Kürzlich habe ich ja quasi-amtlich mitgeteilt bekommen, ich sei zu ehrlich. Was ich in dem Post noch unterschlagen hatte, war der anschließende Satz: Wer ehrlich ist, wird bestraft.
Heute habe ich meinen Steuerbescheid bekommen. Am Anfang fühlte ich mich nur verarscht, weil das Finanzamt nun plötzlich, als meine Einkünfte mal übers ganze Jahr hinweg eine steuerlich relevante Höhe erreicht haben, plötzlich bei mehreren Punkten die meine Steuerschuld zu meinen Ungunsten beeinflussen, anders entschieden hat als in den letzten fünf Jahren. Ganz klarer Eindruck: Damals war’s ja egal, ob die Einkünfte um den einen oder anderen Tausender höher oder niedriger waren, weil ja eh keine Steuern anfielen, also machte man sich keine Mühe, da irgendwas zu beanstanden; heute ist das anders, daher wird um jeden Cent gefeilscht.
Dann fiel mir auf, daß in einer nebenberuflichen Tätigkeit eine horrende Summe stand: Die haben allen Ernstes alle Einnahmen versteuert, nicht nur den Gewinn. Selbst auf den Cent genaue Erstattungen für Bahnfahrkarten wurden als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit in die Besteuerungsgrundlagen übernommen. Andere Leute geben solche Kleckereinnahmen übrigens nicht einmal an! Wer ehrlich ist, wird eben bestraft.
Schließlich stolperte ich zunehmend verärgert darüber, daß geltend gemachte Sonderausgaben nach fünf beanstandungsfreien Jahren nun plötzlich als steuerlich irrelevant angesehen wurden, ohne daß mir eine Gesetzesänderung aufgefallen wäre.
Der Impuls, der in einer Ersatzhandlung die Einbettung obigen Videos auslöste, kam aber erst auf, nachdem ich knapp drei Stunden das Internet durchforstet habe, um zu verstehen, was die angegebene Begründung eigentlich bedeuten sollte. Komischerweise landete ich immer auf Seiten, die sich mit Werbungskosten beschäftigten — selbst nachdem ich „-werbungskosten“ in die Suchanfrage eingegeben hatte. Hat es noch nie einen solchen Fall wie meinen gegeben?!
Auf die richtige Spur kam ich erst, als ich auf einer Seite dann die Definition von Sonderausgaben als „private Ausgaben“ definierte. Da fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren, oder anders gesagt: Quellenlektüre vor Neuentdeckungen. Mein Finanzamt begründet in einem dialektischen Kunstgriff die Nicht-Anerkennung meiner Sonderausgaben tatsächlich mit einer Vorschrift, die sich ausdrücklich nicht auf Sonderausgaben bezieht.
Sauber!
Ist uns in diesem Jahr ganz genauso passiert!
Wir haben zum Glück einen sehr fitten Steuerberater. Der kostet zwar durchaus ne Stange Geld, ist aber nichts im Vergleich zu dem, was uns das Finanzamt über eine ähnlich miese Geschichte unbegründet aus der Tasche gezogen hätte.
Tja, zwei Dritte der Einsprüche gegen Steuerbescheide sollen ja erfolgreich sein.
Bleibt die Frage, ob die Finanzämter tatsächlich nur unwissend/schlampig sind, oder ob (siehe Nichtanwendungserlasse) dahinter Methode steckt.
Ich tippe auf Methode. Wir leben in eine Räuberhöhle.
Wenn ich mit meinen Zahlungen an das Finanzamt derart hinterher hinken würde wie das Finanzamt gegenüber mir, dann hätte ich wahrscheinlich schon den Kuckuck an der Tür.
Pingback: » Ich staune! Metal und Christentum