1Clem

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Als ich mich über den Artikel vom letzten Post aufregte, fing ich erstmal am anderen geschichtlichen Ende zu suchen an. Vom Studium hatte ich im Hinterkopf, daß es vor 1871 keine Definition des Jurisdiktionsprimates gab. Ich erinnere mich sogar noch daran, wie unser Kirchengeschichtler einen Kommilitonen zurechtwies, der im Kontext des „Hexenhammers“ fragte, wie sich der Bischof von Innsbruck über eine päpstliche Vorschrift hinwegsetzen und Heinrich Institoris
aus seinem Bistum vertreiben konnte: Wann wurde der Jurisdiktionsprimat definiert?

Ich hatte das damals so verstanden, als wäre der Jurisdiktionsprimat mehr oder weniger eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Wenngleich er seine Grundlage sehr wohl schon im Neuen Testament habe, sei er über die Jahrhunderte entwickelt und erst im 19. Jahrhundert voll entfaltet worden.

Aber wie so üblich bewahrt Quellenstudium vor solchen Neuentdeckungen. Denn wenn man sich „Pastor Aeternus“, die dogmatische Konstitution des 1. Vaticanums, in der der Jurisdiktionsprimat als verbindliche Glaubenswahrheit vorgelegt wird, anguckt, stellt man plötzlich fest, daß dort sinngemäß steht: „Wir schreiben als verbindlich zu glauben vor, was bereits das Konzil von Florenz definiert hat.“

Das Konzil von Florenz aber fand aber im späten Mittelalter statt – und gut dreißig Jahre vor dem Erscheinen des Hexenhammers übrigens! Im „Dekret für die Griechen“ (DH 1307) heißt es:

Ebenso bestimmen wir, daß der heilige Apostolische Stuhl und der Römische Bischof den Primat über den gesamten Erdkreis innehat und der Römische Bischof selbst der Nachfolger des seligen Apostelfürsten Petrus und der wahre Stellvertreter Christi, das Haupt der ganzen Kirche und der Vater und Lehrer aller Christen ist; und ihm ist von unserem Herrn Jesus Christus im seligen Petrus die volle Gewalt übertragen worden, die gesamte Kirche zu weiden, zu leiten und zu lenken, wie es auch in den Akten der ökumenischen Konzilien und in den heiligen Kanones festgehalten wird.

Im Anschluß wird noch einmal die Rangordnung der Patriarchate bestätigt: Rom, Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien, Jerusalem. Datum dieses Dekrete: 6. Juli 1439! Das einzige, was da noch nicht so explizit steht wie in Pastor Aeternus, ist die Unfehlbarkeit des Papstes in Fragen des Glaubens und der Sitte. Der komplette Umfang des Jurisdiktionsprimates ist dort bereits enthalten, und das Konzil behauptet wiederum, nur die bereits bestehende und von vorangegangenen Konzilien bestätigte Lehre zu wiederholen.

Den Verweisen im Denzinger folgend landete ich erstmal beim Glaubensbekenntnis des [byzantinischen] Kaisers Michael Palaiologos auf dem 2. Konzil von Lyon (DH 861), dem Unionskonzil mit den Griechen im Jahre 1274 (das ist das Konzil, zu dem Thomas von Aquin unterwegs war, als er starb):

Eben diese heilige Römische Kirche hat auch den höchsten und vollen Primat und die Herrschaft über die gesamte katholische Kirche inne; sie ist sich in Wahrheit und Demut bewußt, daß sie diesen vom Herrn selbst im seligen Petrus, dem Fürst bzw. Haupt der Apostel, dessen Nachfolger der Römische Bischof ist, zusammen mit der Fülle der Macht empfangen hat.

Desweiteren bestätigt er bereits das, was im Konzil von Florenz noch zu fehlen scheint: Die definitive Letztentscheidung des Papstes in Fragen des Glaubens:

Und wie sie vor den anderen gehalten ist, die Wahrheit des Glaubens zu verteidigen, so müssen auch eventuell auftauchende Fragen bezüglich des Glaubens durch Urteil entschieden werden [definiri(!)].

