Wenn alles mit halbwegs rechten Dingen zugeht, müßte das Betreuungsgeld jetzt sicher sein. Als Befürworter muß man sich eigentlich nur noch genüßlich zurücklehnen und darauf warten, daß sich die Gegner um Kopf und Kragen reden. Nachdem am Mittwoch bereits Manuela Schwesig erfolgreich vorgelegt hatte (und eine coole Antwort hervorgerufen hat, die weder sie noch ihre Äußerung einer Erwähnung für würdig befand und trotzdem klar gegen sie gerichtet war), greifen die Verzweifelten jetzt zum letzten Todschlagargument: Verfassungswidrigkeit.
Dafür müssen sie allerdings ganz schöne Klimmzüge machen, die es kaum wert sind, kommentiert zu werden. Zum einen bereite der Krippenausbau keine Nachteile für die Eltern, die ihre Kinder zu hause erziehen (was für sich genommen zwar richtig, aber kein Argument ist), zum zweiten dränge das Betreuungsgeld „Eltern zu einer bestimmten Art und Weise der Erziehung ihrer Kinder“ (was bereits sachlich falsch ist, denn die Geldzahlung ist ja nicht an einen bestimmten Erziehungsstil oder bestimmte Erziehungsziele geknüpft). Daß die Eltern für Kindergartengebühren entschädigt werden müßten, werde ich mir auch merken, wenn ich für meinen nächsten Ausweis Geld auf den Tisch legen soll; immerhin scheine ich ja einen verfassungsmäßigen Anspruch darauf zu haben, kostenlose Leistungen vom Staat zu bekommen.
Na, wie gesagt: Das Ende der Debatte kann nicht mehr fern sein. Zumal auch die Zustimmung deutlich höher ist, als man angesichts des Medienechos denken könnte, insbesondere in der (möglichen) Elterngeneration (51%). Und während die Piratenpartei das Betreuungsgeld ablehnt (man prüfe diese Aussage mal anhand der dortigen Kommentare :-), hat es unter den Piratenanhängern (und nur unter den Piratenanhängern) tatsächlich einer relative Mehrheit von 47%.
Was soll der ganze Rummel? Es gibt nie und nimmer genügend Kitaplätze um auch nur halbwegs die Zahl der Kinder unterzubringen. Das geht gar nicht. Sogar Mütter, die ihre Kinder unbedingt in einer Kita versorgen lassen WOLLEN
(von müssen ganz zu schweigen, die Einkommen der Väter sind ja auch nicht mehr das, als was sie mal gedacht waren, zur Versorgung einer ganzen Familie gut zu reichen mit ein paar Kindern und wir reden da nicht von ein oder zwei oder drei Kindern!)
können ihre Kinder nicht unterbringen und sind deswegen, mangels eignen Einkommens oder Minimaleinkommens des Ehemannes, wir wollen ja nicht gleich von Hungerlöhnen ssprechen, wenn eine Familie mit ein oder zwei Kindern gut tausend Euro bekommt, da kann man viel mit machen, auf Hartz IV angwiesen.
Wir Steuerzahler zahlen so oder so. Entweder müssen wir den Lohn von perkären Arbeitsverhältnissen aufstocken, oder die Kitas bezahlen, dass die Leute etwas ordentlicher verdienen können (wenn die Arbeitgeber das erlauben und nicht immer mehr Billiglöhner anmieten, Stichwort Leiharbeit), oder wir müssen Betreuungsgeld berappen, dass die Mütter zu Hause bleiben können (geht das mit hundertfuffzich Euro, die dann von Hartz IV abgezogen wrden eigentlich?).
Wir zahlen und die Mütter die arbeiten WOLLEN müssen zu Hause bleiben und weil die dann Hartz IV beantragen müssen, müssen wir das AUCH bezahlen und die Mütter, die NICHT Hartz IV bekommen, sollen dann Betreuungsgeld bekommen, was wiederum wir bezahlen müssen.
