Ich habe auf Credo-online quasi fremdgebloggt (wenn auch nicht im Blog, sondern im Magazin).
Dazu passend:
Ich habe auf Credo-online quasi fremdgebloggt (wenn auch nicht im Blog, sondern im Magazin).
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Manchmal frage ich mich, ob überhaupt jemand meine Posts liest. Jedenfalls enthält mein letzter eine großartige Einladung zur Kritik, mit der ich eigentlich fest gerechnet habe, die aber nicht kam:
Ergibt sich daraus nicht automatisch die Frage: Gibt es im Metal also keinerlei Heuchelei? Oder steckt in diesem Vorwurf nicht selbst Heuchelei drin? Halten sich Metaller für die besseren Menschen?
Vielleicht, aber nicht weil sie es sind, sondern allenfalls, weil sie sich ihrer Zwiespältigkeit bewußt sind. Metaller verfehlen ihren moralischen Anspruch genauso wie die Christen, die den Anspruch haben, nicht zu sündigen, aber immer wieder sündigen, und wie alle anderen, die ihren Anspruch nicht so weit runter schrauben, bis sie ihn daran angepaßt haben, was sie sowieso von sich aus tun. Und so ist auch die Kritik am Metal nicht per se etwas, was Metaller ablehnen. Ganz im Gegenteil, es gibt sehr wohl sehr unterschiedliche Auffassungen innerhalb des Metals über unterschiedliche Entwicklungen im Metal, und kein Metaller wird sich von irgend einem Metaller (oder Nicht-Metaller) den Mund verbieten lassen, eine Entwicklung, die ihm nicht gefällt zu kritisieren. Dabei ist es egal, ob es sich um Cannibal Corpse (Vermischung von Gewalt und Sexualität), NSBM (Rechtsextremismus) oder übertriebene Gegenreaktionen (wer mal mit einem Musiker geredet hat, der mal im selben Studio aufgenommen hat wie 20 Jahre vorher Burzum, muß ein Rechtsextremist sein) handelt.
Problematisch wird es jedoch in dem Augenblick, wo die Diskursebene verlassen und Machtmittel ergriffen werden, um reale oder vermeintliche Fehlentwicklungen im Metal anzugreifen. D.h. wenn mit Verboten statt mit Aufklärung und Kritik gearbeitet wird. So heterogen der Metal ist, so weitgehend homogen wird er sich gegen äußere Angriffe verteidigen. Die Verteidigung richtet sich dabei weniger gegen die inhaltliche Kritik, die sogar vom einen oder anderen Metaller geteilt werden könnte, als gegen die genutzten Methoden. Der Metaller[tm] denkt, daß ein solcher Angriff keinen anderen Sinn haben kann, als den Überbringer der schlechten Botschaft zum Schweigen zu bringen, um die schlechte Botschaft weiter verdrängen zu können. Hier sind wir zurück beim Heucheleivorwurf: Um nicht eingestehen zu müssen, daß man als Mensch halt nicht einfach zu den Guten gehört und daß die Bösen nicht immer nur die anderen sind, deklariert man diejenigen, die die Botschaft verbreiten, daß der Mensch eben von sich aus nicht einfach gut ist, als die Bösen. Das Schema sollte dem einen oder anderen Christen bekannt vorkommen…
Die eigentliche Antwort des Metals auf die Frage, ob die Metaller dann wohl die besseren Menschen seien, haben bereits 2003 Arch Enemy gegeben (auch wenn ich die Einschätzung nicht teile, daß der Glaube eine Blutspur durch die Jahrhunderte ziehe):
Du strebst nach Vollkommenheit, doch du hast nicht die Mittel
Verkörperte menschliche Schwachheit
Narrenfutter
das die Angst vor dem Leben selbst ernährt
Immer und immer wieder
Du wählst, nicht zu sehen
Verneige dich und bete mich an auf dem Altar der SchandeAlso bist du der Heilige und ich der Sünder?Du wirst es nie verstehen!
Du bist der Heilige und ich der SünderNein! Du wirst es nie verstehen
Ich habe in letzter Zeit mehrere Anfragen zu „ist das und das im Metal tatsächlich so“ bzw. „wie geht man mit dem und dem im Metal um“ bekommen, insbesondere zum Satanismus und zum Rechtsextremismus (NSBM). Ich will das beides zusammen behandeln, da in beiden Fällen dasselbe Grundaxiom im Raum steht: Ein Christ darf keine Musik von Satanisten oder Nazis hören.
Grundsätzlich gibt es drei (und nur drei) Möglichkeiten, mit dieser Frage umzugehen:
ad 1) Die erste Lösung ist eine bewußt unreflektierte. Ich verweigere das Nachdenken über Dinge, die keineswegs nebensächlich sind. Wären sie nebensächlich, müßte ich nicht bewußt diese Dinge ausblenden, sondern könnte sie als nebensächlich abtun.
ad 2) Die zweite Lösung ist streng genommen sogar noch unreflektierter als die erste. Während die erste immerhin noch die geistige Anstrengung unternimmt, bewußt nicht darüber nachzudenken, zieht dieser Umgang mit der Problemstellung voreilige Schlüsse: Wenn jemand „Hail Satan“ in ein Mikrofon brüllt, dann muß er damit exakt das meinen, was ich darunter verstehe. D.h. ich verweigere mich unbewußt dem Nachdenken darüber, was dieser Typ mir wohl sagen will, wenn er Worte in den Mund nimmt, die in meinem Denken als gefährlich gelten (und infolgedessen für mich auch sind). Insbesondere verweigere ich die geistige Anstrengung, darüber nachzudenken, ob der Typ wohl dasselbe denkt, wenn er den Begriff „Satan“ verwendet.[1]
ad 3) Die dritte Variante versucht zu verstehen, was in den problematisierten Thematiken zum Ausdruck gebracht werden soll und entscheidet von Fall zu Fall, wie sie das konkrete künstlerische Produkt beurteilt. So könnte als Kriterium für „Propaganda“ zum Beispiel geprüft werden, ob die Band diese Thematiken nur künstlerisch verarbeitet oder auch in „satanistischen Sekten“ oder rechtsextremen Netzwerken aktiv ist.
