Ästhetik

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Ich habe in letzter Zeit mehrere Anfragen zu „ist das und das im Metal tatsächlich so“ bzw. „wie geht man mit dem und dem im Metal um“ bekommen, insbesondere zum Satanismus und zum Rechtsextremismus (NSBM). Ich will das beides zusammen behandeln, da in beiden Fällen dasselbe Grundaxiom im Raum steht: Ein Christ darf keine Musik von Satanisten oder Nazis hören.

Grundsätzlich gibt es drei (und nur drei) Möglichkeiten, mit dieser Frage umzugehen:

  1. Ich blende das Thema aus und höre die Musik, ohne über die evtl. transportierten Inhalte und die religiösen oder politischen Einstellungen ihrer Produzenten nachzudenken.
  1. Ich lehne die Musik ab, weil in ihr (oder auch nur mit ihr) diese Themen transportiert werden.
  1. Ich greife die unhinterfragte Voraussetzung der Problemstellung an und differenziere zwischen Kunstwerk und Künstler; d.h. ich stelle die Frage, ob das Kunstwerk eine künstlerische Aussage darstellt oder reine Propaganda.

ad 1) Die erste Lösung ist eine bewußt unreflektierte. Ich verweigere das Nachdenken über Dinge, die keineswegs nebensächlich sind. Wären sie nebensächlich, müßte ich nicht bewußt diese Dinge ausblenden, sondern könnte sie als nebensächlich abtun.

ad 2) Die zweite Lösung ist streng genommen sogar noch unreflektierter als die erste. Während die erste immerhin noch die geistige Anstrengung unternimmt, bewußt nicht darüber nachzudenken, zieht dieser Umgang mit der Problemstellung voreilige Schlüsse: Wenn jemand „Hail Satan“ in ein Mikrofon brüllt, dann muß er damit exakt das meinen, was ich darunter verstehe. D.h. ich verweigere mich unbewußt dem Nachdenken darüber, was dieser Typ mir wohl sagen will, wenn er Worte in den Mund nimmt, die in meinem Denken als gefährlich gelten (und infolgedessen für mich auch sind). Insbesondere verweigere ich die geistige Anstrengung, darüber nachzudenken, ob der Typ wohl dasselbe denkt, wenn er den Begriff „Satan“ verwendet.[1]

ad 3) Die dritte Variante versucht zu verstehen, was in den problematisierten Thematiken zum Ausdruck gebracht werden soll und entscheidet von Fall zu Fall, wie sie das konkrete künstlerische Produkt beurteilt. So könnte als Kriterium für „Propaganda“ zum Beispiel geprüft werden, ob die Band diese Thematiken nur künstlerisch verarbeitet oder auch in „satanistischen Sekten“ oder rechtsextremen Netzwerken aktiv ist.

Das Problem des Metals ist nun, daß er aus seiner Eigenlogik heraus keine dieser drei möglichen Varianten vertreten kann (obwohl alle drei auch von Metallern im Metaldiskurs vertreten werden; aber der Metal-Gesamtdiskurs kann keiner der drei Varianten auch nur mehrheitlich zustimmen). Denn:

1) ist dumm und weiß auch noch, daß es dumm ist. Die meisten Metaller halten sich aber für zu reflektiert und klug, um diese Position einzunehmen. Vor allem sind sie sich bewußt, daß diese Lösung eigentlich nur hilflos ist. Sie funktioniet in der Praxis auch nur dann, wenn man so zwischen Musik der Band und der politischen Ausrichtung der Bandmitglieder unterscheidt, daß man ruhigen Gewissens sagen kann, in der Musik spiele die Politik keine Rolle. Das kommt 3) aber schon wieder recht nahe.

2) ist die Lösung der Spießer (nichts Grundsätzliches gegen Spießer, bin selbst manchmal einer). Dabei ist es auch egal, ob der Spießer jetzt meint a) „Hail Satan“ sei ein Anbeten des Teufels (weil das in seinem Denken anders nicht sein kann) oder b) an sich harmloser Ausdruck jugendlicher Rebellion (weil das in seinem Denken anders nicht sein kann). Natürlich ist das Ergebnis diametral entgegengesetzt: a) hält Metal für gefährlich, b) für harmlos.

Witzigerweise kann der Metal auf Dauer mit a) sogar besser leben als mit b), denn er hält sich sogar selbst für „gefährlich“, und selbst wenn der Metaller für sich selbst den Metal als reine Rebellion versteht, wäre es etwas witzlos, wenn diese Rebellion niemanden juckt, weil das ja nur eine vorübergehende Entwicklungsphase sei.