Scheint irgendwie sehr sinnvoll zu sein, diese Sache mit dem Betreuungsgeld.
Aber warten wir die Wahlen ab, danach sieht ja alles bekanntlich gaaaanz anders aus und viele Betreuungsgeldbefürworter sind dann gaaanz plötzlich gar keine mehr, oder nie gewesen, oder es ist unbezhalbar. An was erinnert mich das nur?
Es geht nicht ums Geld. Es geht ums Familienbild. Ob die Familie dazu da ist, möglichst viele Arbeitnehmer (und Konsumenten) zu produzieren, oder ob sie Ursprung aller totalitaristischer Umtriebe ist — oder ob sie ihren Sinn in sich selbst hat. Steiche Familie, setze Mensch, dann wird das Problem vielleicht deutlicher…
Also wenn ich mir die katholische Lehre so anschaue, dann ist Ihre Frage, ob möglichst viele Menschen "produziert" werden müssen, eindutig mit JA zu beantworten!
Wenn Eheleute Kinder von vornherein ausschliessen ist ihre Ehe ungültig und wenn sie die Zahl ihrer Kinder "ungerechtfertigt" niedriger halten als es möglich wäre, begehen sie eine schwere Sünde.
Die Familie lebt ja nicht in Isolation und ist sich Selbstzweck genug, sondern in einer Gesellschaft und FÜR die Gesellschaft. Und für die ist es wichtig, dass Menschen da sind. Nicht zu viele und nicht zu wenige.
Nicht umsonst geisselt die katholische Kirche die Verhütungsmentalität der Eheleute immer und immer wieder.
Und dann IST es eine Frage des Geldes. Kinder brauchen Essen, Wohung, Kleidung, Schulsachen, Kultur, Spiel (die Religion ist in den Schulsachen mit enthalten, nur für den Fall, dass Sie fragen…); das will alles bezhalt sein. Deswegen sind so viele Familien schon mit einem Kind auf ZWEI Einkommen angewiesen und wenn jemand auf Hartz IV angewiesen ist, ist er arm, weil die ganze Familie nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann. Das reicht nicht mal mehr für die Büchereigebühren für die Kinder, geschweige denn für die Fahrt zur Bücherei und zurück.
Und Kitas in Deutschland als Hort totalitaristischer Umtriebe? Das glauben Sie soch selber nicht. Dort gibts nocht nicht einmal einen Lehrplan, wie in der ecole maternelle in Frankreich; wo die Kindergartenleiterin einen Universitätsabschluss haben MUSS.
DORT werden Kinder gefördert und die Mütter wissen das! Deswegen hat Frankreich auch eine viel höhere Geburtenrate als Deutschland.
Aber das wird sich nach der Wahl in NRW etc. sowieso alles relativieren. Dann wird Kassensturz gemacht und Sie wissen genau, was passieren wird. Weder für Kitas noch für Betreuungsgeld wird genügend Zaster da sein.
Also müssen die einen keine Angst vor totalitären Kitas haben und die anderen nicht vor irgendwelchen Herdprämien, die die Frauen zurück in die Küche bannen wollen.
Warum diskutieren wir in der Öffentlichkeit über die bösen bösen Eltern, die ihre Kinder von Bildung fernhalten (wo doch selbst an den Universitäten nur noch ausgebildet wird) und die Verfassungswidrigkeit des Betreuungsgeldes, wenn letzten Endes doch nur mehr Geld für die Eltern aufgebracht werden müßte, um die aus ihren ökonomischen Zwängen zu befreien?
Das eigentliche Problem ist eben kein finanzielles, sondern eines der Einstellung gegenüber Kindern und Familie, insbesondere der Fähigkeiten von Eltern. Mich ärgert schon seit Jahren, daß von der Familie eigentlich nur noch in negativen Erscheinungsformen die Rede ist. Daß die allermeisten Kinder immer noch in (mehr oder weniger — ob beide Eltern erwerbstätig sind oder nicht und wenn nur einer, wer, lasse ich mal außen vor) klassischen Familien groß werden, scheint kaum noch bewußt zu sein.
