Am Wochenende durfte ich einem protestantischen Gottesdienst beiwohnen. Die Kirche selbst war erstaunlich hübsch. Sie besaß einen barocken Hochaltar (den man nur am Fehlen des Tabernakels als evangelisch erkannte) und eine Art Lettner mit großer Kreuzigungsgruppe (freilich ohne Kreuzaltar). Wie ich später erfahren habe, wurde die Kirche keine hundert Jahre nach der Reformation und unter ästhetischem Einfluß der Gegenreformation gebaut. Etwas böser Kommentar meiner Frau: „Hey, das wär doch ’ne gute Kirche für die außerordentliche Form.“
Was dann aber folgte, war aus katholischer Perspektive nicht einmal Liturgie, Gottesdienst gerade noch so in Ansätzen. Die Pfarrerin (da wird der Dominus zur Domina, wie ein Pfarrer mal nach einem Meßvorbereitungstreffen, bei dem eine Frau aus der Gemeinde partout das Evangelium lesen wollte, sagte) zog eine dreiviertelstündige One-Woman-Show ab! Ganz nette, aber total ausufernde Gebete, die ganz offensichtlich mehr an die Gemeinde als an Gott gerichtet waren, wurden lediglich von kurzen Gemeindeliedern unterbrochen (die dafür aber ziemlich klassisch und somit an Gott gerichtet waren), daß es Fürbitten gegeben haben sollte, erfuhr ich auch erst hinterher, als ich einen Ablaufzettel in die Hand bekam, und von Aufstehen zum Gebet hatten die da offensichtlich noch nie was gehört. Lediglich zum Einzug stand man auf (setzte sich aber wieder, nachdem die Pfarrerin im Altarraum angekommen war) und zum Vater unser.
Bei allem Mißbrauch und -verständnis in unserer Kirche: Da habe ich die participatio actuosa richtig schätzen gelernt. Wenigstens „Amen“ möchte ich doch noch selbst sagen dürfen. Das hatte eher was von schulischem Frontalunterricht (wozu ja auch die Länge paßte). Über die Möglichkeit der inneren Teilnahme bei völlig unberechenbaren Gebetstexten schweige ich mich mal lieber aus…
Das Beste waren dann aber die Reaktionen der anderen (ganz gewöhnlichen Durchschnitts-) Katholiken, die mit waren: „Wir Katholiken können einfach besser feiern. Da fehlte doch alles, was so einen Gottesdienst ein bißchen feierlich macht.“ Recht hamse: Da fehlte einfach Liturgie.