Theologie

Im Dezember hatte ich mich schonmal ausführlicher mit dem Jakobusbrief beschäftigt, jetzt habe ich mir auch den Judasbrief mal näher angeguckt. Der Brief ist noch abgefahrener als der Jakobusbrief, und die besten Stellen hat die erste Rezeption im 2. Petrusbrief (das ganze 2. Kapitel) praktisch rausgestrichen. Nirgendwo sonst wird so hemmungslos aus den Apokryphen zitiert wie im Judasbrief.

Nun kann man ja auch das durchaus kritisch sehen (was ja der 2. Petrusbrief offenbar tat). Gerade in Verbindung mit dem Jakobusbrief deutet sich mir aber ein anderer Grund an, warum der Judasbrief (wie eben auch der Jakobusbrief) heute konfessionsübergreifend ein Schattendasein fristet: Beide Briefe sind eine Korrektur jeden allzu enthusiastischen „Jesus liebt dich“-Glaubens! Nicht nur bringen sie sehr deutlich das zukünftige Gericht zum Ausdruck, sie betonen vielmehr die Eschatologie in einem Maße, daß es geradezu weh tut. Denn die letzten Dinge haben längst begonnen, die Frevler stehen bereits unter dem Gericht, und wir sind zwar wie das aus Ägypten befreite Volk ein für alle Mal gerettet, doch stehen wir immer noch in der Gefahr, wie die Murrenden in der Wüste durch Unglauben der Vernichtung anheim zu fallen.

Klar, daß das der Moderne ganz und gar nicht gefiel und sie folglich mit diesen Briefen nicht viel anfangen konnte. Aber genau das ist ihr blinder Fleck, der durch die Herrenbrüder zu Recht in Frage gestellt und hoffentlich baldigst durch die Postmoderne korrigiert wird.

Ich will Schwefelpredigten und Drohungen von Fegefeuer und ewiger Verdammnis. Ich will eine Kirche, die ihre Mitglieder über den schmalen Pfad des Lebens peitscht und unmißverständlich darlegt, dass der Rest der Welt der ewigen Finsternis entgegengeht.

Über diese (und weitere) Sätze über eine „Toleranztheologie, bei der die Grenze zwischen Recht und Unrecht verschwimmt“ aus Anne Holts Krimi „Ein norwegische Gast“ werden an einem Ort zitiert, an dem man sowas ganz sicher nicht erwartet hätte: der „Christ in der Gegenwart“ vom 31.01.2010.

Thomas Meurer kommentiert zunächst in einer Art „captatio benevolentiae“, jeder Leser dieser Zeilen würde wohl zunächst „schlucken müssen, weil er eine solche Theologie und ein solches Kirchenbild einer eher unheilvollen Vergangenheit zuschreibt“. Und natürlich sei zu berücksichtigen, daß es sich ja nur um die Aussagen einer Romanfigur handelt.

Dann aber holt er aus: Könne es nicht sein, daß die Autorin hier die gegenwärtige Theologie daran erinnere, daß es auch Menschen gibt, die einer „alle und alles verstehenden Umarmung eher kritisch gegenüberstehen“? Die eine „leidenschaftliche, entschiedene und auch bewertende kirchliche Verkündigung wünschen“? Es könne schon sein, so schließt er, daß „von der Kirche genau das erwartet wird, was sie sich manchmal am wenigsten traut“.

Daß ich so etwas in CiG lesen darf, verstärkt meinen Eindruck, daß es mit der Theologie langsam wieder bergauf geht. Als ich die Zeitschrift damals im Studium mal im Probeabo hatte, war mir schon nach zwei Ausgaben klar, daß ich das einfach nicht ertrage – auch auf die Gefahr hin, „dumm“ zu sterben (oder eben Außenseiter zu sein). Wenn aber sogar dort schon Zweifel am blind-anbiedernden Kurs geäußert werden kann, bleibt eigentlich nur noch Publik-Forum als zu schleifende Bastion. 😉

Nachtrag auf besonderen Wunsch Elsas: Der Artikel heißt „Ich will nicht umarmt werden“ und steht auf Seite 51.

