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Matthias Grünewald: Isenheimer Altar, Kreuzigung

Matthias Grünewald: Isenheimer Altar, Kreuzigung (Quelle)

Dieses Bild enthält den Strukturplan der Dogmatik. Glauben Sie nicht? Ist aber so. Na gut, es ist nicht der Strukturplan der Dogmatik, sondern mein Strukturplan der Dogmatik.

Kürzlich versuchte ich, zwecks Einordnung der Mariologie in die Gesamtdogmatik, die dogmatischen Traktate zu sortieren und aufeinander zu beziehen. Für mich als Thomas-Fan kam dabei natürlich nur in Frage, bei Gott anzufangen und gemäß dem exitus-reditus-Schema (alles hat seinen Ursprung in Gott und kehrt dorthin zurück) weiterzumachen. Das ergab zunächst einmal Gotteslehre, Schöpfung, Eschatologie:

Gott / \ Schöpfung ― Vollendung

Zwischen Schöpfung und Vollendung gehört natürlich die Christologie, denn ohne Christus keine Vollendung:

Gott / | \ Schöpfung ― XP ― Vollendung

Wohin jetzt die weiteren Traktate? Als da wären: Soteriologie (sofern man sie nicht als Teil der Christologie betrachtet), Pneumatologie (so man diese als eigenständigen Traktat annimmt und nicht in den folgenden, v.a. der Gnadenlehre verwirklicht sieht), Gnadenlehre, Ekklesiologie, Sakramentenlehre, Mariologie und theologische Anthropologie (die mir eigentlich etwas querliegt, m.E. müßte die ein Querschnitt zwischen Schöpfungslehre, Gnadenlehre und Eschatologie sein).

Klar war also schonmal, daß die Soteriologie direkt der Christologie zugeordnet werden muß. Andererseits ist die Erlösung natürlich auch ein Werk der ganzen Trinität (wie bildlich in den Gnadenstuhl-Darstellungen ausgedrückt), d.h. irgendwo hier müßte doch auch der Heilige Geist kommen, wenn man Ihm einen eigenen Traktat widmen will. Außerdem ist die Gnade gleichermaßen ein Ausfluß der Erlösung wie des Heiligen Geistes: Durch Christus im Heiligen Geist werden wir vom Vater begnadet. Also packen wir die Pneumatologie zwischen die Soteriologie und die Gnadenlehre.

Die Ekklesiologie und die Sakramentenlehre sind hingegen Konkretisierungen der Gnadenlehre, nämlich wie die Gnade konkret zu uns kommt: durch die Kirche, dem Grundsakrament, das dem Ur-Sakrament Jesus Christus entspringt, und die Sakramente:

Gott | Schöpfung ― XP ― Vollendung | Erlösung | Heiliger Geist | Gnade | Kirche | Sakramente

An der Stelle hatte ich also schon ein Kreuz gebaut, was mir erst auffiel, als ich partout nicht wußte, wo ich jetzt die Mariologie unterbringen soll. Die Lehre von Maria hat starke Bezüge zu fast allen anderen Traktaten, insbesondere zur Christologie und zur Gnadenlehre sowie zur Ekklesiologie, aber auch zur Eschatologie und zur Schöpfungslehre. Sie erscheint geradezu als Konkretisierung aller Dogmatik, nämlich als Erläuterung, wie die (scheinbar) äußerlich bleibenden Lehren tatsächlich unser Inneres betreffen. In Maria ist konkret (und vollendet!) wozu wir (noch) nur berufen sind. Insofern ist die Mariologie (wie Gerhard Ludwig Müller schon schrieb) das Gegenstück in der Heilsordnung zur theologischen Anthropologie.

Und an dieser Stelle kamem mir plötzlich die Kreuzigungsdarstellungen mit Maria und Johannes in den Sinn. Maria steht nicht im Kreuz, sondern unter dem Kreuz, und in Johannes könnte man das Gegenstück erkennen:

Gott / | \ Schöpfung ― XP ― Vollendung | Erlösung | Heiliger Geist | Gnade Mensch | Maria Kirche | Sakramente

Jetzt mußte ich nur noch begreifen, daß ich mein Schema umdrehen mußte, damit es zu den Bildern paßt, also quasi „hebräisch“ von rechts nach links lesen muß, damit Maria an der rechten Seite Christi, an Seiner Ehrenseite steht. Dieses „Drehen“ kann man auch so verstehen, daß eine so aufgebaute Theologie mit den Augen Christi auf die Welt gucken muß, und nicht von uns her auf Christus und das Kreuz.

Als ich mich dann konkret für das Bild von Grünewald entschieden hatte, zunächst einmal weil dieses Bild von demselben Altar stammt wie die Versuchung des heiligen Antonius, die der Einbandgestaltung meiner Doktorarbeit zugrundeliegt, fielen mir noch mehr Dinge auf, die dieses Bild im Vergleich zu vielen anderen sehr passend machten:

