In einer Facebook-Diskussion vor einigen Wochen habe ich in Ermangelung einer adäquaten Übersetzung den englischen Begriff redemptive suffering verwendet.[1] Aufgrund des Kontextes schoß mir durch den Kopf, da sei doch ein super Unblack Metal-Bandname. Tatsächlich hat mich dieser Gedanke seitdem nicht mehr losgelassen. Man stelle sich nur mal die Bandvorstellung vor: „We are Redemptive Suffering!“[2]
Allerdings muß ich sagen, „Redemptive Suffering“ klingt bei genauerer Betrachtung nicht so wirklich nach (Un)Black Metal. Meine Assoziation war wohl in Immortals „Blashyrkh“-Welt of frost, war and suffering begründet, aber darüber hinaus hat sich der Black Metal nach meinem Eindruck ziemlich schnell von dieser Suffering-Schiene verabschiedet (und der Suicidal Black Metal hat nun nicht mehr den leisesten Bezug zu „redemptive“). Je länger ich drüber nachdenke, umso mehr klingt „Redemptive Suffering“ nach einer Death Metal-Band.
Witzigerweise ergab sich daraus für mich dann gleich ein ganzes Bandkonzept. Ok, vielleicht liegt das auch daran, daß ich selbst mehr dem Death als dem Black Metal fröne. Insbesondere meine Überzeugung, daß „Redemptive Suffering“ nach Brutal Technical Death Metal klingt, könnte sich daraus ergeben haben.
Aber auch von der inhaltlichen Schiene her lande ich bei Brutal Technical Death Metal: Wenn christlicher Metal, dann doch bitte inhaltlich „unangenehmer“ Metal (da bin ich mit Euronymous ganz einer Meinung: Metal muß gefährlich sein). Klar, christliche Inhalte wären im Metal schon per se eine Provokation, zumindest wenn man sie ernst meint, aber wenn dabei der Metal auf ein Vehikel der Mission reduziert wird, geht der künstlerische Aspekt baden, dann wird es reinste Anbiederung und die Band endet im reinen christlichen Metalbereich, bekehrt also nur die schon Bekehrten.
Nein, wenn christlicher Metal, dann auch für Christen unangenehmer Metal. Oder, um es mit Silenoz zu sagen:
Meiner Meinung nach liegt der Fehler der Christen vor allem darin, sich selbst als etwas Besseres als die Anhänger anderer Religionen zu sehen. So verhält sich natürlich nicht jeder Christ, aber jene, die es tun, machen es, ohne sich dessen bewußt zu sein. Zum Beispiel tragen sie nur die Passagen der Bibel nach außen, von denen sie denken, sie wären positiv, den Rest ignorieren sie einfach. Diese Art der Mentalität weist doch keinerlei Kohärenz mit der Realität auf.[3]
Ergo: Christlicher Metal müßte die Metaller genauso anpissen wie die verbürgerlichten Christen. Damit ergibt sich ganz klar für das erste Album die Vertonung der Fluchpsalmen. (Ich hab’s schonmal ausprobiert: Am besten lassen sich die Psalmen im hebräischen Original grunzen, an den Rhythmus und die innere Stimmigkeit kommt keine Übersetzung ran!) Für weitere Alben bieten sich Gerichtsprophetie und Apokalyptik an, insbesondere die Offenbarung. Wenn man sich die Bibel mal zu Gemüte führt, sollte das für ungefähr 10–15 Alben reichen. Und dabei ist noch nichtmal die Bergpredigt abgedeckt, von Märtyrerakten usw. ganz zu schweigen (da kriegt dann „Christians to the Lions“ einen ganz neuen Touch…).
Da aber die Musik dem Inhalt entsprechen muß, der Inhalt aber ganz viel mit Zorn zu tun hat, sei es die Wut über Unrecht (Fluchpsalmen), der Zorn Gottes (Gericht) oder der Zorn der Welt wider die Christen (Märtyer), muß auch die Musik eher den Zorn (Death Metal) ausdrücken als Stolz (Black Metal), wenn diese sehr grobe Zuordnung mal erlaubt sei. Zugleich muß aber eine gewisse „Stimmung“ drin sein. So genial die Musik für sich genommen ist, fehlt furztrockenem Technical Death Metal à la Origin oder industrial-angehauchtem Math Metal a la Meshuggah musikalisch die transzendente Dimension. Mithin also das „redemptive“.
Folglich erkläre ich hiermit Cryptopsys „Once Was Not“ zum Referenzwerk für Redemptive Suffering. Weitere Orientierungspunkte wären „None So Vile“ (ebenfalls von Cryptopsy) und praktisch der gesamt Backkatalog von Nile (nur wäre es albern, ausgerechnet die ägyptisch anmutenden Elemente zu übernehmen, es geht mir abstrakter um die durch diese Elemente vermittelte Stimmung, will heißen die Musik von Redemptive Suffering müßte solche Stimmungselemente aus der christlichen Tradition ableiten bzw. Stimmungselemente verwenden, die christlich anmuten[4]). Weitere Einflüsse dürfen gerne von Kataklysm („In the Arms of Devastation“), Decapitated und Behemoth stammen. Einem Schuß Grindcore wäre ich auch nicht abgeneigt. Hauptsache ein „übermächtiges Schlagzeug“ 🙂
Aus der inhaltlichen Orientierung abgeleitet ist natürlich auch schon das (abgesehen von einem Bandschriftzug) Wichtigste geklärt, die Einlaufmusik:
Ach ja, es gibt auch wohl noch keine Band dieses Namens.
