Die Absperrungen schienen keine Chance zu lassen, gestern irgendwie in die Nähe des Papstes zu kommen. Ärgerlich, da ich heute erst recht keine Chance haben werde. Dann, schon in Vorbereitung des Livestream-Guckens, der Anruf: „Wir stehen direkt an der Auffahrt zum Domberg. Erst außen rum, dann mitten durch und rein.“ Ganz so einfach war’s dann doch nicht. Aber der Papst zum Glück verspätet, noch rechtzeitig angekommen, um die Maschine zwischen Dom und Severi hindurchfliegen zu sehen.

Irgendwann rauschte er dann auch vorbei. Verspiegelte Fenster, nichts zu erkennen. Mist. 20 Minuten später dann doch noch: Dank Spitzkehre Blick von vorne rechts (im ARD-Video ab ca. Minute 74), weißer Mann in schwarzem Auto. Und dann schon wieder alles vorbei. Abenteuerlicher Rückweg. 600 Meter (unter normalen Umständen), 30 Minuten Fußweg im Slalom durch das Sperrgebiet.

Aber dafür: ganz viel Bauchweh erspart. ARD bringt gleich drei kapitale Fehlleistungen in einer halben Minute (ab 29:00) unter, faselt was von Bischof Feige sei Vikar in Salzwedel und Magdeburg, Bischof Ipholt kann ich beim besten Willen nicht auf dem Rollfeld finden, und eine Augustinerschule findet Google in Erfurt auch nicht. Die Kinder jedenfalls waren aus dem Domkindergarten. Aber auch das Domradio hat — mit dem Dom-Fachmann bereits im Augustinerkloster — kräftig danebengegriffen, wie die beste aller Ehefrauen hinterher berichtete (in der Mediathek habe ich das nicht gefunden). Als der Papst vor den aus der Krypta elevierten Sarkophagen der Heiligen Adelar und Eoban kniete, sprachen sie vom Grab Bischof Hugo Aufderbecks (an dessen tatsächlichem Grab ihnen zwangläufig nichts mehr einfiel), und als die Maria sedes sapientiae in den Blick kam, sprachen sie wohl von einer Pietà „mit dem Jesuskind auf dem Schoß“. Autsch.

Das Besuchsprogramm des Papstes wirkte auf mich lange wie aneinandergestückelt. Hier nochmal ein paar Minuten mehr, dort noch einen kleinen Programmpunkt eingeschoben. Wie soll aus so einem Stückwerk ein klarer Impuls für eine missionarische, erweckte, gestärkte Kirche in Deutschland hervorgehen? Ja, klar, jeder Punkt für sich völlig gerechtfertigt, und wo hätte man um der Geradlinigkeit des Programms willen besser kürzen können als in Erfurt? Μὴ γένοιτο!

Ich hätte mir nicht träumen lassen, daß ausgerechnet die Reden und Predigten des Papstes einen stimmigen Zusammenhang herstellen können (nicht, daß ich nicht große Erwartungen an sie hatte, aber sie sind meilenweit übertroffen worden). Nicht nur sind sie punktgenau auf den jeweiligen Ort und Anlaß geschrieben, sondern sie haben auch jeweils eine klare Kernaussage, und diese Kernaussagen zusammengesetzt ergeben einen klaren Impuls, einen Fingerzeig, in welche Richtung es weitergehen muß: Christus.

Und es wirkt: Ich habe schon gar keine Lust mehr, mich über all das kleinkarierte, fortschrittslose Gelaber in der deutsch-katholischen Kirche aufzuregen.

Als ich vorhin nach hause kam, fand ich meine Wohnung unverhoffter Weise plötzlich im Sperrgebiet wieder. Ohne Ausweis keine Heimkehr. Einen Nachbarn, der nur mit Zweitwohnsitz hier gemeldet ist, hat die Polizei bis zur Haustür begleitet.

Ein wenig übertrieben fand ich das ja doch, und vor allem ärgerte ich mich darüber, daß es keinerlei Ankündigung gab. Im Sperrgebiet sollte man Gäste vorher anmelden, damit die rein und raus kommen. Aber wir lagen ja nicht im Sperrgebiet…

Anderthalb Stunden später war von der selbst für den Papstbesuch extremen Polizeianhäufung nicht mehr (so) viel übrig. Hatten die nur Langeweile? Oder lag es an anderen unverhofften Ereignissen in der Nähe?