  • Auf den meisten Bildern steht Maria zur Rechten und der Apostel Johannes zur Linken Christi. Zwar paßt das rein chronistisch betrachtet durchaus bei der Kreuzigungsszene, da Maria als die Immaculata bereits voll auf der Heilsseite, der Apostel Johannes hingegen noch mehr auf der Unheilsseite stand. Da störte mich bei vielen Bildern aber der Heiligenschein ein wenig… Johannes der Täufer hingegen paßt geistlich verstanden viel besser in dieses Schema, da er der letzte, wenn auch größte Vertreter des Alten Bundes ist, Maria und der Apostel Johannes hingegen ganz dem Neuen Bund zuzuordnen sind.
  • Auch die Bildaufschrift bei Johannes dem Täufer: „Er muß wachsen, ich aber kleiner werden“, paßt voll und ganz in dieses Schema: Der gefallene alte Mensch muß immer kleiner werden, Christus aber in ihm wachsen, damit die Neue Schöpfung sich in ihm ausdrücken kann, wie sie (Er) es in Maria und Johannes tat.
  • In diesem Sinne stellt Maria Magdalena, die sich auf anderen Darstellungen sogar an das Kreuz klammert, als „die“ Sünderin, die Vergebung und Heiligung erfahren hat, den Weg dar, wie wir von der einen auf die andere Seite kommen.
  • Last but not least steht bei Johannes dem Täufer das Lamm Gottes, das geschlachtet wurde und dessen Blut in den Kelch fließt. Womit sogar die Sakramentenlehre als unterster Punkt in „meinem“ Theologie-Kreuz Bestätigung findet. 🙂

Bei irgendeiner Bestellung während der Arbeit an meiner Diss lag mal eine Videocompilation bei, auf der das Video des heutigen Songs drauf war. Nachdem das Zeug ’ne Weile rumgelegen hatte und ich eines Nachts dann zur Entspannung ausnahmsweise weder Bock auf Sledge Hammer noch auf Monty Python hatte, dachte ich, ich tue noch was Sinnvolles und gucke mir Zeug an, das ich unter „Arbeit an der Diss“ abheften kann.

Beim Ersten Sehen und Hören dachte ich nur: Was für’n scheiß Krach! Wer tut sich denn sowas an?! Ich, offensichtlich, denn ich guckte es bis zum Ende. Waren ja zum Glück auch nur drei Minuten. Dabei wunderte ich mich, was der Typ da auf der Gitarre „rumhampelt“; so kompliziert kann der Krach doch gar nicht sein. Trotzdem erstmal Kopf geschüttelt und die DVD zu Ende geguckt. Aber das Video kriegte ich nicht aus den Gedanken raus: tremendum et fascinosum.

Und so verbrachte ich dann einen längeren Teil der Nacht damit, dieses Video in Endlosschleife zu gucken, bis ich schließlich die Töne hörte, deren Erzeugung ich da sah. Und ob ihr’s glaubt oder nicht: Das Lied ist tatsächlich melodisch!

Willkommen in der wunderbaren Welt des Technischen Death Metals!

Neben den letzte Woche vorgestellten Kausalitätsprinzipien ist in der klassischen Schöpfungslehre noch eine weitere Unterscheidung wichtig, die den eigentlichen Grund darstellt, warum die Evolution nicht mit dem Schöpfungsglauben in Konflikt gerät. Diese besteht zwischen der (einen) Erstursache (causa prima) und den (vielen) Zweitursachen (causae secundae).

Alle innerweltlichen Kausalitäten werden durch Geschaffenes verursacht. Da jedes Geschaffene seinerseits sich dem andauernden Schöpfungsakt Gottes verdankt (siehe letzte Woche), verdankt sich auch jedwede innerweltliche Kausalität dem einen (andauernden) Schöpfungsakt Gottes. Auf den (andauernden) Schöpfungsakt ist somit jede innerweltliche Kausalkette zurückzuführen, sei sie eine Kausalkette der ersten (einmalige Verursachung) oder der zweiten Art (andauernde Verursachung).

Daraus resultiert die Unterscheidung in die eine, allem anderen zugrundeliegende Erstursache, nämlich dem göttlichen Schöpfungsakt, und den vielen, diese Erstursache bereits voraussetzenden Zweitursachen. In unserer Erfahrung sind wir natürlich nur mit den Zweitursachen konfrontiert. Somit kann jegliche auf Erfahrung basierende Wissenschaft nur Aussagen über Zweitursachen treffen. Denn die Erstursache liegt auf einer ganz anderen Ebene.

Die Zweitursachen haben zwar ihren gewissen Eigenstand, das heißt, sie sind tatsächlich selbstwirkende Ursachen (und nicht nur Marionetten des Schöpfers durch die Er Seinen Willen vollzieht). Doch während jede innerweltliche Zweitursache eine andere sie begründende innerweltliche Zweiursache voraussetzt und zugleich die eine Erstursache, der sie ihre Existenz verdankt, bleibt die Erstursache immer die eine und einzige außerweltliche Ursache alles Seins, die selbst keine Ursache hat, sondern sich selbst Ursache ist.

Der wesentliche Punkt daran ist also, daß die Erstursache keine Ursache wie alle anderen (innerweltlichen) Ursachen ist, also nicht einfach nur der Punkt, an dem jede Kausalkette abbricht, sondern daß sie vielmehr über das System „Welt“ hinausgeht. Sie ist nicht eine Kausalität unter vielen, sondern die eine (und einzige), die das System „Welt“ überhaupt begründet.

Infolgedessen ist es überhaupt kein Problem, den Schöpfungsglauben mit der Evolutionstheorie zusammenzudenken: Die Evolutionstheorie macht Aussagen über Zweitursachen, der Schöpfungsglaube über die Erstursache. Auch die Evolution (als innerweltliche Kausalkette) setzt die eine und einzige Erstursache, den andauernden göttlichen Schöpfungsakt voraus (oder streng genommen: muß ihn aus wissenschaftstheoretischen Gründen als nicht-empirisch ausblenden).

Wer also einen Widerspruch zwischen Schöpfung und Evolution meint voraussetzen zu müssen, sei er Wissenschaftler oder Christ, übersieht, daß beide auf ganz unterschiedlichen Ebenen liegen. Er behandelt also den göttlichen Schöpfungsakt als eine weitere Zweitursache und zieht die eine Ursache, die allen innerweltlichen Ursachen zugrundeliegt in das System „Welt“ herunter. Dort ergibt sie aber keinen Sinn und erscheint überflüssig. Nur unter dieser Voraussetzung, läßt sich ein Widerspruch zwischen Schöpfung und Evolution annehmen.

