Beim Papstbesuch in England gab es eine große Anti-Papst-Kampagne aus atheistischer/kirchenfeindlicher Richtung, so daß einige Angst hatten, der Besuch könne zum Desaster werden. In Deutschland scheint mir das anders zu sein. Eine große öffentliche Kampagne scheint es mir nicht zu geben, die Protestler scheinen über ihre linksextremistisches Milieu hinaus wenig zu bewirken.
Klar, die „typisch deutschen“ Bedenken gibt es auch hier, insbesondere wird kritisiert, das sei alles viel zu teuer, man solle das Geld doch lieber für den Hunger in Afrika spenden usw. Also nichts, was man wirklich ernstnehmen müßte in einem Land, in dem z.B. die privatwirtschafltliche Bundesliga die Folgekosten sozialisiert, vulgo: in dem ich mit meinen Steuern dafür bezahle, daß sich Wirtschaftsunternehmen nicht um das zum Teil asoziale Verhalten ihrer Kundschaft rund um ihr „Ladenlokal“ kümmern. (Jeder Wirt, der eine stockbesoffenen Gast sehenden Auges zu seinem Auto gehen läßt, kriegt zu Recht einen auf den Deckel…)
Im großen und ganzen wirkt der öffentliche Diskurs um den Papstbesuch auf mich verhältnismäßig sachlich, was sich nicht zuletzt daran zeigt, daß unsachliche Beiträge als solche kritisiert werden. Ganz anders erscheint mir aber der innerkirchliche Diskurs um den Papstbesuch. Auch hier geht es „typisch deutsch“ zu, auch der Papstbesuch wird — anstatt daß sich mal alle einfach freuen könnten — zur Vertiefung kirchenpolitischer Gräben genutzt.
Natürlich, trollen ist keine Spezialität der „Papsttreuen“. Auch mir gehen die Hauptamtlichen auf dem Wecker, die auf den Papstbesuch angesprochen abfällig vom „Personenkult“, den sie nicht nötig hätten, schwadronieren. Ebenfalls ist mir nicht verborgen geblieben, daß es „im anderen Graben“ Leute gibt, die sich wünschten, daß der Papstbesuch ein Desaster würde und sogar recht offen jede Unterstützung verweigern (natürlich nicht so, daß man ihnen disziplinarrechtlich eins vors Schienbein treten könnte).
Was mich aber viel mehr ärgert, ist „der eigene Graben“, wo sich nicht wenige nicht nur von jeder Nachricht über die Vorbereitungen in ihrer Ansicht bestätigt fühlen, daß es eine hauptamtliche Verschwörung gegen den Papst und seinen Besuch gäbe, sondern auch noch jede Gelegenheit nutzen, gegen die Vorbereitungsgruppen und die verantwortlichen Bischöfe zu hetzen.
Natürlich kann man Vieles kritisieren, allerdings macht immer noch der Ton die Musik, und im Ton scheinen mir viele angeblich so „papstreue“ Katholiken in letzter Zeit ganz schön daneben zu greifen. Wer eine Entscheidung kritisiert, sollte wenigstens ein bißchen Ahnung von dem haben, was er da kritisiert, und möglichst für eine bessere Alternative werben. Wenn jemand sagt, man solle doch statt vor das Schloß Charlottenburg ins Olympiastadion gehen, ist das konstruktiv. Wenn jemand rhetorisch (!) fragt, ob es denn in Erfurt keinen besser geeigneten Platz als den Domplatz gäbe, dann muß er dumm oder böswillig sein (die Antwort lautet nämlich auf die Stadt bezogen ganz einfach „nein“, aufs Bistum bezogen hingegen „Etzelsbach“).
Bei diesem völlig unkonstruktiven Ton („die deutschen Bistümer können einfach keinen Papstbesuch organisieren“), der jegliche Differenzierung vermissen läßt (wie lange war denn bitte die Vorbereitungszeit? seit wann steht das Programm überhaupt fest? wieviele Leute reden mit [Vatikan, Land, Stadt…]? wie oft haben deutsche Bistümer schon einen Papstbesuch organisiert? wie wollten es denn die Kritiker besser machen?), drängt sich mir der Eindruck auf, daß manche „Papsttreue“ froh wären, wenn der Papstbesuch tatsächlich ein Desaster würde, damit sie sich in ihren Vorurteilen bestätigt fühlen können.
Christlich ist anders!
(Anmerkung: Ich bin weder Mitglied im Koordinierungsbüro noch freiwillig in einem „Graben“.)
Wenn Du jemals mit entsprechenden Stellen der Bistümer zu tun gehabt hast, dann weißt Du, daß diese Verdächtigungen, die zwischen "nicht gewollt" oder "nicht gekonnt" leider nicht aus der Luft gegriffen sind. In Köln hätte ich da weniger Sorgen! Die hätten gekonnt und gewollt!
Lies doch bitte meinen Post nochmal!
War ich zu schnell?
verspreche Dir morgen die Relecture!
Zu schnell gelsen, würde ich sagen. Ich empfehle zur Vertiefung insbesondere den vierten Absatz 🙂
Oder anders gesagt: Mir geht es nicht um die "papsttreue" Kritik an sich, sondern um die Weise, wie sie geäußert wird, durch die man den Eindruck bekommen kann, manche sind nur glücklich, wenn sie sich selbstbestätigend nörgeln können, anstatt Alternativen vorzuschlagen (in Berlin hat's ja schließlich mit dem Olympiastadion geklappt, aber wenn Leute ohne Ortskenntnis [oder noch schlimmer: mit!] suggerieren, der Domplatz sei ein von vornherein ungeeigneter Ort gewesen, ohne einen besseren nennen zu können, dann ist das unterste Schublade — und die lief mir in den letzten Wochen einfach ein paar Mal zu oft über den Weg).