Dogmatik

Letztens bin ich, zum ersten Mal überhaupt, in einen Wortgottesdienst mit Kommunionausteilung geraten. Gleich vorweg: Ich will keinem der Beteiligten einen Vorwurf machen, denn der vorgesehene Zelebrant der Messe mußte wegen Krankheit absagen und konnte das erst eine halbe Stunde vor Beginn tun. Insofern mußte der von einem Diakon geleitete Wortgottesdienst improvisiert sein. Dennoch wurde mir dabei klar, wie gefährlich es ist, einen solchen Wortgottesdienst praktisch als Messe ohne Wandlungsworte zu feiern.

Wie gesagt, den Beteiligten will ich keinen Vorwurf machen. In einer halben Stunde zunächst zu versuchen, einen anderen Zelebranten zu erreichen und dann doch umzudisponieren, da reicht es nicht mehr, um mit dem (ehrenamtlichen) Organisten einen anderen Wortgottesdienst aus dem Boden zu stampfen. Ok, es wäre ein leichtes, die tageszeitlich passende Hore des Stundengebets zu nehmen, aber dazu muß man ja auch erstmal die entsprechenden Psalmen aus dem Gotteslob raussuchen. Ob diese Hektik dann der Feierlichkeit des Wortgottesdienstes zuträglich gewesen wäre, sei mal dahingestellt.

Trotzdem fand ich es extrem merkwürdig, im Grunde eine Messe ohne Wandlungsworte zu feiern. Den Wortgottesdienst 1:1 zu übernehmen finde ich noch nicht so problematisch, auch wenn man über Kleinigkeiten diskutieren könnte. Aber die Kommunionfeier mit dem Sanctus einzuleiten und dann das Hochgebet – eben mit Ausnahme der Wandlungsworte – zu paraphrasieren, das ist schon merkwürdig. Ab ungefähr der Mitte des Hochgebetes war sogar alles wörtlich identisch, inklusive Doxologie, Friedensgruß und Lamm Gottes.[1]

Wer da nicht ausreichend liturgisch gebildet ist – und wenn man diese Bildung bei den Besuchern solcher Gottesdienste voraussetzen könnte, bräuchte man ja nicht den gewohnten Ablauf der Messe zu kopieren –, kann sehr schnell auf den Gedanken kommen, hey, das ist doch eigentlich dasselbe wie die Messe, insbesondere wenn die Messe in der Gemeindlichkeit unserer deutschen Kirche sowieso schon auf „wir feiern ein Gemeinschaftsmahl im Gedächtnis Jesu“, also um den Opfercharakter und damit das entscheidende Element, nämlich die Vergegenwärtigung des erlösenden Kreuzesopfers reduziert ist. Dann ist auch klar, wie man auf die Idee kommen kann, darin eine Erfüllung der Sonntagspflicht zu sehen.[2]

Und genau darin sehe ich die Gefahr: Daß bei den Gläubigen allmählich der Eindruck entsteht, eigentlich bräuchten sie doch gar keine Messe, wenn es doch praktisch dasselbe auch ohne Priester gibt. Ok, vielleicht bleibt noch bewußt, daß man zur Wandlung einen Priester braucht und man dann halt gelegentlich neue gewandelte Hostien aus der Bischofsstadt importieren muß, aber dann grenzt das Eucharistieverständnis bereits an Magie. Jeder, der weiß, was der eigentliche „Clou“ der Heiligen Messe ist, nämlich nicht, daß wir uns da ein Stück Brot abholen, nicht einmal daß wir den Leib Christi empfangen, sondern daß wir in die Gegenwart von Leiden, Tod und Auferstehung Christi genommen und durch den Leib Christi die Früchte der Erlösung, nämlich die Gnade der Vereinigung mit dem Herrn, empfangen dürfen, kann sich doch nur im äußersten Notfall mit einer solchen Gottesdienstform zufrieden geben. Mir hat an diesem Tag jedenfalls was gefehlt – obwohl es „nur“ um eine Werktagsmesse ging.

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[1] Ich weiß nicht, ob das der besonderen Situation geschuldet war, daß eigentlich ja eine Messe hätte stattfinden sollen. Eigentlich war ich der Meinung, Wortgottesdienste mit Kommunionausteilung orientierten sich an der Karfreitagsliturgie. Das schien mir bisher das einzig liturgisch Sinnvolle zu sein, also daß es nach den Fürbitten direkt mit dem Vater unser weitergeht und dann das „Herr ich bin nicht würdig“ zur Kommunion überleitet. (nach oben)
[2] Diese Ansicht ist sowieso hahnebüchen. Entweder ist es dem Gläubigen physisch oder moralisch nicht möglich, eine Sonntagsmesse zu besuchen, dann ist er bereits vom Besuch einer Messe dispensiert, dann braucht es also keine ausdrückliche Regelung, nach der ein Wortgottesdienst mit Kommunionausteilung eine Erfüllung der Sonntagspflicht darstellt, oder es ist dem Gläubigen physisch und moralisch möglich, eine Messe am Sonntag oder am Vorabend zu besuchen, dann steht die Sonderregelung Wortlaut und Sinn des Kirchenrechts direkt entgegen und ist eo ipso nichtig. (nach oben)

Der Aufruf „Ökumene jetzt“ ist eine Totgeburt. Theologischer Dünnpfiff. Eigentlich nicht der Rede wert. Wenn man nicht davon ausgehen müßte, daß es viele gibt, die gar nicht merken, daß dem ganzen ein unrühmlicher Trick zugrundeliegt.