Weiterführende Lektüre:

Diamond Head sind quasi die Vorbilder für Metallica. Entsprechend dürfte jeder Metallica-Fan auch „Am I Evil?“ kennen. Das krasse an dem Song ist eigentlich sein Alter: Er ist auf „Lightning to the Nations“, das auch als „White Album“ bekannt ist, erschienen, und zwar am 3. Oktober 1980 (!). Geschrieben und aufgenommen wurde er bereits im Jahr zuvor, also im Geburtsjahr der New Wave of British Heavy Metal.

Auch wenn man noch Einflüsse des Hard Rocks der 70er hört, ist gerade „Am I Evil?“ durch und durch ein Metalsong, der auch heute noch (fast) jeder Metalband gut zu Gesichte stünde:

  • Der Sound ist bereits hart, überhaupt nicht verspielt und vergleichweise aggressiv, so daß er auch heute noch als Metalsound durchginge.
  • Die Musik steht massiv im Vordergrund, der Gesang ist eher Begleitung oder ein weiteres Instrument.
  • Aufbau auf unverändert wiederholten Riffs.
  • Die Musik drückt Kontrolle, nicht Ekstase und Auflösung der Grenzen aus, und zwar komplett, selbst die Soli sind bereits auskomponiert und werden live zumindest identisch zu reproduzieren versucht.
  • Komplexe Songstruktur, es dauert anderthalb Minuten, bis der Hauptteil des Songs beginnt, es wird keinerlei Anpassung der Songlänge an die „Radiotauglichkeit“ von rund dreieinhalb Minuten versucht (der Song ist doppelt so lang).
  • Musikalische Anleihen in der E-Musik (hier bei Holst: Mars, eigentlich ist das Intro sogar dreist bei Holst geklaut…).
  • Eine gewisse musikalische Filigranität/Virtualität, technisch gesehen: Tapping.
  • Inhaltlich Auseinandersetzung mit den bösen Seiten des Lebens: „Bin ich böse? Ja, ich bin’s! – Bin ich böse? Ich bin Mensch, ja, ich bin’s!“ (im wesentlichen handelt der Song von Rache).
  • …und vieles andere mehr:

Es gibt eine einzige Form von Museen, in die ich gerne gehe: Naturkundemuseen. Bei meinem letzten Besuch ist mir allerdings was sauer aufgestoßen. Nämlich wurde dort unterschwellig ein Widerspruch der Evolutionstheorie zum Schöpfungsglauben suggeriert. Ok, man muß vielleicht vorbelastet sein, um sich von Formulierungen wie „obwohl er als gläubiger Christ an die Unveränderlichkeit der Arten glaubte, hat er Großes für die Naturforschung geleistet“ (über Carl von Linné, eigene Hervorhebung) angepiekst zu fühlen. Wahrscheinlich ist das nicht mal böswillig gemeint, sondern schlicht Unwissenheit. Denn die Katechese hört in Sachen Schöpfung praktisch bei der Arche Noah als „Gottes schwimmendem Zoo“ auf.

Doch gerade von der klassischen Theologie[1] her gibt es überhaupt kein Problem zwischen Schöpfungsglauben[2] und Evolution. Das Problem ist lediglich, daß heutzutage unterschwellig ein deistisches Verständnis der Schöpfung vorherrscht, das aber gerade nicht christlich ist. Mal Hand aufs Herz: Wer versteht die Glaubensaussage, daß Gott die Welt aus dem Nichts geschaffen hat, nicht dergestalt, daß Gott am Anfang Himmel und Erde schuf? Und zwar in dem Sinne, daß Gott nur am Anfang Himmel und Erde schuf? Steht doch genau so in Gen 1…

Das wörtliche Verständnis von Gen 1 ist aber gerade nicht das Schöpfungsverständnis, wie es die Tradition überliefert. Oder genau genommen: „wörtliches Verständnis“ meint eigentlich nicht, was der Text im Wortsinne bedeutet, sondern was die Mehrheit der gegenwärtigen Leser aufgrund ihres Vorverständnisses von der Welt als Wortsinn des Textes annimmt. Ob das bei einem mehrere tausend Jahre alten Text die ursprüngliche, geschweigedenn einzige Bedeutung darstellt, darf man ruhig in Frage stellen.

Wie dem auch immer sei: Der Schöpfungsglaube erschöpft sich nicht in der „Schöpfung aus dem Nichts“ (creatio ex nihilo), als ob Gott die Welt einmal „angestoßen“ hätte, danach aber nichts mehr mit ihr zu tun hat (das ist das deistische Mißverständnis). Vielmehr umfaßt er auch die „fortdauernde Erhaltung der Welt“ (creatio continua). Ja, tatsächlich ist die creatio ex nihilo von der creatio continua her zu verstehen!

Aber fangen wir mal von vorne an: Die Erschaffung der Welt aus dem Nichts bedeutet erstmal nichts anderes, als das alles, was ist, sich dem Sein des Schöpfers verdankt, an dem es Anteil hat. Freilich nicht im Sinne eines pantheistischen „Alles ist Gott“, als ob Gott die Summe aller Dinge wäre. Das ist wieder so ein neuzeitliches Mißverständnis, das aus dem quantitativen Denken entsteht. Vielmehr ist qualitativ zu denken: Gott hat nicht sein Sein, sondern Er ist sein Sein und die Fülle des Seins. Alles Geschaffene hingegen hat sein Sein als graduellen Anteil am Sein Gottes. Oder anders gesagt: Während bei Gott Sein, Wesen, Existenz und Dasein in eins fallen, also miteinander identisch sind, fällt es bei allem Geschaffenen auseinander. Gottes Dasein gründet in ihm selbst, das Dasein des Geschaffenen verdankt sich Gott. Das ist, was „Schöpfung aus dem Nichts“ bedeutet.