Problematisch wird Position a) jedoch, wenn mit politischen, wirtschaftlichen oder rechtlichen Machtmitteln gegen den Metal vorgegangen wird – das kann naturgemäß nicht mehr mit dem Selbstverständnis des Metals in Übereinstimmung gebracht werden. Insofern ist im Metal doch wieder eher eine Neigung zu b) zu spüren, getreu dem Motto „die lassen uns wenigstens machen“.

3) kommt immerhin als Lösung für den Einzelnen durchaus in Frage. Da es sich aber um Einzelfallentscheidungen mit Ermessensspielraum handelt, kann daraus keine allgemeingültige Antwort „des Metals“ abgeleitet werden. So gab es durchaus auch Nicht-Rechtsextreme, die den NSBM für einen legitimen Teil des Metals hielten.

Die zuletzt genannte Position ist tatsächlich aus der Eigenlogik des Metals ableitbar: Metal soll gefährlich sein, sich mit den dunklen Elementen menschlichen Daseins beschäftigen und sie gerade in ihrer Bosheit darstellen – was nur geht, wenn man im künstlerischen Ausdruck konsequent auf moralische Urteile verzichtet. Dann kann aber das Thema, das in der heutigen Wahrnehmung über den Teufel weit hinaus das schlimmste ist, das es gibt, der Nationalsozialismus, nicht außen vor bleiben. Dann muß es neben „Hail Satan“ auch „Heil Hitler“ geben. Das ist reine Logik.

Doch hört hier selbst für die meisten Metaller der „Spaß“ auf. Lieder wie „Angel of Death“ von Slayer, das das Grauen des Dr. Mengele (fast) unkommentiert darstellt, geht gerade noch so durch, ecken aber auch schon bei einigen Metallern an. Glorifizierungen des Nationalsozialismus wie im bekennenden NSBM hingegen, sind für die meisten Metaller ein „No-go“. Das ist dann doch zu gefährlich.

Nur steht das eigentlich in einem Widerspruch zum Metal-Selbstverständnis, was in ein Dilemma führt, das jeder nur für sich selbst beantworten kann: Wieso ist der Nationalsozialismus zu gefährlich, der Satanismus hingegen nicht? Die naheligende Antwort scheint mir: Wei wir den Satanismus eigentlich nicht ernstnehmen. Das gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, daß Satanismus im Metal, wenn mehr als bloß künstlerisches Ausdrucksmittel, meist philosophischer Satanismus ist, der vielleicht nicht sozial gefährlich ist, aber aus christlicher Perspektive zu geistlicher Selbstzerstörung führt, da er auf der Ursünde des „Selbermachens“ basiert. Diese Gefahr wird dann aber nicht ernstgenommen.

Worin liegt dann aber die Berechtigung des Metals an sich? – In der künstlerischen Verarbeitung des Bösen, das eber gerade nicht rational angemessen erfaßt werden kann. Das Böse ist wesenhaft irrational und entzieht sich dem rationalen Verständnis. Das mit ihm dem Menschen gestellte Problem ist rational letztlich nicht lösbar. Die Kunst hingegen hat Möglichkeiten, menschliche Erfahrungen auszudrücken und zu vermitteln, die über das rein Rationale hinausgehen. Doch selbst in der Kunst wird das Böse häufig moralisch verarbeitet, d.h. mit negativen Urteilen belegt, die die durch das Böse verursachte Verunsicherung sofort durch die Selbstvergewisserung „wir sind ja die Guten“ suspendieren. Das Böse aber ästhetisch als das darzustellen, was es ist, nämlich als Böses, gelingt m.E. nur wenigen – und das hauptsächlich in mehr oder weniger abseitigen Teilen der populären Kultur. In diese Kategorie gehört auch der Metal.

