Heute kam die Antwort vom Volkbund zum Schicksal meines Großvaters. Die profanste aller möglichen:
Es hat sich im Nachhinein herausgestellt, daß es bezüglich der Vermißtenorte und des Vermißtendatum in einigen Datensätzen zu Abweichungen gekommen ist. Aufmerksam hierauf wurden wir, wie im Falle Ihres Angehörigen, durch die Anfragen der Familienangehörigen. Die Abweichungen resultieren aus dem Umstand, daß die Angaben des DRK, um die Flut der Daten bewältigen zu können, zu sogenannten Ortsschlüsseln zusammengefaßt wurden.
Wirklich die profanste — und ärgerlichste — aller möglichen Erklärungen. Wer sich schonmal ernsthaft mit der Konsitenz von Daten auseinandergesetzt hat, weiß, daß gerade beim Transfer von unüberschaubar großen Datenmengen („Datenflut“) die korrekte Übernahme wichtig ist, da niemand im Nachhinein hingehen und alles nochmal überprüfen kann.
Um ein paar Monate zu sparen, wird auf Jahrzehnte hinweg eine fehlerhafte Datenbank in Kauf genommen. Sowas haben wir auch hier in der Unibibliothek. Da wurde die Bibliothek einer aufgelösten evangelischen Ausbildungsstätte übernommen, und weil die Bibliothek damals sowieso noch im Aufbau war und das Geld trotz allem knapp, hat man die Integration von externen Hilfskräften machen lassen, die sich offenbar nicht gerade durch theologische Fachkenntnis auszeichneten. Mit dem Ergebnis, daß Bücher nicht mehr sinnvoll gefunden werden konnten, weil sie unter falschen Notationen aufgestellt worden waren. So fand ich mal ein Buch über die Eucharistie unter BK 6150. Ohne solche Zufallsfunde ist im Nachhinein nichts mehr zu korrigieren. Und genau das Problem hat jetzt der Volksbund.
Nur daß es dort nicht um Bücher geht, die thematisch falsch aufgestellt, aber immer noch über Autor und Titel zu finden sind. Sondern um das seit über 60 Jahren ungeklärte Schicksal von Menschen, deren Angehörige plötzlich die Hoffnung haben, doch noch einmal an einem Grab stehen zu können. Ok, kann man jetzt nicht mehr ändern, aber damit ist der Datenbestand des Volksbundes plötzlich wertlos, weil man sich nie darauf verlassen kann, daß er auch korrekt ist.