Das Problem des Metals ist nun, daß er aus seiner Eigenlogik heraus keine dieser drei möglichen Varianten vertreten kann (obwohl alle drei auch von Metallern im Metaldiskurs vertreten werden; aber der Metal-Gesamtdiskurs kann keiner der drei Varianten auch nur mehrheitlich zustimmen). Denn:
1) ist dumm und weiß auch noch, daß es dumm ist. Die meisten Metaller halten sich aber für zu reflektiert und klug, um diese Position einzunehmen. Vor allem sind sie sich bewußt, daß diese Lösung eigentlich nur hilflos ist. Sie funktioniet in der Praxis auch nur dann, wenn man so zwischen Musik der Band und der politischen Ausrichtung der Bandmitglieder unterscheidt, daß man ruhigen Gewissens sagen kann, in der Musik spiele die Politik keine Rolle. Das kommt 3) aber schon wieder recht nahe.
2) ist die Lösung der Spießer (nichts Grundsätzliches gegen Spießer, bin selbst manchmal einer). Dabei ist es auch egal, ob der Spießer jetzt meint a) „Hail Satan“ sei ein Anbeten des Teufels (weil das in seinem Denken anders nicht sein kann) oder b) an sich harmloser Ausdruck jugendlicher Rebellion (weil das in seinem Denken anders nicht sein kann). Natürlich ist das Ergebnis diametral entgegengesetzt: a) hält Metal für gefährlich, b) für harmlos.
Witzigerweise kann der Metal auf Dauer mit a) sogar besser leben als mit b), denn er hält sich sogar selbst für „gefährlich“, und selbst wenn der Metaller für sich selbst den Metal als reine Rebellion versteht, wäre es etwas witzlos, wenn diese Rebellion niemanden juckt, weil das ja nur eine vorübergehende Entwicklungsphase sei.
Problematisch wird Position a) jedoch, wenn mit politischen, wirtschaftlichen oder rechtlichen Machtmitteln gegen den Metal vorgegangen wird – das kann naturgemäß nicht mehr mit dem Selbstverständnis des Metals in Übereinstimmung gebracht werden. Insofern ist im Metal doch wieder eher eine Neigung zu b) zu spüren, getreu dem Motto „die lassen uns wenigstens machen“.
3) kommt immerhin als Lösung für den Einzelnen durchaus in Frage. Da es sich aber um Einzelfallentscheidungen mit Ermessensspielraum handelt, kann daraus keine allgemeingültige Antwort „des Metals“ abgeleitet werden. So gab es durchaus auch Nicht-Rechtsextreme, die den NSBM für einen legitimen Teil des Metals hielten.
Die zuletzt genannte Position ist tatsächlich aus der Eigenlogik des Metals ableitbar: Metal soll gefährlich sein, sich mit den dunklen Elementen menschlichen Daseins beschäftigen und sie gerade in ihrer Bosheit darstellen – was nur geht, wenn man im künstlerischen Ausdruck konsequent auf moralische Urteile verzichtet. Dann kann aber das Thema, das in der heutigen Wahrnehmung über den Teufel weit hinaus das schlimmste ist, das es gibt, der Nationalsozialismus, nicht außen vor bleiben. Dann muß es neben „Hail Satan“ auch „Heil Hitler“ geben. Das ist reine Logik.
Doch hört hier selbst für die meisten Metaller der „Spaß“ auf. Lieder wie „Angel of Death“ von Slayer, das das Grauen des Dr. Mengele (fast) unkommentiert darstellt, geht gerade noch so durch, ecken aber auch schon bei einigen Metallern an. Glorifizierungen des Nationalsozialismus wie im bekennenden NSBM hingegen, sind für die meisten Metaller ein „No-go“. Das ist dann doch zu gefährlich.
Nur steht das eigentlich in einem Widerspruch zum Metal-Selbstverständnis, was in ein Dilemma führt, das jeder nur für sich selbst beantworten kann: Wieso ist der Nationalsozialismus zu gefährlich, der Satanismus hingegen nicht? Die naheligende Antwort scheint mir: Wei wir den Satanismus eigentlich nicht ernstnehmen. Das gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, daß Satanismus im Metal, wenn mehr als bloß künstlerisches Ausdrucksmittel, meist philosophischer Satanismus ist, der vielleicht nicht sozial gefährlich ist, aber aus christlicher Perspektive zu geistlicher Selbstzerstörung führt, da er auf der Ursünde des „Selbermachens“ basiert. Diese Gefahr wird dann aber nicht ernstgenommen.
Worin liegt dann aber die Berechtigung des Metals an sich? – In der künstlerischen Verarbeitung des Bösen, das eber gerade nicht rational angemessen erfaßt werden kann. Das Böse ist wesenhaft irrational und entzieht sich dem rationalen Verständnis. Das mit ihm dem Menschen gestellte Problem ist rational letztlich nicht lösbar. Die Kunst hingegen hat Möglichkeiten, menschliche Erfahrungen auszudrücken und zu vermitteln, die über das rein Rationale hinausgehen. Doch selbst in der Kunst wird das Böse häufig moralisch verarbeitet, d.h. mit negativen Urteilen belegt, die die durch das Böse verursachte Verunsicherung sofort durch die Selbstvergewisserung „wir sind ja die Guten“ suspendieren. Das Böse aber ästhetisch als das darzustellen, was es ist, nämlich als Böses, gelingt m.E. nur wenigen – und das hauptsächlich in mehr oder weniger abseitigen Teilen der populären Kultur. In diese Kategorie gehört auch der Metal.
