Moral

Der Weg zur Vollkommenheit führt über das Kreuz. Es gibt keine Heiligkeit ohne Entsagung und geistigen Kampf [Vgl. 2 Tim 4]. Der geistliche Fortschritt verlangt Askese und Abtötung, die stufenweise dazu führen, im Frieden und in der Freude der Seligpreisungen zu leben.

„Wer aufsteigt, hört nie auf, durch endlose Anfänge von Anfang zu Anfang zu schreiten. Wer aufsteigt, hört nie auf, zu ersehnen, was er schon kennt“ (Gregor von Nyssa, hom. in Cant. 8).

Katechismus der Katholischen Kirche, 2015

Vor dem Kommen Christi muß die Kirche eine letzte Prüfung durchmachen, die den Glauben vieler erschüttern wird. Die Verfolgung, die ihre Pilgerschaft auf Erden begleitet, wird das „Mysterium der Bosheit“ enthüllen: Ein religiöser Lügenwahn bringt den Menschen um den Preis ihres Abfalls von der Wahrheit eine Scheinlösung ihrer Probleme. Der schlimmste religiöse Betrug ist der des Antichrist, das heißt eines falschen Messianismus, worin der Mensch sich selbst verherrlicht, statt Gott und seinen im Fleisch gekommenen Messias.

Katechismus der Katholischen Kirche, 675

Wenn Deckers nur halb so sachlich geblieben wäre wie Jörg Bremer, hätte ich nicht mal im Traum an eine Abokündigung gedacht. Möge „jöb“ ein würdiger Nachfolger für „hjf“ werden!

Den römischen Unmut über die Deutschen Bischöfe kann ich gut nachvollziehen. Wenn man weiß, daß Bischof Mixa ein Alkoholproblem hat, sollte man doch auch entsprechend nachsichtig auf ihn reagieren, anstatt ihm Vorlagen zu bieten… Und ja, dem Menschen Walter Mixa muß geholfen werden.

Da kommt man nach einem internet- und nachrichtenfreien Wochenende nach hause, denkt sich nichts böses und schlägt die Zeitung auf — und liest:

„Benedikt XVI. wusste von schwerwiegenden Verfehlungen Mixas. Alkoholsucht und sexuelle Übergriffe / Gute Ratschläge waren jahrelang abgeprallt“

MOMENT MAL?! Startet die FAZ jetzt einen Angriff auf den Papst??? Noch dazu mit einer Schlagzeile, die nach Bild klingt? Nein, nicht ganz. Am Ende des Artikels wußte ich: Die Ratschläge waren nicht am Subjekt, sondern am Genitivobjekt der Hauptschlagzeile abgeprallt. Aber hallo!

Legten nicht dereinst die bei der FAZ wert auf korrektes und eindeutiges Deutsch? Gut, in der Internetversion gab es schon so einiges, was dem Anspruch der FAZ nicht wirklich entsprach, und auf den hinteren Seiten der gedruckten Fassung kam es schon ab und an zu Aussetzern. Aber auf der ersten Seite beim Untertitel des Aufmachers?! Honi soit qui mal y pense. Entweder sind die jetzt doof oder böswillig. Jedenfalls habe ich mir ernsthaft überlegt, das Abo zu kündigen, aber die Tagespost ist kein wirklicher Ersatz für die FAZ. Trotzdem finde ich es traurig, daß meine einst so geliebte FAZ langsam aber sicher den Bach runtergeht. Als es zu dem Titelbild kam, hieß es noch, der Inhalt ändere sich ja dadurch nicht. Nö, der hatte sich wohl schon vorher zu verändern begonnen.

Ich schweife ab. Der Artikel von Daniel Deckers war zudem sowas von schlecht, daß ich es trotz der breiten Rezeption bisher nicht übers Herz gebracht habe, mir auch noch den längeren FAS-Artikel anzutun. Auch ist der Kommentar von Günther Nonnenmacher, der die berechtigte Frage stellt, warum nicht viel früher gehandelt wurde, wenn das alles seit Jahren bekannt gewesen sein soll, kein wirkliches audiatur et altera pars. Ich vermisse Heinz-Joachim Fischer als Ruhepol und Gegengewicht gegen den Aktivisten Deckers. „hjf“ hatte es damals tatsächlich geschafft, völlig neutral oder gar fast mit gewissem Wohlwollen die Aufhebung der Exkommunikation der Pius-Bischöfe zu berichten, während D.D. ein paar Seiten weiter bereits zum Sturmangriff blies…

Nein, das ist alles nicht mehr schön. Da hilft nur noch die Flucht ins Absurde.

