Liturgie

Daniel Deckers schrieb im Leitartikel der FAZ vom 12.12.2009 über den Zustand der Kirche:

Kein Wunder ist es auch, daß aus Pfarrgemeinden keine Priesteramtskandidaten kommen, in denen Laien im Namen des Priestertums aller Gläubigen bizarre Rollenspiele aufführen und nur noch gemeinsam gebetet wird, wenn ein Priester am Altar steht. So viel Fixierung auf das „Amt“ wie gegenwärtig war in der katholischen Kirche noch nie.

Ja und Amen!

Gestern war also der Tag der Menschenrechte. War mir nicht mal beim Zeitunglesen aufgefallen, und dabei gibt es ihn schon seit 1999. Erfahren habe ich am Ende auch nur davon, weil es auf dem (wohlgemerkt kirchlich-liturgischen) Abreißkalender stand.

Womit ich auch schon unmittelbar von der Frage der Nützlichkeit solcher Tage überhaupt zur Frage des Sinns solcher Tage im kirchlichen Kontext gekommen bin. Vom Welttag der sozialen Kommunikationsmittel etwa weiß ich auch nur, weil es Dokumente des Vatikans zum Thema Internet gibt, die – wie passend – genau an jenem Welttag veröffentlicht wurden.

Aber wozu solche Tage überhaupt?! Gut, früher hätte man vielleicht einen Heiligen zum Patron für die Menschenrechte erklärt und ihrer dann an seinem Gedenktag gedacht. Aber ist das nicht alles schrecklich moralisierend?

Am tollsten finde ich ja immer noch solche Tage, die auf Sonntage gelegt werden, wie den Weltmissionssonntag. Klar, Mission ist ein hehres Anliegen (vor allem in Deutschland :-/), aber muß man dafür einen Sonntag widmen, wo eines der uneingeschränkt zu begrüßenden Ziele der Kalenderreform war, den Sonntag in seiner Bedeutung als wöchentliches Ostern aufzuwerten?

Offenbar gibt es Leute, denen sowas gefällt. Allerdings sollte man ihnen das Handwerk legen, bevor der 25.12. zum Welttag der religiösen Toleranz erklärt wird; paßt doch wunderbar, verdrängt doch nur dieses komische säkulare Fest der Liebe. Oder war da noch was?

…bin ich am Samstagabend um eine Vorabendmesse gebracht worden. Und das habe ich auch erst nach dem Einzug gemerkt, als es mit GL Nr. 683 losging.

Mist! Als ob ich grundlos in eine Vorabendmesse gehen würde, noch dazu fern der Heimat… Hätte ich doch genauer recherchiert, ob die regelmäßigen Messzeiten auch die tatsächlichen am letzten Wochenende sein würden! Nunja, was blieb mir übrig: Mußte ich die Zeit für die Messe am Sonntag halt aus meinen fünf eingeplanten Stunden Schlaf nehmen.

Mein Ärger (über mich selbst, versteht sich) wandelte sich bald jedoch in Erstaunen. Der Grund für die Vesper an Stelle der Vorabendmesse war kein geringer: Sie war der am Sonntag folgende Diakonenweihe geschuldet!

Das soll mir erstmal jemand nachmachen: Zufällig in eine Kirche zu geraten, in der eine Diakonenweihe ansteht 🙂

Gestern wurde ich um die Wiederkunft gebracht. Dabei ist der erste Advent praktisch ausschließlich dem zweiten Advent gewidmet. Schon der Eröffnungsvers ist dermaßen auf Gericht ausgerichtet:

Zu Dir, Herr, erhebe ich meine Seele. Mein Gott, Dir vertraue ich. Laß mich nicht scheitern, laß meine Feinde nicht triumphieren! Denn niemand, der auf Dich hofft, wird zuschanden. (Ps 25, 1-3)

Der fiel – natürlich – aus, stattdessen wurde immerhin „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ gesungen. Das Tagesgebet konnte der Pfarrer natürlich nicht umgehen (und ihm persönlich würde ich auch überhaupt keine Böswilligkeit unterstellen; aber offenbar wollte er „die armen Kleinen“ nicht erschrecken; vielleicht sollte ich nicht mehr in „Familiengottesdienste“ gehen, aber das kann man sich ja leider nicht immer aussuchen). Trotzdem spielte das Thema im weiteren kaum eine Rolle. Der vermaledeiten Lesungsauswahl fiel daher diesmal auch nicht die alttestamentliche Lesung aus dem Buch Jeremia zum Opfer, denn die kann man ja auch auf den ersten Advent Christi beziehen, sondern die eindeutig eschatologische zweite Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Thessalonicher:

Brüder!
Der Herr lasse Euch wachsen und reich werden in der Liebe zueinander und zu allen, wie auch wir Euch lieben, damit euer Herz gefestigt wird und ihr ohne Tadel seid, geheiligt vor Gott, unserem Vater, wenn Jesus, unser Herr, mit allen Seinen Heiligen kommt.

Im übrigen, Brüder, bitten und ermahnen wir Euch im Namen Jesu, des Herr: Ihr habt von uns gelernt, wie ihr leben müßt, um Gott zu gefallen, und ihr lebt auch so; werdet darin noch vollkommener! Ihr wißt ja, welche Ermahnungen wir euch im Auftrag Jesu, des Herrn gegeben haben.

Da das Evangelium obligatorisch ist, durfte ich wenigstens hören: „Wenn all das beginnt, dann richtet euch auf, und erhebt eure Häupter, denn eure Erlösung ist nahe.“

Da wäre ja noch einiges zu retten gewesen. Aber die Predigt – oder besser: die Kinderkatechese – war ja dermaßen flach! Einziger Bezugspunkt zu den Texten der Lesungen waren „die Sterne“, die er auf den Stern von Bethlehem bezog. Und, flupps, war der Bogen vom eschatologisch-apokalyptischen Evangelium zu Weihnachten geschlagen: Der Stern von Bethlehem. Fazit: Gott ist der Stern, der uns Orientierung gibt. Ist ja nicht falsch – aber am ersten Adventssonntag doch etwas zu flach.

Aber damit nicht genug. Am Abend wollte ich diesen Mangel aus der Messe in der kleinen Adventsfeier in der Familie ausgleichen. Aber habe ich in den ganzen Kinderbibeln überhaupt irgendwas eschatologisches oder gar apokalyptisches gefunden? Selbst bei der Sintflutgeschichte wird der Grund für die Sintflut, der Ärger Gottes über das Böse der Menschen und die Absicht, den Menschen zu vernichten, unterschlagen. Stattdessen ist viel von „Gottes schwimmendem Zoo“ die Rede. So verlieren Sintflut und Regenbogen natürlich völlig ihre typologische Kraft auf Taufe und den Neuen Bund hin… Letztlich fand ich nur in einer einzigen Kinderbibel, die mir aus freikirchlichem Kontext zu stammen scheint, wenigstens ein wenig aus der Offenbarung des Johannes: Die 24 Ältesten, die 4 apokalyptischen Reiter und die Vision vom Himmlischen Jerusalem. Allerdings fehlt auch in dieser etwa Daniels Vision vom Menschensohn.

Meine Güte! Was ist denn so schlimm an der Wiederkunft, daß man sie anscheinend keinem zumuten kann?! Ich, als Apokalyptiker, fühle mich jedenfalls diskriminiert. Und jetzt seid ihr bitte alle ganz betroffen!