Der Trick besteht aus zwei Schritten. Der erste ist, das für die Trennung theologisch Entscheidende, nämlich die wesentliche Differenz im Kirchenverständnis, zu leugnen:

Weil uns Gott in der Taufe Gemeinschaft mit Jesus Christus geschenkt hat, sind Getaufte als Geschwister miteinander verbunden. Sie bilden als Volk Gottes und Leib Christi die eine Kirche, die wir in unserem Credo bekennen.

Nein, wir bekennen die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche, die in der katholischen Kirche subsistiert. Wie so häufig verhindert Quellenstudium Neuentdeckungen, denn „die eine Kirche, die wir in unserem Credo bekennen“ ist eine fast wörtliche Anspielung auf Lumen Gentium 8, das aber die einzige Kirche Christi ganz anders als rein über die Taufe definiert:

Der einzige Mittler Christus hat seine heilige Kirche, die Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, hier auf Erden als sichtbares Gefüge verfaßt und trägt sie als solches unablässig; so gießt er durch sie Wahrheit und Gnade auf alle aus. Die mit hierarchischen Organen ausgestattete Gesellschaft und der geheimnisvolle Leib Christi, die sichtbare Versammlung und die geistliche Gemeinschaft, die irdische Kirche und die mit himmlischen Gaben beschenkte Kirche sind nicht als zwei verschiedene Größen zu betrachten, sondern bilden eine einzige komplexe Wirklichkeit, die aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst. Deshalb ist sie in einer nicht unbedeutenden Analogie dem Mysterium des fleischgewordenen Wortes ähnlich. Wie nämlich die angenommene Natur dem göttlichen Wort als lebendiges, ihm unlöslich geeintes Heilsorgan dient, so dient auf eine ganz ähnliche Weise das gesellschaftliche Gefüge der Kirche dem Geist Christi, der es belebt, zum Wachstum seines Leibes (vgl. Eph 4,16).

Dies ist die einzige Kirche Christi, die wir im Glaubensbekenntnis als die eine, heilige, katholische und apostolische bekennen. Sie zu weiden, hat unser Erlöser nach seiner Auferstehung dem Petrus übertragen (Joh 21,17), ihm und den übrigen Aposteln hat er ihre Ausbreitung und Leitung anvertraut (vgl. Mt 28,18 ff), für immer hat er sie als „Säule und Feste der Wahrheit“ errichtet (1 Tim 3,15). Diese Kirche, in dieser Welt als Gesellschaft verfaßt und geordnet, ist verwirklicht in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird. Das schließt nicht aus, daß außerhalb ihres Gefüges vielfältige Elemente der Heiligung und der Wahrheit zu finden sind, die als der Kirche Christi eigene Gaben auf die katholische Einheit hindrängen. (LG 8, eigene Hervorhebungen)

Das heißt, bereits der Ausgangspunkt des Aufrufs ist katholischerseits nichts anderes als – Häresie! Denn er leugnet die hierarchische Ordnung der Kirche, die aus ihrem Wesen als Fortsetzung der „Mission“ Christi, seiner Fleischwerdung resultiert, die sich in der Kirche fortsetzt. (Daß wir der „Leib Christi“ sind, ist mehr als nur ein Bild, keine bloße Metapher!) Die Kirche bildet sich nicht aus den Getauften, ist quasi die Summe aller Getauften, wie die Jetzigen-Ökumeniker (übrigens auch im Unterschied zu Luther) meinen, sondern sie existiert streng theologisch gesehen vor und unabhängig von allen Getauften, die allerdings durch die Taufe in die Gemeinschaft der einen Kirche aufgenommen werden – so sie denn in der Katholischen Kirche getauft werden. Katholischerseits definiert sich folglich die Kirche von oben, von dem einen HErrn her, der das Haupt der Kirche ist und den Bischöfen als den Nachfolgern der Apostel mit dem Papst als ihrem Haupt die Leitung der Kirche anvertraut hat. Wir können da überhaupt nichts machen, wenn nicht der HErr selbst es tut.

(Natürlich ist die Taufe in den nicht-katholischen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften nicht nichts, denn Christus ist es, der tauft. Und natürlich resultieren aus der einen Taufe auch diverse Möglichkeiten ökumenischen Miteinanders – nicht, daß einer meint, ich hätte was gegen Ökumene. Aber wer nicht in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri steht, ist nicht Teil der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche, wie auch die echten kirchlichen Gaben außerhalb der katholischen Kirche zur katholischen Einheit hindrängen.)

Mit diesem unkatholischen Verständnis von Kirche ist bereits der zweite Teil des argumentativen Tricks vorbereitet:

Heute ist die Kirchenspaltung politisch weder gewollt noch begründet. Reichen theologische Gründe, institutionelle Gewohnheiten, kirchliche und kulturelle Traditionen aus, um die Kirchenspaltung fortzusetzen?

Aber hallo! Welche anderen als theologischen Gründe konnten denn jemals die Kirchentrennung begründen? Wäre die reformatorische Erkenntnis eine der politischen Kompromißbereitschaft gewesen, dann hätte es doch vor lauter kompromißbereiter Irenik nie zur Kirchentrennung kommen können. Nein, die Kirchentrennung ist nicht etwas, was Politiker mit Kompromissen oder Aufrufen überwinden könnten, sondern sie besteht aus sich selbst heraus, wenn die irdische Ordnung der Kirche nicht der göttlichen Ordnung ihrer Einsetzung entspricht.

Und mit diesen beiden Stellen hat sich der Aufruf bereits von selbst erledigt. Er ist einfach argumentativ unaufrichtig, indem er die fundamental kirchentrennende Differenz in der Lehre von der Kirche einfach einebnet. So geht ein berechtigtes Anliegen leider in einer Vielzahl von Halb- und Unwahrheiten unter, nämlich daß es tatsächlich einer äußeren Einheit bedarf, die nicht bei versöhnter Verschiedenheit bei Fortbestehen der Kirchentrennung stehen bleiben darf.