Eigentlich hatte ich in Anknüpfung an das Posting über das Häßliche und Obszöne an eine kleine Hommage an H.R. Giger (u.a. der künstlerische Vater des Alien) gedacht, der just heute 70 wird. Allerdings war ich mir dann doch nicht sicher, ob ich selbst die jugendfreien Bildern allen meinen Lesern unvorbereitet zumuten kann… ;-P

Darum also doch ein Posting zu einem Artikel, über den ich mich heute geärgert habe (Wolfgang Pauly, Mission – Inkulturation – reziproke Interkulturation. Aspekte zur Begegnung zwischen Christentum und anderen Kulturen, in Orientierung 73, 2009, 123-125):

Uargh! Wie soll das mit der Inkulturation denn funktionieren, wenn sie offenbar bedeutet, möglichst viel über Rom und europäische Theologie zu schimpfen – obwohl man sie offenbar gar nicht verstanden hat?! Dient „Inkulturationstheologie“ nur dazu, das eigene Unwissen zu kaschieren?

Das „Prinzip der Relationalität“ (in der pseudo-südamerikanischen „andinen Philosophie“, die sich natürlich ein in Südamerika lebender Europäer ausgedacht hat, natürlich in Anknüpfung an das Denken der Indios; ist wohl nur zufällig total modern) paßt so wunderbar zur mittelalterlichen Metaphysik, daß es geradezu ein Irrsinn ist, wenn als Fazit Gott nicht mehr als „das Absolute“ anerkannt werden kann, weil das bedeutete, daß Gott aus aller Relationalität herausfalle und folglich nicht das volle Sein, sondern Nichts sei. Daß die aristotelische Metaphysik bezüglich der Eigenschaft Relation (Beziehung) so ihre Schwächen hat, d’accord. Aber kein geringerer als Thomas von Aquin selbst baute seine Trinitätstheologie genau auf der nun als wesensbestimmend verstandenen Relation auf, die nach Aristoteles die schwächste aller Akzidenzien ist!

Und so hat Thomas die Relation dermaßen aufgewertet, daß sie mit der „andinen Philosophie“ locker flockig kompatibel wäre – wenn man denn nur wollte und Gott Gott sein ließe: Denn als der Absolute – und der damit tatsächlich aus der dieser Welt immanenten Relationalität Herausfallende – ist Gott gerade Grundlage und Möglichkeitsbedingung von Beziehung, Relationalität! Man müßte ihn dann halt nur als Schöpfer und die Beziehung zu ihm als eine besondere, nicht gleichberechtigte, sondern asymmetrische anerkennen.

Vielleicht sollte man da mal mit Theologie und nicht mit (meist auch noch idealistischer) Philosophie rangehen. Dann klappt’s womöglich auch mit der Inkulturation. Doch irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, daß das gar nicht gewollt ist, daß die „Inkultutrationstheologie“ aktiv an der Destruktion einer bestimmten kulturellen Ausprägung des Christentums, nämlich der römischen, gearbeitet wird. Was sollte sonst etwa der (selbst im Kontext von Inkulturationstheologie) völlige Quatsch, Inkulturationsergebnisse von sonstwo nach Europa, also einen ganz anderen kulturellen Raum, importieren zu wollen? Statt dem verdammten Eurozentrismus jetzt also Eurorelativismus…

Nachtrag: Wenn sich sogar die Kritik an „auf die konkreten Wünsche für ein gelingendes diesseitiges Leben“ ausgerichteten neuen religiösen Bewegungen in Japan einzig und allein auf „die Nähe mancher Gruppe zu ultrakonservativen politischen Bewegungen und deren meist unhinterfragtes Autoritätsverständnis“ (S. 124) beschränkt, fällt mir zu dieser Theologie- und Transzendenz-, ja Gottesvergessenheit echt nichts mehr ein – außer: Wo ist hier eigentlich die geforderte vorurteilsfreie Offenheit gegenüber einer fremden Kultur?

Nach dem sehr lesenswerten Interview mit Weihbischof Dr. Hauke vom Dezember schockierte mich die Herderkorrespondenz in der Februarausgabe nun mit einem Artikel von Prof. Dr. Hubert Frankemölle. Da steht doch allen Ernstes drin:

Konkreter Anlass war die neugefasste Karfreitagsfürbitte „Für die Juden“ für den außerordentlichen Ritus, eigenhändig verfasst von Benedikt XVI., veröffentlicht am 4. Februar 2008. Darauf erhob sich bei Juden und Christen, Katholiken nicht ausgenommen, internationale Kritik, die im Februar/März in Empörung umschlug. Man gewann den Eindruck, dass nach dieser Textform Juden nur durch Jesus Christus zum Heil gelangen könnten. Jedenfalls war es für Juden schwer, die Fürbitte anders zu interpretieren, selbst wenn sie eschatologisch, das heißt auf die Zeit am Ende der Welt hin gelesen werde.

