Um den Gedanken von gestern weiterzuführen: Im Grunde habe ich durchaus Verständnis für die Suche nach (weitschaftlicher) Sicherheit, denn von hause aus bin ich genau so veranlagt (und es war ein langer Weg vom Wunsch der Verbeamtung wegzukommen :-). Eine solche Suche hat auch nicht zwangsläufig was mit Materialismus oder egoistischen Habenwollen zu tun. Wenn ich nicht weiß, wie ich den heutigen Tag überleben soll, ist es nicht so ganz einfach, sich ganz dem Gottesreich zu widmen. Solche Schwierigkeiten sind in unseren Breiten aber nicht unbedingt der Normalfall (anderswo schon, siehe Ostafrika).
Auch habe ich Verständnis dafür, daß jemand Panikattacken bekommt, wenn er seine Stelle zu verlieren droht, auf deren Existenz er seine Existenz aufgebaut hat. Wo ich aber verständnislos davor stehe, ist die Angst, in einigen Jahren die Stelle möglicherweise verlieren zu können. Ich frage mich, wie man überhaupt erstmal ruhigen Gewissens sich dermaßen von einer bestimmten Einkommenshöhe abhängig machen kann. Ok, wenn die Stelle eine wäre, bei der man sowieso noch aufstocken muß und trotzdem immer am Rande des Untergangs steht, wäre das noch nachvollziehbar. Aber wenn es sich um eine sehr gut bezahlte Akademikerstelle handelt, die Kinder schon lange aus dem Gröbsten raus sind und in der Familie noch ein zweites Einkommen existiert, verstehe ich nicht, woher eine solche Existenzangst kommen kann, daß man für die Erhaltung der noch gar nicht bedrohten Stelle auch über Leichen zu gehen bereit ist. Daß man dabei noch nicht einmal merkt, wie man indirekt an dem Ast sägt, auf dem man sitzt, macht die Sache nur noch unverständlicher. Und sich gleichzeitig zu fragen, was eigentlich mit „Erlösung“ heute gemeint sein könnte, schlägt dann dem Faß den Boden aus…