Daraus folgt für die eingangs gestellte Fragestellung: Die dritte Möglichkeit ist tatsächlich die einzige Möglichkeit. Wer über die Fragestellung nachdenkt, wird merken, daß es ein Tanz auf Messers Schneide ist und bleibt. Aber die Alternativen überzeugen m.E. noch weniger, denn sie reproduzieren die Varianten 1) und 2): sich der Auseinandersetzung mit dem Bösen ganz entziehen, seine Existenz auszublenden und in eine scheinbar „heile Welt“ flüchten – oder sich mit dem Bösen unzureichend, insbesondere rationalistisch verengt, auseinanderzusetzen.[2]

Abschließend sei doch noch eine vierte Variante genannt, eine Kombination aus 3) und 1): Sich der Gefährlichkeit bewußt zu sein, sie aber bewußt auszublenden. Das dürfte praktisch der häufigste Umgang sein. Dann könnte man aber keinen Blogpost drüber schreiben, weil man dann schon die Frage nicht stellen könnte…

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[1] Um das dem Theologen etwas verständlicher zu machen: Die Dogmengeschichte ist zu einem nicht unwesentlichen Teil ein Ringen um Begriffe. Nicht wenige Häresien gründeten darauf, daß sie zwar dieselben Begriffe wie die Großkirche verwendeten, damit aber etwas anderes meinten.

Mal ein Beispiel aus der Neuzeit: Die katholische Kirche differenziert zwischen der Erbsünde und der Konkupiszenz, der ungeordneten Begierlichkeit; Luther hingegen identifiziert die Erbsünde mit der Konkupiszenz. D.h. Luther meint etwas ganz anderes, wenn er von „Erbsünde“ spricht, als die katholische Kirche. Wenn ich also im ökumenischen Gespräch von der Erbsünde rede und dabei voraussetze, daß die Protestanten dasselbe damit meinen wie ich, ist das Gespräch von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Zweites Beispiel: In den letzten 50 Jahren hat auch die katholische Theologie große Anstrengungen unternommen, klassische Begriffe der katholischen Lehre neu zu deuten. Dabei ist aber das entscheidende gar nicht der Begriff, sondern das von ihm Bezeichnete. Den Begriff wollte man behalten, aber das Bezeichnete ändern. Tatsächlich wäre es aber besser, den Begriff zu ändern und das Bezeichnete zu behalten.

Und so könnte es ja sein, daß der „Hail Satan“-Sänger hier überhaupt keinen gefallenen Engel grüßt, sondern Satan als ein künstlerisches Symbol des Bösen versteht, und mit dem Gruß des Bösen ausdrücken will, daß der Mensch ihm ausgeliefert ist. Muß nicht so sein, könnte aber. Oder anders. Dafür müßte man halt darüber reflektieren, was der Typ aus seiner Perspektive damit wohl meinen könnte. (hoch)

[2] Wie sollte etwas, das wesentlich irrational ist, rational erfaßbar werden?! (hoch)

hjerSie glänzte wie ein kostbarer Edelstein, wie ein kristallklarer Jaspis. Die Stadt hat eine große und hohe Mauer mit zwölf Toren und zwölf Engeln darauf. Die Mauer der Stadt hat zwölf Grundsteine. Die Stadt war viereckig angelegt und ebenso lang wie breit. Ihre Länge, Breite und Höhe sind gleich: zwölftausend Stadien [gut 2100 km]. Und er maß ihre Mauer; sie ist hundertvierundvierzig Ellen [gut 68 m] hoch. Ihre Mauer ist aus Jaspis gebaut und die Stadt ist aus reinem Gold, wie aus reinem Glas. Die Grundsteine der Stadtmauer sind mit edlen Steinen aller Art geschmückt; der erste Grundstein ist ein Jaspis, der zweite ein Saphir, der dritte ein Chalzedon, der vierte ein Smaragd, der fünfte ein Sardonyx, der sechste ein Sardion, der siebte ein Chrysolith, der achte ein Beryll, der neunte ein Topas, der zehnte ein Chrysopras, der elfte ein Hyazinth, der zwölfte ein Amethyst. Die zwölf Tore sind zwölf Perlen; jedes der Tore besteht aus einer einzigen Perle. Die Straße der Stadt ist aus reinem Gold, wie aus klarem Glas. Und die Könige der Erde werden ihre Pracht in die Stadt bringen. Und man wird die Pracht und die Kostbarkeiten der Völker in die Stadt bringen.

kainlogoIm letzten Sommerurlaub stieß ich in der Legacy auf einen Beitrag über Kain. Eine Metal-Band, die sich auf den Hintergrund „christlicher Mythologie“ mit Gut und Böse auseinandersetzt? Haben will! Es dauerte zwar noch, bis sich – ratter, ratter, ratter, woher kannte ich den Namen? – der Keyboarder/Komponist der Band auf meine Homepage verirrte, daß ich die Scheibe auch wirklich in den Händen hielt. Aber dieses Album konnte ich doch nicht übergehen.