Ach, ja, was lese ich eigentlich CiG! Bin ich ja selbst schuld, wenn mir dann sowas wie die „A Serious Man“-Rezension über den Weg läuft (Michael Schromm: Geh nicht zum Rabbi? CiG Nr. 7/2010 vom 14.2.2010 – ja, ich gebe zu, das ist schon etwas älter *g*). Vielleicht bin ich ja Masochist oder ich brauche einfach was, um meinen Kreislauf anzuregen…

Während selbst in den Telepolis-Foren anhand der Filmrezension und des Hiob-Verweises ansatzweise gesittet (für TP-Verhältnisse halt) über religiöse Fragen diskutiert wurde (und seeehr interessante Einblicke in das ermöglichte, was viele Außenstehende offenbar für christlichen Glauben halten), weist Schromm den religiösen Gehalt des Filmes gleich ganz zurück, vielmehr sei er „auf eine zynische Weise atheistisch“.

Was ist denn bloß aus CiG geworden? Sonst wurde da doch selbst in den abstrusesten Werken noch irgendein „kritisches Potential“, „humanisierende Kraft“ oder sowas gefunden?! Jetzt wird zynischer Atheismus plötzlich kritisiert?

Das läßt mich doch schonmal reflexartig vermuten, daß der Film eben doch nicht (nur) zynisch atheistisch ist. Zynisch vielleicht, aber nicht mehr als das Buch Hiob. Atheistisch möglicherweise, jedenfalls versucht der Film nicht gerade den lieben Gott einen guten Mann sein zu lassen. Aber zynisch atheistisch?!

Schromm verweist darauf, daß die Rabbis als Witzfiguren dargestellt werden – aber ist das nicht auch mit den Freunden Hiobs so? Da ist es sogar Gott selbst, der sie (indirekt) als Witzfiguren tadelt. Mit dem Prolog kann er auch nicht mehr anfangen, als ihn als zynischen Witz zu verurteilen.

Ist das so schwer zu erkennen, daß den Film und Hiob miteinander verbinden, daß hier auf eine zwar völlig überzeichnete, aber dafür um so durchschlagendere Weise gerade das einseitige Bild eine nur gütigen und allmächtigen Gottes, der es allen irgendwie rechtmachen soll, aber keinem weh tun darf, in Frage gestellt wird? Ein solches Gottesbild mag der Film tatsächlich zynisch bekämpfen. Aber ist das atheistisch? Oder müßten wir Christen das nicht gerade um unseres Glaubens willen eigentlich genauso machen?

Nicht daß ich falsch verstanden werde: Ich meine nicht, daß „A Serious Man“ oder Hiob tatsächlich Gott in Frage stellten, wie es Schromm interpretiert („Religion unter Sinnlosigkeitsverdacht“). Aber ich meine schon, daß die Welt, das Leben, das Universum und der ganze Rest einfach als von Gott gut geordnet darzustellen, völlig weltfremd und lächerlich ist. Aber klar, das wiederum kann einem CiG-Redakteur vermutlich nicht schmecken. Müßte er ja womöglich anfangen, über Erbsünde nachzudenken. Und daß die post-christlich postmodernen Menschen etwas sagen könnte? Μη γενοιτο!

Wir sollen durch das Gute und Schöne Gott erkennen, wird es in einem Fastenhirtenbrief heißen. Das liegt ja auch auf der platonisch geprägten theologischen Linie unseres Papstes. Aber ich weiß nicht… Irgendwie bin ich da aristotelischer drauf (wie passend, am Fest des hl. Thomas von Aquin 🙂

Natürlich kann ich Gutes und Schönes in der Welt entdecken, und, ja, das ist für mich auch auf den Schöpfer hin durchsichtig (meistens, mehr oder weniger). Aber meine Erfahrung (Aristoteles läßt grüßen 🙂 erschöpft sich nicht im Guten und Schönen. Sie ist zu einem nicht geringen Teil von Negativem geprägt, das gerade im Kontrast zum Schönen und Guten den Schöpfer in Frage zu stellen scheint.