Heute nacht lohnt es sich nicht ins Bett zu gehen. Wer möchte, kann ja ab 3.30 Uhr auf dem Anger vorbeikommen und mir hallo sagen 🙂 Ach ja, mal sehen, ob was von der religionsfreien Zone zu sehen sein wird. Ich schätze eher nicht. Vorhin wars jedenfalls sehr übersichtlich.

Als ob es nicht reichte, daß ich mich mit dem Finanzamt rumärgern muß, jetzt versucht mich auch noch mein ISP über den Tisch zu ziehen. Behauptet am Telefon, das neue Angebot sei besser und billiger — in der „Auftragsbestätigung“ hingegen wird’s fünf Euro teurer für Leistungen, die wir gar nicht brauchen und ausdrücklich nicht wollten. Neben meine abendliche Fortbildung in Steuerrecht ist jetzt also auch noch ein Crashkurs in Zivilrecht getreten. Nur falls sich jemand fragt, warum meine Post derzeit spärlicher und inhaltsleerer werden…

Warum zucke ich eigentlich bei „Priesterkandidat“ zusammen? Weil ich mich frage, warum das „Amt“ so schlecht angesehen ist, daß es verbal zu streichen ist.

Was bedeutet denn eigentlich das „Amt“? Am geläufigsten ist „Amt“ wohl noch im staatlichen Sinne von Behörde etc. Ein solches Amt hat gewisse Befugnisse und damit auch Macht. Ich kann mir höchstens vorstellen, daß „Amt“ genau deswegen einen schlechten Ruf hat, weil es was mit Macht zu tun hat.

Allerdings fällt dabei ein ganz gewichtiger Aspekt unter den Tisch: Selbst der Amtsvorsteher hat keinerlei Machtkompetenz aus sich selbst heraus, sondern sie wird ihm vom staatlichen Recht, dem er untergeordnet ist und das er anzuwenden hat, verliehen.

Genau das ist, glaube ich, der Grund, warum ich zusammenzucke bei „Priesterkandidat“: Auch wenn es vielleicht nicht so gemeint ist, aber hier wird ein wesentlicher Aspekt des Priestertums, und zwar der Aspekt, der es vom Magier unterscheidet, unterbelichtet: Der Priester hat seine Befugnisse und Macht nicht aus sich selbst heraus, sondern von Christus, dem er untergeordnet und dessen Willen er zu tun hat, bekommen.

James Bond profitiert häufig davon, daß seine Gegner untereinder uneinig sind und teilweise Opfer ihrer eigenen Intriegen und Verhaltensweisen werden. Die Filme durchzieht — jedenfalls auf der Seite des Bösen — ein klarer Tun-Ergehen-Zusammenhang, und das nicht erst dadurch, daß die Bösewichter immer von James Bond zur Strecke gebracht werden (oder zumindest ihre aktuellen Pläne vereitelt werden).

Einen kleinen Schönheitsfehler hat die Sache aber, die Scaramanga (Der Mann mit dem goldenen Colt) auf den Punkt bringt: James Bond und er seien sich gar nicht so unähnlich. Im Grunde täten sie die gleiche Arbeit, nur daß Scaramanga freischaffend, Bond im Dienste Ihrer Majestät steht. Tatsächlich, und das ist ja nun nicht allzu schwierig zu erkennen, pflegt Bond einen mehr oder weniger unbekümmerten, nihilistischen Lebensstil, der im wesentlichen von Gewalt, Alkohol und Sex bestimmt wird.

Bond ist jedoch von dem Tun-Ergehen-Zusammenhang, der die Bösewichter regelmäßig dahinrafft, nicht auch selbst betroffen. Aus der Grundlogik des James Bond-Universums — Bond kämpft gegen Bösewichter, die die Weltherrschaft übernehmen wollen — läßt sich das auch leicht erklären: James Bond steht ja auf der Seite des Guten, so daß auch das Böse, das er tut, letztlich dem Guten dient — ob er jetzt einen Bösewicht erschießt oder dessen Freundin ins Bett kriegt.

Mit anderen Worten: James Bonds Existenz ist parasitär: Er (über)lebt aufgrund von Voraussetzungen, die er in seinem eigenen Lebensstil ständig negiert.