Den im engeren Sinne theologischen Teil meiner Doktorarbeit habe ich auf Anraten von verschiedenen Seiten immer weiter zusammengefaßt und gestrafft. Das war sicherlich sinnvoll, denn eine umfassende Behandlung der Frage nach dem Bösen und der Antwort des Glaubens auf sie hätte nicht nur den Rahmen gesprengt, sondern war auch gar nicht angestrebt. Dennoch sind einige Dinge auf der Strecke geblieben, um die es schade ist.

Eine der weggestrafften Stellen betrifft das Buch Hiob. Der Abschnitt ließ sich zwar gut wegkürzen, da er im wesentlichen nur eine einzige Quelle[1] paraphrasierte, und doch handelt es sich dabei meiner Meinung nach um einen in der Frage nach dem Bösen ganz wesentlichen Punkt, denn das Buch Hiob gilt als das Theodizeebuch des Alten Testaments.

Die gängige Deutung dieses Buches geht davon aus, die Antwort Gottes bestünde lediglich im Beharren auf Seiner Allmacht und darüber hinaus in Antwortverweigerung. Ich denke, Ursache dieser – wie ich meine – Fehlinterpretation ist die falsche oder zumindest eine ungenaue Fragestellung, mit der an das Buch herangegangen wird. Hiob geht es nicht um die abstrakte Frage, woher das Böse kommt und wie Gott gut sein kann, wenn es das Böse in der Welt gibt. Damit hätte Hiob überhaupt kein Problem, denn es ist die eigene Schuld, die das Leid verursacht, das als Strafe Gottes für böse Taten verstanden wird. Sondern es geht ihm um sein ganz konkretes Leiden, das ihm ungerecht scheint, da er sich sicher ist, keinerlei Schuld auf sich geladen zu haben. Im Sinne des Tun-Ergehen-Zusammenhangs und einer von einem allmächtigen Gott gut geordneten Welt dürfte er also kein Leid erfahren. Genau diese Vorstellung einer einseitig gut geordneten, perfekten Welt ist mit der Realitätserfahrung nicht wirklich kompatibel, und das will das Buch Hiob zeigen.

Othmar Keel nähert sich dieser Deutung von einer anderen Seite. Ihm erschien es nicht plausibel, daß die immerhin vier Kapitel umfassenden Gottesreden lediglich in einem dreistündigen Naturkundevortrag bestehen sollten. Zumal die Deutung, Gott, der einzige, der die Theodizee tatsächlich leisten könnte, spreche dem Menschen die Berechtigung ab, überhaupt die Frage nach der Rechtfertigung Gottes angesichts des Bösen zu stellen, fordere daher das blinde Vertrauen des Menschen ein, und Hiob resigniere schließlich und bekenne, nicht würdig zu sein, Gottes Gerechtigkeit in Frage zu stellen, nicht erklären kann, warum Hiob sich am Ende ausgerechnet mit der bloßen Forderung nach Vertrauen auf Gott zufrieden geben sollte, die er von Anfang an vehement zurückgewiesen hatte.

Das unschuldige Leiden Hiobs stellte prinzipielle Überzeugungen in Frage, nämlich daß Gott gut und die Welt geordnet ist, daß sie auf Sinn hin befragt werden kann. Er fragte, ob die Welt in der Hand eines Verbrechers ist, und es bliebe somit nach der gängigen Deutung die Möglichkeit bestehen, daß Gott ein Sadist ist, der Freude am Leid des Menschen hat.

Hiob kann sich daher nicht mit der Forderung Gottes zufrieden geben, sich Ihm einfach vertrauensvoll zu unterwerfen, Er wisse schon, was das beste für Hiob sei. Denn das bedeutete letztlich, daß der Peiniger das Opfer dadurch ruhig stellte, daß Er ihm den Masochismus empfiehlt.

Tatsächlich sei das auch nicht der Fall, meint Keel. Vielmehr habe Hiob durch die explizite Selbstverfluchung in Kapitel 31, mit der er ausführlich seine Unschuld bezeugte, Gott gezwungen, ihn zu töten, wäre er schuldig und der geleistete Eid ein Meineid gewesen. Da Gott aber erscheint, ohne Hiob zu töten, erkenne Er Hiobs Unschuld bereits an.

Doch Gott bestreite, als „Prozeßgegner“ Hiobs im Umkehrschluß nun selbst als schuldig gelten zu müssen – mit derselben Vehemenz, mit der Hiob seine Unschuld beteuerte. Er bestreite Hiob zwar zunächst tatsächlich die Berechtigung, die Welt und ihren Schöpfer zu verurteilen – aber nicht, weil Hiob als Geschöpf nicht würdig sei, das zu tun, sondern weil es ihm an Einsicht und Möglichkeit fehle, es besser zu machen. Er, Gott, hingegen sei derjenige, der die Welt gründet, dem Chaos (Meer) Grenzen setzt, dem Bösen den Raum (die Dunkelheit) nimmt, die Wüste (den Ort des Bösen) in fruchtbares Land verwandelt, die vorbildliche Ordnung des Himmels garantiert und es so regnen läßt, daß das Kulturland nicht wieder zu Wüste wird.

Gottes erstes Argument (Hiob 38,1–38) bestehe also darin, daß der Mensch gar nicht zu dem in der Lage sei, was Er tagtäglich immer wieder neu und ohne Ende tue, nämlich die Chaosmächte in der Schöpfung zu bekämpfen und ihnen Grenzen zu setzen. (Oder einfacher gesagt: Mach’s doch besser!)