Nun kann ich das sehr gut nachvollziehen, daß man diese Textform gar nicht anders verstehen kann, denn an Christus vorbei kann keiner gerettet werden. Was mich daran schockiert, ist weniger die Auffassung an sich, es gebe einen Extraheilsweg für die Juden, als vielmehr daß ein katholischer Neutestamentler in der Herderkorrespondenz etwas schreiben kann, das mehr als nur suggeriert, daß er diese Auffassung teilt – und das, nachdem die deutschen Bischöfe in seltener Deutlichkeit genau diese Auffassung zurückgewiesen haben.

Wie soll das ausgerechnet bei den Juden denn funktionieren? Selbst wenn man voraussetzte, daß es auch Heil an Christus vorbei geben könnte – was bliebe denn vom Christentum übrig, wenn ausgerechnet diejenigen, zu denen Christus gesandt war, ohne Ihn gerettet werden können?! Warum hätte sich Paulus vor Damaskus bekehren sollen?! Warum hätte er zuvor überhaupt die Christen verfolgen sollen, wenn Christus und das Christentum für ihn als Juden völlig irrelevant gewesen wäre?!

Und mal ’ne ganz blöde Frage nebenbei: Selbst wenn es wohl nicht ausdrücklich dogmatisiert ist – ist „ohne Christus kein Heil“ nicht de fide? …propter nos homines et propter nostram salutem descendit de caelis… Ich mein ja nur.

Da ist es mir doch tatsächlich passiert, in eine Messe zu geraten, in der der Priester glatt die Statio „vergessen“ hat. Ob er sie jetzt wirklich vergessen oder bewußt weggelassen hat, sei mal dahingestellt, ich tendiere eher zu tatsächlich vergessen, da er anfangs etwas verwirrt wirkte.

„Der Herr sei mit euch.“
„Und mit deinem Geiste.“
„Laßt uns bekennen, daß wir gesündigt haben.“

Rummmmmms! Wer (wie ich) bis dahin noch nicht ganz angekommen war (bin erst kurz vor knapp gekommen), bekam gleich die volle Breitseite ab. In der Erwartung einer irgendwie frommen, mehr oder weniger geistreichen tagesaktuellen Einlullung fühlte sich das echt an wie eine gut gezielte Rechte. Paff! Erst zur Lesung hatte ich mich wieder halbwegs gefangen.

So ist mir schmerzhaft bewußt geworden, wie wichtig es ist, rechtzeitig vor der Messe dazusein und anzukommen, erst die alltäglichen Sorgen und Belastungen loszuwerden, bevor die Messe beginnt. Die forma ordinaria kennt halt keinen Psalm „Judica“.

Allerdings weiß ich gar nicht mehr so richtig, ob ich mir den jetzt noch wirklich wiederhaben will. Sicher, die Kombination aus „Schaffe mir Recht…“ und „Ich bekenne…“, dieser Ausdruck der doppelten Erfahrung des Bösen, nämlich als Opfer und als Täter, hat was, und die einseitige Betonung nur des Täterseins, die man auch so schnell wie möglich hinter sich bringen will (es gibt Liturgiewissenschaftler, die den Bußakt viel zu lang und unpassend finden, ihn am liebsten ganz streichen würden), habe ich immer für etwas scheinheilig gehalten. Ohne Statio aber hat das Confiteor (bzw. schon die Aufforderung dazu) eine unheimlich Eindringlichkeit.

Wenn ich dadurch eins gelernt habe: Bloß nicht kurz vor knapp kommen.

