…buddelt irgendwer irgendwelche uralten Thesen aus und verkauft sie als Nachricht. Wer Lust hat auf Atheistenbekehrung, kann ja mal hier kommentieren: „Jesus starb vermutlich nicht am Kreuz“ — Witzigerweise ist das Ergebnis überhaupt keine Nachricht wert, denn es heißt lediglich, die Kruzifixdarstellungen dürften nicht die historische Realität wiedergeben: Das Kreuz war kein +, sondern ein T. Daran, daß Jesus am Kreuz gestorben ist, ändert doch die Form des Kreuzes und die Art der „Befestigung“ nichts…

Einen schönen Kommentar gibt es schon:

„Gefährliches Halbwissen im Zusammenhang mit selbst zusammengebasteltem Christentum führt unweigerlich zu einer Vielzahl von Problemen.“

Ein Priester hat mal sehr deutlich zu gewissen Marotten in den Fürbittenformulierungen (vor allem Einleitung und Abschluß) gesagt, man müsse doch den lieben Gott nicht belehren. Daher dachte ich, als kürzlich ein anderer Priester ein Gebet formulierte, das mehr an die anwesenden Gläubigen gerichtet zu sein schien als an Gott, frei nach Clausewitz: „Gebet als Fortsetzung der Katechese mit anderen Mitteln.“

Nun habe ich das mal bei Google eingegeben und bin auf dieses Ergebnis gestoßen. Ehrlichgesagt bin ich bei den Hymnen nie auf die Idee gekommen, die könnten „belehren“. Klar, im Glauben stärken und auch das Staunen über die Heilsgeheimnisse lebendig halten. Aber belehren hieße doch, ich lerne (im rein rationalen Sinne) da was. Mein „Lerneffekt“ ist eher ein emotionaler. Oder habe ich da ein falsches Sprachempfinden?

Vielleicht drückt sich in dem verlinkten Text auch nur ein Unverständnis dafür aus, daß Wissen und Glauben, Lehren und Frömmigkeit doch mehr miteinander zu tun haben könnten, als sich das viele heute vorstellen können…

Wenn Deckers nur halb so sachlich geblieben wäre wie Jörg Bremer, hätte ich nicht mal im Traum an eine Abokündigung gedacht. Möge „jöb“ ein würdiger Nachfolger für „hjf“ werden!

Den römischen Unmut über die Deutschen Bischöfe kann ich gut nachvollziehen. Wenn man weiß, daß Bischof Mixa ein Alkoholproblem hat, sollte man doch auch entsprechend nachsichtig auf ihn reagieren, anstatt ihm Vorlagen zu bieten… Und ja, dem Menschen Walter Mixa muß geholfen werden.

Da kommt man nach einem internet- und nachrichtenfreien Wochenende nach hause, denkt sich nichts böses und schlägt die Zeitung auf — und liest:

„Benedikt XVI. wusste von schwerwiegenden Verfehlungen Mixas. Alkoholsucht und sexuelle Übergriffe / Gute Ratschläge waren jahrelang abgeprallt“

MOMENT MAL?! Startet die FAZ jetzt einen Angriff auf den Papst??? Noch dazu mit einer Schlagzeile, die nach Bild klingt? Nein, nicht ganz. Am Ende des Artikels wußte ich: Die Ratschläge waren nicht am Subjekt, sondern am Genitivobjekt der Hauptschlagzeile abgeprallt. Aber hallo!

Legten nicht dereinst die bei der FAZ wert auf korrektes und eindeutiges Deutsch? Gut, in der Internetversion gab es schon so einiges, was dem Anspruch der FAZ nicht wirklich entsprach, und auf den hinteren Seiten der gedruckten Fassung kam es schon ab und an zu Aussetzern. Aber auf der ersten Seite beim Untertitel des Aufmachers?! Honi soit qui mal y pense. Entweder sind die jetzt doof oder böswillig. Jedenfalls habe ich mir ernsthaft überlegt, das Abo zu kündigen, aber die Tagespost ist kein wirklicher Ersatz für die FAZ. Trotzdem finde ich es traurig, daß meine einst so geliebte FAZ langsam aber sicher den Bach runtergeht. Als es zu dem Titelbild kam, hieß es noch, der Inhalt ändere sich ja dadurch nicht. Nö, der hatte sich wohl schon vorher zu verändern begonnen.