Sein zweites Argument (Hiob 38,3939,30) bestehe hingegen darin, daß Er es sei, der den wilden Tieren ihre Nahrung verschafft und ihnen Unabhägigkeit gegeben hat. Selbst wenn in der Welt Chaotisches existiere, es sei nicht das Chaos selbst, sondern von Gott geordnet.

Es gebe also Weltbereiche, die der Mensch nicht kontrollieren kann, Gott aber sehr wohl. Hiob hatte ein chaotisches Bild von der Welt gezeichnet, seine Freunde eine klare Ordnung, eine heile Welt dagegengesetzt – Gott korrigiert beide Vorstellungen:

Es fehlt in der Welt nicht an chaotischen Mächten, von eindrücklicher Wildheit und gewaltiger zerstörerischer Kraft. Aber die Welt ist doch nicht ohne Plan, ohne Ordnung. Jahwe hält das Chaos im Zaum, ohne es in langweilige, starre Ordnung zu verwandeln.

Die ersten beiden Argumente Gottes lauten also, Er sei der ständige Schöpfer, der creator continuus, der der Schöpfung ihre Ordnung gibt. Gott verweist tatsächlich auf den unendlichen Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpf, die Rechtfertigung besteht jedoch nicht in der Allmacht, der sich das Geschöpf unterwerfen müsse, sondern in der Schöpfungsmacht, die eine erkennbare Ordnung der Welt überhaupt erst hervorbringt. Diese Ordnung richtet sich jedoch nicht am Menschen aus, sondern berücksichtigt die ganze Schöpfung und gibt allen Geschöpfen ihren Platz in ihr – eine Fähigkeit, die der Mensch nicht hat und für die ihm die Einsicht in den Schöpfungsplan fehlt.

In Hiob 40,141,26 führe Gott ein völlig neues Argument ein. In Seiner vorangegangenen ersten Rede habe Er Sich gegen den Vorwurf verteidigt, die Welt sei chaotisch, das heißt, entweder könne oder wolle Gott keine Ordnung schaffen. Nun wehre Er Sich gegen die Anklage, Er sei ein Sadist, wolle das Böse gar. Zu diesem Zweck zeichne Er von sich das Bild des Jägers von Behemot und Leviatan, wiederum eine Tätigkeit, die der Mensch nicht zu leisten vermöge. Dabei gehe es nicht um die Jagd auf reale Tiere wie Nilpferd und Krokodil, wie die Namen verstanden werden könnten. Diese Tiere wurden auch von Menschen gejagt. Vielmehr wende Gott hier mythologische Bilder auf Sich an; so war das Nilpferd etwa in der ägyptischen Mythologie eine Gestalt Seths, und es kam Horus zu, es zu bändigen. Behemot und Leviatan werden also als Repräsentanten des Bösen angeführt. Gott erkläre somit, nicht der Urheber des Bösen und kein Sadist zu sein. Vielmehr leiste Er sogar, was der Mensch nicht kann: unablässig das Böse zu bekämpfen.

Das heißt, das Böse geht nicht aus Gott hervor. Doch es wird auch kein alternativer Ursprung angegeben. Es geht dem Buch Hiob offenbar nicht um die Frage des metaphysischen Ursprungs, der völlig offen gelassen wird. Sondern Gott stellt sich als Herr über das Böse, als Richter dar, der das Böse bekämpft.

Die Antwort des Buchs Hiob auf die Frage nach der Erfahrung des Bösen ist also:

  • Der Mensch kann weder die chaotischen Anteile der Welt noch das menschlich verursachte Böse völlig beherrschen; er kann von sich aus weder Kulturland noch Gerechtigkeit schaffen.
  • Gott aber kann beides und tut beides und zwar ständig und immer wieder neu. Was dem Menschen böse und chaotisch erscheint, ist doch von Gott geordnet. Er ist der gute Schöpfer.
  • Gott ist nicht so, wie der Mensch Ihn sich vorstellt und wünscht, und möglicherweise sind Seine Kriterien für gut und böse nicht dieselben wie die des Menschen. Es ist Seine Schöpfung.
  • Gott ist nicht der Urheber des Bösen, aber es läßt sich entgegen der Position der Freunde Hiobs auch nicht allein auf den Menschen zurückführen. Vielmehr birgt das Böse eine komplexe Problematik in sich, weil es einen relativen Eigenstand in dieser Welt hat. Auch wenn sein Ursprung im Dunkeln bleibt, gehört es zu den Konstanten der Welt, wie wir sie erfahren.

Man kann ja jetzt von Othmar Keel halten, was man will, und auch die Frage stellen, wie „up to date“ eine kleine Forschungsarbeit aus dem Jahr 1978 heute noch ist; besonders ausführlich rezipiert worden scheint sie mir nicht zu sein. Mir ist allerdings im Nachhinein bewußt geworden, wieviel von der Antwort des Glaubens auf die Erfahrung von Bösem – die beim Schöpfer anfängt und beim Vollender und Richter endet – in dieser Deutung bereits drinsteckt. Und auch ganz persönlich ergibt für mich erst so das Buch Hiob überhaupt einen Sinn.

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[1] Othmar Keel: Jahwes Entgegnung an Ijob. Eine Deutung von Ijob 38–41 vor dem Hintergrund
der zeitgenössischen Bildkunst; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1978; das Zitat steht auf Seite 125. (nach oben)

Das Schlimmste am Bösen ist seine völlige Sinnlosigkeit.

Der Geiselnehmer, Mörder und Selbstmörder von Karlsruhe wollte die Zwangsräumung der Wohnung seiner Lebensgefährtin verhindern. Ein grundsätzlich erst mal nachvollziehbares Motiv, das seinen Sinn aber gerade daraus bezieht, daß die Lebensgefährtin weiter in der Wohnung leben kann. Jetzt ist sie tot. Weil ihr Lebensgefährte ihr die Wohnung erhalten wollte. Weil er sie getötet hat. Und den neuen Wohnungseigentümer. Und den Gerichtsvollzieher und einen Schlüsseldienstmitarbeiter. Und sich selbst. Vom Leid der Hinterbliebenen, den Frauen, den Kindern, eines noch ungeboren, ganz zu schweigen.