Daraus folgt für die eingangs gestellte Fragestellung: Die dritte Möglichkeit ist tatsächlich die einzige Möglichkeit. Wer über die Fragestellung nachdenkt, wird merken, daß es ein Tanz auf Messers Schneide ist und bleibt. Aber die Alternativen überzeugen m.E. noch weniger, denn sie reproduzieren die Varianten 1) und 2): sich der Auseinandersetzung mit dem Bösen ganz entziehen, seine Existenz auszublenden und in eine scheinbar „heile Welt“ flüchten – oder sich mit dem Bösen unzureichend, insbesondere rationalistisch verengt, auseinanderzusetzen.[2]
Abschließend sei doch noch eine vierte Variante genannt, eine Kombination aus 3) und 1): Sich der Gefährlichkeit bewußt zu sein, sie aber bewußt auszublenden. Das dürfte praktisch der häufigste Umgang sein. Dann könnte man aber keinen Blogpost drüber schreiben, weil man dann schon die Frage nicht stellen könnte…
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[1] Um das dem Theologen etwas verständlicher zu machen: Die Dogmengeschichte ist zu einem nicht unwesentlichen Teil ein Ringen um Begriffe. Nicht wenige Häresien gründeten darauf, daß sie zwar dieselben Begriffe wie die Großkirche verwendeten, damit aber etwas anderes meinten.
Mal ein Beispiel aus der Neuzeit: Die katholische Kirche differenziert zwischen der Erbsünde und der Konkupiszenz, der ungeordneten Begierlichkeit; Luther hingegen identifiziert die Erbsünde mit der Konkupiszenz. D.h. Luther meint etwas ganz anderes, wenn er von „Erbsünde“ spricht, als die katholische Kirche. Wenn ich also im ökumenischen Gespräch von der Erbsünde rede und dabei voraussetze, daß die Protestanten dasselbe damit meinen wie ich, ist das Gespräch von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Zweites Beispiel: In den letzten 50 Jahren hat auch die katholische Theologie große Anstrengungen unternommen, klassische Begriffe der katholischen Lehre neu zu deuten. Dabei ist aber das entscheidende gar nicht der Begriff, sondern das von ihm Bezeichnete. Den Begriff wollte man behalten, aber das Bezeichnete ändern. Tatsächlich wäre es aber besser, den Begriff zu ändern und das Bezeichnete zu behalten.
Und so könnte es ja sein, daß der „Hail Satan“-Sänger hier überhaupt keinen gefallenen Engel grüßt, sondern Satan als ein künstlerisches Symbol des Bösen versteht, und mit dem Gruß des Bösen ausdrücken will, daß der Mensch ihm ausgeliefert ist. Muß nicht so sein, könnte aber. Oder anders. Dafür müßte man halt darüber reflektieren, was der Typ aus seiner Perspektive damit wohl meinen könnte. (hoch)
[2] Wie sollte etwas, das wesentlich irrational ist, rational erfaßbar werden?! (hoch)
Heute mal was halbwegs Außergewöhnliches: Biblischer Black Metal aus Israel. Das war zumindest die Beschreibung, die mich bewogen hat, das Album zu kaufen, auch wenn die Musiker schon deutlich gemacht haben, daß sie die Bibel nicht gerade mit so richtig gläubigen Augen lesen. Trotzdem sind die Texte des Intros (Unveil the Curtain of Sanity) und des ersten Stücks (Eyes Gaze to a Future Foreseen), die eigentlich ein einziges Stück darstellen, durchaus interessant. Insbesondere „Unveil the Curtain of Sanity“ nimmt eigentlich meine Diss vorweg: Metal zieht den Vorhang der Vernünftigkeit hinweg und zeigt das Chaos einer vom Sündenfall bestimmten Welt ungeschönt.
Aber in dieser Kategorie geht es ja nicht um den Text, sondern die Musik. Es ist zunächst einmal melodischer Black Metal, also normalerweise so überhaupt nicht mein Fall. Und tatsächlich schwächelt das Album ziemlich ab. Meine erste Beschreibung war damals „Harry Potter Metal“. Trotzdem hat es mir der Anfang des Albums ziemlich angetan, denn hier wird wunderbar musikalisch umgesetzt, was textlich vorgegeben ist.
Zunächst das Intro, das langsam vor sich hinplätschert, aber die Saat aussäht, daß vielleicht unsere Welt nicht so rational ist, wie Spock sie gerne hätte. Allein schon diese herablassende Stimme, die „komm, ich zeich Dir ma, wie die richtige Welt aussieht, harhar“ zu sagen scheint! Und schließlich, als das Intro zu Ende plätschert, merkt man plötzlich, was für eine Spannung es aufgebaut hat, die durch die in die Tiefe absinkende Stimme nochmal gesteigert wird. Unnötig zu erwähnen, daß es ausgerechnet das Wort „sanity“ ist, das „insane“ artikuliert wird.
Dann, leider durch die Pause im eingebetten Video ein wenig um seine Wirkung gebracht, bricht das Chaos herein, der Vorhang ist weggezogen: Was da in den ersten anderthalb Minuten des zweiten Stücks passiert, ist mehr als auf dem ganzen restlichen Album! Kaum ein Riff wird länger als 10 Sekunden beibehalten! Ok, es bleibt immer noch melodisch, also kein Vergleich zu Technichal Death Metal 🙂 , aber gerade durch die Melodik kann die Musik den Hörer in dieses Chaos mitnehmen, während Technichal Death Metal den Hörer eher „ausspuckt“. Aber genug der Worte, hört selbst:
In einer Facebook-Diskussion vor einigen Wochen habe ich in Ermangelung einer adäquaten Übersetzung den englischen Begriff redemptive suffering verwendet.[1] Aufgrund des Kontextes schoß mir durch den Kopf, da sei doch ein super Unblack Metal-Bandname. Tatsächlich hat mich dieser Gedanke seitdem nicht mehr losgelassen. Man stelle sich nur mal die Bandvorstellung vor: „We are Redemptive Suffering!“[2]
Allerdings muß ich sagen, „Redemptive Suffering“ klingt bei genauerer Betrachtung nicht so wirklich nach (Un)Black Metal. Meine Assoziation war wohl in Immortals „Blashyrkh“-Welt of frost, war and suffering begründet, aber darüber hinaus hat sich der Black Metal nach meinem Eindruck ziemlich schnell von dieser Suffering-Schiene verabschiedet (und der Suicidal Black Metal hat nun nicht mehr den leisesten Bezug zu „redemptive“). Je länger ich drüber nachdenke, umso mehr klingt „Redemptive Suffering“ nach einer Death Metal-Band.