Nachtrag zur Lebenswende:

Kernargument dafür, daß in der Lebenswendefeier recht wenig von christlichen Kernwahrheiten die Rede ist, war ja, daß der Zielgruppe überhaupt erstmal die Grundlagen für diese Wahrheiten, nämlich die Denkmöglichkeit von Transzendenz, nähergebracht werden muß. Jetzt bin ich über ein Interview mit Weihbischof Dr. Hauke in der Herder-Korrespondenz 12/2009 (610-615) gestolpert, das das indirekt aus seinem Munde bestätigt:

Wie soll man draußen erzählen, was einem selbst wichtig ist? Man weiß das zwar alles schon, rein theoretisch. Dies aber zu formulieren ist äußerst schwierig, erst recht gegenüber Menschen, die keinerlei oder kaum Kenntnis vom christlichen Glauben besitzen. In der öffentlichen Verkündigung müssen wir so immer wieder verinnerlichen, dass wir es mit Menschen zu tun haben können, die keinen religiösen Hintergrund haben. Wir können deshalb nicht ohne weiteres beispielsweise von Gnade, Sühne, Barmherzigkeit reden; das wird im außerkirchlichen Bereich kaum verstanden.

[…]

Vor allem im Umgang mit erwachsenen Taufbewerbern spüre ich immer wieder, wie ich um Worte ringe. In der gemeinsamen Bibellektüre mit den Taufbewerbern versuche ich dann zuerst den Horizont zu weiten auf ein geschichtliches Denken, auf dieses sinn-deutende Denken der Bibel hin.Wir dürfen dabei aber nicht nur die Schwierigkeiten sehen. Durch dieses Herausgefordertsein in einem nichtreligiösen Umfeld klärt sich auch vieles für uns Christen selbst, was den eigenen Glauben angeht.

[…]

Der Religionsunterricht ist eine große Chance, Menschen mit dem Glauben bekannt zu machen, freilich zunächst auf der Informationsebene. Wir müssen erklären, was Christen glauben, was ihr Leben sinnvoll macht. Wir sagen den Schülern zuallererst, dass es sinnvoll ist, sich mit dem Glauben zu beschäftigen, um in einer christlich geprägten Kultur zurechtzukommen. […] Natürlich aber müssen wir auch damit rechnen, dass viele das lediglich zur Kenntnis nehmen, es sie dann aber nicht weiter berührt. Bei manchen aber entsteht daraus die Frage nach dem Sinn des Ganzen.

[…]

Wenn ich diese [missionarischen] Projekte vorstelle, betone ich zunächst immer, dass sich, was in Erfurt beispielsweise möglich ist, nicht überall eins zu eins übersetzen lässt. Entscheidend ist, dass wir lernen, quasi von außen zu schauen, was Kirche tut. Das ist sehr heilsam.Wir müssen uns doch beispielsweise immer wieder fragen, mit welchen Worten wir formulieren, was uns wichtig ist. Oder gucken wir uns doch beispielsweise einmal die Schaukästen unserer Gemeinden an. Was findet dort jemand, der bislang keinen Kontakt zur Kirche hat und wissen möchte, was katholische Kirche eigentlich ist? Wir müssen uns viel öfter noch von außen anschauen und fragen, ob wir wirklich verständlich sind. Schreiben wir doch in Schaukästen und auf die Gemeinde-Homepage, was Fronleichnam oder Pfingsten für uns bedeutet!

Das Interview ist übrigens auch darüber hinaus durchaus lesenswert, da geht’s auch um andere missionarische Projekte (übrigens sogar das Kolumbarium! – deshalb geht es allerdings gerade nicht um die Frage der Feuerbestattung) und deren Hintergründe. Nett war etwa:

In dem „Buch der Anliegen“ im Dom stand jüngst: „Gott ich glaube nicht an Dich, aber pass’ auf meine Oma auf, die jetzt im Himmel bei Dir ist.“ Natürlich lässt sich sagen, dass das widersprüchlich ist: Ich habe die Sehnsucht nach Geborgenheit, aber ich habe auch Angst vor der Konsequenz, dass, wenn ich mich öffne und sage, es gibt einen Gott, ich mich ja auch ein bisschen um diesen Gott kümmern muss. Wir als Kirche sollten uns aber immer fragen, wie hoch unsere Schwellen sind, und ob es uns gelingt, den Menschen zu zeigen, dass sie etwas gewinnen können und nicht nur, dass sie etwas verloren haben.