Genau damit sind wir aber bei der creatio continua: Das Dasein des Geschaffenen verdankt sich nicht nur im Ursprung einem Schöpfungsakt Gottes, von dem es sich dann emanzipieren könnte. Sondern das Geschaffene verdankt sich in jedem einzelnen Augenblick dem Schöpfungsakt Gottes, und würde Er jemals Seinen Schöpfungsakt abbrechen, würde das Geschaffene sofort wieder ins Nichts fallen.

Um das verständlicher zu machen, zeigt die klassische Theologie den Unterschied zwischen verschiedenen Kausalitätsketten auf:

  1. Selbstverständlich braucht es für einen Enkel zunächst einen Vater, der wiederum Sohn eines Großvaters ist. Ohne Großvater kein Enkel. Jedoch ist bereits der Vater ab der Zeugung vom Großvater unabhängig, umso mehr der Enkel. Er muß zwar einen Großvater gehabt haben, der Großvater kann aber schon lange vor seiner Zeugung verstorben sein.

    Hier stößt also ein kausaler Verursacher einmalig ein anderes Ereignis an, das wiederum weitere Ereignisse verursachen kann. Für diese weiteren Verursachungen braucht es aber den ersten Verursacher nicht mehr. Eine Kausalkette dieser Art kann prinzipiell ohne Anfang und ohne Ende, also ewig sein, und weil das so ist, könnte die Welt auch ewig sein, weshalb es der Offenbarung bedarf, um Gott als Schöpfer und die Welt als Schöpfung zu sehen.

  1. Von anderer Art ist jedoch z.B. die Elektrizität. Das größte Problem mit der Elektrizität ist ihre Speicherung, um sie abrufen zu können, wenn man sie braucht. Denn sobald die Elektrizitätsquelle ausfällt, fällt auch die Wirkung der Elektrizität aus. Ohne eine gegenwärtig wirkende Elektrizitätsquelle könnte ich gerade diesen Text nicht in den Computer hacken. Fällt „die Steckdose“ aus, geht gar nichts mehr.[3] Wobei „die Steckdose“ für eine Vielzahl von voneinander abhängigen Wirkungen steht: Es beginnt bei der Stromerzeugung im Kraftwerk, geht über Umspannwerke und Stromleitungen, die „den Strom“ zu mir nach hause transportieren, bis hin zum Adapter/Trafo des Laptopkabels und zu den elektrischen Leitungen des Laptops selbst. Fällt auch nur eine dieser Ursachen aus, fällt die gesamte Ursachenkette zusammen und der Laptop funktioniert nicht mehr.[4]

    Hier also braucht es den ersten Verursacher, damit am Ende der Kette eine Wirkung zustande kommt. Er kann nicht entfallen, ohne daß zugleich seine Wirkung entfällt. Diese Art von Kausalität ist bei der Schöpfung gemeint.

Das heißt: creatio ex nihilo sagt nur etwas über das „woraus“ aus, aber nichts über das „wann“, die creatio continua hingegen sagt etwas über das „wann“ (nämlich „immer und jederzeit“) aus und schließt die Erschaffung aus dem Nichts mit ein.

So, ich denke, das reicht erstmal für heute, nächste Woche geht’s weiter.

===
[1] Mit „klassischer Theologie“ meine ich im Einklang mit dem II. Vaticanum im wesentlichen Thomas von Aquin (Optatam Totius Nr. 16). (hoch)
[2] Daß die Welt erschaffen wurde und nicht ewig ist, ist nach Thomas von Aquin ein Glaubenssatz (vgl. STh I q. 46, a. 2, c.a.). (hoch)
[3] Natürlich könnte man einwenden, daß bei einem Stromausfall der Akku meines Laptops einspringen würde. Das ändert aber nichts daran, daß ich eine gegenwärtig wirkende Elektrizitätsquelle brauche, nur daß hier der Akku als Elektrizitätsquelle einspringt. Ist auch er verbraucht, ist Schicht im Schacht. (hoch)
[4] Praktischerweise sind die meisten Bestandteile dieser Ursachenkette redundant aufgebaut: Fällt ein Kraftwerk aus, übernimmt ein anderes seine Last, fällt ein Umspannwerk aus, kommt der Strom über ein anderes doch noch an usw., so daß wir relativ selten tatsächlich im Dunkeln sitzen. Die Redundanz ist aber gerade deswegen nötig, weil sonst die Kausalkette bei einer einzigen Fehlfunktion an einem einzigen Kausalkettenglied zusammenbräche. (hoch)

Es könnte jetzt jemand die Frage stellen: Wen interessiert’s, ob der Jurisdiktionsprimat von Anfang an bestand oder nicht, ist doch nur eine strukturelle und eine Machtfrage. Das sollte im christlichen Glauben doch nicht im Vordergrund stehen! Aber ist der Jurisdiktionsprimat damit richtig eingeordnet?

