Mit dem Sledge Hammer-Post habe ich die (unbewußte) Quelle des letzten Metal-Serien-Post-Titels preisgeben. Da seht ihr mal, wie seriös und objektiv mein Bloggen ist. Schönen Gruß von Freud. 🙂
Worum es mir aber im Ernst geht, ist die Kritik an der Diskussion über eine Musikkultur unter Ausblendung der Musik selbst. Mir ging es zunächst (und eigentlich auch abdriftenderweise) um eine rein negative Abwehr einiger (zum Teil nur scheinbar) auf die Musik bezogener Argumente gegen den Metal. Damit ist nicht mehr und nicht weniger gesagt, als daß die Kritik am Metal eben genau den Metal ausblendet.
Nicht mehr bedeutet dabei, daß es ja durchaus auch eine soziale Praxis gibt, also der Metal auch eine Subkultur ist, und daß man Kritik an den Inhalten der Songtexte nicht einfach zur Seite wischen kann. Nicht weniger aber bedeutet, daß mindestens eben jene soziale Praxis sich um die Musik herum bildet und nicht andersrum, daß die soziale Praxis also die Musik interpretiert (sowie die Musik die soziale Praxis) und nicht bloß eine beliebige Begleiterscheinung ist.
Wenn ultramontanus in der ComBox schreibt: „Das heißt, um seine Bedeutung zu erfassen, genügt es nicht, nur zu konstatieren, ah, hier und hier und da auch kommt ein Tritonus vor, sondern seine Stellung im Stück und die weitere Progression müssten schon mit betrachtet werden“, dann hat er eigentlich genau den Punkt getroffen, um den es mir im positiven Sinne geht (auch wenn zitierter Abschnitt eine andere Zielrichtung hatte). Die Kritiker lehnen die Musik ab, weil sie laut ist (ohne zu erklären, warum Lautstärke, über den möglichen gesundheitlichen Schaden hinaus, schlecht ist), weil sie musikalisch anspruchslos wäre (ohne darzulegen, welchen musikalischen Anspruch sie dabei als notwendig voraussetzen), weil sie disharmonisch ist (ohne zu erklären, ob Disharmonie erst beim Tritonus anfängt oder bereits die Polyphonie vom Bösen war), kurz: weil sie ihnen nicht gefällt (was ja niemand verlangt, es reicht ja, wenn sie den Metallern gefällt).
Ok, eins muß ich allerdings zugeben: Ein ästhetisches Urteil ist immer auch ein moralisches, nämlich über die Werte, die hinter dem ästhetisch beurteilten Kunstwerk intuitiv angenommen werden. Und genau damit sind wir auch beim eigentlich Inhalt der Kritik, nämlich an den (angeblichen) Werten, die vom Metal vertreten werden, und den daraus resultierenden Handlungen. Der springende Punkt ist nur: Das intuitive Urteil wäre zu durchdenken und zu einem reflektierten Urteil zu machen. Dieses sollte dann auf Musik, Texten und sozialer Praxis zugleich beruhen.
Das Dumme ist nur, daß ein solcher Ansatz etwas komplizierter ist, als einfach nur bestätigende Indizien für die eigene Meinung zu suchen und aneinanderzureihen.1 Und möglicherweise würde man dabei festellen müssen, daß die ästhetisch-intuitive Ablehnung musikalisch nicht ganz so leicht zu begründen ist, denn, wenngleich das Niveau auch schwankt, ist es nicht so leicht, dem Metal einen künstlerischen Anspruch abzusprechen. Darauf will ich demnächst näher eingehen.
