an .U., die einfach zu lang für den Kommentarbereich wurde:
„Ich habe zum Einen deinen Post gelesen (das mit den Löwen), zum anderen hat Metal, zumindest in einigen Subgruppen, eine starke Nähe zum Satanismus, und dieser Gruppe werden z.B. auch Kirchenbrandstiftereien zur Last gelegt.
Du schreibst ja selber, dass bei dem, was du hörst, der Inhalt zur Musik passe.“
Ah, jetzt verstehe ich. Du vermischst verschiedene Ebenen. Die eine ist mein Konzertbesuch am Freitag, die andere ist die Frage, ob ich als guter Katholik überhaupt Metal hören darf. Ich würde darum bitten, daß wir diese Ebenen entsprechend trennen. Deine Augangsfrage war, wieso ich mit meinem Eintrittsgeld antichristliche Propaganda unterstütze, und ich habe bestritten, das getan zu haben. Darauf hast Du, wenn ich es mal ein wenig überzeichnen darf, gesagt, alle Metaller seien antichristliche Satanisten. Jetzt hast Du es auf einige Subgruppen eingeschränkt. So kommen wir nicht weiter. Ich bestreite nicht, daß es problematische Aspekte im Metal gibt. Daß es dort ein paar Bekloppte gibt, hält mich jedoch genausowenig davon ab, mich dort wohlzufühlen, wie WisiKis und Konsorten mir mein Katholischsein verleiden können.
1. Konkret zum Freitag: Sodom haben mal als „satanische“ Band angefangen, das ist aber bald drei Jahrzehnte her, war nie ernstgemeint und hatte sich dementsprechend schnell totgelaufen. Sie haben ein sehr entspanntes, selbstironisches Verhältnis zu ihren Ursprüngen, die Musik war und ist wichtiger. Was Die Hard angeht: Wie Du auf der Eintrittskarte sehen kannst, wußte ich bis zum Konzert nicht einmal, wer die Supportband ist. Darüber hinaus wäre mir „Die Hard“ auch kein Begriff gewesen. Die Encyclopaedia Metallum läßt auch nicht erkennen, daß antichristliche Themen bei ihnen im Vordergrund stünden.
Damit sind wir bei meiner Antwort „das ist bei genauerer Betrachtung gar keine Propaganda“. Mein Fremdwörterlexikon definiert Popaganda als:
„1. systematische Verbreitung politischer, weltanschaulicher o.ä. Ideen und Meinungen mit massiven publizistischen Mitteln mit dem Ziel, das allgemeine politische Bewußtsein in bestimmter Weise zu beeinflussen. 2. Werbung, Reklame (bes. Wirtsch.).“
Dafür sind zwei Lieder im letzten Drittel des Sets, die zudem noch bei genauerer Betrachtung rein beschreibend sind und das Beschriebende so gut es geht nicht bewerten, einfach zu wenig. Hinzu kommt, daß Metaller in der Regel einen Hang zu selbständigem Denken haben, das sich zwar gerne in seinen Vorurteilen (insofern sind solche Songs durchaus evangelisatorische Anknüpfungspunkte) bestätigen, aber sich nicht von Bands vorgeben läßt, was es zu Denken hätte. Also: Die, die sich von dem antichristlichen Gehabe beeinflussen lassen, hatten diese Einstellung schon vorher, die anderen werden dadurch nicht antichristlicher. Zumal die Ankündigung des Songs eigentlich einen Selbstwiderspruch enthält: Das starke römische Reich habe versucht, die schwachen Christen auszurotten (wovon der Song handele). Komischerweise ist das römiche Reich untergegangen, die Christen gibt es immer noch. Da müßte man sich mal über Stärke und Schwäche unterhalten… — Warum ich das überhaupt erwähnt habe: Ausgerechnet diese beiden Songs waren die einzigen, die mir musikalisch überhaupt gefallen haben, der Rest war in meinen Ohren einfaches Rumgeschrammel.
2. Wenn ich schreibe, daß Inhalt und Musik für mich zusammenpassen müßten, und Du daraus schließt, daß die Texte der von mir bevorzugten Musik alle satanistisch seien, dann hieße das im Umkehrschluß, daß die Musik Deiner Meinung nach selbst satanistisch sei. Dann könnte man daraus aber auch nicht mit christlichen Texten White Metal machen. Dann wäre die Musik immer noch satanistisch, und die Texte würden nur darüber hinwegtäuschen. Das ist übrigens das Argument von niemand geringerem als Joseph Ratzinger (wobei er nicht so sehr von „satanistisch“ spricht, sondern vielmehr eine gnostische Selbsterlösungsstruktur andeutet). Er bezieht das allerdings auf sämtliche Pop- und Rockmusik. Dieses Argument würde ich grundsätzlich gelten lassen, es jetzt hier auszudiskutieren würde aufgrund der vielfältigen theologischen, philosophischen und soziologischen Voraussetzungen, die es hat, den Rahmen sprengen. Nur soviel: Es läßt sich kaum widerlegen, aber auch nicht bestätigen. Es hängt daran, ob man die Voraussetzungen akzeptiert/teilt oder nicht, und ob man in der soziologischen Praxis eine Bestätigung findet.