Wenn ich schon so frage, ist das natürlich nicht der Fall:

  1. Das 1. Vatikanische Konzil hat es für heilsnotwendig erklärt, den Jurisdiktionsprimat als von Gott eingesetzt und geoffenbart anzuerkennen.
    Das heißt: Wenn der Jurisdiktionsprimat nicht von Anfang an bestand, sondern erst später erfunden wurde, dann kann er nicht heilsnotwendig sein (wobei die Frage zu klären wäre, in welcher Form er von Anfang an existieren musste, damit die weitere Entwicklung eine legitime Entwicklung ist). Denn dann hätte es eine Zeit gegeben, in der er nicht wenigstens einschlussweise geglaubt wurde, und wäre es heilnotwendig, ihn zu glauben, dann hätten die ersten Christen nicht zum Heil gelangen können, was offenkundig unsinnig ist.
  2. Hat es den Jurisdiktionsprimat nicht von Anfang an gegeben (in welcher Form auch immer), hätte sich das 1. Vatikanische Konzil in einer den Glauben betreffenden Frage fundamental geirrt. Es hätte ein falsches Dogma verkündet. Hat sich das kirchliche Lehramt aber in dieser Frage geirrt, hat es sich notwendigerweise auch in der Lehre von der Unfehlbarkeit des höchsten Lehramtes geirrt und kann sich infolgedessen in jeder anderen Frage ebenso irren.
    Daraus folgte: Ich könnte dem kirchlichen Lehramt in Fragen des Glaubens nicht mehr trauen, es könnte sich ja in jeder Frage auch geirrt haben; folglich könnte ich nur das verantwortet glauben, was ich nach ausführlichem Studium selbst eingesehen habe, aber auf gar keinen Fall etwas, das mir zwar das Lehramt als zu glauben vorlegt, das ich aber nicht einsehe oder gar für falsch halte. Damit wäre der Glaube rein subjektiv geworden, und es könnte kein allgemein verbindliches Glaubensbekenntnis oder überhaupt überindividuellen Glauben geben. Infolgedessen könnte es auch keine Kirche geben, was wiederum offenkundig unsinnig ist.
  3. Nun könnte einer argumentieren, uns verbinde doch das gemeinsame Glaubensbekenntnis, und in diesem sei der Jurisdiktionsprimat nicht enthalten. Tatsächlich steht der Jursdiktionsprimat nicht explizit im Glaubensbekenntnis, er ist aber direkt aus ihm ableitbar, nämlich aus dem Bekenntnis zur „einen, heiligen katholischen und apostolischen Kirche“.

Um den letzten Punkt verständlich zu machen, komme ich um die Frage, was der Jurisdiktionsprimat eigentlich ist, nicht mehr rum:

Kurz gesagt bedeutet der Jurisdiktionsprimat, daß der Papst die oberste rechtliche Instanz in der Kirche ist, sowohl in der Gesetzgebung (Legislative), als auch der Gesetzesdurchführung (Exekutive) als auch der Rechtsprechung (Judikative). Er hat unmittelbare rechtliche Gewalt über die ganze Kirche und jeden einzelnen Gläubigen.

Ist es also doch eine Machtfrage? – Das erste und das zweite Vaticanum, das in dieser Frage überhaupt nicht vom ersten abweicht, sondern vielmehr das erste nur hinsichtlich der Apostolizität ergänzt, führen ganz andere Punkte an:

  1. Einheit: Der Papst als Nachfolger des Apostel Petrus ist Zeichen und Garant der Einheit (eine … Kirche).
  2. Apostolizität: Die eine, heilige, katholische Kirche muss zugleich apostolisch sein, das heißt zumindest dem Kern nach mit der frühen Kirche unter der Leitung der Apostel identisch sein (d.h. Wachstum, tiefere Erkenntnis usw. nicht ausgeschlossen, aber im Kern schon alles dagewesen und geglaubt). Alle Bischöfe sind Nachfolger der Apostel, es gibt eine ungebrochene Linie der Weitergabe der Apostolischen Sendung (= „apostolische Sukzession“). Wie das Apostelkollegium in Petrus seinen Vorsteher hatte, haben ihre Nachfolger, das Bischofskollegium, ihr Haupt im Petrusnachfolger, dem Papst (apostolische Kirche).
  3. Die Katholizität (= Allumfassenheit) der Kirche kann nur zugleich mit der Einheit gedacht werden, ohne Einheit keine Katholizität. Wer nicht in der Einheit mit dem Papst steht, mag zwar auf Christus hingeordnet sein, kann aber nicht Seinem Leib angehören (katholische … Kirche), was im Übrigen ebenso heilsnotwendig ist.
  4. Da der Papst die Sakramentenverwaltung und die Verkündigung des Evangeliums (Lehre) für die ganze Kirche verbindlich regelt, ist auch die Heiligkeit der Kirche (die nicht darin besteht, dass alle Gläubigen persönlich heilig sind, sondern darin, dass die Kirche alle Mittel zur Heiligung, d.h. eben Sakramente und Lehre, besitzt) vom Jurisdiktionsprimat abhängig; sonst könnte jeder Sakramente spenden, wie er lustig ist, aber der Empfänger hätte keine Garantie, dass die Sakramente auch gültig gespendet werden (heilige … Kirche).

Freilich besteht der Jurisdiktionsprimat nicht darin, dass „alle kirchliche Gewalt vom Papste ausgeht“. Vielmehr haben alle Bischöfe Teil an der Leitungsgewalt Christi. Christus ist die Quelle aller Leitungsgewalt. Jedoch hat der Papst die Fülle aller bischöflichen Leitungsgewalt. D.h., während „alle Gewalt von Christus ausgeht“ und jeder Bischof in seiner Diözese die höchste Leitungsgewalt innehat, hat für die ganze Kirche der Papst die höchste Leitungsgewalt, die sich nicht so sehr dem Grade nach unterscheidet (wie es bei den Priestern ist, die ebenfalls Anteil an der Leitungsgewalt haben, aber nicht an der vollen Leitungsgewalt partizipieren, sondern von ihrem Bischof abhängig sind), sondern vielmehr territorial. Erst in der päpstlichen Leitungsgewalt wird die kirchliche Leitungsgewalt wahrhaft katholisch, nämlich die ganze Kirche umfassend.