Als ich die Scheibe dann in den Händen hielt, erstmal Ernüchterung: Da stand was von Pagan/Black Metal und „für Fans von Eisregen, Varg, Equilibrium, early Die Apokalyptischen Reiter, Thrudvangar, Catamenia…“ – irgendwie nicht so meine Baustelle. Varg, Equilibrium, – habe ich schonmal gehört, sind ohne nennenswerte Erinnerung; Thrudvangar, Catamenia – kenne ich nichtmal; Anklänge an frühe Apokalyptische Reiter – kann ich nicht finden; Eisregen – ja, im Gesang, vor allem in „Verkünder des Hasses“ (das ich allerdings für das schwächste Lied des Albums halte).

kaingroup1 Durch diese Vorgaben aber erstmal auf Black Metal gepolt, dauerte es eine ganze Weile, bis ich die Elemente erkannte, die (zutreffender) auf der Bandhomepage genannt werden – Black Metal und Melodic Death Metal. Letzteres ist etwas mehr meine Baustelle, allerdings bin ich da entwicklungsmäßig vor ca. 10 Jahren stehen geblieben (frühe In Flames [bis Reroute to Remain], Arch Enemy [Stigmata regelt!], At the Gates; mit Dark Tranquillity z.B. bin ich aber nie warm geworden). Daher lag mir auf der Zunge: Was kommt raus, wenn man Black Metal und Melodic Death Metal mischt? Klar: Melodic Black Metal.“ Entsprechend war mein erster Eindruck: Klingt nach Bal-Sagoth. Nach mehrmaligem Hören konnte ich dann auch Black Metal- von Melodic Death-Elementen unterscheiden. Spricht ja zunächst einmal für die Musik, daß alles nach einem Guß klingt. Und in „Sturz des Lichtbringers“ kann ich auch noch ein bißchen Primordial und damit Pagan Metal raushören.

Inhaltlich wurde mir aufgetragen, die Texte nicht zu überinterpretieren, was ich auch gar nicht tun will. Gute Metal-Lyrics zeichnen sich sowieso dadurch aus, daß sie verschiedenen Interpretationen zugänglich sind und ihre Interpretation mehr über den Deutenden als die Texte aussagt. Wie schon im Legacy-Beitrag angekündigt, drehen sich die Texte um die ersten Kapitel der Genesis und was sich so an Legenden darumherum entwickelt hat (Göttersöhne, Menschentöchter; Engelsturz; Krieg gegen den Himmel; Kains Mord an Abel). Was das Traditionalistenherz besonders erfreut: Hier wird nichts problematisiert, aus der Zeit heraus (weg-)erklärt und psychologisch umgedeutet, sondern das mythisch-legendarische Material in seiner überlieftern Form verarbeitet und dargestellt – eingeschlossen die eher Black Metal-untypische Niederlage des Teufels gegen Michael („Sturz des Lichtbringers“). (Untypischer ist vielleicht nur noch das Falco-Cover „Out of the Dark“ als „Hidden Track“ am Ende… Wobei mich das Stück in diesem Konstext beinahe doch zu einer inhaltlichen Gesamtdeutung des Albums verleitet hätte – „Muß ich denn sterben um zu leben?“ *g*)

Zurück zur Musik. Herausragend sind für mich „Freiheit ruft“ und „Vom Erdenleid“. Letzteres ist eine gute Mischung aus Melodic Death und Black Metal-Brachialität mit ein paar Mosh-Parts, Tempowechseln und ein paar infernalischen, aber wohl technisch erzeugten stimmlichen Einlagen – und vor allem Riffs die im Ohr bleiben. (Apropos Gesang: In „Fleischeslust“ kriegt man ernsthaft und trotz Berücksichtigung der Differenz zwischen Sänger und Lyrischem Ich Sorgen um das Seelenheil des Sängers 🙂 Da zeigt er, was er mit seiner Stimme machen kann, im Rest bewegt er sich leider im Bereich des „Üblichen“, Genretypischen, Durchschnittlichen.)

„Freiheit ruft“ – hört selbst:

So muß Metal klingen, wenn er denn schon melodisch sein muß. Das Stampfen des Songs bringt gut den Stolz des Teufels zum Ausdruck, der die Engel zum Aufstand aufruft; die Riffs bringen zugleich ein wenig Melancholie mit ins Spiel, die dem Thema objektiv gesehen durchaus angemessen ist, die der geifernde Gesang aber überheblich kontrastiert; Fills unterstützen die Wirkung von Überheblichkeit. Das größte Lob hatte aber meine Frau auf Lager, als ich ihr den Song mit der Erläuterung: „Das ist die Aufstandspredigt des Teufels im Himmel“, vorspielte: „So klingt’s auch!“ – Bingo! Das ist Metal: Klingt musikalisch dem textlichen Inhalt entsprechend. Ist allerdings der für das Album untypischste Song.

