Manchmal frage ich mich, ob überhaupt jemand meine Posts liest. Jedenfalls enthält mein letzter eine großartige Einladung zur Kritik, mit der ich eigentlich fest gerechnet habe, die aber nicht kam:
Ergibt sich daraus nicht automatisch die Frage: Gibt es im Metal also keinerlei Heuchelei? Oder steckt in diesem Vorwurf nicht selbst Heuchelei drin? Halten sich Metaller für die besseren Menschen?
Vielleicht, aber nicht weil sie es sind, sondern allenfalls, weil sie sich ihrer Zwiespältigkeit bewußt sind. Metaller verfehlen ihren moralischen Anspruch genauso wie die Christen, die den Anspruch haben, nicht zu sündigen, aber immer wieder sündigen, und wie alle anderen, die ihren Anspruch nicht so weit runter schrauben, bis sie ihn daran angepaßt haben, was sie sowieso von sich aus tun. Und so ist auch die Kritik am Metal nicht per se etwas, was Metaller ablehnen. Ganz im Gegenteil, es gibt sehr wohl sehr unterschiedliche Auffassungen innerhalb des Metals über unterschiedliche Entwicklungen im Metal, und kein Metaller wird sich von irgend einem Metaller (oder Nicht-Metaller) den Mund verbieten lassen, eine Entwicklung, die ihm nicht gefällt zu kritisieren. Dabei ist es egal, ob es sich um Cannibal Corpse (Vermischung von Gewalt und Sexualität), NSBM (Rechtsextremismus) oder übertriebene Gegenreaktionen (wer mal mit einem Musiker geredet hat, der mal im selben Studio aufgenommen hat wie 20 Jahre vorher Burzum, muß ein Rechtsextremist sein) handelt.
Problematisch wird es jedoch in dem Augenblick, wo die Diskursebene verlassen und Machtmittel ergriffen werden, um reale oder vermeintliche Fehlentwicklungen im Metal anzugreifen. D.h. wenn mit Verboten statt mit Aufklärung und Kritik gearbeitet wird. So heterogen der Metal ist, so weitgehend homogen wird er sich gegen äußere Angriffe verteidigen. Die Verteidigung richtet sich dabei weniger gegen die inhaltliche Kritik, die sogar vom einen oder anderen Metaller geteilt werden könnte, als gegen die genutzten Methoden. Der Metaller[tm] denkt, daß ein solcher Angriff keinen anderen Sinn haben kann, als den Überbringer der schlechten Botschaft zum Schweigen zu bringen, um die schlechte Botschaft weiter verdrängen zu können. Hier sind wir zurück beim Heucheleivorwurf: Um nicht eingestehen zu müssen, daß man als Mensch halt nicht einfach zu den Guten gehört und daß die Bösen nicht immer nur die anderen sind, deklariert man diejenigen, die die Botschaft verbreiten, daß der Mensch eben von sich aus nicht einfach gut ist, als die Bösen. Das Schema sollte dem einen oder anderen Christen bekannt vorkommen…
Die eigentliche Antwort des Metals auf die Frage, ob die Metaller dann wohl die besseren Menschen seien, haben bereits 2003 Arch Enemy gegeben (auch wenn ich die Einschätzung nicht teile, daß der Glaube eine Blutspur durch die Jahrhunderte ziehe):
Du strebst nach Vollkommenheit, doch du hast nicht die Mittel
Verkörperte menschliche Schwachheit
Narrenfutter
das die Angst vor dem Leben selbst ernährt
Immer und immer wieder
Du wählst, nicht zu sehen
Verneige dich und bete mich an auf dem Altar der SchandeAlso bist du der Heilige und ich der Sünder?Du wirst es nie verstehen!
Du bist der Heilige und ich der SünderNein! Du wirst es nie verstehen
Ich lese mit! (Nur mal so als Wortmeldung.)
Aber ehrlich gesagt nur die theologischen Beiträge, der Metal-Kram interessiert mich nicht.
Die anderen Sachen aber umso mehr.
Christen gegen Metal? Diese Aussage muss ich nach über vierzig Jahren revidieren. Jesus ist nicht Bibel schwingend im Anzug (wie ein Banker) und mit der Hölle drohend vor die Leute getreten und hat sie mit zahllosen Dogmen beladen, sondern hat sich ihre Sorgen und Nöte angehört. Sprich, er hat sie als Person ernst genommen. Etwas, das Christen heut zu Tage nicht ein Mal unter ihres Gleichen zustande bringen. Nämlich dann, wenn es um persönliche Schwächen, aber auch Vorlieben geht. Während man ja früher ohne jedes Hintergrundwissen gegen den (bösen) Metal zu Felde gezogen ist, weil ja ganz sicher vom Teufel, ist man heute ein Stück weit aufgeklärter. Aber leider nicht alle. Und so gibt es Christen wie mich, die zur Zielscheibe von Bibel treuen Mitstreitern werden, da sie mir Hieb- und Stichfeste Belege aus dem Wort Gottes liefern können, das mein Musikgeschmack meinem laschen Glaubensleben entspricht. Nämlich Metal. Säkular wie christlich. Wobei ich fest stellen musste, das durch den säkularen Metal teils mehr Wahrheit in den Texten ausgesprochen wurde, als in den eigenen Reihen. Und immer ist die Rede davon nicht mit seinen Sorgen und Nöten gehört zu werden. Weiß man z.B. um die Lebensgeschichte von von Thomas G. Fischer („Celtic Frost“), fühlt man sich darin bestätigt. Und da, wo man eigentlich solchen Menschen mit liebe und Verständnis begegnen sollte, wie Jesus es getan hat, begegnet man ihnen mit Ablehnung und noch mehr Ablehnung. Jene fühlen sich dann wiederum bestätigt, das Christen nur Heuchler sein können.