Josef Bordat über Gewissensfreiheit in Europa.
Todsünde
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Gestern war mein erster Marsch für das Leben. Meine Gedanken sind irgendwie noch reichlich ungeordnet, aber für unausgereifte Gedanken ist ein Blog ja auch da.
Erfreulicherweise war ich nicht der einzige, der irgendwie potentiell nach Gegendemonstrant aussah. Und auch nicht der einzige, der „spot the abortionist“ spielte. Damit habe ich allerdings aufgehört, nachdem sich eine potentielle Gegendemonstrantin als Trägerin eines Jesus-T-Shirts entpuppte. Meine Güte, selbst in meinem Kopf solche Scheren…
Andererseits war ja tatsächlich schon vor Beginn der Veranstaltung zu erkennen, dass da eine ganze Reihe von Personen vor der Bühne standen, die sicherlich nicht für das Leben marschieren wollten. (Wie blöd ist das eigentlich, eine Demo gegen eine Demo „für das Leben“ zu machen? Macht das nicht automatisch aus der Gegendemo eine Demo gegen das Leben???) Und plötzlich fühlte ich mich sehr unwohl in meiner Haut und ließ mein dem Anlaß entsprechendes T-Shirt wegen der möglichen Mißverständnisse besser unter der Regenjacke versteckt. (Interessanterweise ist das mein einziges Metal-Shirt, das überhaupt — dafür aber regelmäßig — erkennbare Reaktionen hervorruft.) Um ein Kreuz habe ich mich dann gar nicht mehr ernsthaft bemüht, zumal es an der Stelle, an der ich stand, eh aus mir völlig unklaren Gründen nicht vorwärtsging.
Durch die Berichte über die letztjährigen Vorfälle (die neben einer glücklichen Fügung der Grund sind, daß ich mich endlich mal nach Berlin aufmachte) war ich vorgewarnt, was passieren könnte, und ehrlichgesagt: Ich fand die Störer im großen und ganzen harmlos. Nicht nett, nicht demokratisch, aber auf kurze Sicht jedenfalls harmlos. Solange die einzeln und nicht im Pulk auftraten, waren die sogar höflich und man konnte mit ihnen ruhig reden. Dass hier eine der Seiten grundsätzlich ihre Meinung änderte, war ja nicht zu erwarten, aber wer weiß, wofür’s gut ist.
Trotzdem, was da einige an Tönen von sich gaben, kenne ich sonst nur von CD (oder live). Und in diesem musikalischen Rahmen ist das in der Regel Ausdruck von verzweifelter Wut. Mit Betonung auf „verzweifelt“. Vielleicht sollte man sich diesen Leuten tatsächlich mit einer sehr pastoralen Grundhaltung nähern. Diese autoritären Ermahnungen, zu denen sich ein paar ältere Damen und Herren in meiner Umgebung hingezogen fühlten, und erst recht die Verhöhnung, die allerdings nur ein einziger älterer Herr für nötig hielt (Reaktion des Gegendemonstranten: „Was soll das denn? Sie machen doch so denselben Scheiß wie wir!“), sind völlig deplaziert. Die wollen stören, und jede Reaktion, die ihnen zeigt, daß sie stören, bestätigt sie bloß.
Eigentlich wäre also völliges Ignorieren der beste Umgang mit ihnen. Andererseits machen die es einem ja auch so schwer wie möglich, sie zu ignorieren. Wenn deren Sprechchöre direkt neben mir ertönten, kam ich jedenfalls nicht mal fehlerlos durchs Vater Unser. Apropos: Der schmerzreiche Rosenkranz hatte plötzlich irgendwie historisierende Begleitphänomene… In den Nebenstraßen kam plötzlich so etwas wie Ruhe auf, durch die der ganze Zug eine ganz andere, nicht minder erschütternde Atmosphäre bekam. An der Hedwigskathedrale erschien mir der Geräuschpegel dann plötzlich höher als je zuvor.