Und dann gibt’s noch zwei volle Breitseiten:

Ich erlebe derzeit viel zu viel Verlustangst in der Kirche und die Angst, sich auf Neues einzustellen. Es herrscht ein Geist der Besitzstandswahrung. Dabei merkt man, dass es nicht weiter geht wie bisher, Gesellschaft und Kirche verändern sich so schnell. Die Kirche in Deutschland erlebt einen echten Umbruch und vielleicht sind wir in den neuen Ländern in diesem Prozess schon etwas weiter. Wir Christen sind herausgefordert, neu zu denken und das Wertvolle unseres Glaubens neu zu sehen. Es ist keine Katastrophe, man kann auch in der Diaspora als Christ leben. Kirche kann auch in dieser Situation existieren, uns droht nicht der Super-GAU. Das zu akzeptieren und zu verstehen ist entscheidend, damit wir uns nicht lähmen lassen. Die Anfrage eines Menschen von außen, der mich ganz unvorbelastet nach der Kernaussage des Christentums fragt, darf mich nicht in Empörung verstummen lassen. Ich brauche keine Angst zu haben vor den Fragen der Menschen.

[…]

In zehn oder zwölf Jahren werden wir keine Pfarrer mehr an jedem Ort haben, auch dort nicht mehr, wo heute noch welche sind. Wir müssen also die Gemeinden langsam wieder damit konfrontieren, dass der Hirt der Gemeinde Christus selbst ist. Christus leitet die Gemeinde. Ich wage zu sagen: Dass Christus das Zentrum der Gemeinde ist und nicht der Pfarrer, das haben die Gemeinden und auch viele Pfarrer selbst viel zu sehr verdrängt.

Teil I, Teil II

Wie in Teil II angekündigt nun also der Bericht zu den Erfahrungen mit einem meiner Kindermeßbücher aus alten Tagen: Eleonore Beck und Gabriele Miller, Bilder von Irene Schreiber: Heilige Messe. Ein Buch für Kinder; Butzon & Bercker
(Kevelaer), 5. Auflage 1967.

Ich weiß, daß ich als Kind mit diesem Buch auch eher weniger anfangen konnte, und genauso scheint es meinem Sohn gegangen zu sein. Dabei finde ich es bei genauerer Betrachtung sogar ziemlich gut. Es setzt aber offenbar ältere Kinder oder zumindest schon mehr Vorwissen voraus, überfordert einen Sechsjährigen wohl noch. Bilder und Texte dazu sind vom Platzumfang auch etwa gleichgewichtig (halbe/halbe). Hinzu kommt die Besonderheit des Erscheinungsjahres.

Denn 1967 war nun wirklich eine besondere Zeit in der Liturgiegeschichte, und das spiegelt sich in dem Buch wieder. Es ist von der Struktur noch völlig auf die vorreformierte Form ausgerichtet, die Bilder zeigen jedoch schon die Zelebration versus populum – mit der Einmaligkeit, daß der Priester dabei Manipel trägt. Das ging nun wirklich nur eine halbe Dekade lang.

Die Mängel des neueren Buchs aus Teil I hat das hier freilich nicht, erst durch die veränderte nachreformerische Liturgie ergeben sich überhaupt nennenswerte Auslassungen (etwa die Fürbitten). Dafür versuchen die Bilder zum Ausdruck zu bringen, daß die Messe vor allem auch ein geistiges Geschehen ist, sie versuchen vom irdischen Geschehen auf Himmlisches oder zumindest Überzeitliches hin zu überschreiten.

Als katastrophal erwies sich freilich das Hochgebet: Der alte römische Kanon ist in dem Buch in seiner ganzen Schönheit bebildert, so daß mein Sohn natürlich keinen Zusammenhang zwischen den Bildern im Buch und dem vom Priester Gebeteten herstellen konnte. Also war ich ständig am Vor- und Zurückblättern. Und das saugt ja dermaßen…

Zwar weiß ich nicht, ob das auch für meinen Sohn der Grund war, das Buch doof zu finden (was ich schade finde), aber, wie gesagt, kann ich mich erinnern, daß ich als Kind damit auch nichts anfangen konnte. Vielleicht wäre das eher was nur für zu hause, denn da steckt einiges Potential drin.

Und das sage ich jetzt nicht (nur), weil es ausdrücklich eschatologisch endet. 😉

Wir sollen durch das Gute und Schöne Gott erkennen, wird es in einem Fastenhirtenbrief heißen. Das liegt ja auch auf der platonisch geprägten theologischen Linie unseres Papstes. Aber ich weiß nicht… Irgendwie bin ich da aristotelischer drauf (wie passend, am Fest des hl. Thomas von Aquin 🙂

Natürlich kann ich Gutes und Schönes in der Welt entdecken, und, ja, das ist für mich auch auf den Schöpfer hin durchsichtig (meistens, mehr oder weniger). Aber meine Erfahrung (Aristoteles läßt grüßen 🙂 erschöpft sich nicht im Guten und Schönen. Sie ist zu einem nicht geringen Teil von Negativem geprägt, das gerade im Kontrast zum Schönen und Guten den Schöpfer in Frage zu stellen scheint.

