Dogmatik

Beim heutigen Fest wird uns Katholiken ja häufig vorgeworfen, wir wären zu dumm zum Rechnen: 2 Wochen statt 9 Monate… Klar, der Vorwurf fällt auf die zurück, die ihn erheben, denn würden sie 9 Monate zurückrechnen, kämen sie auf den 25. März und damit – oh Wunder – auf den Festtag der Verkündigung des Herrn.

Rechnet man jedoch von heute neun Monate drauf, landet man beim 8. September. Und siehe da: Mariä Geburt. Wer wirklich rechnen kann, ist also klar im Vorteil. Es geht heute nicht um die Empfängnis Jesu, sondern eben die Empfängnis Mariens; wir feiern als, daß (bzw. wie) Maria empfangen wurde, nicht daß (bzw. wie) sie empfangen hat.

Allerdings tut die Leseordnung ja nun wirklich viel, um Mißverständnisse zu produzieren. Insbesondere das Evangelium, das exakt dasselbe wie am 25. März ist, kann zu Fehlinterpretationen verleiten. In der vorkonziliaren Leseordnung war zwar dieselbe Stelle dran, aber in entscheidend kürzerer Fassung: Es endete mit der Anrede des Engels „Du Begnatete!“ Denn in Seiner Güte und Vorsehung hat, wie das Tagesgebet sagt, Gott Maria von ihrer Empfängnis an vor jeder Schuld, also auch der Erbschuld, bewahrt. Sie ist begnadet, weil die Gnade ersetzt, was im Sündenfall verloren ging. Genau deshalb ist auch die erste Lesung aus Gen 3 genommen.

Doch: Deutet nicht auch die zweite Lesung aus dem Epheserbrief das Fest auf Weihnachten, also die Geburt des Erlösers hin aus? Von Maria ist hier doch überhaupt nicht die Rede! Wieder deutet das Tagesgebet die Lesung, das auch sagt, daß die Begnadung Mariens „im Hinblick auf den Erlösertod Christi“ geschah. Maria war als Mensch genauso erlösungsbedürftig wie wir alle, bedurfte also der Erlösung in Christus. Als Mutter des Erlösers aber wurde sie von Gott im Hinblick auf und durch das zukünftige Heilswerk ihres Sohnes bereits von ihrer Empfängnis an erlöst. (Daran zeigt sich auch, wie unzutreffend die Anwendung menschlich-zeitlicher Kategorien auf den ewigen, anfangs- und endlosen Gott ist…) Dieses Element des Geheimnisses ist es, was die zweite Lesung ausdrücken will.

Damit zeigt sich auch, was wir heute auch feiern: Die ebenso uns verheißene Gnade Gottes durch Jesus Christus und ihre Wirkung, wie sie sich exemplarisch in Maria zeigte. Wir feiern heute unsere Berufung zur Vollkommenheit, zur Heiligkeit und die durch Christi Leiden, Tod und Auferstehung bewirkte Möglichkeit, ihr in der durch die Taufe vermittelten Gnade Gottes auch zu folgen.

Gestern wurde ich um die Wiederkunft gebracht. Dabei ist der erste Advent praktisch ausschließlich dem zweiten Advent gewidmet. Schon der Eröffnungsvers ist dermaßen auf Gericht ausgerichtet:

Zu Dir, Herr, erhebe ich meine Seele. Mein Gott, Dir vertraue ich. Laß mich nicht scheitern, laß meine Feinde nicht triumphieren! Denn niemand, der auf Dich hofft, wird zuschanden. (Ps 25, 1-3)

Der fiel – natürlich – aus, stattdessen wurde immerhin „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ gesungen. Das Tagesgebet konnte der Pfarrer natürlich nicht umgehen (und ihm persönlich würde ich auch überhaupt keine Böswilligkeit unterstellen; aber offenbar wollte er „die armen Kleinen“ nicht erschrecken; vielleicht sollte ich nicht mehr in „Familiengottesdienste“ gehen, aber das kann man sich ja leider nicht immer aussuchen). Trotzdem spielte das Thema im weiteren kaum eine Rolle. Der vermaledeiten Lesungsauswahl fiel daher diesmal auch nicht die alttestamentliche Lesung aus dem Buch Jeremia zum Opfer, denn die kann man ja auch auf den ersten Advent Christi beziehen, sondern die eindeutig eschatologische zweite Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Thessalonicher:

Brüder!
Der Herr lasse Euch wachsen und reich werden in der Liebe zueinander und zu allen, wie auch wir Euch lieben, damit euer Herz gefestigt wird und ihr ohne Tadel seid, geheiligt vor Gott, unserem Vater, wenn Jesus, unser Herr, mit allen Seinen Heiligen kommt.

Im übrigen, Brüder, bitten und ermahnen wir Euch im Namen Jesu, des Herr: Ihr habt von uns gelernt, wie ihr leben müßt, um Gott zu gefallen, und ihr lebt auch so; werdet darin noch vollkommener! Ihr wißt ja, welche Ermahnungen wir euch im Auftrag Jesu, des Herrn gegeben haben.

Da das Evangelium obligatorisch ist, durfte ich wenigstens hören: „Wenn all das beginnt, dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter, denn eure Erlösung ist nahe.“

Da wäre ja noch einiges zu retten gewesen. Aber die Predigt – oder besser: die Kinderkatechese – war ja dermaßen flach! Einziger Bezugspunkt zu den Texten der Lesungen waren „die Sterne“, die er auf den Stern von Bethlehem bezog. Und, flupps, war der Bogen vom eschatologisch-apokalyptischen Evangelium zu Weihnachten geschlagen: Der Stern von Bethlehem. Fazit: Gott ist der Stern, der uns Orientierung gibt. Ist ja nicht falsch – aber am ersten Adventssonntag doch etwas zu flach.

Aber damit nicht genug. Am Abend wollte ich diesen Mangel aus der Messe in der kleinen Adventsfeier in der Familie ausgleichen. Aber habe ich in den ganzen Kinderbibeln überhaupt irgendwas eschatologisches oder gar apokalyptisches gefunden? Selbst bei der Sintflutgeschichte wird der Grund für die Sintflut, der Ärger Gottes über das Böse der Menschen und die Absicht, den Menschen zu vernichten, unterschlagen. Stattdessen ist viel von „Gottes schwimmendem Zoo“ die Rede. So verlieren Sintflut und Regenbogen natürlich völlig ihre typologische Kraft auf Taufe und den Neuen Bund hin… Letztlich fand ich nur in einer einzigen Kinderbibel, die mir aus freikirchlichem Kontext zu stammen scheint, wenigstens ein wenig aus der Offenbarung des Johannes: Die 24 Ältesten, die 4 apokalyptischen Reiter und die Vision vom Himmlischen Jerusalem. Allerdings fehlt auch in dieser etwa Daniels Vision vom Menschensohn.

Meine Güte! Was ist denn so schlimm an der Wiederkunft, daß man sie anscheinend keinem zumuten kann?! Ich, als Apokalyptiker, fühle mich jedenfalls diskriminiert. Und jetzt seid ihr bitte alle ganz betroffen!