Ich verstehe zwar nicht, warum der Marsch für das Leben dazu führt, daß da Leute gegen Homophobie, christlichen Fundamentalismus und Patriarchat demonstrieren müssen — aber klar ist: da hat jemand Angst um sein Weltbild. Mit anderen Worten: Die nehmen uns ernst. Im Gegensatz zu den Medien.
Dennoch, in einer Hinsicht sind diese Gegendemonstranten nicht harmlos. Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, was in den Köpfen der Kinder vorgeht. Mit meinen Kindern bin ich auf dem Bahnhof mal in eine Horde Fußballfans geraten, und meine Kinder haben sich im wahrsten Sinne des Wortes vor Angst in die Hose gemacht. Mit Familie zum Marsch für das Leben… ich weiß nicht, mit meinen Kindern traue ich mich das wohl nicht.
Zum Abschluß noch ein Fundstück: Hier habe ich tatsächlich ein Bild gefunden, auf dem ich zu sehen bin, oder zumindest mein Rucksack mit dem blauen Regenschutz :-):
Heute habe ich (allerdings nur aus dritter Hand) von einem Mann berichtet bekommen, der seine pädophilen Neigungen nicht ausleben wollte, aber keine Hilfe fand (das ganze soll schon vor Jahrzehnten passiert sein). Das krasseste war, daß er von einer psychiatrischen Klinik mit dem Kommentar abgewiesen worden sein soll: „Sie müssen erst straffällig werden, dann können wir Ihnen helfen.“
Gut, bei solchen Geschichten muß man immer auch vorsichtig sein, gerade wenn sie dem Mann der Putzfrau der Freundin der Schwiegermutter meines Taxifahrers widerfahren sein soll. Aber ich habe mich angesichts der ausführlichen Berichterstattung zu dem Thema gefragt: Wohin würde heute dieser Mann gehen und auf Hilfe hoffen können? In der jüngeren Berichterstattung habe ich davon ehrlichgesagt nichts gehört, aber ich konnte mich an einen älteren Bericht erinnern über ein Forschungsprojekt, das ich nun auch wiedergefunden habe.
Auf dem Hintergrund der obigen Geschichte frage ich mich aber, ob ich aus der Werbung mit „Kostenlose Beratung und Therapie für pädophile Männer“ schließen muß, daß Krankenkassen eine solche Beratung und Therapie normalerweise nicht bezahlen würden? Oder heißt das gar, daß es so eine Beratung und Therapie bisher gar nicht gibt???
Ins Leben geworfen
Mit einem tiefen Haßgefühl
Versuchte mich zu ändern,
Aber es blieb mein Schicksal
Supergau für die Welt
Ich werde dir Qualen bereiten!Geschieden von den Strömen der Erlösung
Tödliche Dosis Mord per Impfung
Unordnung in Auslöschung
Dafür würde ich sterbenDas ist mein Leben
das sind meine Träume
Das meine VersuchungAll diese Sünden,
die ich nicht bereuen würde
Sie sind meine VersuchungSüchtigmachende Emotionen,
die mich nie enttäuschen,
Sie sind meine VersuchungEure schwarzen Seelen
bis in ihren Kern zu erschüttern
Das ist meine VersuchungNie hätte ich gedacht,
Der Tag würde kommen
Nie hätte ich gedacht,
Dich sterben zu sehen,
wie du um die Gnade der Erlösung bettelstIns Leben geworfen
Mit einem tiefen Haßgefühl
Versuchte mich zu ändern,
Aber es blieb mein Schicksal
Supergau für die Gesellschaft
Ich werde ihr Qualen bereiten!Brutstätte der Versuchung!
Vergiftet hinein
In die Brutstätte der Versuchung
Wir alle sterben
In der Brutstätte der Versuchung
Nach einer Vorlage von Maurizio Iacono, (P) 2006