Ich habe ein Problem mit der Durchökonomisierung der Familie. Daß ihr eben kaum noch ein Eigenwert außerhalb ihrer Bedeutung für die Wirtschaft und die Gesellschaft (Stichworte: demographischer Wandel, Pflegenotstand, Rente…) zugebilligt wird. Daß die Lösung des Problems "Kinder als Armutsrisiko" (ganz davon abgesehen, daß ich den dahinterstehenden Armutsbegriff in Zweifel ziehen würden, aber YMMV) im Krippenausbau gesehen wird, damit beide Eltern arbeiten gehen können.
Zu den Ausführungen über die katholische Lehre sollten die Rechtfertigungsgründe für Verzicht auf weitere Nachkommenschaft nicht unterschlagen werden: Gesundheit sowie moralische Unmöglichkeit, d.h. Erreichen der Grenzen der physischen, psychischen oder (tada:) ökonomischem Belastbarkeit. Es sollen eben nicht auf Teufel komm raus Menschen "produziert" werden, sondern ihre natürliche Entstehung sollen Eheleute nicht über Gebühr einschränken — auf den Zeitpunkt, wenn ich sie will, zu meiner Selbstverwirklichung, zu meinem Lebensglück — oder meinetwegen auch: für die Rente, zur Lösung des Pflegenotstandes, gegen den Fachkräftemangel (aber bitte nur in bildungsnahen Schichten, damit wir keine künftigen Hartz IVer bekommen, aber auch nicht so bildungsnah, daß die Eltern nachher noch auf die Idee kommen, ihren Kindern das Selberdenken beizubringen)…
Übrigens: Die Ecolle Maternelle ist für Kinder von 2-6 Jahren, das Betreuungsgeld für Kinder von unter 3. Da ist es wieder, das Unterschlagen des Lebensalters, um das es geht… (Anmerkung: Auf "Ursprung aller totalitaristischen Umtriebe" habe ich übrigens ein Familienbild zugespitzt.)
… und ich dachte immer Zweijährige sind unter drei. So kann man sich täuschen.
0-3 vs. 2-6.
Wenn ich mal ganz kurz mich einmischen darf:
"und wenn jemand auf Hartz IV angewiesen ist, ist er arm, weil die ganze Familie nicht mehr am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann. Das reicht nicht mal mehr für die Büchereigebühren für die Kinder, geschweige denn für die Fahrt zur Bücherei und zurück."
Wir haben zwischendurch auch HartzIV bekommen, deswegen denke ich, ich habe eine gewisse Expertise in diesem Themenbereich.
Eine Kinderleihkarte in der Stadtbibliothek Bremen ist kostenlos, Kinder von HartzIV-Empfängern zahlen für eine Monatskarte ÖPNV, die nach Schulschluss und an den Wochenenden&in den Ferien gilt (also zu den Zeiten, in denen man in die Bibliothek kann) 11 Euro.
Wir haben damals noch nicht in Bremen gewohnt, die Familienjahreskarte der Stadtbibliothek hat 25 Euro gekostet. Und die waren imer drin. Da konnte man wunderbar mit dem Rad hinfahren, das klappte auch mit ganz kleinen Kindern (im Anhänger) und später ist der Grosse dann selbst Rad gefahren. Wir waren oft in der Bibliothek, aber die Horden bildungshungriger Prekariatseltern, die ihre Kinder in die Bibliothek mitnehmen, habe ich da nie gesehen. Okay, wir waren da, zählt das?
11 Euro pro Monat köännen viel sein. Wir haben damals in einem kleineren sozialen Brennpunkt gewohnt. Ich könnte Bücher über Geldmanagement in Familien schreiben, die als üble Hetze durchgingen…
im Regelfall waren es die Familien, die sich über die 5 Euro für die Klassenkasse aufgeregt wurde, in denen abends das Kind zum Pizza-Mann geschickt wurde- "wer kocht denn heutzutage noch?" fragte mich eine dieser Mütter immer wieder.