Nun hat der Glaube darauf ja durchaus Antworten, die heute leider nicht mehr in ihrer Tiefe verstanden zu werden scheinen, geschweigedenn herausgekehrt werden. Dabei habe ich schon den Eindruck, daß genau darauf viele Menschen unbewußt warten.

In nämlichem Fastenhirtenbrief wird das Ausgießen von Häßlichem und Obszönem in der Kunst beklagt, die es nicht einfacher machten, das Gute und Schöne zu entdecken und dadurch den Schöpfer. Vielleicht ist das nicht ganz falsch. Vielleicht verhindert das Häßliche und Obszöne tatsächlich die Gotteserkenntnis.

Aber das ist doch die Erfahrung von der ich ausgehen muß! Wenn ich das nur beklage (der Fastenhirtenbrief wird an späterer Stelle darüber hinaus- und durchaus auf Leid und Kreuz eingehen), dann wirkt das doch, als ob ich mich der Wirklichkeit verweigerte. Insofern bin ich doch mal bei der „Politischen Theologie“ (deren Konsequenzen ich nicht wirklich teile). Auch wenn „Theologie nach Auschwitz“ inzwischen reichlich ausgelutscht ist, ohne ein verwertbares Ergebnis hervorgebracht zu haben (wollte sie, wenn ich sie richtig verstanden habe, auch gar nicht, sondern nur alle vorschnellen Antworten destruieren), hat sie in dem Punkt recht, daß wir das Häßliche und Obszöne nicht einfach als „ideologisch unpassend“ beiseiteschieben können (denn wenn wir das machen, wird aus unserem Glauben tatsächlich eine Ideologie).

Das Häßliche und Obszöne in der Kunst: Ist es nicht gerade auch Ausdruck der Wirklichkeitserfahrung, die eben den Schöpfer radikal in Frage zu stellen scheint? Ist die Klage darüber nicht vielleicht das Einschlagen auf den Boten, der die unangenehme Botschaft überbringt? Gerade weil man sich seiner Antwort gar nicht so sicher ist? Gerade weil man spürt, daß hier vom Schöpfer als dem Richter die Rede sein müßte, man das aber nicht sagen will (ein wenig zu viel Balthasar scheint mir im weiteren des besagten Hirtenbriefes auch durch)?

Das Häßliche und Obszöne in der Kunst spricht mich tw. durchaus an. Vor allem gibt es dort eine mitunter verstörende Schönheit zu entdecken, die viel tiefere, weil erhabene Schönheit ist, und so wiederum eine erstaunliche Nähe zu gewissen Ästhetiken kirchlichen Ursprungs aufweist.

Wenn ich mir was zum heutigen Fest wünschen darf: Daß die christliche Kunst die Erhabenheit wiederentdecke!

Am 1. Januar 2010 tritt eine Gesetzesänderung zu Spätabtreibungen in Kraft. Wesentlicher Kern des Gesetzes ist die Ausdehnung der Beratungsregelung auf die sogenannte medizinische Indikation. Solange nicht unmittelbarer Lebensgefahr abgeholfen werden muß, darf der diagnostizierende Arzt jetzt erst drei Tage nach der Diagnose das Voliegen der medizinischen Indikation nach § 218b, Absatz 1 StGB schriftlich beurkunden. Zudem muß die Schwangere dem Arzt bestätigen, daß er seiner Beratungspflicht nachgekommen ist. Diese Beratungspflicht umfaßt unter anderem die Erörterung der medizinischen und psychosozialen Aspekte, die sich aus der Diagnose ergeben, der möglichen medizinischen, psychischen und sozialen Fragen sowie der Möglichkeiten zur Unterstützung bei psychischen und physischen Belastungen. Schließlich soll der Arzt die Schwangere auch auf Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen aufmerksam machen und gegebenenfalls sogar Kontakt herstellen.