Wie gesagt, das bedeutet nicht, daß die Bischöfe reine Weisungsempfänger des Papstes sind und nur das ausführen könnten und dürften, was der Papst ihnen vorschreibt. Vielmehr haben sie, wie alle Apostel ihre je eigene Berufung erfuhren, eine eigene Würde und das Recht, für ihre Diözese verbindlich zu entscheiden. Wie aber Petrus eine besondere, zusätzliche Berufung erfuhr, kann der Papst zur Wahrung der Einheit der ganzen Kirche Entscheidungen von anderen Bischöfen aufheben und allgemeine Vorschriften für die ganze Kirche erlassen, und jeder Gläubige, der sich durch eine Entscheidung seines Bischofs beschwert fühlt, kann sich an den Papst wenden, während eine Entscheidung des Papstes nicht mehr anfechtbar ist. Das heißt, der besondere Dienst des Papstes besteht darin, die Einheit in der Vielfalt der regionalen Besonderheiten zu wahren.

Damit zeigt sich, wie unmittelbar der Jurisdiktionsprimat mit dem Verständnis der Kirche zusammenhängt. Im Dogma vom Jurisdiktionsprimat ist zugleich mitbesagt, daß die Kirche nicht nur geistlich verstanden eine ist, sondern real-realistisch, ausgedrückt in der durchaus auch rechtlich verstandenen Einheit mit dem Nachfolger Petri, und daß sie hierarchisch gegliedert ist und von oben, von Christus her gebildet ist.

Der Jurisdiktionsprimat ist daher alles andere als unwichtig. Er ist vielmehr ein ganz entscheidender Ausdruck des rechten Verständnisses von der Kirche. Und es kommt nicht von ungefähr, daß genau an dieser Stelle jeglicher ökumenischer Fortschritt zum Stillstand kommt. Ist der Papst der Stellvertreter Christi auf Erden oder nicht? Oder nochmal tiefer gefragt: Herrschen (zum Scheitern verdammte) menschliche Wunschträume oder herrscht Christus?

Es lebe Christus, der König!

Als ich mich über den Artikel vom letzten Post aufregte, fing ich erstmal am anderen geschichtlichen Ende zu suchen an. Vom Studium hatte ich im Hinterkopf, daß es vor 1871 keine Definition des Jurisdiktionsprimates gab. Ich erinnere mich sogar noch daran, wie unser Kirchengeschichtler einen Kommilitonen zurechtwies, der im Kontext des „Hexenhammers“ fragte, wie sich der Bischof von Innsbruck über eine päpstliche Vorschrift hinwegsetzen und Heinrich Institoris
aus seinem Bistum vertreiben konnte: Wann wurde der Jurisdiktionsprimat definiert?

Ich hatte das damals so verstanden, als wäre der Jurisdiktionsprimat mehr oder weniger eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Wenngleich er seine Grundlage sehr wohl schon im Neuen Testament habe, sei er über die Jahrhunderte entwickelt und erst im 19. Jahrhundert voll entfaltet worden.

Aber wie so üblich bewahrt Quellenstudium vor solchen Neuentdeckungen. Denn wenn man sich „Pastor Aeternus“, die dogmatische Konstitution des 1. Vaticanums, in der der Jurisdiktionsprimat als verbindliche Glaubenswahrheit vorgelegt wird, anguckt, stellt man plötzlich fest, daß dort sinngemäß steht: „Wir schreiben als verbindlich zu glauben vor, was bereits das Konzil von Florenz definiert hat.“

Das Konzil von Florenz aber fand aber im späten Mittelalter statt – und gut dreißig Jahre vor dem Erscheinen des Hexenhammers übrigens! Im „Dekret für die Griechen“ (DH 1307) heißt es:

Ebenso bestimmen wir, daß der heilige Apostolische Stuhl und der Römische Bischof den Primat über den gesamten Erdkreis innehat und der Römische Bischof selbst der Nachfolger des seligen Apostelfürsten Petrus und der wahre Stellvertreter Christi, das Haupt der ganzen Kirche und der Vater und Lehrer aller Christen ist; und ihm ist von unserem Herrn Jesus Christus im seligen Petrus die volle Gewalt übertragen worden, die gesamte Kirche zu weiden, zu leiten und zu lenken, wie es auch in den Akten der ökumenischen Konzilien und in den heiligen Kanones festgehalten wird.

Im Anschluß wird noch einmal die Rangordnung der Patriarchate bestätigt: Rom, Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien, Jerusalem. Datum dieses Dekrete: 6. Juli 1439! Das einzige, was da noch nicht so explizit steht wie in Pastor Aeternus, ist die Unfehlbarkeit des Papstes in Fragen des Glaubens und der Sitte. Der komplette Umfang des Jurisdiktionsprimates ist dort bereits enthalten, und das Konzil behauptet wiederum, nur die bereits bestehende und von vorangegangenen Konzilien bestätigte Lehre zu wiederholen.

Den Verweisen im Denzinger folgend landete ich erstmal beim Glaubensbekenntnis des [byzantinischen] Kaisers Michael Palaiologos auf dem 2. Konzil von Lyon (DH 861), dem Unionskonzil mit den Griechen im Jahre 1274 (das ist das Konzil, zu dem Thomas von Aquin unterwegs war, als er starb):

Eben diese heilige Römische Kirche hat auch den höchsten und vollen Primat und die Herrschaft über die gesamte katholische Kirche inne; sie ist sich in Wahrheit und Demut bewußt, daß sie diesen vom Herrn selbst im seligen Petrus, dem Fürst bzw. Haupt der Apostel, dessen Nachfolger der Römische Bischof ist, zusammen mit der Fülle der Macht empfangen hat.