Nun hat der Glaube darauf ja durchaus Antworten, die heute leider nicht mehr in ihrer Tiefe verstanden zu werden scheinen, geschweigedenn herausgekehrt werden. Dabei habe ich schon den Eindruck, daß genau darauf viele Menschen unbewußt warten.

In nämlichem Fastenhirtenbrief wird das Ausgießen von Häßlichem und Obszönem in der Kunst beklagt, die es nicht einfacher machten, das Gute und Schöne zu entdecken und dadurch den Schöpfer. Vielleicht ist das nicht ganz falsch. Vielleicht verhindert das Häßliche und Obszöne tatsächlich die Gotteserkenntnis.

Aber das ist doch die Erfahrung von der ich ausgehen muß! Wenn ich das nur beklage (der Fastenhirtenbrief wird an späterer Stelle darüber hinaus- und durchaus auf Leid und Kreuz eingehen), dann wirkt das doch, als ob ich mich der Wirklichkeit verweigerte. Insofern bin ich doch mal bei der „Politischen Theologie“ (deren Konsequenzen ich nicht wirklich teile). Auch wenn „Theologie nach Auschwitz“ inzwischen reichlich ausgelutscht ist, ohne ein verwertbares Ergebnis hervorgebracht zu haben (wollte sie, wenn ich sie richtig verstanden habe, auch gar nicht, sondern nur alle vorschnellen Antworten destruieren), hat sie in dem Punkt recht, daß wir das Häßliche und Obszöne nicht einfach als „ideologisch unpassend“ beiseiteschieben können (denn wenn wir das machen, wird aus unserem Glauben tatsächlich eine Ideologie).

Das Häßliche und Obszöne in der Kunst: Ist es nicht gerade auch Ausdruck der Wirklichkeitserfahrung, die eben den Schöpfer radikal in Frage zu stellen scheint? Ist die Klage darüber nicht vielleicht das Einschlagen auf den Boten, der die unangenehme Botschaft überbringt? Gerade weil man sich seiner Antwort gar nicht so sicher ist? Gerade weil man spürt, daß hier vom Schöpfer als dem Richter die Rede sein müßte, man das aber nicht sagen will (ein wenig zu viel Balthasar scheint mir im weiteren des besagten Hirtenbriefes auch durch)?

Das Häßliche und Obszöne in der Kunst spricht mich tw. durchaus an. Vor allem gibt es dort eine mitunter verstörende Schönheit zu entdecken, die viel tiefere, weil erhabene Schönheit ist, und so wiederum eine erstaunliche Nähe zu gewissen Ästhetiken kirchlichen Ursprungs aufweist.

Wenn ich mir was zum heutigen Fest wünschen darf: Daß die christliche Kunst die Erhabenheit wiederentdecke!

Nach dem gestrigen Post darf ich mich ja eigentlich nicht beschweren, aber diejenigen, über die ich mich beschweren will, dürften den Post gar nicht gelesen haben, also heul ich jetzt doch mal rum.

Ich wurde jetzt schon mehrfach mehr oder weniger direkt gefragt, ob ich Traditionalist bin. Und nein, ich bin kein Traditionalist; zumindest verstehe ich mich selbst nicht als solcher. Was ist denn eigentlich ein Traditionalist?

Wolfgang Beinert hat vor gut 15 Jahren mal folgende Differenzierung vorgeschlagen, der ich mich im wesentlichen anschließen würde. Demnach gebe es zwei Pole, zwischen denen sich die Kirche immer bewegen müsse, nämlich Identität und Relevanz (man könnte auch sagen: Tradition und Gegenwart). Denn nicht alles, was zur (vermeintlichen) Identität gehört (also zu den Traditionen), ist tatsächlich relevant (auch für die Identität!). Als Beispiel wäre etwa der Kirchenstaat zu nennen, dessen drohender Untergang Mitte des 19. Jahrhunderts von einem Großteil der Theologen als unmöglich verleugnet wurde, da der Kirchenstaat dogmatisch notwendig sei. Untergegangen ist der Kirchenstaat trotzdem, ohne daß das Ende der Welt eingetreten wäre. Auf der anderen Seite gehört die Relevanz zur Identität: Der christliche Glaube ist per se relevant, wenn er also nicht mehr als relevant erscheint, muß irgendwo ein Fehler im System sein. So korrigieren sich die Pole Relevanz und Identität, Gegenwart und Tradition gegenseitig.