Ich schweife ab. Der Artikel von Daniel Deckers war zudem sowas von schlecht, daß ich es trotz der breiten Rezeption bisher nicht übers Herz gebracht habe, mir auch noch den längeren FAS-Artikel anzutun. Auch ist der Kommentar von Günther Nonnenmacher, der die berechtigte Frage stellt, warum nicht viel früher gehandelt wurde, wenn das alles seit Jahren bekannt gewesen sein soll, kein wirkliches audiatur et altera pars. Ich vermisse Heinz-Joachim Fischer als Ruhepol und Gegengewicht gegen den Aktivisten Deckers. „hjf“ hatte es damals tatsächlich geschafft, völlig neutral oder gar fast mit gewissem Wohlwollen die Aufhebung der Exkommunikation der Pius-Bischöfe zu berichten, während D.D. ein paar Seiten weiter bereits zum Sturmangriff blies…

Nein, das ist alles nicht mehr schön. Da hilft nur noch die Flucht ins Absurde.

Wie kann eigentlich die Schweiz gegen Spanien gewinnen?! Ich setze mal Spanien auf den ersten Platz, was ein Scheitern der von mir favorisierten Vier angeht. (Auf Platz zwei steht England, dicht gefolgt von Brasilien. Junge, Junge, irgendwas läuft da aber ganz anders als erwartet, die Deutschen sogar mit eingeschlossen, aber positiv.)

Gestern hat Ursula von der Leyen einen Artikel in der FAZ veröffentlicht: „Christian Wulff ist staatsklug“. Eigentlich habe ich den Artikel nur gelesen, um zu verstehen, was sie eigentlich mit „staatsklug“ meint. Dann hat es mich aber umgehauen, daß — ob beabsichtigt oder nicht — der Artikel sich wie eine Abrechnung mit Horst Köhler liest, der eben nicht „staatsklug“ war:

Der unerwartete Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler hat mich sehr berührt. In den Medien und der Politik hat er wenig Verständnis für seine Entscheidung gefunden – ganz anders als bei vielen Menschen, die in seinem Verhalten ihre eigene Enttäuschung über vieles im Land erkennen. Horst Köhler war damit in seinem Rücktritt auf geradezu paradoxe Weise der erste Bürger unseres Staates.

Der nächste Bundespräsident muss die Gefühlslage der Menschen kennen. Er darf ihr aber keine Stoßrichtung geben, die sich gegen unser Gemeinwesen richtet. Er muss vielmehr die Gabe haben, Brücken zu schlagen zwischen den Sorgen der Menschen und den Spielregeln der parlamentarischen Demokratie. Hierin lag die Meisterschaft eines Richard von Weizsäcker, eines Roman Herzog und auch eines Johannes Rau. Bei allen Unterschieden im Stil und in den Botschaften ist es ihnen immer wieder gelungen, Vermittler zu sein zwischen Bürgern und unserem Staat.

Daraus schließe ich: Horst Köhler kannte die Gefühlslage der Menschen, hat ihr aber im Gegensatz zu seinen drei Vorgängern eine Stoßrichtung gegeben, sie sich gegen unser Gemeinwesen richtete. Er hat keine Brücken geschlagen zwischen den Sorgen der Menschen und den Spielregeln der parlamentarischen Demokratie. Mit anderen Worten: Von der Leyen suggeriert, Horst Köhler sei ein unverantwortlicher, verfassungsfeindlicher Demagoge gewesen, der eine Gefahr für unser Gemeinwesen darstellte. Wenn ich dann weiterlese:

Es geht nicht darum, die tatsächlichen und scheinbaren Widersprüche der Parteiendemokratie zu übertünchen; auch nicht darum, sie zu übertreiben. Wer das höchste Amt im Staat innehat, sollte beharrlich seine Kraft dafür einsetzen, Widersprüche und Entfremdungen zwischen Bürger und Staat aufzulösen. Diese Fähigkeit müsste in der unveröffentlichten Stellenbeschreibung für das Amt des Bundespräsidenten ganz oben stehen. Ich finde es bezeichnend, dass die Persönlichkeiten, die nach meiner Wahrnehmung das Präsidentenamt am meisten prägten, langjährige Erfahrung im politischen Gestalten, aber auch im praktischen Umsetzen von Politik mit ins Amt brachten. Der Bundespräsident soll ein ganzes Land ohne legislative und exekutive Gewalt führen; gerade deshalb muss er mit dem Wesen politischer Prozesse vertraut sein.