Witzigerweise ergab sich daraus für mich dann gleich ein ganzes Bandkonzept. Ok, vielleicht liegt das auch daran, daß ich selbst mehr dem Death als dem Black Metal fröne. Insbesondere meine Überzeugung, daß „Redemptive Suffering“ nach Brutal Technical Death Metal klingt, könnte sich daraus ergeben haben.
Aber auch von der inhaltlichen Schiene her lande ich bei Brutal Technical Death Metal: Wenn christlicher Metal, dann doch bitte inhaltlich „unangenehmer“ Metal (da bin ich mit Euronymous ganz einer Meinung: Metal muß gefährlich sein). Klar, christliche Inhalte wären im Metal schon per se eine Provokation, zumindest wenn man sie ernst meint, aber wenn dabei der Metal auf ein Vehikel der Mission reduziert wird, geht der künstlerische Aspekt baden, dann wird es reinste Anbiederung und die Band endet im reinen christlichen Metalbereich, bekehrt also nur die schon Bekehrten.
Nein, wenn christlicher Metal, dann auch für Christen unangenehmer Metal. Oder, um es mit Silenoz zu sagen:
Meiner Meinung nach liegt der Fehler der Christen vor allem darin, sich selbst als etwas Besseres als die Anhänger anderer Religionen zu sehen. So verhält sich natürlich nicht jeder Christ, aber jene, die es tun, machen es, ohne sich dessen bewußt zu sein. Zum Beispiel tragen sie nur die Passagen der Bibel nach außen, von denen sie denken, sie wären positiv, den Rest ignorieren sie einfach. Diese Art der Mentalität weist doch keinerlei Kohärenz mit der Realität auf.[3]
Ergo: Christlicher Metal müßte die Metaller genauso anpissen wie die verbürgerlichten Christen. Damit ergibt sich ganz klar für das erste Album die Vertonung der Fluchpsalmen. (Ich hab’s schonmal ausprobiert: Am besten lassen sich die Psalmen im hebräischen Original grunzen, an den Rhythmus und die innere Stimmigkeit kommt keine Übersetzung ran!) Für weitere Alben bieten sich Gerichtsprophetie und Apokalyptik an, insbesondere die Offenbarung. Wenn man sich die Bibel mal zu Gemüte führt, sollte das für ungefähr 10–15 Alben reichen. Und dabei ist noch nichtmal die Bergpredigt abgedeckt, von Märtyrerakten usw. ganz zu schweigen (da kriegt dann „Christians to the Lions“ einen ganz neuen Touch…).
Da aber die Musik dem Inhalt entsprechen muß, der Inhalt aber ganz viel mit Zorn zu tun hat, sei es die Wut über Unrecht (Fluchpsalmen), der Zorn Gottes (Gericht) oder der Zorn der Welt wider die Christen (Märtyer), muß auch die Musik eher den Zorn (Death Metal) ausdrücken als Stolz (Black Metal), wenn diese sehr grobe Zuordnung mal erlaubt sei. Zugleich muß aber eine gewisse „Stimmung“ drin sein. So genial die Musik für sich genommen ist, fehlt furztrockenem Technical Death Metal à la Origin oder industrial-angehauchtem Math Metal a la Meshuggah musikalisch die transzendente Dimension. Mithin also das „redemptive“.
Folglich erkläre ich hiermit Cryptopsys „Once Was Not“ zum Referenzwerk für Redemptive Suffering. Weitere Orientierungspunkte wären „None So Vile“ (ebenfalls von Cryptopsy) und praktisch der gesamt Backkatalog von Nile (nur wäre es albern, ausgerechnet die ägyptisch anmutenden Elemente zu übernehmen, es geht mir abstrakter um die durch diese Elemente vermittelte Stimmung, will heißen die Musik von Redemptive Suffering müßte solche Stimmungselemente aus der christlichen Tradition ableiten bzw. Stimmungselemente verwenden, die christlich anmuten[4]). Weitere Einflüsse dürfen gerne von Kataklysm („In the Arms of Devastation“), Decapitated und Behemoth stammen. Einem Schuß Grindcore wäre ich auch nicht abgeneigt. Hauptsache ein „übermächtiges Schlagzeug“ 🙂
Aus der inhaltlichen Orientierung abgeleitet ist natürlich auch schon das (abgesehen von einem Bandschriftzug) Wichtigste geklärt, die Einlaufmusik:
Ach ja, es gibt auch wohl noch keine Band dieses Namens.
Bleibt nur die Frage, wie ich aus der Nummer wieder rauskomme. Da Saiteninstrumente und Schlagzeug feinmotorisch einfach nicht so mein Ding sind (ich tauge nur, um Krach damit zu machen, was Metal ja nun gerade nicht ist), könnte ich allenfalls noch grunzen. Doch selbst dann fehlen mir (angemessen erfahrene) Musiker. Damit ich am Ende nicht den Geistbraus mit dem schlechtesten Brutal Technical Death Metal-Song aller Zeiten (am besten in 8bit Midi) beauftragen muß, erkläre ich diese Idee für gemeinfrei. Möge Wer-auch-immer damit zur Ausbreitung des Reiches Gottes beitragen!