Entsprechend kann, darf und muß es immer „polarisierte“ Gläubige geben. Die einen betonen mehr die Relevanz, die anderen mehr die Identiät. Erstere bezeichnet Beinert als modern, letztere als traditional (wenn ich mich recht erinnere).

Problematisch werde es jedoch, wenn Gläubige die Berechtigung des anderen Pols leugnen, wenn also um der Relevanz willen die Identität aufgegeben wird oder die Identität so erstarrt, daß sie sich nicht mehr von der Relevanz in Frage stellen läßt. Gläubige, die den ersten Weg gehen, bezeichnet Beinert als Modernisten (vielleicht verwendete er auch einen etwas weniger belasteten Begriff, aber der Sache nach stand das so da), letztere als Traditionalisten.

Folglich müßte ich die Berechtigung des Relevanz-Pols leugnen, um Traditionalist zu sein. Das tue ich aber keineswegs. Vielmehr greife ich gerade deshalb gerne auf die Tradition zurück, weil die übermäßige Relevanzbetonung der letzten Jahrzehnte nicht gerade zu faktischer Relevanz des Glaubens in der Gesellschaft geführt hat. Wer das leugnet muß reichlich blind sein. Es ist also gerade die Relevanz der Identität, um die es mir geht. Wie kann ich dem Atheisten von nebenan klarmachen, daß es durchaus hilfreich ist zu glauben? Das schaffe ich ganz sicher nicht, indem ich als erstes sage, alles was aus Rom kommt, ist eh scheiße.

Nun erwarte ich nicht großes Jubelgeschrei vom durchschnittlichen Theologen, wenn ich diese Position vertrete. Gegen eine sachliche Auseinandersetzung habe ich nichts; sollte der andere gute Argumente haben, bin ich gerne bereit, meine Ansicht zu vertiefen. Aber was mich ernsthaft verletzt, ist die arrogante Überzeugung, man könne gar nicht anders denken als der theologische Mainstream, die in der Frage, ob ich Traditionalist sei, zum Ausdruck kommt.

Diese selbst bei vielen gleichaltrigen Theologen selbstverständliche Annahme, die (ich nenne es mal:) Verkonservatisierung der jüngeren Generation sei einfach nur ihrer Unreife geschuldet, dieser überheblich Hochmut, der darin zum Ausdruck kommt, die praktisch damit verbundene Verunmöglichung, eine abweichende Auffassung zu formulieren – das alles kotzt mich, gelinde gesagt, an.

Als sich in der Christmette zwei jungen Damen mit „Migrationshintergrund“ etwas verschämt und unsicher in die Kommunionschlange eingereiht hatten, war mir schon klar, daß die kaum katholisch sein können. So zeigte sich auch ganz deutlich, daß sie nicht wußten, was tun sollten, als sie die Kommunion gereicht bekamen. Der freundliche „Anranzer“ an die Mädels förderte dann auch ihr tatsächliches Unwissen zu Tage — und zugleich, daß sie keinerlei Absicht hatten, die Hostien zu verunehren.

Bei der Mutter, die ihrem Kleinkind die Kommunion weiterreichte, dachte ich schon eher an Böswilligkeit (zumal ich schonmal erlebt habe, wie die Kommunion an einen Hund weitergereicht wurde…). Aber siehe da: In dieser Familie war lediglich der Vater katholisch, und der hatte seine Frau in der Bank bereits „rundgemacht“.

Solche Beispiele lassen sich zwar nicht beliebig fortsetzen. Trotzdem habe ich in den letzten Wochen mehrfach erlebt, daß (nicht nur, aber) insbesondere krasses Fehlverhalten häufig auf Unwissenheit zurückzuführen ist. Wie aber geht man damit um, wenn der Zelebrant selbst sich nicht drum schert? Rechnet der nicht damit, daß sich sich Nicht-Christen in unsere Gottesdienste „verirren“?