Ausdrücklich bestätigt der griechische Kaiser den Papst als Appellationsinstanz in allen rechtlichen Fragen und seinen Vorrang gegenüber Konzilien.

Also: Im Hochmittelalter bestätigt ein hoher Vertreter der orthodoxer Christenheit den Vorrang Roms in jeglicher Hinsicht. Natürlich könnte man einwenden, daß das byzantinische Kaiserreich sich seit Jahrhunderten des vordringenden Islams erwehren mußte und im Hochmittelalter entsprechend schwach war, daß überhaupt die Unionsbemühungen hier ihren Ursprung hätten und der Papst dem Kaiser diktieren konnte, was er wollte. Und vor allem, daß die orthodoxen Gläubigen die Union schließlich ablehnten. Das alles relativiert aber nicht, daß bereits hier der Anspruch Roms auf den Jurisdiktionsprimat über die ganze Kirche inklusive der Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubensfragen klar und deutlich formuliert ist. Im Jahre 1274!

Allerdings ist das keineswegs das Ende der Verweise. Ein weiterer führte zum 4. Konzil von Konstantinopel im Jahre 869. Dieser Verweis ist allerdings ohne Fundstelle im Denzinger-Hünermann. Der Grund dafür ist, daß nämlicher Beschluß eine Vorgeschichte von mehreren hundert Jahren hat und sich sein Wortlaut mit geringen Abweichungen bis ins Jahr 515 zurückverfolgen läßt, nämlich zum Glaubensbekenntnis „Libellus Fidei“ von Papst Hormisdas (DH 363–365) das zur Beendigung des Akazianischen Schismas führte. Dort heißt es unter anderem:

Der Anfang des Heiles ist, die Regel des rechten Glaubens zu beachten und keinesfalls von den Bestimmungen der Väter abzuweichen. Und weil der Spruch unseres Herrn Jesus Christus nicht übergangen werden kann, der sagt: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“, wird das, was gesagt wurde, durch die tatsächlichen Wirkungen erwiesen; denn beim Apostolischen Stuhl wurde stets die katholische Religion unversehrt bewahrt. […] Wie wir vorher sagten, folgen wir in allem dem Apostolischen Stuhl und verkünden alle seine Bestimmungen; deshalb hoffe ich, daß ich in der einen Gemeinschaft mit Euch, die der Apostolische Stuhl verkündet, zu sein verdiene, in der die unversehrte und wahre Festigkeit der christlichen Religion ist. Ich verspreche, daß die Namen derer, die von der Gemeinschaft mit der katholischen Kirche getrennt sind, das heißt, nicht mit dem Apostolischen Stuhl übereinstimmen, während der heiligen Geheimnisse nicht verlesen werden.

Diese Formel beendete das von Rom verkündete Schisma mit Konstantinopel, nachdem Konstantinopel die Beschlüsse des Konzils von Chalzedon relativieren wollte, um die Einheit mit den Monophysiten zu ermöglichen. Konstantinopel, vertreten durch den Patriarchen und den Kaiser, schlossen sich voll und ganz der römischen Position an! Hier ist auch keinerlei äußerer Druck durch den (noch nicht existierenden) Islam oder ähnliches zu erkennen. Allenfalls die Germanen, die allerdings noch dazu Arianer waren, könnte man hier anführen. Die haben allerdings mehr Druck auf Rom als auf Konstantinopel ausgeübt. Mit anderen Worten: Wir haben hier, im Jahre 515/19 (nochmals durch Patriarch und Kaiser bestätigt 535) eine eindeutige und freie Zustimmung Konstantinopels zum Jurisdiktionsprimats Roms!