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[1] „Aufopfern“ wäre zwar sachlich ungefähr das Gemeinte. Das gibt’s aber auch in Englisch („to offer up“), außerdem wird „aufopfern“ in der deutschsprachigen Theologie nicht verwendet (wie allerdings das ganze Themenfeld in der deutschsprachigen Theologie m.E. nicht adäuquat zur Sprache kommt), während „redemptive suffering“ sogar einen Wikipediaeintrag hat. (hoch)
[2] Ja, ich weiß, damit das Wortspiel auch für Muttersprachler funktioniert, müßte es natürlich „We are suffering redemptively“ heißen, aber dann klingt der Bandname plötzlich nach Gothic. (hoch)
[3] Zit. n. Peter Mildner: Dimmu Borgir. Satans-Treue, in: Legacy. The Voice from the Dark Side Nr. 48 (April/Mai 2007) 16–18, hier 18. (hoch)
[4] Enthroned schaffen es ja auch, eine satanistisch anmutende Atmosphäre zu verkaufen, indem sie das Pange Lingua verwursten… (hoch)
Da ich langsam den Überblick über die Rezensionen zu meiner Diss verliere, habe ich eine Übersichtsseite eingerichtet. Wer neugierig ist, gehe hierhin. Ende des Werbeblocks.
Im letzten Sommerurlaub stieß ich in der Legacy auf einen Beitrag über Kain. Eine Metal-Band, die sich auf den Hintergrund „christlicher Mythologie“ mit Gut und Böse auseinandersetzt? Haben will! Es dauerte zwar noch, bis sich – ratter, ratter, ratter, woher kannte ich den Namen? – der Keyboarder/Komponist der Band auf meine Homepage verirrte, daß ich die Scheibe auch wirklich in den Händen hielt. Aber dieses Album konnte ich doch nicht übergehen.
Als ich die Scheibe dann in den Händen hielt, erstmal Ernüchterung: Da stand was von Pagan/Black Metal und „für Fans von Eisregen, Varg, Equilibrium, early Die Apokalyptischen Reiter, Thrudvangar, Catamenia…“ – irgendwie nicht so meine Baustelle. Varg, Equilibrium, – habe ich schonmal gehört, sind ohne nennenswerte Erinnerung; Thrudvangar, Catamenia – kenne ich nichtmal; Anklänge an frühe Apokalyptische Reiter – kann ich nicht finden; Eisregen – ja, im Gesang, vor allem in „Verkünder des Hasses“ (das ich allerdings für das schwächste Lied des Albums halte).
Durch diese Vorgaben aber erstmal auf Black Metal gepolt, dauerte es eine ganze Weile, bis ich die Elemente erkannte, die (zutreffender) auf der Bandhomepage genannt werden – Black Metal und Melodic Death Metal. Letzteres ist etwas mehr meine Baustelle, allerdings bin ich da entwicklungsmäßig vor ca. 10 Jahren stehen geblieben (frühe In Flames [bis Reroute to Remain], Arch Enemy [Stigmata regelt!], At the Gates; mit Dark Tranquillity z.B. bin ich aber nie warm geworden). Daher lag mir auf der Zunge: Was kommt raus, wenn man Black Metal und Melodic Death Metal mischt? Klar: Melodic Black Metal.“ Entsprechend war mein erster Eindruck: Klingt nach Bal-Sagoth. Nach mehrmaligem Hören konnte ich dann auch Black Metal- von Melodic Death-Elementen unterscheiden. Spricht ja zunächst einmal für die Musik, daß alles nach einem Guß klingt. Und in „Sturz des Lichtbringers“ kann ich auch noch ein bißchen Primordial und damit Pagan Metal raushören.
Inhaltlich wurde mir aufgetragen, die Texte nicht zu überinterpretieren, was ich auch gar nicht tun will. Gute Metal-Lyrics zeichnen sich sowieso dadurch aus, daß sie verschiedenen Interpretationen zugänglich sind und ihre Interpretation mehr über den Deutenden als die Texte aussagt. Wie schon im Legacy-Beitrag angekündigt, drehen sich die Texte um die ersten Kapitel der Genesis und was sich so an Legenden darumherum entwickelt hat (Göttersöhne, Menschentöchter; Engelsturz; Krieg gegen den Himmel; Kains Mord an Abel). Was das Traditionalistenherz besonders erfreut: Hier wird nichts problematisiert, aus der Zeit heraus (weg-)erklärt und psychologisch umgedeutet, sondern das mythisch-legendarische Material in seiner überlieftern Form verarbeitet und dargestellt – eingeschlossen die eher Black Metal-untypische Niederlage des Teufels gegen Michael („Sturz des Lichtbringers“). (Untypischer ist vielleicht nur noch das Falco-Cover „Out of the Dark“ als „Hidden Track“ am Ende… Wobei mich das Stück in diesem Konstext beinahe doch zu einer inhaltlichen Gesamtdeutung des Albums verleitet hätte – „Muß ich denn sterben um zu leben?“ *g*)
Zurück zur Musik. Herausragend sind für mich „Freiheit ruft“ und „Vom Erdenleid“. Letzteres ist eine gute Mischung aus Melodic Death und Black Metal-Brachialität mit ein paar Mosh-Parts, Tempowechseln und ein paar infernalischen, aber wohl technisch erzeugten stimmlichen Einlagen – und vor allem Riffs die im Ohr bleiben. (Apropos Gesang: In „Fleischeslust“ kriegt man ernsthaft und trotz Berücksichtigung der Differenz zwischen Sänger und Lyrischem Ich Sorgen um das Seelenheil des Sängers 🙂 Da zeigt er, was er mit seiner Stimme machen kann, im Rest bewegt er sich leider im Bereich des „Üblichen“, Genretypischen, Durchschnittlichen.)