Insgesamt: Mir gefällt’s, kann man gut nebenbei hören, ist handwerklich voll in Ordnung, aber kein Meilenstein der Musikgeschichte. Der Gesang in „Fleischeslust“ sowie die Songs „Freiheit ruft“ und „Vom Erdenleid“ zeigen das Potential der Band und machen Lust auf mehr. Selbst wenn’s melodisch ist 🙂

Eine absolute Perle zum Thema Metal und Christentum (HT: fb-damm/Nicki):

Was können wir daraus lernen? Erstmal, daß die ganze Sache dermaßen Klischee ist, daß es schon weh tut. Klischeegemäß ist der Christ total verklemmt, versteckt sich hinter Kreuz und Marienstatue, und er verbirgt seine Unsicherheit hinter äußerer Strenge. Also: Alle Christen sind zu doof und zu schwach, um mit dem Leben klar zu kommen, und brauchen die Krücke „Glauben“, um ihre Existenzangst zu zähmen. Soweit, so cliché.

Interssant wird es dort, wo das Klischee durchbrochen wird. Dem schwachen, verklemmten und verängstigten Christen korrespondiert eigentlich das „Fuck You“-Klischee des starken, unabhängigen und selbstbewußten Metallers. Und genau dieses Klischee wird ja im musikalischen Teil des Videos voll ausgebreitet, und ihm entspricht auch in etwa der Text. Soweit ich ihn verstanden habe, besteht er im wesentlichen aus: Gott existiert nicht, Jesus war bloß Mensch, ihr Chrsiten werdet alle sterben und fertig. Soweit, so immer noch cliché.

Aber, einen Schritt zurück auf Anfang: Warum geht der Kerl überhaupt zu einem Vorstellungsgespräch in einer Firma, die ihre Christlichkeit offenbar als Teil ihrer Identität versteht? Selbst wenn er nicht gewußt haben sollte, daß die Firma christlich ist (womit offenbar ein Identitätsproblem der Firma zum Ausdruck gebracht würde, aber das wäre jetzt wohl eine Überinterpretation des Videos) – wieso geht er in Schlips und Anzug zu diesem Vorstellungsgespräch und versteckt anfangs so krampfhaft seine antichristlichen Metal-Accessoires? Ist er womöglich gar nicht so das Fuck You-Arschloch, das gelegen oder ungelegen seine Meinung kundtut? Ist ihm eine ihn bestimmt nicht erfüllende Stellung in einer weltanschaulich christlich ausgerichteten Firma, also schnöder Mammon wichtiger als seine Überzeugung?

Ja, genau dieser Spagat ist es, der ihm während des Gesprächs immer deutlicher wird: Er spielt da etwas vor, was er nicht ist, und fühlt sich zunehmend unwohler. Mit anderen Worten: Der Klischee-Christ und der Metaller sind ein und dasselbe — Heuchler. Mit einem einzigen Unterschied: Der Metaller kriegt darob die Krise und brüllt seine angestauten Aggressionen raus. Blasphemie als Katharsis, ist m.W. der Psychologie nicht ganz unbekannt.

Tja, und die Reaktion des Christen darauf? Klischeegemäß müßte er verschüchtert und verängstigt reagieren, auch möglich wäre, als metal-systemkonformer Bruch mit dem Klischee, seine „Bekehrung“ zum Metal. Während der Musik entspricht seine Reaktion auch voll dem Klischee, nach ihrem Ende aber wirkt er eher irritiert und verwundert, vielleicht sogar ein bißchen traurig: „Warum tut man sowas?!“ Was hier vielleicht noch schlechte schauspielerische Leistung sein könnte, entpuppt sich in den letzten Sekunden aber als (erneut) bewußter Bruch mit dem Klischee: Während er da auf seinem Bürosessel dreht, wirkt er überhaupt nicht mehr verschüchtert und verängstigt, sondern zunehmend aggressiv; freilich ohne das Kreuz hinter sich zu werfen (oder auch nur auf den Kopf zu stellen) und so Glaubensabfall und „Bekehrung“ zum Metal auszudrücken.