[…]

Der neue Bundespräsident muss nicht nur die Größe dieser Aufgabe erkennen. Er muss auch das weit gesteckte Feld überblicken zwischen den Erwartungen der Bürger und den Mechanismen des Staates, die häufig nach außen so unverstanden wie nach innen unverzichtbar sind. Nur ein echter Vermittler kann den Wandlungsprozess – durchaus mit kritischer Distanz – integrierend und moderierend stärken.“

dann frage ich mich doch ernsthaft, wer hier die Gefahr für unser Gemeinwesen ist! Denn was ich da lese, heißt doch nichts anderes als: Der Bundespräsident ist dazu da, den plöhden Purschen[tm] zu erklären, daß die Politik es richtig macht, obwohl sie selbst nicht in der Lage ist, das den Bürgern zu erklären. Oder anders gesagt: Der Bundespräsident muß zwar die Gefühlslage der Menschen kennen, aber die ist per Definition falsch, denn das dumme Stimmvieh versteht einfach nicht, wie Politik funktioniert.

Auf die Idee, daß dann vielleicht auch die Politik falsch funktionieren könnte, kommt Frau Von der Leyen nicht einmal im Ansatz. Es sind die Wähler, die falsch funktionieren, und deshalb muß auch der Bundespräsident aus dem Politikbetrieb kommen, denn sonst könnte er womöglich — wie Köhler? — ein für die Politiker unbequemer Bundespräsident sein, der sich nicht vor ihren Karren spannen läßt.

Wenn ich jetzt mit der Kenntnis dieser Passagen nochmal die erste zitiert lese, bleibe ich plötzlich am letzten Satz hängen: Bei allen Unterschieden im Stil und in den Botschaften ist es ihnen [den Vorgängern Köhlers] immer wieder gelungen, Vermittler zu sein zwischen Bürgern und unserem Staat, und frage mich: Wer ist dieses „wir“, dem der Staat „gehört“? Wären es die Bürger, bräuchte nicht zwischen ihnen und ihrem Staat vermittelt werden, dann müßte vielleicht zwischen ihnen selbst vermittelt werden, etwa zwischen den Bürgern, die nur wählen, und jenen, die andere Bürger repräsentativ vertreten (sollen); aber der Staat, das wären wir. Nein, dieser Satz konstruiert eine Differenz zwischen „Bürgern“ und „unserem Staat“, die nur heißen kann: Der Staat gehört uns, den Politikern. Genau gegen dieses Selbstverständnis war der als dienender Beamter groß gewordene Horst Köhler der richtige Bundespräsident. In dieser Hinsicht hat der unerwartete Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler auch mich sehr berührt.

Nachbemerkung: Nicht, daß wir uns falsch verstehen, ich habe nichts gegen Wulff und würde ihn tatsächlich lieber als Bundespräsidenten sehen als Gauck. Aber dieser Artikel von Frau von der Leyen ist nun ein echtes Danaergeschenk.

Mal ganz ehrlich, bis jetzt erschien mir Pfr. Rapp als der Vernünftige im Führungstrio des BDKJ, und daß er seinen Verband gegen die Wehrpflicht positioniert, möchte ich ihm auch gar nicht verbieten, auch wenn ich froh bin, selbst „durch den Schlamm gerobbt“ zu sein. Aber das Argument, die Wehrpflicht sei „eine Einschränkung des vom Grundgesetz garantierten persönlichen Freiheitsrechts, die nur im Bedrohungsfall zu vertreten sei“, ist so ziemlich das bekloppteste, die ich je gehört habe. Und was soll das bitte bedeuten, „dass die Bundesrepublik seit Ende des Ost-West-Konflikts nicht mehr direkt bedroht und die Verteidigungsfähigkeit trotzdem gegeben sei“? In welcher Weise ist das ein Argument gegen die ja immer noch bestehende Wehrpflicht, ganz davon abgesehen, daß ich nicht glaube, daß Deutschland im V-Fall gegen wen auch immer (außer vielleicht Liechtenstein) wirklich verteidigungsfähig wäre?

Wer definiert denn bitte, wann ein Bedrohungsfall gegeben ist? Klar, im Kalten Krieg ging das leicht, aber der hieß ja nicht umsonst Kalter Krieg. Wann ist denn nun also unter den veränderten Gegebenheiten, in denen vom klassischen, in der Regel formal erklärten Krieg zwischen Staaten eigentlich nichts mehr übrig geblieben ist, ein solcher Bedrohungsfall gegeben?

Natürlich kann man darüber nachdenken, angesichts der veränderten Weltsicherheitslage die Bundeswehr komplett umzubauen, was wahrscheinlich eine Unmöglichkeit der Wehrpflicht nach sich zöge, und vielleicht wäre das sogar sinnvoll. Aber mit Freiheitsrechten hat das ja nun überhaupt gar nichts zu tun. *kopfschüttel*