Die Geiselnahme war von Anfang an ein untaugliches Mittel, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Das hätte der Geiselnehmer nicht nur wissen können, er hätte es wissen müssen. Doch wenn es ihm bewußt war, was bleibt dann als Motiv? Rache? An wem? Wofür? Jedenfalls muß ihm klar gewesen sein, daß er damit nicht durchkommt, nie durchkommen konnte. Daß es keinen Ausweg aus der Situation gibt. Außer die Schuld einzugestehen und sich dem Gericht auszuliefern. Oder sich dem irdischen Gericht zu entziehen. Und so alles noch schlimmer zu machen.

Fünf Tote. Wegen einer Wohnung. Und (vermutlich) einer insgesamt wenig befriedigenden Lebenssituation. Ein verzweifeltes Leben reißt vier andere mit in den Tod. Völlig sinnlos. Nichts erreicht. Außer Fassungslosigkeit. Und „15 minutes of fame“. Der Täter hat keinerlei Vorteil durch seine Tat. Im Gegenteil. Und er hätte es wissen müssen. Trotzdem hat er es getan.

Das Böse hat eine irritierende, rational nicht erklärbare Macht in der Welt. Eine Macht, die verführt, die täuscht, auch über sich selbst, der leicht zu widerstehen wäre, wenn man sie als das erkennte, was sie ist. Aber die Verführung, die Täuschung besteht darin, das böse Tun als etwas Gutes oder als zu etwas Gutem (und sei es nur der eigene Vorteil) Führenden erscheinen zu lassen. Obwohl das rational betrachtet überhaupt nicht nachvollziehbar ist.

Eine Macht, die als eigenständig handelnd, als planvoll vorgehend erscheint. Die mehr ist als die Macht der Sünde, als ein sich selbst verstärkender Mechanismus, der das (eigentliche) Gut nicht mehr erkennen läßt und alles dem Eigennutz unterordnet. Die in (scheinbarer) Freiheit den zerstört, der ihr in (scheinbarer?) Freiheit erliegt.

Der christliche Glaube versteht diese Machtt als personal und nennt sie den Verführer, den Verwirrer, den Durcheinanderwerfer, den Mörder von Anfang an, der eben gerade in seiner Freiheit seine Freiheit zugrundegerichtet hat. Der Glaube reißt dem Bösen die Masken herunter und nennt ihn das, was er ist.

Und zeigt den Ausweg auf, selbst in der extremsten Situation: Annahme der Schuld, Buße, Umkehr. Und Vertrauen auf die Liebe, Allmacht und Barmherzigkeit Gottes, die aus dem Zerstörten etwas Neues, sogar Besseres entstehen lassen kann. Vor allem aber das Schlimmste verhindert. Wenn man Ihn läßt.

Das ist im Kern nicht einmal eine andere Antwort als die reine Vernunft zu erkennen in der Lage ist. Aber die Menschheitsgeschichte zeigt immer wieder, daß der Mensch nicht rein vernünftig ist, geschweigedenn handelt.

Betet für die Opfer, auch die Hinterbliebenen! Und wer es kann, auch für den Täter.