Entweder, hier wird so stark mit den erwartbaren Klischees gebrochen, daß die Reaktion als „die bösen Fundamentalisten reagieren aber auch auf jeden Spaß mit Rache und Scheiterhaufen“ zu interpretieren wäre. Auch dieses Klischee ist dem Metaldiskurs nicht unbekannt – aber in seiner Bildersprache ist es völlig unüblich, zumal auch fraglich ist, ob diese Auffassung überhaupt Klischee oder nicht vielmehr wirklich geglaubtes Vorurteil ist. So oder so wäre es aber ein solch unsubtiler Bruch mit den sonst das Video bestimmenden Metalklischees (das Ende wäre plötzlich ernst zu nehmen, während alles andere nur alberner Unfug war), daß eine andere Deutung näher liegt; denn eine aggressive Reaktion auf eine Herausforderung ist nun alles andere als dem Metal unbekannt.

In der metallischen Vorstellung ist eine aggressive Reaktion sogar das, was man mit solch einer Vorstellung provozieren will. Der Christ würde also plötzlich so reagieren, wie es ein Metaller im durchaus positiven Sinne erwarten würde (wobei natürlich eine solche Reaktion im nächsten Schritt gegen das Christentum verwendet würde: die ganze Feindesliebe ist also auch bloß Heuchelei; denn die Provokation ist so gebaut, daß jede Reaktion darauf als ihre Bestätigung aufgefaßt werden kann). Man könnte die letzten Sekunden also in folgenden Sinne interpretieren: „Herr, Dein Haß trifft alle, die Böses tun. Aus ihrem Mund kommt kein wahres Wort, ihr Inneres ist voll Verderben. Ihre Kehle ist ein offenes Grab, aalglatt ist ihre Zunge. Gott, laß sie dafür büßen; sie sollen fallen durch ihre eigenen Ränke. Verstoße sie wegen ihrer vielen Verbrechen; denn sie empören sich gegen Dich.“

Somit besteht die eigentliche Dynamik dieses Videos jenseits der, zugegebenermaßen bei der Wirkung auf den Betrachter zunächst übermächtigen, Klischees darin, daß hier zwei Heuchler auf einandertreffen und an einander erkennen, daß sie etwas vorspielen, was sie nicht sind, und das ist beim Metaller sogar deutlicher als beim Christen. Die eigentliche Aussage ist also weniger in der verbal ausgedrückten Blasphemie zu sehen, als vielmehr in der Feststellung: Sind wir nicht alle Heuchler? (Christlich gewendet: Sind wir nicht alle Sünder?) Und in der Aufforderung, mit der Logik der Heuchelei (christlich: Sünde) zu brechen. Und zwar die Heuchelei (das Sündigen) auf allen Seiten (wobei natürlich zwischen der metallischen Vorstellung von Heuchelei und der christlichen der Sünde dann doch noch der eine oder andere Graben liegt). Was übrigens auch dadurch unterstützt wird, daß die anderen Bandmitglieder offenbar genau die metal-systemkonform-klischee-brüchige Entwicklung durchgemacht haben, sind sie zu Beginn des Videos als mehr oder weniger 08/15-Typen bei der Arbeit zu sehen.

Ob es jetzt eine wahrhaft christliche Reaktion ist, auf diese Blasphemie mit Rachegedanken zu reagieren, sei einmal dahingestellt. Diese Reaktion ist jedenfalls die natürliche angesichts des ausgedrückten Bösen, und nur der, der das Böse als nicht tolerierbares Böses erkennt, kann tatsächlich darauf christlich tolerant reagieren – und die Antwort Gott überlassen.

Mit dem Metal und der Kirche ist es wie mit dem Hasen und dem Igel. Der Hase, hier der Metal, kann noch so schnell sein, der Igel, hier die Kirche, war immer schon da.

Sommer ist Festivalzeit und ein Festival dauert drei Tage, mit Vor- und Nachglühn ’ne Woche? Klaro, zum Beispiel Libori in Paderborn. Das hier ist der Anfang des Triduums, und da wir ja feiern wollen, beginnen wir Katholiken den Tag schon am Vorabend mit der Vesper:

Wie man sieht, bietet die Kirche also auch massiven Heavy Metal (ab 23:57, aber ehrlich, Leute, dat is wie mit’m Festival: War man nicht da, hat man die Musik nicht gespürt und gefühlt, dann vermittelt auch das Video nur einen müden Abklatsch!) sowie mystische Texte in fremdländischen Sprachen, mitunter unverständlich, aber emotional intoniert. Und dachte ich schon während der lateinischen Vesper, wow, so ein voller Dom, der mitsingt, das hat schon was, wurde mir beim (deutschsprachigen) Abschlußlied schlagartig klar, daß all die Damen und Herren ohne Liedheft nicht etwa die Vesper auswendig sangen, sondern ihre Stimme für das Schlußlied schonten. Da flogen mir fast die Ohren weg.

