Mal ganz ehrlich, bis jetzt erschien mir Pfr. Rapp als der Vernünftige im Führungstrio des BDKJ, und daß er seinen Verband gegen die Wehrpflicht positioniert, möchte ich ihm auch gar nicht verbieten, auch wenn ich froh bin, selbst „durch den Schlamm gerobbt“ zu sein. Aber das Argument, die Wehrpflicht sei „eine Einschränkung des vom Grundgesetz garantierten persönlichen Freiheitsrechts, die nur im Bedrohungsfall zu vertreten sei“, ist so ziemlich das bekloppteste, die ich je gehört habe. Und was soll das bitte bedeuten, „dass die Bundesrepublik seit Ende des Ost-West-Konflikts nicht mehr direkt bedroht und die Verteidigungsfähigkeit trotzdem gegeben sei“? In welcher Weise ist das ein Argument gegen die ja immer noch bestehende Wehrpflicht, ganz davon abgesehen, daß ich nicht glaube, daß Deutschland im V-Fall gegen wen auch immer (außer vielleicht Liechtenstein) wirklich verteidigungsfähig wäre?
Wer definiert denn bitte, wann ein Bedrohungsfall gegeben ist? Klar, im Kalten Krieg ging das leicht, aber der hieß ja nicht umsonst Kalter Krieg. Wann ist denn nun also unter den veränderten Gegebenheiten, in denen vom klassischen, in der Regel formal erklärten Krieg zwischen Staaten eigentlich nichts mehr übrig geblieben ist, ein solcher Bedrohungsfall gegeben?
Natürlich kann man darüber nachdenken, angesichts der veränderten Weltsicherheitslage die Bundeswehr komplett umzubauen, was wahrscheinlich eine Unmöglichkeit der Wehrpflicht nach sich zöge, und vielleicht wäre das sogar sinnvoll. Aber mit Freiheitsrechten hat das ja nun überhaupt gar nichts zu tun. *kopfschüttel*
Mag bekloppt klingen, ist aber die Verfassungslage. Die Wehrpflicht ist vom Grundgesetz an sich gedeckt und verfassungsrechtlich nicht angreifbar, klar. Vor dem Sinn der Verfassung ist aber die Wehrpflicht als Eingriff in die persönliche Freiheit nicht mit "jeder muß mal ran" und "hat noch keinem geschadet" und "alle müssen den Staat verteidigen" und "kostet weniger" und "sorgt für Nachwuchs" und auch nicht mit "wir wollen aus dem Krieg keinen Beruf machen" (so sinngemäß ein General gegenüber mir als Rekruten) zu rechtfertigen (schon gar nicht mit "wir brauchen die Zivis"), sondern nur mit "es geht nicht anders um unserer Sicherheit willen". Die anderen Argumente können als Argumente aber natürlich mit hineinspielen; insbesondere kann man exorbitant höhere Kosten für dieselbe Sicherheit als moralisch unmöglich bezeichnen. Aber es reicht nicht, daß Wehrpflichtlosigkeit vielleicht ein paar Tausender weniger kosten würde.
Das hat Roman Herzog in seiner bei KDVern so berühmten Rede so vertreten, wobei von den KDVern vergessen wird, daß er selbst (und zwar 1994!) davon ausging, daß die Notwendigkeit nach wie vor gegeben sei.
Und wenn Du davon ausgehst, daß wir auch mit Wehrpflicht nicht verteidigungsfähig sind (eine Aussage, die für mich, wenn sie denn stimmt, kleiner kameradschaftlicher Hinweis, unter § 14 fallen würde – bekenne mich hiermit auch der Pedanterie schuldig), dann wäre die Wehrpflicht sinnlos.
Was ich mit "bekloppt" meinte, war das Abheben auf "Bedrohungsfall". Ist eine konkrete Bedrohung bereits eingetreten, ist es ein bißchen zu spät, um sinnvoll die Wehrpflicht einzuführen.
Ich hänge dabei überhaupt nicht an der Wehrpflicht. Obwohl ich während meines Wehrdienstes den Eindruck gewonnen habe, Teile der Bundeswehr funktionieren nur noch wegen der Wehrdienstleistenden, die ein wenig gesunden Menschenverstand mitbringen. Das nur, um meine Zweifel an unserer Verteidigungsfähigkeit zu erläutern.
Im Gegenteil, ich vermute sogar, daß eine Berufsarmee in der gegenwärtigen Situation sogar zweckmäßiger wäre. (Warum werden denn nur noch etwa 15% der immer kleiner werdenden Jahrgänge eingezogen? Ich vermute, die Bundeswehr braucht einfach keine Wehrdienstleistenden mehr, schon gar nicht für 6 Monate.) Aber das hat nichts mit "Bedrohungsfall" oder nicht zu tun. Wenn's nur darum ginge, könnte man einen Bedrohungsfall ganz schnell konstruieren. Bräuchte man nur einen gewissenlosen Geheimdienst.