Ich teile es jedenfalls nicht. Aber ich betreite auch nicht, daß Metal Böses musikalisch verarbeitet. Jedoch verherrlicht er das Böse in der Regel nicht, sondern stellt es einfach bloß dar, um es künstlerisch als Böses darzustellen. Es geht um eine Auseinandersetzung mit dem Bösen, die durch musikalische Mittel auch auf die emotionale Ebene gebracht wird. Rein rationale Auseinandersetzung mit dem Bösen, das aus sich selbst heraus irrational ist, verkennt das eigentlich Gefährliche am Bösen, nämlich seine emotionale Wirkung, es bekämpfen zu wollen, was bloß zu einer Reproduktion des Bösen führt, weil das Böse nicht durch Vernichtung zu bekämpfen ist; immer kann nur der Träger des Bösen vernichtet werden, nicht aber das Böse selbst, das eben gerade in einem Mangel an Guten und an Sein besteht.
Genau deshalb halte ich Metal für etwas Gutes und eine theologische Herausforderung. Genau diese emotionale Seite des Bösen ist in einer einseitig rationalen Theologie unter den Tisch gefallen — was eine der Ursachen sein dürfte, daß viele Bestandteile der kirchlichen Lehre, die als ganze Antwort auf das Böse ist (KKK 309), heute vielen nicht mehr verständlich erscheinen: Ablaß, Abtötung, Askese, Beichte, Buße, Dämonen, Erbsünde, Fegefeuer, (Jüngstes) Gericht, Hölle, Konkupiszenz, Reue, Schuld, (läßliche/schwere) Sünde, zeitliche Sündenstrafen, Teufel, Todsünde, Vergebung, Versuchung und Wiedergutmachung zum Beispiel.
Soweit das Grundsätzliche. Im Speziellen weist der Metal natürlich auch immer wieder problematische Aspekte und Entwicklungen auf. Allerdings ist das mit den Kirchenbrandstiftungen nun doch schon ungefähr 15-20 Jahre her, und der Hauptverantwortliche für das Überschreiten der Grenze hat die meiste Zeit davon im Gefängnis verbracht. Zwar gibt es alle paar Jahre ein paar pubertierende Jugendliche, die das toll finden und nachmachen wollen, aber im großen und ganzen hat „der Metal“ diese Taten damals bereits verurteilt und verurteilt sie heute noch um so entschiedener. Ausgenommen der NSBM, der aber schon in seinem Titel eine weltanscheulich-propagandistische Grundausrichtung aufweist. Und nein, den unterstütze ich genausowenig wir Gaahl, der meint, gegen die christlichen Kirchen sei Krieg zu führen:
„Wir müssen jede Spur der semitischen Religionen, vor allem vom Christentum, vom Islam und vom Judentum auslöschen. Es handelt sich dabei wirklich um eine Krankheit, die hier nicht hingehört und keine Daseinsberechtigung hat – sie gehört einfach nicht zu uns. Es sollte ihr nicht erlaubt sein, uns mit ihrem Licht an ihre Werte zu erinnern, sondern sie sollte ausgelöscht werden.“ (Wanzek, Thor: Gorgoroth. Gorgoroth-Interview. Im Kampf mit der Welt und mit sich selbst ; in: Legacy. The Voice from the Dark Side, Nr. 43 (Juni/Juli 2006), 18–20.)
[Anmerkung am Rande: Kann sein, daß das alles nur zur Konstruktion eines Images gedient hat, seit sich Gaahl als homosexuell geoutet hat, ist er sehr viel ruhiger geworden — macht die Aussage natürlich keinesfalls besser.]
Schließlich bleibt noch eine allgemeine Erfahrung anzumerken, nämlich die Nicht-Entsprechung von Bühnen und Backstage-Verhalten. Besonders kraß etwa bei Darkened Nocturn Slaughtercult: Auf der Bühne ziehen sie eine pseudo-okkulte Schweineblutshow ab, die mit esoterisch-magischen Versatzstücken garniert wird, abseits der Bühne sind sie völlig normale Menschen, die ihre Bühnenshow für genauso „true“ halten wie Alice Cooper (wie überhaupt Black Metal mal sehr treffend als „Wagner meets punk rock, dressed as Alice Cooper“ bezeichnet wurde). Oder Asega, der Frontmann der ach so satanischen Black Metal Band Lugubre (Niederlande), der während des Gigs das arrogante Arschloch raushängen ließ, nach dem Abschminken aber freundlich lächelnd durchs Publikum streifte, alle Bekannten herzlich umarmte und im großen und ganzen den Eindruck eines großen, lieben Teddybärs machte (also völlig untrü — warum er was gegen das Christentum hat, steht übrigens hier; die darin enthaltene Gesellschaftskritik teile ich übrigens, sehe aber eine andere Ursache, nämlich gerade einen Verlust an christlichem Glauben). Oder verallgemeinert gesagt, man sollte auch bei Metalbands in der Lage sein, zwischen künstlerischer Darstellung und Ansichten des Künstlers zu trennen.