Desweiteren bestätigt er bereits das, was im Konzil von Florenz noch zu fehlen scheint: Die definitive Letztentscheidung des Papstes in Fragen des Glaubens:

Und wie sie vor den anderen gehalten ist, die Wahrheit des Glaubens zu verteidigen, so müssen auch eventuell auftauchende Fragen bezüglich des Glaubens durch Urteil entschieden werden [definiri(!)].

Ausdrücklich bestätigt der griechische Kaiser den Papst als Appellationsinstanz in allen rechtlichen Fragen und seinen Vorrang gegenüber Konzilien.

Also: Im Hochmittelalter bestätigt ein hoher Vertreter der orthodoxer Christenheit den Vorrang Roms in jeglicher Hinsicht. Natürlich könnte man einwenden, daß das byzantinische Kaiserreich sich seit Jahrhunderten des vordringenden Islams erwehren mußte und im Hochmittelalter entsprechend schwach war, daß überhaupt die Unionsbemühungen hier ihren Ursprung hätten und der Papst dem Kaiser diktieren konnte, was er wollte. Und vor allem, daß die orthodoxen Gläubigen die Union schließlich ablehnten. Das alles relativiert aber nicht, daß bereits hier der Anspruch Roms auf den Jurisdiktionsprimat über die ganze Kirche inklusive der Unfehlbarkeit des Papstes in Glaubensfragen klar und deutlich formuliert ist. Im Jahre 1274!

Allerdings ist das keineswegs das Ende der Verweise. Ein weiterer führte zum 4. Konzil von Konstantinopel im Jahre 869. Dieser Verweis ist allerdings ohne Fundstelle im Denzinger-Hünermann. Der Grund dafür ist, daß nämlicher Beschluß eine Vorgeschichte von mehreren hundert Jahren hat und sich sein Wortlaut mit geringen Abweichungen bis ins Jahr 515 zurückverfolgen läßt, nämlich zum Glaubensbekenntnis „Libellus Fidei“ von Papst Hormisdas (DH 363–365) das zur Beendigung des Akazianischen Schismas führte. Dort heißt es unter anderem:

Der Anfang des Heiles ist, die Regel des rechten Glaubens zu beachten und keinesfalls von den Bestimmungen der Väter abzuweichen. Und weil der Spruch unseres Herrn Jesus Christus nicht übergangen werden kann, der sagt: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“, wird das, was gesagt wurde, durch die tatsächlichen Wirkungen erwiesen; denn beim Apostolischen Stuhl wurde stets die katholische Religion unversehrt bewahrt. […] Wie wir vorher sagten, folgen wir in allem dem Apostolischen Stuhl und verkünden alle seine Bestimmungen; deshalb hoffe ich, daß ich in der einen Gemeinschaft mit Euch, die der Apostolische Stuhl verkündet, zu sein verdiene, in der die unversehrte und wahre Festigkeit der christlichen Religion ist. Ich verspreche, daß die Namen derer, die von der Gemeinschaft mit der katholischen Kirche getrennt sind, das heißt, nicht mit dem Apostolischen Stuhl übereinstimmen, während der heiligen Geheimnisse nicht verlesen werden.

Diese Formel beendete das von Rom verkündete Schisma mit Konstantinopel, nachdem Konstantinopel die Beschlüsse des Konzils von Chalzedon relativieren wollte, um die Einheit mit den Monophysiten zu ermöglichen. Konstantinopel, vertreten durch den Patriarchen und den Kaiser, schlossen sich voll und ganz der römischen Position an! Hier ist auch keinerlei äußerer Druck durch den (noch nicht existierenden) Islam oder ähnliches zu erkennen. Allenfalls die Germanen, die allerdings noch dazu Arianer waren, könnte man hier anführen. Die haben allerdings mehr Druck auf Rom als auf Konstantinopel ausgeübt. Mit anderen Worten: Wir haben hier, im Jahre 515/19 (nochmals durch Patriarch und Kaiser bestätigt 535) eine eindeutige und freie Zustimmung Konstantinopels zum Jurisdiktionsprimats Roms!

Damit aber immer noch nicht genug. Bereits im Jahre 343 ging es auf der Synode von Serdika um jurisdiktionelle Zuständigkeiten und Appelationsrechte bei Rechtsverfahren gegen Bischöfe (DH 133–136). Serdika liegt bei Sofia, also im Patriarchatsgebiet von Konstantinopel. Hier beschloß man, daß zunächst die Bischöfe der Kirchenprovinz über ihren Mitbruder Gericht halten sollten. Die Appellationsinstanz gegen ihr Urteil ist aber nicht etwa der Patriarch von Konstantinopel, sondern – unter ausdrücklicher Berufung auf das „Haupt“, d.h. den „Stuhl des Apostels Petrus“ – Rom!

Kurz zuvor hatte Papst Julius I. diese Frage ebenfalls ins Spiel gebracht, als er den Antiochenern in einem Brief (DH 132) vorwarf, den Rechtsweg nicht eingehalten zu haben:

Weswegen aber wurde uns vor allem wegen der Kirche von Alexandrien nicht geschrieben? Oder wißt ihr nicht, daß dies Brauch war, daß zuerst uns geschrieben wird und so von hier aus entschieden wird, was gerecht ist? Wenn nun freilich ein derartiger Verdacht gegen den dortigen Bischof volag, hätte man an die hiesige Kirche schreiben müssen.

Papst Julius beansprucht also, der einzige Richter in Streitigkeiten zwischen Patriarchatssitzen zu sein – nichts anderes also als den Jurisdiktionsprimat!