Soweit so gut. Damit wird einer Klage der Ärzte abgeholfen, die sich mit der Situation in rechtlicher Unsicherheit alleingelassen fühlten. Denn bisher war der diagnostizierende Arzt in der Praxis fast immer zugleich der einzige Berater der Schwangeren, setzte er sich aber für das Leben des ungeborenen Kindes ein, lief er Gefahr, später schadensersatzpflichtig zu werden („Kind-als-Schaden-Urteil“). Nun soll es also eine Bedenk- und Beratungszeit von drei Tagen geben, und an der Beratung sollen auch andere Berater, vor allem auch Fachärzte für die diagnostizierte Behinderung des Kindes beteiligt werden.

Natürlich hängt nach wie vor viel am Engagement des einzelnen Arztes, zumal die Beratung „ergebnisoffen“ erfolgen soll. Dennoch wird deutlich, daß die ursprüngliche Absicht des Gesetzentwurfes war, die „medizinische“ Indikation, die 1995 die aus guten Gründen abgeschaffte „eugenische“ bzw. „embryopathische“ Indikation indirekt mit aufnahm, einzuschränken: Der Schwangeren soll die Möglichkeit eines Lebens mit behindertem Kind aufgezeigt, die Heilungs- und Linderungsmöglichkeiten vorgestellt und die Folgen einer Abtreibung auch und gerade für die Mutter klargemacht werden.

Daher ist auch die eigentliche medizinische Indikation von der Beratungsregelung ausgenommen: Besteht Gefahr für das Leben der Mutter, kann nach wie vor abgetrieben werden. Der Tod des Kindes ist in dieser Situation ja auch gar nicht intendiert, vielmehr handelt es sich um eine unerwünschte Nebenfolge, die mit allen Mitteln zu verhindern gesucht wird. Anders aber bei der „medizinischen“ Indikation im weiteren Sinne, die der Bezeichnung absolut Hohn spricht: Denn hier handelt es sich um ein unerträgliches rechtliches Konstrukt, durch das krampfhaft versucht wurde, die Behinderung des Kindes zwar nicht mehr als Abtreibungsgrund (eugenische oder embryopathische Indikation) erscheinen zu lassen, faktisch aber durch die Hintertür der „psychischen Gesundheitsbeeinträchtigung der Mutter jetzt oder später“ diesen Abtreibungsgrund beizubehalten. Denn eine zukünftige Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit der Mutter ist sowas von vage, daß es letztlich allein an der Entscheidung der Mutter liegt, ob abgetrieben wird oder nicht.

Am deutlichsten aber wurde die Absicht, diese de facto eugenische Indikation einzuschränken, am 4. Absatz des Gesetzentwurfs. Dieser Absatz fand aber im Bundestag keine Mehrheit und wurde in den Medien auch immer nur beiläufig mit „ach, da ging’s ja nur um Statistisches“ abgehandelt. Zwar ging es tatsächlich „nur“ um die Regeln zur statistischen Erhebung, aber die drei zusätzlichen Erhebungpunkte hatten es in sich! Denn es handelte sich um:

– vorgeburtlich diagnostizierte Fehlbildung oder Genomauffälligkeiten,
– Tötung des Embryos im Mutterleib bei Mehrlingsschwangerschaften,
– Tötung des Embryos im Mutterleib in sonstigen Fällen.

Es ging also um nicht mehr und nicht weniger als die statistische Erhebung, wieviele der nach „medizinischer“ Indikation durchgeführten Spätabtreibungen faktisch embryopathische Gründe hatten, also um die Aufdeckung der Folgen der 1995 eingeführten Hintertür! Der abgelehnte Absatz wäre also eine Zeitbombe für die Abtreibung aufgrund einer Behinderung des Kindes geworden, denn dann wäre statistisch erhoben worden, was heute nur zu vermuten ist: Daß der allergrößte Teil der Spätabtreibungen nach medizinischer Indikation de facto embryopathisch „indiziert“ ist. Diese „Zeitbombe“ wollte die Mehrheit unserer Abgeordneten gar nicht erst zu ticken beginnen lassen. Die mit Jahresbeginn in Kraft tretende Neuregelung zeigt so die ganze Heuchelei der deutschen Abtreibungsgesetzgebung.