Und wer jetzt meint, da fehlen doch aber noch umgedrehte Pentagramme, coole Kopfbedeckungen und martialisches Posing, der hat einfach nur nicht richtig aufgepaßt. Wie gesagt, der Igel war immer schon da.

Und da das katholische Feiern nicht an der Kirchentür aufhört, sondern da erst so richtig anfängt, möchte ich auch das traditionelle[1] LiboriBloggertreffen nicht unerwähnt lassen, das unmittelbar nach Ende der Erföffnungsvesper am Paradiesportal, diesmal komplett ohne Treffpunktschwierigkeiten, begann. Zu dessen Ehre hatte Paderborn weder Kosten noch Mühen gescheut und unzählige Genuß- und Nahrungsmittelstände, Fahrgeschäfte und sonstige fliegende Kränmer aufgeboten. Es hat sich aber auch mal wieder gelohnt, denn gegenüber dem Vorjahr hatte sich die Teilnehmerzahl um 150% gesteigert, wobei die Dominanz der Suffraganblogger weiterhin erfreulich hoch war! (Sprich: Wir waren jetzt 5 statt 2 Blogger, davon drei mit Erfurthintergrund.)

Nur die Größe der Biergläser ist da ein kleiner Wermutstropfen, denn die Näpfe waren dermaßen klein, daß ihr Inhalt schneller verdunstete als Nachschub herangeführt werden konnte. Tja, vom Osten lernen, heißt hier siegen lernen: Wenn man mehr auf einmal ausschenkt, reduzieren sich die Schlangen auch mal vorübergehend. 0,2 l, da kriegen bei uns die Kinder ihren Saft drin!

Bleibt nur eine Frage: Wer hat wohl gemerkt, daß da die Kirche von Paderborn in Gemeinschaft mit mindestens 16 Bischöfen aus aller Welt über eine Stunde lang das Konzil abgelehnt hat?!

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[1] Bekanntlich ist alles, was zweimal stattgefunden hat, bereits eine Tradition: Das war schon immer so, das war noch nie anders. Da könnt‘ ja jeder kommen!

Die Braut des Lammes hatte recht. Das Omen ist um einiges besser als der Exorzist, zumindest der erste Teil. Mir ging es so, daß ich mich die ganze Zeit des Filmes in der Sicherheit wiegte, daß Damien der Antichrist ist und der Vater Thorn doch endlich mal die Augen für die Realität öffnen solle.

Und dann versucht er am Ende tatsächlich, seinen Sohn zu töten und wird bei diesem Versuch von der Polizei erschossen. Hat das Böse also gewonnen. Hat es das? Die nächsten vier, fünf Sätze stellen alles in Frage, was ich in den vorangehenden anderthalb Stunden für „die Wahrheit[tm]“ gehalten hatte. Vielleicht waren die ganzen Todesfälle ja tatsächlich bloß Unglücksfälle. Jeder für sich war es jedenfalls, auch wenn sie stellenweise ziemlich kuriose Umstände hatten (siehe Video, aber bitte erst ab 16 Jahren).

Vielleicht war Robert Thorn über diese ganzen Todesfälle tatsächlich wahnsinnig geworden? Wer kann „der Welt[tm]“ verdenken, daß sie genau das meint? Das einzige harte Faktum ist das Muttermal in Form der drei Sechsen, und wie genau kann man das denn auf dem Hinterkopf unter den Haaren erkennen? Vielleicht doch alles nur Täuschung? Aber dann die Schlußszene: Damien ist genau dort gelandet, wo er laut Prophezeiung herkommen soll: im Zentrum der Macht. Der US-Präsident hat sich des Kindes seines ehemaligen Botschafters angenommen.