Gehen wir zurück in die frühe Kirche, also vor die Legalisierung des Christentums durch Kaiser Konstantin, werden die Quellen zwar dünner, aber es gibt sie, und sie ziehen sich durch die Jahrhunderte. So hat sich z.B. Papst Stephan im Jahr 256 in einem nur fragmentarisch überlieferten Brief an die Bischöfe Kleinasiens ausdrücklich auf die Kathedra Petri berufen, und Polykrates von Ephesus scheint, wie aus seinem ebenfalls nur fragmentarisch erhaltenen Brief an die Kirche von Rom (ca. 185–195) hervorgeht, auf Aufforderung Roms eine kleinasiatische Bischofssynode einberufen zu haben. Wie gesagt, diese Quellen sind dünn, wie überhaupt die Gesamtquellenlage vor dem Konzil von Nicäa 325 recht dürftig ist.

Jedoch sind noch drei frühe Quellen zu nennen, die bereits im apologetischen Teil auftauchten, zu nennen, die deutlich und sehr früh den Jurisdiktionsprimat bezeugen:

  • Irenäus, Adv. Haeresis III, 3, n. 2 (ca. 175–185): „Weil es aber zu weitläufig wäre, in einem Werke wie dem vorliegenden die apostolische Nachfolge aller Kirchen aufzuzählen, so werden wir nur die apostolische Tradition und Glaubenspredigt der größten und ältesten und allbekannten Kirche, die von den beiden ruhmreichen Aposteln Petrus und Paulus zu Rom gegründet und gebaut ist, darlegen, wie sie durch die Nachfolge ihrer Bischöfe bis auf unsere Tage gekommen ist. So widerlegen wir alle, die wie auch immer aus Eigenliebe oder Ruhmsucht oder Blindheit oder Mißverstand Konventikel gründen. Mit der römischen Kirche nämlich muß wegen ihres besonderen Vorranges jede Kirche übereinstimmen, d. h. die Gläubigen von allerwärts, denn in ihr ist immer die apostolische Tradition bewahrt von denen, die von allen Seiten kommen.“
  • In seinem Brief an die Römer redet der heilige Ignatius von Antiochien die römische Kirche als „die den Vorrang führt in der Liebe“ an, was er im übrigen klar von „die den Vorsitz führt im Gebiet der Römer“ unterscheidet. Die Briefe des heiligen Ignatius (ca. 107) sind nach dem Ersten Clemensbrief das überhaupt erst zweite Zeugnis der frühen Kirche nach den biblischen Quellen. Es sei noch angemerkt, auch wenn das ein Argument e silentio ist, daß keiner der anderen Ignatiusbriefe solche Formulierungen auch nur im Ansatz kennt.
  • Der Jurisdiktionsprimat besagt ja im wesentlichen, daß der Papst unmittelbar in jede Ortskirche hineinregieren kann. Der Anlaß des aus Rom kommenden Ersten Clemensbriefes ist die (unrechtmäßige) Absetzung von Priestern in Korinth. Die römische Kirche beansprucht in diesem Brief, unmittelbar in die Kirche von Korinth hineinregieren zu können (vgl. insbes. 1 Clem 57–59). Der Erste Clemensbrief ist also als ganzes ein einziges Zeugnis für den Jurisdiktionsprimat.

Überraschenderweise ist der Jurisdiktionsprimat und seine Ausübung durch den römischen Bischof ausgesprochen gut und von frühester Zeit belegt. Man könnte sogar behaupten, daß abgesehen von der Göttlichkeit Jesu kein Abstraktum der kirchlichen Lehre so gut belegt ist wie der Jurisdiktionsprimat. Und so erklärt sich auch, warum die Protestanten auf so nebensächliche Dinge wie „war Petrus überhaupt in Rom“ abheben. Denn das ist das einzige Glied in der ganzen Lehre vom Jurisdiktionsprimat, das nicht überdeutlich belegt ist – was nicht ganz unnormal ist für Einzelereignisse im Leben eines von der Welt damals für nicht sonderlich bedeutsam gehaltenen Menschen…

Da ich gerade mal wieder in der zweiten Downton Abbey-Staffel bin, kam mir ein passendes „Kriegslied“ in den Sinn.

Der Hauptteil des Stücks klingt ziemlich genau nach Stellungskrieg. Er braucht das Solo, um nicht langweilig zu werden. Doch das Solo stellt nicht die erhoffte Erlösung dar, bringt aber das Lyrische Ich zur Erkenntnis, ausbrechen zu müssen. (Hier spielt der Text ausnahmsweise eine Rolle, er ist gut zu verstehen und wird mehrfach wiederholt: „Ich will nicht mehr töten!“)

Was hierbei an musikalischer Spannung aufgebaut wurde, wird aufgelöst in einer für Annihilator eher untypischen, geradezu nach New Wave of British Heavy Metal klingenden Bridge. Hier gibt’s Melodik und statt eintönigem mehr oder weniger Sprechgesang Gesang in höheren Tonlagen. Doch die Freiheit dient nicht dazu, dem Töten zu entkommen, sondern allein einem Angriff: „Move out and take that hill!“

Es gibt aus der Sinnlosigkeit des Krieges nur einen Ausweg, den Tod. So endet die scheinbar fröhliche Bridge in Tod und Verzweiflung – und führt so wieder zurück zum Anfang: In die Sinnlosigkeit des Schützengrabens, in Haß, Schmerz und Qual. Kurz bevor das Fade out beginnt, endet auch jegliche Melodik. Es bleibt nur noch das „palm muted“ „Geschrammel“. Das Fade out zeigt schließlich: Es gibt daraus keinen Ausweg.