sie mir gerade erst gekauft hatte). Die Schöhnheit und Erhabenheit dieser Musik war so endg**l, daß das Verlangen nach ihr stärker war als die Vorbehalte. Selbige zerstreuten sich auch zunehmend, denn wer bei Metallica oder Blind Guardian (die ich als zweites ins Herz schloß) antichristliche oder blasphemische Texte findet, sage mir bitte Bescheid. (Ok, und dann unterhalten wir uns über James Hetfields Hintergrund, nämlich daß seine Eltern Christian Scientists waren, die durch ihre Ablehnung medizinischer Behandlung qualvolle Tode starben und entsprechende Eindrücke bei Hetfield hinterließen, deren Verarbeitung Songtexte wie „The God that Failed“ hervorbrachten. Und ja, Blind Guardian hießen mal Lucifer’s Heritage, aber das war’s auch schon. Keinerlei Einfluß auf das weitere Wirken, und — kleiner Vorgriff — einen solchen Bandnamen kann man ja auch so oder so verstehen… Jedenfalls sind sich Metaller der conditio humana in der Regel sehr bewußt.)

Aber ich schweife ab. Ohne dieses „Bekehrungserlebnis“ stünde ich heute nicht dort, wo ich stehe. Was ich nun definitiv vom Metal gelernt habe, ist für die eigenen Ansichten auch einzustehen, selbst wenn sie noch so unpopulär sind. Ich habe zwar nie die Anliegen des Kirchenvolksbegehrens geteilt, war aber von entsprechender Denke zumindest so weit infiziert, als ich lieber die Klappe gehalten oder gar mit den Wölfen geheult habe, als anzuecken. Zudem ging mein immer tieferer Einstieg in den Metal mit einem ziemlichen Wachstum im Glauben einher (und das nicht nur wegen des parallelen Theologiestudiums). Metal und Glaube warfen Fragen auf, die eine Lösung brauchten, sich gegenseitig verstärken und so zu einem tieferen Eindringen in beides führten. Auch weiß ich nicht, wie ich den Kontakt mit Hardcore-Freikirchlern verkraftet hätte, die ganz offen den Papst für den Antichristen hielten, Katholiken für Teufelsanbeter usw. Dort für eine klare Position einzustehen, war jedenfalls von Vorteil.

Schließlich kamen noch eine erkleckliche Anzahl Priesteramtskandidaten hinzu, die ebenfalls Metal hörten. Und das waren nicht gerade die liberalsten. Einer davon ist inzwischen Kartäuser. Lange Rede, kurzer Sinn: Bei all den bleibenden Schwierigkeiten mit gewissen Erscheinungsformen, insbesondere in den extremeren Subgenres, verdichtete sich in mir der Eindruck, daß es ein verbindendes Band zwischen Metal und Christentum gibt, und zwar gerade mit dem eher konservativen, aus dem die größten Kritiker des Metals stammen.

Dieser Frage nachzugehen ergab sich dann die Möglichkeit nach meinem Diplom in Form einer Doktorarbeit (die, so Gott will, nächstes Jahr auch endlich gedruckt vorliegt). Die weiteren Beiträge werden im wesentlichen auf selbiger beruhen und infolgedessen auch etwas objektiver daherkommen. Ein kleiner Vorgriff (weil ich mich erstmal der Musik widmen will und nicht weiß, wie weit ich komme): Die Verbindung liegt in der Frage nach dem Bösen, genauer in der Frage nach dem praktischen Umgang mit Erfahrungen des Bösen, sowohl aus Täter als auch aus Opfersicht. Und die Antwort(tendenz) des Metals geht nicht gerade in Richtung „wir müssen uns nur einfach alle lieb haben, und Gott leidet ja mit uns“…

Johannes macht jetzt Los Wochos zu „Musik und Themen aus den Fernsehzeiten meiner Kindheit“. Da seine Kindheit ein wenig früher als meine gewesen zu sein scheint, greife ich das Thema gleich mal auf. Johannes fügt an: „als die Guten noch richtig gut und die Bösen nie so richtig böse waren“ — das war bei mir offenbar schon völlig anders, denn die „Guten“ waren in den meisten Fällen mehr oder weniger Outlaws, Renegaten oder Vigilanten… Drum fang ich mal mit dem harmlosesten an:

Eigentlich will ich mich nicht mehr über das kleinkarierte, fortschrittslose Gelaber und dessen Protagonisten aufregen, und ich werde es auch nicht mehr tun. Deshalb mache ich es kurz: Wenn der Papstbesuch eines gebracht hat, dann die Spaltung der Kirche in Deutschland offensichtlich gemacht zu haben. Der große Abfall hat längst stattgefunden, und sein bester Trick ist, nicht offen erfolgt zu sein. Machts gut, und danke für den Fisch. Heuchler!

Das hier sollte eigentlich ein Papstrückblick im Schnelldurchlauf werden. Mir war schon vorher klar, daß jede einzelne der Predigten und Ansprachen es wert ist, mehr als einmal gehört und gelesen zu werden. Einem kleinen persönlichen Rückblick auf das, was mir schon beim ersten Mal hängengeblieben ist, sollte diese Tatsache doch aber nicht im Weg stehen. Schon bei der ersten Stichwortsammlung fiel mir auf, daß ich nur mit Mühen noch bis zur Papstmesse in Erfurt gekommen bin und dabei sogar die Marianische Vesper in Etzelsbach vergessen hatte. Also nochmal ein wenig nachgelesen, nachgehört, hängen geblieben, die Zeit verfloß.