Hier kann man wirklich etwas über das Wesen des Bösen lernen: Es versteckt sich hinter scheinbaren Zufällen, hinter Ereignissen, die jedes für sich alles andere als eindeutig sind, bedient sich vieler unwissender Handlanger, und die wissenden Handlanger sind kaum von den unwissenden oder gar den Unbeteiligten zu unterscheiden, ja, die Polizisten, die Robert Thorn in Nothilfe erschießen, sind sogar der Meinung, dadurch dem Guten zu dienen. Der Film zeigt, wie das Böse in eine scheinbare Idylle einbricht, zugleich aber fast nie unter seinem eigenen Namen erscheint und sogar den täuschen kann, der es als das erkannt zu haben meint, was es ist – in diesem Fall den Zuschauer. Eine grandiose Geschichte, die man gesehen haben muß! (Und, wo ich mir gerade das Video nochmal angeguckt habe, grandiose Bilder! Der Film braucht eigentlich kaum Text!)

Dagegen ist der zweite Teil eigentlich nicht der Rede wert. Er ist ein Splatterfilm, noch dazu ein schlechter (insbesondere, wenn man die Bilder mit dem ersten vergleicht). Ok, man kann einem Film von 1978 nicht vorwerfen, daß er nicht über die technischen Möglichkeiten von heute verfügt und die Splatterszenen heute eher ein amüsiertes Lächeln hervorrufen. Sehr wohl kann man ihm aber vorwerfen, die Szenen nur lose verbunden aneinandergereiht zu haben, ohne eine Geschichte zu erzählen, und auf der einen Seite voyeuristisch Splatter und Gore zeigen zu wollen (und dafür auf Spannung und Dramatik zu verzichten), es dann aber nicht durchzuziehen. Das eigentliche Thema des Filmes hätte das „Coming of Age“ des Antichrist sein müssen. Das spielt er aber nicht einmal ansatzweise in der psychischen Dynamik aus, die nötig gewesen wäre, um den Film fesselnd zu machen: Damien liest Offb 13, entdeckt sein Muttermal, rennt an den See, brüllt: „Why me?!“ und ist ab da der seiner selbst bewußte Antichrist, der sich als Serienkiller betätigt. Na super. Das einzig Übernatürliche an diesem Film ist, daß Damien nie Hand anlegen muß.

Was mich an beiden Filmen stört, ist die Ängstlichkeit, ja geradezu Panik, mit der diejenigen handeln, die Damien als den Antichrist erkannt haben (mit Ausnahme von Vater und Onkel Thorn sowie der Nebenrolle des Exorzisten Carl Bugenhagen). Während das im ersten Teil noch halbwegs stimmig ist, handelt es sich doch in einem Fall um einen Priester, der jahrelang dem Teufel gedient hat und sich nicht vorstellen kann, daß Christus ihm das vergeben könne, und im anderen um einen Journalisten, der christliche Symbole dann in einem magischen-abergläubigen Mißverständnis wenig erfolgreich zu seinem Schutz verwendet, aber nicht wirklich glaubt, ist das ganze im zweiten Film nur noch Klischee, dem man allenfalls zugute halten kann, daß auf diese Weise diejenigen, die Damien als den Antichristen erkannt haben, von vorne bis hinten als durchgeknallte religiöse Fanatiker erscheinen. Oh, wo ich’s jetzt genauer betrachte, ist dieses Klischee also tatsächlich die einzige Komplexität des Filmes…

Nunja, im Netz habe ich gelesen, der dritte solle noch schwächer, und der vierte eigentlich nichts mehr mit dem Original zu tun haben. Lohnt es sich wohl, sich die anzutun?

Ich hatte heute eine Mail von meiner Frau in meiner Mehlbox.[1] Drin war ein Link (via Seraphic).

Ich muß ja sagen, das hat ohne Frage Stil! Obwohl die Übernahme dieser Regeln gravierende Änderungen an meinem Äußeren nach sich zögen, hatte ich schonmal angefangen zusammenzurechnen, welchen Preis ich dafür zu zahlen hätte (vor allem die Trennung von einem guten halben Meter Haar…). Aber dann gab es doch gravierende Rückschläge. Weder wollte mich meine Frau zu meinem Geburtstag mit passenden Kleidungsstücken beglücken, noch war sie in Punkt 2 des Manifests verhandlungsbereit. Wenn ich anfange zu rauchen, fliege ich raus.

Na gut, dann bleibt’s wohl vorläufig doch bei Jeans und Turnschuhen. Wobei, ein Kamelhaarumhang mit Ledergürtel…

[1] Ja, wir schreiben uns vom Wohnzimmer in die Küche[2] Mails.
[2] Küche steht hier übrigens für meine Wenigkeit. Seit ich mein Arbeitszimmer zugunsten der sich mehrenden Kinderschar aufgegeben habe, habe ich den Küchentisch als Arbeitsplatz okkupiert[3].
[3] Occupy Kitchen! Yeah!