„Freiheit ruft“ – hört selbst:
Insgesamt: Mir gefällt’s, kann man gut nebenbei hören, ist handwerklich voll in Ordnung, aber kein Meilenstein der Musikgeschichte. Der Gesang in „Fleischeslust“ sowie die Songs „Freiheit ruft“ und „Vom Erdenleid“ zeigen das Potential der Band und machen Lust auf mehr. Selbst wenn’s melodisch ist 🙂
Den im engeren Sinne theologischen Teil meiner Doktorarbeit habe ich auf Anraten von verschiedenen Seiten immer weiter zusammengefaßt und gestrafft. Das war sicherlich sinnvoll, denn eine umfassende Behandlung der Frage nach dem Bösen und der Antwort des Glaubens auf sie hätte nicht nur den Rahmen gesprengt, sondern war auch gar nicht angestrebt. Dennoch sind einige Dinge auf der Strecke geblieben, um die es schade ist.
Eine der weggestrafften Stellen betrifft das Buch Hiob. Der Abschnitt ließ sich zwar gut wegkürzen, da er im wesentlichen nur eine einzige Quelle[1] paraphrasierte, und doch handelt es sich dabei meiner Meinung nach um einen in der Frage nach dem Bösen ganz wesentlichen Punkt, denn das Buch Hiob gilt als das Theodizeebuch des Alten Testaments.
Die gängige Deutung dieses Buches geht davon aus, die Antwort Gottes bestünde lediglich im Beharren auf Seiner Allmacht und darüber hinaus in Antwortverweigerung. Ich denke, Ursache dieser – wie ich meine – Fehlinterpretation ist die falsche oder zumindest eine ungenaue Fragestellung, mit der an das Buch herangegangen wird. Hiob geht es nicht um die abstrakte Frage, woher das Böse kommt und wie Gott gut sein kann, wenn es das Böse in der Welt gibt. Damit hätte Hiob überhaupt kein Problem, denn es ist die eigene Schuld, die das Leid verursacht, das als Strafe Gottes für böse Taten verstanden wird. Sondern es geht ihm um sein ganz konkretes Leiden, das ihm ungerecht scheint, da er sich sicher ist, keinerlei Schuld auf sich geladen zu haben. Im Sinne des Tun-Ergehen-Zusammenhangs und einer von einem allmächtigen Gott gut geordneten Welt dürfte er also kein Leid erfahren. Genau diese Vorstellung einer einseitig gut geordneten, perfekten Welt ist mit der Realitätserfahrung nicht wirklich kompatibel, und das will das Buch Hiob zeigen.
Othmar Keel nähert sich dieser Deutung von einer anderen Seite. Ihm erschien es nicht plausibel, daß die immerhin vier Kapitel umfassenden Gottesreden lediglich in einem dreistündigen Naturkundevortrag bestehen sollten. Zumal die Deutung, Gott, der einzige, der die Theodizee tatsächlich leisten könnte, spreche dem Menschen die Berechtigung ab, überhaupt die Frage nach der Rechtfertigung Gottes angesichts des Bösen zu stellen, fordere daher das blinde Vertrauen des Menschen ein, und Hiob resigniere schließlich und bekenne, nicht würdig zu sein, Gottes Gerechtigkeit in Frage zu stellen, nicht erklären kann, warum Hiob sich am Ende ausgerechnet mit der bloßen Forderung nach Vertrauen auf Gott zufrieden geben sollte, die er von Anfang an vehement zurückgewiesen hatte.
Das unschuldige Leiden Hiobs stellte prinzipielle Überzeugungen in Frage, nämlich daß Gott gut und die Welt geordnet ist, daß sie auf Sinn hin befragt werden kann. Er fragte, ob die Welt in der Hand eines Verbrechers ist, und es bliebe somit nach der gängigen Deutung die Möglichkeit bestehen, daß Gott ein Sadist ist, der Freude am Leid des Menschen hat.
Hiob kann sich daher nicht mit der Forderung Gottes zufrieden geben, sich Ihm einfach vertrauensvoll zu unterwerfen, Er wisse schon, was das beste für Hiob sei. Denn das bedeutete letztlich, daß der Peiniger das Opfer dadurch ruhig stellte, daß Er ihm den Masochismus empfiehlt.
Tatsächlich sei das auch nicht der Fall, meint Keel. Vielmehr habe Hiob durch die explizite Selbstverfluchung in Kapitel 31, mit der er ausführlich seine Unschuld bezeugte, Gott gezwungen, ihn zu töten, wäre er schuldig und der geleistete Eid ein Meineid gewesen. Da Gott aber erscheint, ohne Hiob zu töten, erkenne Er Hiobs Unschuld bereits an.
Doch Gott bestreite, als „Prozeßgegner“ Hiobs im Umkehrschluß nun selbst als schuldig gelten zu müssen – mit derselben Vehemenz, mit der Hiob seine Unschuld beteuerte. Er bestreite Hiob zwar zunächst tatsächlich die Berechtigung, die Welt und ihren Schöpfer zu verurteilen – aber nicht, weil Hiob als Geschöpf nicht würdig sei, das zu tun, sondern weil es ihm an Einsicht und Möglichkeit fehle, es besser zu machen. Er, Gott, hingegen sei derjenige, der die Welt gründet, dem Chaos (Meer) Grenzen setzt, dem Bösen den Raum (die Dunkelheit) nimmt, die Wüste (den Ort des Bösen) in fruchtbares Land verwandelt, die vorbildliche Ordnung des Himmels garantiert und es so regnen läßt, daß das Kulturland nicht wieder zu Wüste wird.
Gottes erstes Argument (Hiob 38,1–38) bestehe also darin, daß der Mensch gar nicht zu dem in der Lage sei, was Er tagtäglich immer wieder neu und ohne Ende tue, nämlich die Chaosmächte in der Schöpfung zu bekämpfen und ihnen Grenzen zu setzen. (Oder einfacher gesagt: Mach’s doch besser!)