  1. Frauenordination und Zölibat liegen theologisch auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Die Diskussion über ihre jeweilige Berechtigung, Möglichkeit und Nützlichkeit muß getrennt geführt werden.
  2. Gemeinsam ist ihnen beiden aber, daß über sie bereits alles gesagt ist. Nur vielleicht noch nicht von jedem. (Wobei ich an letzterem zu zweifeln beginne…)
  3. Über die Frauenordination wurde bereits zwei Jahrzehnte diskutiert lang diskutiert, als Papst Johannes Paul II. unter Berücksichtigung der Fachdiskussion 1994 die als endgültig zu haltende Entscheidung verkündete, daß die Kirche keine Vollmacht habe, Frauen zu Priestern zu weihen.
  4. Diese Lehre wurde einmütig von allen nachkonziliaren Päpsten vertreten und kann sich auf eine ungebrochene Tradition von alters her berufen.
  5. Das Argument, daß Jesus aus rein zeitgebundenen Gründen nur Männer als Priester eingesetzt hat, verblaßt, wenn man sich die Formulierung genau ansieht: Die Kirche hat keine Vollmacht Frauen zu Priestern zu weihen.
  6. Das Wörtchen Vollmacht deutet auf den entscheidenden Aspekt hin: Bei der Priesterweihe handelt es sich um ein Sakrament.
  7. Sakramente sind von Christus eingesetzte Heilsmittel. Es gibt sie außschließlich aufgrund dieser Einsetzung.
  8. Nicht die Kirche spendet die Priesterweihe, sondern Christus durch die Hand Seines dazu von Ihm bevollmächtigten Bischofs. Der Bischof kann daher nur tun, wozu ihn Christus Selbst eingesetzt hat.
  9. Daher kann die Kirche nur die Menschen zu Priestern weihen, die gemäß der Einsetzung des Sakraments durch Christus fähig sind, die Weihe zu empfangen.
  10. Wenn es also keine ausdrückliche Bevollmächtigung zur Weihe von Frauen gibt — was ganz offensichtlich der Fall ist, sonst müßte man ja nicht argumentieren, Christus habe sich hier allein nach den damaligen Konventionen gerichtet –, kann niemand eine Frau zum Priester weihen, da es Christus Selbst tun müßte.
  11. Selbst wenn sich also Christus bei der Einsetzung der Priesterweihe aus Rücksicht auf damalige gesellschaftliche Konventionen — welch absurde Vorstellung, haben die Frauen in Seiner Nachfolge doch eine geradezu skandalöse Rolle gespielt! — auf Männer beschränkt hätte, wäre diese Beschränkung für uns immer noch bindend. Die Motive sind uns nicht nur erkenntnistheoretisch entzogen, sie sind für uns auch völlig irrelevant: Wir haben die Sakramente nicht eingesetzt, wir können auch nicht nach Belieben über sie verfügen.
  12. Die Kirche kann zwar unter Umständen weitere Bedingungen für den Sakramentenempfang aufstellen und ihre Spendung verweigern, insbesondere bei individuell nicht heilsnotwendigen Sakramenten wie der Priesterweihe, aber sie kann die von Christus gemachten Einschränkungen nicht aufheben.
  13. Täte sie es, setzte sie sich über die fehlende Vollmacht hinweg und versuchte Frauen zu Priestern zu weihen, dann passierte schlicht und ergreifend — gar nichts!
  14. Es gäbe dann mit kirchlicher Autorität vermeintlich geweihte Priesterinnen, die scheinbar in persona Christi handeln könnten, tatsächlich aber nicht geweiht wären, weil Christus Sich zwar in Seiner Freiheit eingeschränkt und an die kirchliche Handlung gebunden hat (also nicht an der Kirche vorbei weiht), sich aber durch nichts und niemanden zwingen lassen kann, das Sakrament nach Lust und Laune der Kirche auszuweiten (also die Kirche nicht ohne Christus weihen kann).
  15. Das wäre das Ende des Weihepriestertums. Spätestens wenn Frauen auch zu Bischöfen geweiht werden, könnte niemand mehr sicher sein, ob der PriesterIn da vorne tatsächlich Priester Jesu Christi ist oder nicht. Wer Sakramente von diesen SimulationspriesterInnen „gespendet“ bekäme, hätte sie tatsächlich nicht empfangen.
  16. Wer Frauen ordinieren will, kann daher konsequenterweise nur das Weihepriestertum abschaffen.
  17. Daher gehört die Unmöglichkeit der Priesterweihe von Frauen tatsächlich zum unaufgebbaren Kern des christlichen Glaubens. Denn diese Frage betrifft tatsächlich, wie es Johannes Paul II. formulierte, „die göttliche Verfassung der Kirche selbst“.

Als ob ich es mit meinem gestrigen Posting beschworen hätte, erreichte mich heute über Facebook folgendes Video mit der Bitte, die Fragen des Anrufers richtig zu stellen (Achtung! Massive Kopf-Tischkanten-Gefahr):

Eigentlich kann ich an den Fragen des Anrufers nichts richtigstellen. Die Fragen sind an sich richtig. Nur der Typ am Mikro redet sich um Kopf und Kragen (um das festzustellen reichen 45 Sekunden) und kann sie nicht adäquat beantworten.

Man muß ihm zwar zugute halten, daß auch alles, was ich im folgenden an theologischen Überlegungen wiedergebe, kein exaktes Wissen ist, sondern nur die Demonstration der Denkmöglichkeit dessen, was in der Bibel beschrieben wird. D.h. es muß nicht so sein, wie es sich die Theologie zu erklären versucht (wer hat schon Gott je gesehen?), aber das, was wir glauben, kann logisch widerspruchsfrei gedacht werden. Doch als Katholik kriege ich die Krise bei einem solch naiven Biblizismus, wie er hier zum Ausdruck kommt.

Zum Schriftverständnis

Nach katholischer Lehre ist die Bibel im Kontext ihrer Auslegung durch Raum und Zeit zu lesen. Diesen Kontext nennen wir Tradition und verstehen ihn als gleichrangige Offenbarunggsquelle. Entscheidend ist nicht, was da in der Bibel steht, sondern was in Jesus Christus geschehen ist. Deswegen spricht der Papst auch ständig davon, daß das Christentum keine Buchreligion sei. Im Gegensatz zum Koran ist die Bibel nicht selbst unmittelbar von Gott offenbart, sondern Menschen haben sie als Zeugnis von der Selbstoffenbarung Gottes verfaßt, wenngleich wir glauben, daß sie durch den Beistand Gottes daran gehindert wurden, völligen Schwachfug zu schreiben.

Zur Trinität:

Drei Personen, zwei Hervorgänge, ein Gott. Ein Gott in drei Personen, das heißt jede Person ist ganz Gott, aber eben nur in den Beziehungen zu den anderen Personen; d.h. die Person für sich wäre nicht Gott, wenn sie nicht mit den anderen beiden Personen in Beziehung stünde. Denn in Gott gibt es zwei Hervorgänge: Der Sohn geht aus dem Vater hervor, und der Heilige Geist geht aus dem Vater und dem Sohn hervor. Diese zwei Hervorgänge etablieren die drei Personen: Der Vater wäre nicht der Vater, wenn aus Ihm nicht der Sohn und der Heilige Geist hervorgingen; der Sohn wäre nicht der Sohn, wenn Er nicht aus dem Vater hervorginge und der Heilige Geist aus Ihm hervorginge; und der Heilige Geist wäre nicht der Heilige Geist, wenn er nicht aus dem Vater und dem Sohn hervorginge.

Oder einfacher gesagt: Als Christ glaube ich an einen Gott, der in sich Beziehung, reine, selbstlose Liebe ist. Im Islam hat Gott nur Beziehungen zu seinen Geschöpfen. Aus christlicher Perspektive ist dieses Gottesbild nicht vollkommen, weil Gott hier auf die Beziehung zu seinen Geschöpfen angewiesen ist. Daraus ergibt sich auch eine ganz andere Gottesbeziehung, nämlich (um es mal drastisch auszudrücken) die zwischen Herr und Sklave.