Damit aber immer noch nicht genug. Bereits im Jahre 343 ging es auf der Synode von Serdika um jurisdiktionelle Zuständigkeiten und Appelationsrechte bei Rechtsverfahren gegen Bischöfe (DH 133–136). Serdika liegt bei Sofia, also im Patriarchatsgebiet von Konstantinopel. Hier beschloß man, daß zunächst die Bischöfe der Kirchenprovinz über ihren Mitbruder Gericht halten sollten. Die Appellationsinstanz gegen ihr Urteil ist aber nicht etwa der Patriarch von Konstantinopel, sondern – unter ausdrücklicher Berufung auf das „Haupt“, d.h. den „Stuhl des Apostels Petrus“ – Rom!

Kurz zuvor hatte Papst Julius I. diese Frage ebenfalls ins Spiel gebracht, als er den Antiochenern in einem Brief (DH 132) vorwarf, den Rechtsweg nicht eingehalten zu haben:

Weswegen aber wurde uns vor allem wegen der Kirche von Alexandrien nicht geschrieben? Oder wißt ihr nicht, daß dies Brauch war, daß zuerst uns geschrieben wird und so von hier aus entschieden wird, was gerecht ist? Wenn nun freilich ein derartiger Verdacht gegen den dortigen Bischof volag, hätte man an die hiesige Kirche schreiben müssen.

Papst Julius beansprucht also, der einzige Richter in Streitigkeiten zwischen Patriarchatssitzen zu sein – nichts anderes also als den Jurisdiktionsprimat!

Gehen wir zurück in die frühe Kirche, also vor die Legalisierung des Christentums durch Kaiser Konstantin, werden die Quellen zwar dünner, aber es gibt sie, und sie ziehen sich durch die Jahrhunderte. So hat sich z.B. Papst Stephan im Jahr 256 in einem nur fragmentarisch überlieferten Brief an die Bischöfe Kleinasiens ausdrücklich auf die Kathedra Petri berufen, und Polykrates von Ephesus scheint, wie aus seinem ebenfalls nur fragmentarisch erhaltenen Brief an die Kirche von Rom (ca. 185–195) hervorgeht, auf Aufforderung Roms eine kleinasiatische Bischofssynode einberufen zu haben. Wie gesagt, diese Quellen sind dünn, wie überhaupt die Gesamtquellenlage vor dem Konzil von Nicäa 325 recht dürftig ist.

Jedoch sind noch drei frühe Quellen zu nennen, die bereits im apologetischen Teil auftauchten, zu nennen, die deutlich und sehr früh den Jurisdiktionsprimat bezeugen:

  • Irenäus, Adv. Haeresis III, 3, n. 2 (ca. 175–185): „Weil es aber zu weitläufig wäre, in einem Werke wie dem vorliegenden die apostolische Nachfolge aller Kirchen aufzuzählen, so werden wir nur die apostolische Tradition und Glaubenspredigt der größten und ältesten und allbekannten Kirche, die von den beiden ruhmreichen Aposteln Petrus und Paulus zu Rom gegründet und gebaut ist, darlegen, wie sie durch die Nachfolge ihrer Bischöfe bis auf unsere Tage gekommen ist. So widerlegen wir alle, die wie auch immer aus Eigenliebe oder Ruhmsucht oder Blindheit oder Mißverstand Konventikel gründen. Mit der römischen Kirche nämlich muß wegen ihres besonderen Vorranges jede Kirche übereinstimmen, d. h. die Gläubigen von allerwärts, denn in ihr ist immer die apostolische Tradition bewahrt von denen, die von allen Seiten kommen.“
  • In seinem Brief an die Römer redet der heilige Ignatius von Antiochien die römische Kirche als „die den Vorrang führt in der Liebe“ an, was er im übrigen klar von „die den Vorsitz führt im Gebiet der Römer“ unterscheidet. Die Briefe des heiligen Ignatius (ca. 107) sind nach dem Ersten Clemensbrief das überhaupt erst zweite Zeugnis der frühen Kirche nach den biblischen Quellen. Es sei noch angemerkt, auch wenn das ein Argument e silentio ist, daß keiner der anderen Ignatiusbriefe solche Formulierungen auch nur im Ansatz kennt.
  • Der Jurisdiktionsprimat besagt ja im wesentlichen, daß der Papst unmittelbar in jede Ortskirche hineinregieren kann. Der Anlaß des aus Rom kommenden Ersten Clemensbriefes ist die (unrechtmäßige) Absetzung von Priestern in Korinth. Die römische Kirche beansprucht in diesem Brief, unmittelbar in die Kirche von Korinth hineinregieren zu können (vgl. insbes. 1 Clem 57–59). Der Erste Clemensbrief ist also als ganzes ein einziges Zeugnis für den Jurisdiktionsprimat.