Ich tat es und tue es.
Wir galten immer als "reich", was einerseits mit dem Bildungsniveau zusammenhing, andererseits aber, weil wir uns "reich" anzogen. Das die Sachen für die Kinder fast immer vom Kinderkleidermarkt unserer Gemeinde kamen… was soll's? Besagten Kinderkleidermarkt habe ich zwar beworben wie eine Irre, aber die liebe Nachbarschaft war nicht da.
Leute, die sich über 11 Euro für eine Monatskarte beschweren oder 7 Euro für eine Vereinsmitgliedschaft, im nächsten Zug aber die Kippe anstecken oder kurz beim Gasthof zum Goldenen M halten, setzen Prioritäten.
"Also wenn ich mir die katholische Lehre so anschaue, dann ist Ihre Frage, ob möglichst viele Menschen "produziert" werden müssen, eindutig mit JA zu beantworten!"
Äh, nein, so nicht. Wir sind weder ein Fruchtbarkeitskult noch ein Karnickelverein. Auch katholische Paare sollen mit ihrer Elternschaft verantworklich umgehen. Das Stichwort hier lautet "NFP"-Natürliche Familienplanung. Ein Thermometer kostet übrigens bereits im ersten Monat weniger als die Pille- damit kann kein Pharmaunternehmen Kohle machen, um mal auf die Ökonomisierung zurückzukommen.
Der Druck, dass beide arbeiten gehen sollen, ist nicht nur ökonomisch. Man wird wirklich seltsam angeschaut wenn man beim Rattenrennen um die Krippenplätze nicht mitmacht oder gar sagt "ich kann ganz gut damit leben, nicht berufstätig zu sein".
Dann kommen ganz schnell nicht nur komische Blicke, sondern auch Fragen:
– ob man "den Beruf" den nicht vermisst
-was man den den ganzen tag so tut, das wäre doch langweilig
-der Beruf sei doch so erfüllend
das stimmt alles, ich mag meinen beruf auch. Aber er definiert mich nicht. Ich bin auch dann eine Person, wenn ich keinen Gehaltscheck mitbringe und da leben, egal wo und wie, ist so aufregend oder langweilig wie man es sich macht.
Ob ich denn keine ASngst habe, dass ich "später dasitze und dicke Backen mache". Nö, ich vertraue mir nämlich weit genug, dass ich mein leben auch später geregelt kriege ohne an Langeweile zu sterben.
Das ganze hat sich von der Notwendigkeit, dass beide Eltern arbeiten gehen, hin zu Arbeit als Selbstverwirklichung entwickelt und ist eine Selbstmobilisierung, die mich immer wieder erstaunt.
Da tragen Mütter ihr Firmenhandy auch auf dem Spielplatz am Gürtel weil es ja toll ist, dass ihr Chef ihnen soweit vertraut, dass er sie auch in der Freizeit anruft wenn was anliegt.
Da organisieren stillende Mütter den Transport ihres Babies zur Arbeitsstelle, damit sie es dort in der Pause kurz stillen können weil sie doch die Urlaubsvertretung machen damit sie "in der Firma eingebunden bleiben".
Vielleicht sollten wir über etwas anderes nachdenken: wie wir dafür sorgen könne, dass Familien wieder mit 1 bis 1 1/2 Verdiensten auskommen damit Kinder die Stabnilität mitbekommen, die sie zum Wachsen brauchen.
Ja, 2jährige sind unter 3. Ebenso übrigens Neugeborene.
Ecole maternelle ist übrigens nicht zwangsweise täglich, sonder auch oft nur 1 bis 2 Mal pro Woche.
Das mit der Krippenberteuung von allen Kindern unter 3 gleichzusetzen ist zeugt nicht von Sachveratand.
Beim Ausbau der Krippen geht es dadrum, dass mehr Arbeitskräfte auf den Markt sollen. Und das nicht weil "wir" sie so himmelschreiend brauchen, sondern weil sie die Löhne niedrig halten.