Sein zweites Argument (Hiob 38,39–39,30) bestehe hingegen darin, daß Er es sei, der den wilden Tieren ihre Nahrung verschafft und ihnen Unabhägigkeit gegeben hat. Selbst wenn in der Welt Chaotisches existiere, es sei nicht das Chaos selbst, sondern von Gott geordnet.
Es gebe also Weltbereiche, die der Mensch nicht kontrollieren kann, Gott aber sehr wohl. Hiob hatte ein chaotisches Bild von der Welt gezeichnet, seine Freunde eine klare Ordnung, eine heile Welt dagegengesetzt – Gott korrigiert beide Vorstellungen:
Es fehlt in der Welt nicht an chaotischen Mächten, von eindrücklicher Wildheit und gewaltiger zerstörerischer Kraft. Aber die Welt ist doch nicht ohne Plan, ohne Ordnung. Jahwe hält das Chaos im Zaum, ohne es in langweilige, starre Ordnung zu verwandeln.
Die ersten beiden Argumente Gottes lauten also, Er sei der ständige Schöpfer, der creator continuus, der der Schöpfung ihre Ordnung gibt. Gott verweist tatsächlich auf den unendlichen Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpf, die Rechtfertigung besteht jedoch nicht in der Allmacht, der sich das Geschöpf unterwerfen müsse, sondern in der Schöpfungsmacht, die eine erkennbare Ordnung der Welt überhaupt erst hervorbringt. Diese Ordnung richtet sich jedoch nicht am Menschen aus, sondern berücksichtigt die ganze Schöpfung und gibt allen Geschöpfen ihren Platz in ihr – eine Fähigkeit, die der Mensch nicht hat und für die ihm die Einsicht in den Schöpfungsplan fehlt.
In Hiob 40,1–41,26 führe Gott ein völlig neues Argument ein. In Seiner vorangegangenen ersten Rede habe Er Sich gegen den Vorwurf verteidigt, die Welt sei chaotisch, das heißt, entweder könne oder wolle Gott keine Ordnung schaffen. Nun wehre Er Sich gegen die Anklage, Er sei ein Sadist, wolle das Böse gar. Zu diesem Zweck zeichne Er von sich das Bild des Jägers von Behemot und Leviatan, wiederum eine Tätigkeit, die der Mensch nicht zu leisten vermöge. Dabei gehe es nicht um die Jagd auf reale Tiere wie Nilpferd und Krokodil, wie die Namen verstanden werden könnten. Diese Tiere wurden auch von Menschen gejagt. Vielmehr wende Gott hier mythologische Bilder auf Sich an; so war das Nilpferd etwa in der ägyptischen Mythologie eine Gestalt Seths, und es kam Horus zu, es zu bändigen. Behemot und Leviatan werden also als Repräsentanten des Bösen angeführt. Gott erkläre somit, nicht der Urheber des Bösen und kein Sadist zu sein. Vielmehr leiste Er sogar, was der Mensch nicht kann: unablässig das Böse zu bekämpfen.
Das heißt, das Böse geht nicht aus Gott hervor. Doch es wird auch kein alternativer Ursprung angegeben. Es geht dem Buch Hiob offenbar nicht um die Frage des metaphysischen Ursprungs, der völlig offen gelassen wird. Sondern Gott stellt sich als Herr über das Böse, als Richter dar, der das Böse bekämpft.
Die Antwort des Buchs Hiob auf die Frage nach der Erfahrung des Bösen ist also:
Man kann ja jetzt von Othmar Keel halten, was man will, und auch die Frage stellen, wie „up to date“ eine kleine Forschungsarbeit aus dem Jahr 1978 heute noch ist; besonders ausführlich rezipiert worden scheint sie mir nicht zu sein. Mir ist allerdings im Nachhinein bewußt geworden, wieviel von der Antwort des Glaubens auf die Erfahrung von Bösem – die beim Schöpfer anfängt und beim Vollender und Richter endet – in dieser Deutung bereits drinsteckt. Und auch ganz persönlich ergibt für mich erst so das Buch Hiob überhaupt einen Sinn.
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[1] Othmar Keel: Jahwes Entgegnung an Ijob. Eine Deutung von Ijob 38–41 vor dem Hintergrund
der zeitgenössischen Bildkunst; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1978; das Zitat steht auf Seite 125. (nach oben)
Eine absolute Perle zum Thema Metal und Christentum (HT: fb-damm/Nicki):
Was können wir daraus lernen? Erstmal, daß die ganze Sache dermaßen Klischee ist, daß es schon weh tut. Klischeegemäß ist der Christ total verklemmt, versteckt sich hinter Kreuz und Marienstatue, und er verbirgt seine Unsicherheit hinter äußerer Strenge. Also: Alle Christen sind zu doof und zu schwach, um mit dem Leben klar zu kommen, und brauchen die Krücke „Glauben“, um ihre Existenzangst zu zähmen. Soweit, so cliché.
Interssant wird es dort, wo das Klischee durchbrochen wird. Dem schwachen, verklemmten und verängstigten Christen korrespondiert eigentlich das „Fuck You“-Klischee des starken, unabhängigen und selbstbewußten Metallers. Und genau dieses Klischee wird ja im musikalischen Teil des Videos voll ausgebreitet, und ihm entspricht auch in etwa der Text. Soweit ich ihn verstanden habe, besteht er im wesentlichen aus: Gott existiert nicht, Jesus war bloß Mensch, ihr Chrsiten werdet alle sterben und fertig. Soweit, so immer noch cliché.