Bleibt nur die Frage, wie ich aus der Nummer wieder rauskomme. Da Saiteninstrumente und Schlagzeug feinmotorisch einfach nicht so mein Ding sind (ich tauge nur, um Krach damit zu machen, was Metal ja nun gerade nicht ist), könnte ich allenfalls noch grunzen. Doch selbst dann fehlen mir (angemessen erfahrene) Musiker. Damit ich am Ende nicht den Geistbraus mit dem schlechtesten Brutal Technical Death Metal-Song aller Zeiten (am besten in 8bit Midi) beauftragen muß, erkläre ich diese Idee für gemeinfrei. Möge Wer-auch-immer damit zur Ausbreitung des Reiches Gottes beitragen!
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[1] „Aufopfern“ wäre zwar sachlich ungefähr das Gemeinte. Das gibt’s aber auch in Englisch („to offer up“), außerdem wird „aufopfern“ in der deutschsprachigen Theologie nicht verwendet (wie allerdings das ganze Themenfeld in der deutschsprachigen Theologie m.E. nicht adäuquat zur Sprache kommt), während „redemptive suffering“ sogar einen Wikipediaeintrag hat. (hoch)
[2] Ja, ich weiß, damit das Wortspiel auch für Muttersprachler funktioniert, müßte es natürlich „We are suffering redemptively“ heißen, aber dann klingt der Bandname plötzlich nach Gothic. (hoch)
[3] Zit. n. Peter Mildner: Dimmu Borgir. Satans-Treue, in: Legacy. The Voice from the Dark Side Nr. 48 (April/Mai 2007) 16–18, hier 18. (hoch)
[4] Enthroned schaffen es ja auch, eine satanistisch anmutende Atmosphäre zu verkaufen, indem sie das Pange Lingua verwursten… (hoch)
„Da aber die Musik dem Inhalt entsprechen muß, der Inhalt aber ganz viel mit Zorn zu tun hat…“ – mensch, da werden Erinnerungen wach! Ich wollte vor nun 0.5 Lebensdauern eine Unblack Metal Band namens ZORN gründen. Damals hatte ich von dem Gerücht gehört, daß das Peace-Zeichen ein antichristliches Symbol von Nero gewesen wäre – was prompt zu einem invertierten Peace-Zeichen im Logo geführt hat. Das Logo sah ziemlich geil aus und auf irgend einer Kassette kann man mich eine Coverversion von Horde – Behold – the rising of a scarlet moon performen hören. Meine Kinder, war das TR00 KVLT: Da ich nicht mal ein Vierspurgerät hatte und die „Gitarre“ vom PC kam, war die Klangquali ungefähr die von Abruptum oder Veles… Deshalb gab es ZORN auch nicht so lang.
Danke für die Erinnerung!
Nun stell Dir mal vor, Du hättest damals Deine trü-underground-Attitüde wenigstens ein bißchen überwunden und ein auf 300 Kopien limitiertes Album veröffentlicht, dann könntest Du heute die verbleibenden 290 Pressungen zu horrenden Preisen auf Ebay verticken! *** RARE *** MUST HAVE *** RA@RE *** !!!!
Ich bereue es auch! Generell war Unblack Metal keine grandiose Einkommensquelle für mich – wobei… Horde brachte mir immerhin ein ROI von ca 1400%…
Horde… ach ja… ich kann mich noch erinnern, wie ich Horde – Hellig Usvart seinerzeit bei Promarkt im Regal entdeckte. Ich hörte sie mir an und haderte mit mir, ob ich sie mir wirklich kaufen will. Damals habe ich eigentlich primär Death Metal gehört, Old School BM Marke Darkthrone war nicht so meins. Einen Tag später dachte ich mir „Cheese it, die Scheibe kostet 10 Glocken“ (damals noch Deutsche Maak). Jahre später – ich hörte kaum noch Metal – verkaufte ich einem Freund von mir die CD (original von Nucki, die die Pressung aufgrund von Morddrohungen früh einstellen mußten) für siebzig Euronen. Ich erfuhr später, daß ich auf Tauschbörsen bis zu 400 Glocken hätte verlangen können (bis Rowe Productions eine Version herausbrachte), aber hey – trotzdem gut Kohle gescheffelt.
Die Idee ist genial. Ich tu mir taeglich graessliche Musik an, das Leiden ist gross, hoffentlich auch mit Erloesungswert.
Das irritiert mich jetzt ein wenig. Die üblichen Reaktionen auf meine Ideen reichen eigentlich von „Du spinnst!“ über „weird“ bis „sick“. Und nicht zu vergessen: „Was hat denn bitte Bergbau mit Christentum zu tun?!“
Ich weiss ja nicht, Black Metal = Stolz, das wird wohl Inhaltlich mit dem ganzen Übermenschen-Zeugs übereinstimmen, aber für mich hört sich das BM-Gekrächze eher nach gequälten Seelen an, also Suffering ;).
Spontan fällt mir hier etwa der Opening Track eines meiner absoluten Lieblinge (Negura Bunget – OM) ein. Oder auch das Intro von Nargaroth’s Jahreszeiten. Auf diesem Album findet man übrigens auch die angesprochenen 8-bit-Schaukel-Beats (Track Frühling), jedenfalls hört es sich so an. Den Stolz höre ich nur bei Bands wie Taake, IXXI oder Windir heraus.
Ich würde mich natürlich musikalisch an Skaur orientieren ;).
Du hast Recht: Black Metal ist natürlich Krieg! 🙂