Im Christentum ist diese Beziehung mehr. Auch hier gilt zwar: die Beziehung zwischen dem Schöpfer und Seinem Geschöpf ist durch eine unendliche Unterschiedlichkeit geprägt, wir stehen selbstverständlich auch nicht auf einer Ebene mit Gott. Aber sie ist — durch Jesus Christus — mehr:

„Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe.“ (Joh 15,15)

Mit anderen Worten: Durch die Menschwerdung des Sohnes läßt Gott den Menschen an Seinem Wesen, das eben in Beziehung, in Liebe besteht, teilhaben — und zwar gnadenhalber. Der Mensch hat weder einen Anspruch noch von sich aus eine Möglichkeit, an dieser Liebe teilzuhaben, sondern muß sich diese Vergöttlichung schenken lassen.

Zum Kreuz:

Jesus Christus war wahrer Gott und wahrer Mensch, da kommt also noch mehr dazu als nur Gott. Zwar sagt man auch, daß Gott am Kreuz gestorben ist, aber da Gott nicht sterben kann (er ist ewig), ist das keine exakte, sondern eine analoge Aussage: Insofern in Jesus Christus der Sohn Mariens und der Sohn Gottes eins sind, kann man von der zweiten göttlichen Person (und damit, s.o., von Gott selbst) sagen, daß sie (und damit Er) in Jesus Christus am Kreuz gestorben ist. Zu sagen, wenn Gott tot ist, dann hätte doch die Welt aufhören müssen zu existieren, setzt Zeitlichkeit in Gott voraus.

Auch hätte Jesus sich machtvoll der Kreuzigung wiedersetzen können. Aber wie hätte das mit Seinem Auftrag zusammengepaßt, den Menschen die Liebe Gottes (s.o.: Kenchte oder Freunde) zu bringen?

Zur Sündenvergebung

Ja, er ist für unsere Sünden gestorben, und ja, auch die Juden, die ihn ans Kreuz gebracht haben, können gerade durch das Kreuz ins Paradies gelangen — aber nicht automatisch, sondern eben durch Annahme des Geschenkes (s.o.). Christus war zu den Juden als Volk gesandt. Trotz einigen Erfolgs hat sich auch ein Teil des Volkes, vor allem die Führungsriege, dieser Sendung widersetzt. Daher ist das Kreuz sozusagen der Plan B Gottes — wie das Geschenk dennoch zu den Menschen, jetzt aber nicht mehr durch die Zugehörigkeit zum jüdischen Volk, sondern durch die individuelle Annahme des Geschenks in der Taufe, die ein Mitgekreuzigt- und Mitauferstehen mit Christus ist (also genau jene Vergöttlichung durch das Geschenk der Liebe).

Gott liebt jeden Menschen. Das heißt aber nicht, daß Er alles liebt, was der Mensch tut. Gott haßt die Sünde, die im Kern eine Abwendung von Gott ist. Insofern kann man auch sagen, daß Gott den Sünder haßt, insofern und so weit er die Sünde tut, aber ihn liebt, insofern er Sein Geschöpf ist. Gerettet werden kann, wer sich seine Schuld durch Gott vergeben läßt.

Zum alttestamentarischen Gesetz

a) Die Kultgesetze (Reinheits- und Opfervorschriften) sind durch Christus aufgehoben. Das Kreuzesofper (und seine unblutige Vergegenwärtigung in der Messe) haben den mosaischen Kult ersetzt.

b) Die Kollektivgesetze (also die, die das zusammenleben des Volkes Gottes regeln) haben durch die Schaffung des neuen Volkes Gottes (durch das Kreuz: s.o., nicht mehr die Zugehörigkeit zum jüdischen Volk, sondern die Annahme des Kreuzes ist entscheidend) ihre Grundlage verloren. Hier gehören auch die Strafvorschriften (Wer seine Mutter schlägt, soll des Todes sein) hin. Sie haben aber als Hinweis auf die Folgen der Sünde nach wie vor ihre Funktion („soll des Todes sein“ nicht als Strafvorschrift verstanden, die durch den Menschen umgesetzt werden soll, sondern als Hinweis auf die Folge der Sünde, die einfach unmittelbar aus dem Tun selbst geschieht: die Trennung von Gott, die nach der Offenbarung des Johannes „der zweite Tod“ ist, der ewige, die Tradition nennt diesen Ort der ewigen Gottesferne die Hölle).

c) Die Individualvorschriften wie die 10 Gebote gelten nach wie vor weiter, sind aber in Bergpredigt und Liebesgebot auf eine neue Ebene gehoben. Es geht nicht darum, ihren Wortlaut zu erfüllen, sondern ihren Sinn, der sich eben nicht in der Erfüllung ihrer Minimalforderung erschöpft, sondern eher maximal zu verstehen ist — wie eben in der Bergpredigt:

„Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten; wer aber jemand tötet, soll dem Gericht verfallen sein. Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein; und wer zu seinem Bruder sagt: Du Dummkopf!, soll dem Spruch des Hohen Rates verfallen sein; wer aber zu ihm sagt: Du (gottloser) Narr!, soll dem Feuer der Hölle verfallen sein.“ (Mt 5,21f.)

Zum Peter-Jürgen-Scheiß am Ende

Peter ist auch Peter ohne Jürgen und Jürgen ist Jürgen ohne Peter. Aber Gott Vater ist nicht Gott Vater ohne Gott Sohn und ohne Gott, den Heiligen Geist. Gott Vater ist nicht Gott Sohn und Gott Sohn nicht Gott Vater und Gott der Heilige Geist ist nicht Gott Vater und auch nicht Gott Sohn. Sie alle sind Gott. Der eine nicht ohn den anderen, aber jeder ist in seiner Beziehung zu den anderen beiden ganz Gott. Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich.