Für heute soll als praktische Einführung die „A-Seite“ von „Master of Puppets“ genügen (denn über Musik zu schreiben ist, wie zu Archtiektur zu tanzen), die vielfach für Metal in Beinahe-Perfektion gehalten wird. (Anmerkung: Metal ist eigentlich schlecht dazu geeignet, komprimiert zu werden [es kommt leicht zu „Klirrgeräuschen“], und die Lautstärke sollte eigentlich auch nicht übertrieben werden, weil es sonst leicht zu Übersteuerungen und infolgedessen ungewollten Verzerrungen kommt. Und die Leute, die den Baßregler bis zum Anschlag aufdrehen müssen, kotzen mich ja auch an. Oder anders gesagt, ich habe lange gesucht nach den Videos, aber die Soundqualität befriedigt mich [auch dank „dieses Video ist in deinem Land nicht verfügbar“] immer noch nicht. Kauft euch also das Album. Am besten gleich auf Vinyl :-P)
Track 1: Battery
Track 2: Master of Puppets
Track 3: The Thing That Should Not Be
Track 4: Welcome Home (Sanitarium)
Fußnote
1) Damit ihr versteht, warum mich diese Vorgehensweise so aufregt, ein durchaus repräsentatives Beispiel. Hans-Jürgen Ruppert zitiert in den EZW-Texten, Band 140: Satanismus, auf Seite 38 folgende „Einladung zu einem Konzert“ (grau hinterlegt hervorgehoben): „Wenn ihr blutgeil seid, müßt ihr auf unser nächstes Slaughter in Hell-Konzert kommen. Wir zersägen Kreuze und blutige Köpfe, erschießen Mönche und Jesus Christus… etc. Bloodlust!“
1. Das Zitat dient dazu, die Verbindung zwischen Satanismus und Rockmusik zu belegen, die zumindest ein gefährliches Spiel mit dem Bösen darstelle. Könnte man ja erstmal so stehen lassen, denn diese Verbindung gibt es ja.
2. Rupperts Text ist von 1998.
3. Endnote 131 gibt preis: Das Zitat stammt aus dem Materialdienst der EZW 12/1986 (!) und ist dort dem „Metal Hammer“ entnommen.
Wir fassen bis hierher nochmal zusammen: 1998 wird als Beleg für die gefährliche Verbindung von Rockmusik und Satanismus ein 12 Jahre altes Zitat gebracht und nach einer Sekundärquelle zitiert sowie im Fließtext keinerlei Hinweis auf das Alter des Zitats gegeben, sondern vielmehr der Eindruck von Aktualität erweckt. Sollte es, wenn diese Verbindung tatsächlich existiert (was ich ja keineswegs bestreite), nicht neuere Zitate geben, die man direkt aus der Quelle zitieren kann? (Ja, gibt es — in Massen!)
4. Wenn der zuvor vielleicht noch gewogene (sonst würde er das ja gar nicht lesen) Metaller angesichts des Anfang der 90er ganz andere Dimensionen satani(sti)scher Praxis weit außerhalb von Konzertbühnen erreichenden norwegischen Black Metals nicht schon jetzt lachend in der Ecke liegt, dann tut er es spätestens, nachdem er die Encyclopedia Metallum nach „Slaughter in Hell“ befragt hat und dabei über die überaus erfolgreiche und für die ganze Szene repäsentative, weil epochale Band „Antichrist“ gestoßen ist, die so abgrundtief true ist, daß sie auch nach fast 30 Jahren nicht über den Demo-Status hinausgekommen ist. Man beachte übrigens auch (unter „Members“), daß die Band offenbar zwischen 1986 und 2003 nicht aktiv war.
Also mal ganz ehrlich: Was soll sowas?! Die EZW ist doch nicht irgendeine Klitsche wie die Westboro Baptist Church, sondern eine offizielle Einrichtung der EKD mit (zumindest latent) wissenschaftlichem Anspruch (die EZW-Texte sind im Gegensatz zu den freikirchlichen Traktätchen auch außerhalb einer Metal-Arbeit zitierbar). Aber das ist kein Einzelfall, schon auf Seite 22 findet sich — wohl um eine Verbindung zwischen Aleister Crowley und der (Schüler-)Band „Absurd“ sowie ihrem „Satansmord“ in Sondershausen herzustellen (was mit den Fakten aus dem Fall wohl leichter gegangen wäre) — die Aussage, Weida (wo sich Crowley in den 1920er Jahren mal kurz zu einem okkulten Kongreß aufgehalten hat und zum „Weltheiland“ ausrufen ließ) liege „unweit von Sondershausen“. Hier wäre ein handelsüblicher Straßenatlas hilfreich gewesen, aber urteilt selbst.