Aber, einen Schritt zurück auf Anfang: Warum geht der Kerl überhaupt zu einem Vorstellungsgespräch in einer Firma, die ihre Christlichkeit offenbar als Teil ihrer Identität versteht? Selbst wenn er nicht gewußt haben sollte, daß die Firma christlich ist (womit offenbar ein Identitätsproblem der Firma zum Ausdruck gebracht würde, aber das wäre jetzt wohl eine Überinterpretation des Videos) – wieso geht er in Schlips und Anzug zu diesem Vorstellungsgespräch und versteckt anfangs so krampfhaft seine antichristlichen Metal-Accessoires? Ist er womöglich gar nicht so das Fuck You-Arschloch, das gelegen oder ungelegen seine Meinung kundtut? Ist ihm eine ihn bestimmt nicht erfüllende Stellung in einer weltanschaulich christlich ausgerichteten Firma, also schnöder Mammon wichtiger als seine Überzeugung?
Ja, genau dieser Spagat ist es, der ihm während des Gesprächs immer deutlicher wird: Er spielt da etwas vor, was er nicht ist, und fühlt sich zunehmend unwohler. Mit anderen Worten: Der Klischee-Christ und der Metaller sind ein und dasselbe — Heuchler. Mit einem einzigen Unterschied: Der Metaller kriegt darob die Krise und brüllt seine angestauten Aggressionen raus. Blasphemie als Katharsis, ist m.W. der Psychologie nicht ganz unbekannt.
Tja, und die Reaktion des Christen darauf? Klischeegemäß müßte er verschüchtert und verängstigt reagieren, auch möglich wäre, als metal-systemkonformer Bruch mit dem Klischee, seine „Bekehrung“ zum Metal. Während der Musik entspricht seine Reaktion auch voll dem Klischee, nach ihrem Ende aber wirkt er eher irritiert und verwundert, vielleicht sogar ein bißchen traurig: „Warum tut man sowas?!“ Was hier vielleicht noch schlechte schauspielerische Leistung sein könnte, entpuppt sich in den letzten Sekunden aber als (erneut) bewußter Bruch mit dem Klischee: Während er da auf seinem Bürosessel dreht, wirkt er überhaupt nicht mehr verschüchtert und verängstigt, sondern zunehmend aggressiv; freilich ohne das Kreuz hinter sich zu werfen (oder auch nur auf den Kopf zu stellen) und so Glaubensabfall und „Bekehrung“ zum Metal auszudrücken.
Entweder, hier wird so stark mit den erwartbaren Klischees gebrochen, daß die Reaktion als „die bösen Fundamentalisten reagieren aber auch auf jeden Spaß mit Rache und Scheiterhaufen“ zu interpretieren wäre. Auch dieses Klischee ist dem Metaldiskurs nicht unbekannt – aber in seiner Bildersprache ist es völlig unüblich, zumal auch fraglich ist, ob diese Auffassung überhaupt Klischee oder nicht vielmehr wirklich geglaubtes Vorurteil ist. So oder so wäre es aber ein solch unsubtiler Bruch mit den sonst das Video bestimmenden Metalklischees (das Ende wäre plötzlich ernst zu nehmen, während alles andere nur alberner Unfug war), daß eine andere Deutung näher liegt; denn eine aggressive Reaktion auf eine Herausforderung ist nun alles andere als dem Metal unbekannt.
In der metallischen Vorstellung ist eine aggressive Reaktion sogar das, was man mit solch einer Vorstellung provozieren will. Der Christ würde also plötzlich so reagieren, wie es ein Metaller im durchaus positiven Sinne erwarten würde (wobei natürlich eine solche Reaktion im nächsten Schritt gegen das Christentum verwendet würde: die ganze Feindesliebe ist also auch bloß Heuchelei; denn die Provokation ist so gebaut, daß jede Reaktion darauf als ihre Bestätigung aufgefaßt werden kann). Man könnte die letzten Sekunden also in folgenden Sinne interpretieren: „Herr, Dein Haß trifft alle, die Böses tun. Aus ihrem Mund kommt kein wahres Wort, ihr Inneres ist voll Verderben. Ihre Kehle ist ein offenes Grab, aalglatt ist ihre Zunge. Gott, laß sie dafür büßen; sie sollen fallen durch ihre eigenen Ränke. Verstoße sie wegen ihrer vielen Verbrechen; denn sie empören sich gegen Dich.“
Somit besteht die eigentliche Dynamik dieses Videos jenseits der, zugegebenermaßen bei der Wirkung auf den Betrachter zunächst übermächtigen, Klischees darin, daß hier zwei Heuchler auf einandertreffen und an einander erkennen, daß sie etwas vorspielen, was sie nicht sind, und das ist beim Metaller sogar deutlicher als beim Christen. Die eigentliche Aussage ist also weniger in der verbal ausgedrückten Blasphemie zu sehen, als vielmehr in der Feststellung: Sind wir nicht alle Heuchler? (Christlich gewendet: Sind wir nicht alle Sünder?) Und in der Aufforderung, mit der Logik der Heuchelei (christlich: Sünde) zu brechen. Und zwar die Heuchelei (das Sündigen) auf allen Seiten (wobei natürlich zwischen der metallischen Vorstellung von Heuchelei und der christlichen der Sünde dann doch noch der eine oder andere Graben liegt). Was übrigens auch dadurch unterstützt wird, daß die anderen Bandmitglieder offenbar genau die metal-systemkonform-klischee-brüchige Entwicklung durchgemacht haben, sind sie zu Beginn des Videos als mehr oder weniger 08/15-Typen bei der Arbeit zu sehen.
Ob es jetzt eine wahrhaft christliche Reaktion ist, auf diese Blasphemie mit Rachegedanken zu reagieren, sei einmal dahingestellt. Diese Reaktion ist jedenfalls die natürliche angesichts des ausgedrückten Bösen, und nur der, der das Böse als nicht tolerierbares Böses erkennt, kann tatsächlich darauf christlich tolerant reagieren – und die Antwort Gott überlassen.