Am späten Abend stieß ich in der gestrigen FAZ auf einen wunderbaren Artikel auf der allerletzten Seite der Reiseblattbeilage, den ich nur empfehlen kann. (Leider gibt es ihn nicht online, bzw. nur im FAZ-Archiv: Petra Putz: „Ich bin neunzig! Das ist mein Geburtstagsgeschenk“; FAZ, 6. Mai 2010, S. R10.)
Petra Putz berichtet hier mit viel Witz, vor allem aber Einfühlungsvermögung und Liebe, von der Fahrt zu den Passionsspielen im Jahr 2000 als Begleiterin ihrer damals 90jährigen Großmutter. Die äußeren Umstände — lauter Langhaarige, Regen, Matsch, Lehm –, die ihr den Zugang über die eigene Erfahrung (Rockfestivals) ermöglichten, vor allem aber die geradezu jugendliche Begeisterung ihrer Oma („Meine Oma neben mir sah die Helden ihrer Jugend. Mit geradem Rücken verfolgte sie jede Geste, jedes Wort auf der Bühne. […] Hellwach entging ihr kein Detail der ‚Geschichte des Leidens und Sterbens Jesu‘, die sie offenbar so gut kannte wie bekennende Dylanologen die Setliste aller Konzerte der letzten drei Jahrzehnte.“), hat ihre Einstellung zu Oberammergau und mutatis mutandis auch zur Bibel verändert. Der Bericht schließt:
„Meine Oma ist vor zwei Jahren gestorben. Mit 98 Jahren. Nicht weil sie krank war, sondern weil sie nicht mehr leben wollte und die Sehnsucht nach ihren Helden zu groß geworden war. Wenn ich das nächste Mal zur Passion fahre, werde ich vorher ausgiebig die Bibel studieren. Seit Oberammergau weiß ich, dass jedes Festival Spaß machen kann — man muss nur mit eingefleischten Fans hinfahren und die Texte kennen.“
Wer es irgendwie hinkriegt, diesen Artikel in die Finger zu bekommen: unbedingt lesen! Es lohnt sich.