Überraschenderweise ist der Jurisdiktionsprimat und seine Ausübung durch den römischen Bischof ausgesprochen gut und von frühester Zeit belegt. Man könnte sogar behaupten, daß abgesehen von der Göttlichkeit Jesu kein Abstraktum der kirchlichen Lehre so gut belegt ist wie der Jurisdiktionsprimat. Und so erklärt sich auch, warum die Protestanten auf so nebensächliche Dinge wie „war Petrus überhaupt in Rom“ abheben. Denn das ist das einzige Glied in der ganzen Lehre vom Jurisdiktionsprimat, das nicht überdeutlich belegt ist – was nicht ganz unnormal ist für Einzelereignisse im Leben eines von der Welt damals für nicht sonderlich bedeutsam gehaltenen Menschen…

Im Juni gab es in unserem Pfarrblatt einen Artikel über den Jurisdiktionsprimat. Wie kurzes Googlen ergabt, erschien dieser Artikel, der einer Zeitschrift entstammt, die als Hilfe bei der Erstellung von Pfarrbriefen erscheint, auch in vielen anderen Juniausgaben von Pfarrblättern. Ist ja auch naheliegend, zumindest wenn man noch nicht vergessen hat, daß am 29. Juni das Hochfest Peter und Paul gefeiert wird.

Der Artikel selbst ist jedoch einigermaßen schauerhaft. Ok, man muß einräumen, daß es aus Perspektive des Autors, der evangelischer Kirchengeschichtler ist, sicherlich ein gelungener Text ist, denn er steht voll und ganz in „guter“ protestantischer Tradition. Aus katholischer Perspektive ist dazu jedoch zu sagen, daß dieser Artikel selbst in der vorsichtigsten Interpretation „eine beharrliche Leugnung“ oder zumindest „einen beharrlichen Zweifel einer kraft göttlichen und katholischen Glaubens zu glaubenden Wahrheit“ (Can. 751 CIC i.V.m. Pastor Aeternus) darstellt, oder einfacher gesagt: Häresie. Wie dieser Text unkommentiert in die katholische Ausgabe nämlicher Zeitschrift kommen konnte… naja, wundert mich irgendwie nicht so wirklich, skandalös ist es (insbesondere im eigentlichen Sinne des Wortes) trotzdem.

Das Schlimmste an dem Artikel ist, daß die dargestellten Fakten gar nicht so falsch sind, aber sehr wohl fehlerhaft eingeordnet werden:

  • Behauptung: „Erst der erste Clemensbrief deutet um die Jahrhundertwende 90/100 n.Chr. einen Märtyrertod des Paulus und Petrus in Rom an…“
    Richtig ist: Der Erste Clemensbrief ist unbestritten die älteste halbwegs sicher datierbare nachbiblische Quelle.[1] Wie man es dreht und wendet, das „erst“ ergibt keinen Sinn. Geht man von Frühdatierungen der biblischen Schriften aus, sind die meisten vor 64-67 (den vermuteten Jahren des Martyriums Petri) entstanden, dann ist der etwa 90-100 entstandende Erste Clemensbrief die erste Quelle, in der man ernsthaft etwas vom Martyrium Petri zu erfahren erwarten darf. Geht man hingegen von Spätdatierungen aus, dann ist das „erst“ geradezu lachhaft, denn dann wäre ein Großteil der biblischen Schriften sogar noch jünger als der Erste Clemensbrief.
  • Behauptung: „…später berichtet Irenäus von Lyon (gest. 202), dass Petrus der erste Bischof der Gemeinde in Rom gewesen sei.“
    Richtig ist: 1. Irenäus von Lyon ist zwar um 202 gestorben. Seine hier maßgeblichen Schriften lassen sich jedoch recht sicher auf die 170er Jahre datieren, als sein Lehrer Polykarp gerade mal zwanzig Jahre tot war. Polykarp aber war ein direkter Schüler des Apostel Johannes. Irenäus selbst, geboren um 120, gehört also erst zur Generation der „Apostelenkel“. Er ist daher als Quelle keineswegs als „spät“ einzustufen.
    2. Irenäus berichtet nicht etwa beiläufig über Petrus als Bischof von Rom, sondern er ist der Systematiker der Apostolischen Sukzession als Kriterium der Rechtgläubigkeit! M.a.W.: Er erfindet nicht mal eben aus lauter Jux und Dollerei die Apostolische Sukzession, sondern auf der Suche nach einem Kriterium, wo die rechte Lehre zu finden ist, greift er auf die apostolische Sukzession, d.h. die Weitergabe der apostolischen Sendung von Bischof zu Bischof zurück. Infolgedessen muß der Gedanke der apostolischen Sukzession (von der Praxis ganz zu schweigen) bereits klar und deutlich vorgelegen haben, als er ihn aufgegriffen hat. Und das ist auch alles andere als unwahrscheinlich, findet sich doch die Einsetzung von Gemeindeleitern durch die Apostel (z.T. mit Handauflegung) bereits in den biblischen Quellen.
  • Behauptung: Mt 16,18 sei das „Wort auf das die katholische Tradition die Vorrangstellung des Apostels zurückführt“.
    Richtig ist: 1. Die katholische Tradition führt darauf keineswegs die Vorrangstellung des Apostels Petrus zurück, sondern den Jurisdiktionsprimat des Papstes!
    2. Die katholische Tradition führt darauf den Jurisdiktionsprimat nicht zurück, sondern verwendet Mt 16,18 als Schriftbeweis für ihn. D.h. in einer bestimmten theologischen Methodik wird die deutlichste Stelle als biblische Grundlage einer kirchlichen Lehre angeführt – als pars pro toto!, d.h. in dieser Stelle kommt am deutlichsten die klare Überlieferung der Heiligen Schrift zum Ausdruck. Die Stelle ist aber sehr wohl im Kontext aller Schriften zu betrachten, und da fällt doch deutlich der Vorrang Petri ins Auge. Obwohl er nicht annähernd so charismatisch wie Johannes und Paulus ist, die ungefähr genauso häufig erwähnt werden wie Petrus (alle anderen Apostel sind weit, weit, weit abgeschlagen), hat er sowohl vorösterlich als auch nachösterlich die Rolle der entscheidenden Autorität im Apostelkollegium inne. Das zeigt sich auch darin, daß sowohl Johannes als auch Paulus den Vorrang des Petrus ausdrücklich bestätigen.

Zwei Aussagen sind allerdings nur schlicht und ergreifend falsch zu nennen:

  • Falsch ist: Die „biblischen Quellen […] wissen […] von einem Romaufenthalt des Petrus nichts“.
    Richtig ist vielmehr: Die biblischen Quellen geben als Abfassungsort des Ersten Petrusbriefes Rom an.[2]
  • Falsch ist: „Aus diesen Notizen ist erst Jahrhunderte später eine Vorrangstellung des römischen Bischofs abgeleitet worden…“
    Richtig ist vielmehr: 1. Sowohl der Erste Clemensbrief als auch die Schriften von Irenäus sind zentrale, maßgebliche und noch dazu gut überlieferte Quellen über die frühe Kirche. Sie trotz ihrer breiten Bezeugung des Jurisdiktionsprimates als „Notizen“ zu bezeichnen, ist, als würde man behaupten, die Evangelien und die Paulusbriefe enthielten einige Notizen über einen Handwerker aus Galiläa, aus denen Jahrhunderte später die Vorrangstellung Jesu Christi in der Kirche abgeleitet wurde![3]
    2. Diese und weitere, unterschlagene Quellen sind nicht Ursprung, sondern bereits Zeugnis des Jurisdiktionsprimats.[4]
  • Falsch ist: „…anfangs gab es neben Rom weitere Patriarchate in Alexandria, Antiochia, Jerusalem und Konstantinopel.“
    Richtig ist vielmehr: 1. Jerusalem als Patriarchatssitz gibt es erst seit 451 (Konzil von Chalkedon), und auch Konstantinopel wird erst 325 (Konzil von Nicäa) den „von alters her“ bestehenden Patriarchaten Rom, Antiochien und Alexandrien hinzugefügt. Soviel zum Thema „Jahrhunderte später“… Zudem stehen die Patriarchate überhaupt nicht in Konkurrenz zum Jurisdiktionsprimat, wie es auch alles andere als zufällig oder willkürlich ist, daß Rom hier als erstes genannt wird.
    2. Am Jurisdiktionsprimat hat der Verfasser (man ist fast geneigt zu sagen: nur) zu bemängeln, daß es keine biblische Quelle für Petri Aufenthalt in Rom gebe.[5] Für die Patriarchate als einheitsstifendes Moment oder gar Inhaber der höchsten kirchlichen Gewalt gibt es in der Bibel nicht den leisesten Anhalt. Ihr Ursprung liegt auch weitgehend im Dunkeln. Selbst die Konzilien haben mehr biblische Grundlage als die Patriarchate, vom Jurisdiktionsprimat ganz zu schweigen.

Soviel (reine Apologetik) für heute. Nächste Woche soll es nochmal von der anderen Seite aus weitergehen. Denn die Deutlichkeit, mit der der Jurisdiktionsprimat sich durch die Jahrhunderte zieht, hat mich selbst überrascht.

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[1] Je nach Datierung könnten die Didache und der Barnabasbrief älter sein. Sie weisen jedoch Datierungsabweichungen von einem halben bis dreiviertel Jahrhundert auf, können also auch deutlich jünger als der Erste Clemensbrief sein. (hoch)

[2] 1 Petr 5,13 lautet: „Es grüßt euch aus Babylon die Gemeinde, die mit euch auserwählt ist, und mein Sohn Markus.“ Babylon ist eine frühchristliche Chiffre für Rom (siehe z.B. in der Offb). Man könnte zwar argumentieren, der 1 Petr sei pseudepigraphisch, wobei man sich dabei gegen den gegenwärtigen Trend der Forschung stellte, jedoch ändert das nichts daran, daß 1 Petr als biblische Quelle sehr wohl die Anwesenheit Petri in Rom voraussetzt. (hoch)

[3] Ja, auch diese Auffassung gibt es tatsächlich. Aber man muß ja nicht jeden Schwachsinn diskutieren. Die Evangelien zu lesen, sollte ausreichen, um zu merken, daß in ihnen nichts so deutlich ist wie der Anspruch Jesu Christi, Gott zu sein. (hoch)

[4] Ok, ich gestehe zu, daß wir hier bereits in der Quelleninterpretation sind. Man kann natürlich jede einzelne Quelle für sich wegdiskutieren, und das ist eine beliebte Methode. Dennoch kann die Breite und die Vielzahl der Zeugnisse für den Jurisdiktionsprimat, die man da jeweils einzeln wegdiskutieren muß, nur erstaunen. (hoch)

[5] „Nur“ deshalb, weil dieser Einwand nicht die Lehre vom Jurisdiktionsprimat als solche angreift, sondern lediglich den Anspruch des Papstes, ihn als Nachfolger Petri ausüben zu können. Selbst wenn nachgewiesen werden könnte, daß Petrus nie in Rom war, folgte daraus also nicht, daß der Jurisdiktionsprimat falsch ist, sondern die Frage, wer ihn stattdessen ausüben müßte. Dafür gibt es aber überhaupt keine Kandidaten, wie eben auch der Aufenthalt und das Martyrium Petri in Rom bis zur Neuzeit niemals und von niemandem bestritten wurde. (hoch)