7 comments on “Sommerloch

  1. Der KStA hat das heute auch ganz dick bei uns drin gehabt. Jaja, wir sind alles rechtsradikale Grillanzünder …

    Und die Linken werden ganz plötzlich ganz schnell ziemlich recht.

  2. Drei Anmerkungen:

    1. Nach herrschender Rechtsmeinung sind Blogs, die nicht nur ausschließlich persönlichen und/oder familiären Zwecken dienen, schon jetzt impressumspflichtig.

    Nur wenige Blogger halten sich an diese aus § 55 I Rundfunkstaatsvertrag (RStV) folgende gesetzliche Verpflichtung; ich zum Beispiel tue es im Augenblick nicht, denke aber darüber nach, doch noch ein Impressum zu schalten.

    2. Es war der erzliberale John Stewart Mill, der sich 1861 (in "Considerations on Representative Government") vehement gegen geheime Wahlen aussprach.

    Er sah im Wahlrecht eine bürgerliche Verpflichtung:

    "His vote is not a thing in which he has an option; it has no more to do with his personal wishes than the verdict of a juryman. It is strictly a matter of duty; he is bound to give it according to his best and most conscientious opinion of the public good.

    Mill folgerte;

    "This being admitted, it is at least a primâ facie consequence that the duty of voting, like any other public duty, should be performed under the eye and criticism of the public."

    Diese Gedanken Mills lassen sich auf Äußerungen im öffentlichen Raum (und das Internet ist ein öffentlicher Raum) übertragen.

    Denke zum Beispiel an das Thema "pseudonyme Produktrezensionen" (etwa bei Amazon).

    Hier hat die Öffentlichkeit, meine ich jedenfalls, durchaus ein berechtigtes Interesse daran zu erfahren, ob sich hinter dem Pseudonym vielleicht ein Mitbewerber des Produktanbieters verbirgt.

    Richtig ist m.E. auch, dass es im Schutz der Anonymität zu einem rapiden Verfall der Qualität öffentlicher Meinungsäußerungen gekommen ist. Ich denke hier etwa an Blogs, in denen der Name der Bundeskanzlerin regelmäßig durch ein beleidigendes Reimwort ersetzt wird.

    3. Diese Anmerkungen sind kein Plädoyer für eine gesetzliche Aufhebung der Anonymität im Netz (die, wie jeder weiß, sowieso nur sehr begrenzt gegeben ist).

    Ich meine aber, dass wir die Sommerloch-Äußerungen des Bundesinnenministers zum Anlass nehmen sollten, einmal über die diskussionskultur im Netz (und über die eigene Schere im Kopf) nachzudenken.

    Viele Grüße
    Morgenländer

  3. Ohne Mill jetzt genauer zu kennen, erkenne ich in dessen Äußerungen ein aufklärerisches Menschenbild, das ich nicht teile. Insofern kann ich dessen Gedanken als Ausgang weiterer Überlegungen nicht übernehmen.

    Was den "rapiden Verfall der Qualität öffentlicher Meinungsäußerungen" angeht: Meiner Meinung nach bekommt man über das Internet heute nur mit, was schon immer in "fremden" (Stammtisch-)Kreisen üblich war. Oder anders gesagt: Die öffentlichen Meinungsäußerungen sind heute nicht mehr auf eine (selbsternannte?) Elite beschränkt.

    Gedanken zur Diskussionskultur im Internet hatte ich im Blogspost ursprünglich mal drin, aber das wurde dann zu weitschweifig 🙂 Und genau das passsierte mir jetzt gerade wieder, also lasse ich sie auch hier wieder weitgehend weg, bis ich einen neuen Post daraus gebastelt habe.

  4. @Vincentius Lerinensis:

    Dass das Wahlrecht eine Verpflichtung beinhaltet, ist ein Gedanke, der auch christlichen Denkern nicht fremd ist (mir fällt jetzt Josef Pieper ein, ohne dass ich dies auf Anhieb mit einem Zitat belegen könnte).

    Mill hatte ich zitiert, weil er als Radikalliberaler hier einen Gedanken vertritt, der dem heutigen liberalen Mainstream eher fremd ist.

    2. Waren öffentliche Meinungsäußerungen früher wirklich auf eine (selbsternannte) Elite beschränkt? Ich denke das eigentlich eher nicht, schließlich konnte jedermann auch schon vor den Zeiten des Internets seine Meinung durch Leserbrief oder Flugblatt (auch hier gibt es eine Impressumspflicht) öffentlich machen.

    Viele Grüße
    Morgenländer

  5. Daß das Wahlrecht eine Verpflichtung beinhaltet, ist ja überhaupt keine relevante Frage. Es gibt ja durchaus Demokratien, in denen das Wahlrecht zugleich eine Wahlpflicht darstellt. Es ist aber ein Unterschied, ob ich zur Wahl verpflichtet bin, oder ob ich mein Kreuzchen öffentlich machen muß und mich dafür dann später vor dem Staat rechtfertigen muß. Das kenne ich eigentlich nur aus Diktaturen.

    Zu 2.: Ja, die Möglichkeit, seine Meinung öffentlich zu machen, war aus technischen und finanziellen Gründen beschränkt. Leserbriefe mußten genauso einen "Gatekeeper" überwinden wie journalistische Beiträge, wer Flugblätter drucken wollte, brauchte entsprechend Geld.

  6. @Vincentius:

    In Großbritannien, dem Mutterland der Demokratie in Europa, waren es die sozialrevolutionären Chartisten, die in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts auf die Einführung der geheimen Wahl drängten; Konservative und Liberale lehnten dies über lange Zeit ab. Eingeführt wurde sie dann erst 1872.

    In den USA waren Wahlen bis 1884 öffentlich; die erste Präsidentschaftswahl, die komplett in geheimer Wahl durchgeführt wurde, fand sogar erst 1891 statt.

    Diese Staaten waren vor der Einführung der geheimen Wahl gewiss keine Diktaturen.

    Viele Grüße
    Morgenländer

  7. Naja, eine geheime Wahl setzt ja irgendwie auch voraus, daß die Wähler entweder lesen oder schreiben können.

    Andererseits würde ich die Wahlverfahren des 19. Jahrhunderts nicht unbedingt mit den heutigen demokratischen Standards vergleichen wollen. Ich denke, der deutlichste Unterschied besteht etwa im Frauenwahlrecht…

    Ich denke auch nicht, daß wir in dieser ganzen Diskussion weiterkommen, wenn wir als Voraussetzung nehmen, daß alles auch ganz anders geregelt sein könnte.

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