Jetzt muß ich langsam ernsthaft ins Bett, ab morgen ist wieder Alltag angesagt, und für einen kurzen Rückblick habe ich inzwischen zuviele (große) Gedanken in meinem (zu kleinen) Kopf. Im Grunde war es ein pointierter Durchmarsch durch die Kernpunkte unseres Glaubens und unserer gegenwärtigen (kirchlichen) Situation (in Deutschland). Wie man in so wenig Zeit so viel sagen kann, ist mir fast ein Rätsel. Dabei ist das Beeindruckende am Heiligen Vater noch nicht einmal (nur) sein Denken und Reden, sondern sein ganzen Auftreten, seine Ausstrahlung. Ich gebe den Rückblick daher fürs Erste auf und hoffe auf das „Papst-Lesebuch Teil II. Deutschland revisited“.

Die Absperrungen schienen keine Chance zu lassen, gestern irgendwie in die Nähe des Papstes zu kommen. Ärgerlich, da ich heute erst recht keine Chance haben werde. Dann, schon in Vorbereitung des Livestream-Guckens, der Anruf: „Wir stehen direkt an der Auffahrt zum Domberg. Erst außen rum, dann mitten durch und rein.“ Ganz so einfach war’s dann doch nicht. Aber der Papst zum Glück verspätet, noch rechtzeitig angekommen, um die Maschine zwischen Dom und Severi hindurchfliegen zu sehen.

Irgendwann rauschte er dann auch vorbei. Verspiegelte Fenster, nichts zu erkennen. Mist. 20 Minuten später dann doch noch: Dank Spitzkehre Blick von vorne rechts (im ARD-Video ab ca. Minute 74), weißer Mann in schwarzem Auto. Und dann schon wieder alles vorbei. Abenteuerlicher Rückweg. 600 Meter (unter normalen Umständen), 30 Minuten Fußweg im Slalom durch das Sperrgebiet.

Aber dafür: ganz viel Bauchweh erspart. ARD bringt gleich drei kapitale Fehlleistungen in einer halben Minute (ab 29:00) unter, faselt was von Bischof Feige sei Vikar in Salzwedel und Magdeburg, Bischof Ipholt kann ich beim besten Willen nicht auf dem Rollfeld finden, und eine Augustinerschule findet Google in Erfurt auch nicht. Die Kinder jedenfalls waren aus dem Domkindergarten. Aber auch das Domradio hat — mit dem Dom-Fachmann bereits im Augustinerkloster — kräftig danebengegriffen, wie die beste aller Ehefrauen hinterher berichtete (in der Mediathek habe ich das nicht gefunden). Als der Papst vor den aus der Krypta elevierten Sarkophagen der Heiligen Adelar und Eoban kniete, sprachen sie vom Grab Bischof Hugo Aufderbecks (an dessen tatsächlichem Grab ihnen zwangläufig nichts mehr einfiel), und als die Maria sedes sapientiae in den Blick kam, sprachen sie wohl von einer Pietà „mit dem Jesuskind auf dem Schoß“. Autsch.

Das Besuchsprogramm des Papstes wirkte auf mich lange wie aneinandergestückelt. Hier nochmal ein paar Minuten mehr, dort noch einen kleinen Programmpunkt eingeschoben. Wie soll aus so einem Stückwerk ein klarer Impuls für eine missionarische, erweckte, gestärkte Kirche in Deutschland hervorgehen? Ja, klar, jeder Punkt für sich völlig gerechtfertigt, und wo hätte man um der Geradlinigkeit des Programms willen besser kürzen können als in Erfurt? Μὴ γένοιτο!

Ich hätte mir nicht träumen lassen, daß ausgerechnet die Reden und Predigten des Papstes einen stimmigen Zusammenhang herstellen können (nicht, daß ich nicht große Erwartungen an sie hatte, aber sie sind meilenweit übertroffen worden). Nicht nur sind sie punktgenau auf den jeweiligen Ort und Anlaß geschrieben, sondern sie haben auch jeweils eine klare Kernaussage, und diese Kernaussagen zusammengesetzt ergeben einen klaren Impuls, einen Fingerzeig, in welche Richtung es weitergehen muß: Christus.

Und es wirkt: Ich habe schon gar keine Lust mehr, mich über all das kleinkarierte, fortschrittslose Gelaber in der deutsch-katholischen Kirche aufzuregen.

Als ich vorhin nach hause kam, fand ich meine Wohnung unverhoffter Weise plötzlich im Sperrgebiet wieder. Ohne Ausweis keine Heimkehr. Einen Nachbarn, der nur mit Zweitwohnsitz hier gemeldet ist, hat die Polizei bis zur Haustür begleitet.

Ein wenig übertrieben fand ich das ja doch, und vor allem ärgerte ich mich darüber, daß es keinerlei Ankündigung gab. Im Sperrgebiet sollte man Gäste vorher anmelden, damit die rein und raus kommen. Aber wir lagen ja nicht im Sperrgebiet…

Anderthalb Stunden später war von der selbst für den Papstbesuch extremen Polizeianhäufung nicht mehr (so) viel übrig. Hatten die nur Langeweile? Oder lag es an anderen unverhofften Ereignissen in der Nähe?

Heute nacht lohnt es sich nicht ins Bett zu gehen. Wer möchte, kann ja ab 3.30 Uhr auf dem Anger vorbeikommen und mir hallo sagen 🙂 Ach ja, mal sehen, ob was von der religionsfreien Zone zu sehen sein wird. Ich schätze eher nicht. Vorhin wars jedenfalls sehr übersichtlich.