Fazit

Drum sei mir dieses geguttenbergte Zitat erlaubt: Roses are gay, violets are gayer, fuck this bullshit and listen to Slayer. Die haben wenigstens mehr Niveau.

Man merkt, daß der Vorweihnachtsstreß schon voll zugeschlagen hat. Als ich heute zwei Minuten vor Beginn der Messe in die Kirche kam, war ich der erste Gottesdienstteilnehmer ohne liturgischen Dienst (kurz nach Beginn der Messe kam immerhin noch ein weiterer). Das ist nicht nur eher unüblich für hiesige Verhältnisse, sondern auch sehr schade, da die Predigt (ja, Predigt an einem Werktag!) sehr hörenswert und sehr angemessen zwei Tage vor Weihnachten war:

Gott ist nicht so, wie wir ihn uns wünschen und vorstellen. Zacharias habe sich nicht vorstellen können, daß Gott tatsächlich das tut (tun kann), was Er ihm verkündigen ließ. Dabei hatte Gott noch viel Größeres vor, als was Er Zacharias bekannt gab. Was Zacharias gesagt hätte, wenn er die ganze Ungeheuerlichkeit der Menschwerdung mitgeteilt bekommen hätte? Womöglich noch mit dem Ziel der Erlösung — durch das Kreuz? Da versagt das menschliche Denken. Und die gleiche Ungeheuerlichkeit passiert in der Eucharistie. Der Schöpfer aller Ding, der alles in der Hand hält und ständig erhält — wir würden spurlos aufhören zu existieren, wenn er seine Hand zurückzöge! (kann mich nicht erinnern, jemals zuvor in irgendeiner Predigt was von creatio continua gehört zu haben, schon gar nicht als Selbstverständlichkeit mal so eben nebenbei in einem Nebensatz) –, Er kommt zu uns unter den unscheinbaren Gestalten von Brot und Wein. Das können wir uns nicht adäquat vorstellen — und doch ist es so! Gott ist anders als wir Ihn uns vorstellen können, nämlich größer, und die wahre Gottesfurcht besteht darin, gerade auch dann, wenn Gott anders handelt, als wir uns das wünschen oder vorstellen (können), Ihm zu glauben, auf Ihn zu vertrauen.

Ich bin baff und wünsche mir dieselbe Tiefe, denselben Rundumschlag von der Predigt in der Christmette vor 400 statt vor vier Gläubigen 🙂

Warum zucke ich eigentlich bei „Priesterkandidat“ zusammen? Weil ich mich frage, warum das „Amt“ so schlecht angesehen ist, daß es verbal zu streichen ist.

Was bedeutet denn eigentlich das „Amt“? Am geläufigsten ist „Amt“ wohl noch im staatlichen Sinne von Behörde etc. Ein solches Amt hat gewisse Befugnisse und damit auch Macht. Ich kann mir höchstens vorstellen, daß „Amt“ genau deswegen einen schlechten Ruf hat, weil es was mit Macht zu tun hat.

Allerdings fällt dabei ein ganz gewichtiger Aspekt unter den Tisch: Selbst der Amtsvorsteher hat keinerlei Machtkompetenz aus sich selbst heraus, sondern sie wird ihm vom staatlichen Recht, dem er untergeordnet ist und das er anzuwenden hat, verliehen.

Genau das ist, glaube ich, der Grund, warum ich zusammenzucke bei „Priesterkandidat“: Auch wenn es vielleicht nicht so gemeint ist, aber hier wird ein wesentlicher Aspekt des Priestertums, und zwar der Aspekt, der es vom Magier unterscheidet, unterbelichtet: Der Priester hat seine Befugnisse und Macht nicht aus sich selbst heraus, sondern von Christus, dem er untergeordnet und dessen Willen er zu tun hat, bekommen.

„Was da vorgeschlagen wird, ist der falsche Weg. Wir hätten mehr Bedarf an Müttern und Vätern, die ihren Kindern die Hände zum Gebet falten. Das Defizit an Glauben wird durch mehr Prediger nicht behoben. Es wäre wichtiger, dass Getaufte und Gefirmte in ihrem Umfeld die Botschaft verkündigen. Dort, wo ein Priester nicht hinkommt. Da gibt es kein Predigtverbot, sondern sogar einen Auftrag. Entscheidend ist doch nicht, ob Pfarrer heiraten oder ob Frau Navratil Priester wird. Es geht um die Fähigkeit des modernen Menschen zu glauben.“

Gregor Henckel Donnersmarck OCist.(via Giovanni) trifft den Nagel auf den Kopf. Der Kontext, nämlich die Forderungen der „Pfarrer-Initiative“, zeigt darüber hinaus einmal mehr: Der Fisch stinkt vom Kopf her.

Tatsächlich kenne ich ein paar Leute, die genau das zu befördern versuchen. Die davon, die nicht im kirchlichen Dienst stehen, kommen sogar recht weit, nur stehen sie dann immer wieder vor dem Problem: Wohin können wir die Neu-Gewonnenen bloß schicken? (Manch einer schickt sie lieber zu Freikirchen statt zu einem katholischen Pfarrer…)

Die im kirchlichen Dienst hingegen kriegen von ihren Vorgesetzten sogar noch einen drüber, weil es ihnen an geistigem (i.S.v. theologischem) Niveau fehle. Daß es aber genau das bräuchte: Einfachste Wahrheiten zur Erstverkündigung — für viele Getaufte genauso wie für Ungetaufte –, das scheint in vielen Verwaltungsstübchen noch nicht durchgedrungen zu sein.