Me Myself and I

Über meinem Blog steht: „In ipsa item catholica ecclesia magnopere curandum est, ut id teneamus, quod ubique, quod semper, quod ab omnibus creditum est.“ Der geneigte Leser wird sich wohl die Quelle dieses „Kanons“ angesichts des „Commonitoria“ (commonitorium.blogspot.com war schon besetzt und außerdem spricht Vinzenz ja selbst von zwei Mahnbüchern, von denen aber der zweite Teil schon ihm selbst gestohlen worden sein soll) und des Bloggernamens „Vincentius Lerinensis“ zumindest ergoogeln können. Allerdings möchte ich dann doch mal darauf hinweisen, daß ich mich damit nicht selbst schubladisieren will. Auf der einen Seite hat mich ein wenig der Schalk geritten, als ich auf diese Idee kam, zum anderen hatte ich schon seit meiner Diplomarbeit die passende E-Mail-Adresse.

Vor allem aber bin ich seit der tiefergehenden Beschäftigung damals (freundlich ausgedrückt:) erstaunt, wie wenig der Vinzenz wirklich gelsen wurde und wird. Irgendwas mal über ihn gehört haben viele, besonders in konservativeren Gruppen kann man auch den sogenannten Kanon zitieren. Aber nur aus dem Zusammenhang gerissen! Denn er erscheint ja auf den ersten Blick so klar und verständlich, weil er so knackig formuliert ist.

Aber es fängt schon mit der Reihenfolge der Einzelkriterien an. Erst seit knapp 200 Jahren wird der sogenannte Kanon als das, was „immer, überall, von allen“ geglaubt wurde, zitiert. Steht aber gar nicht da, und das ist wichtig! Wie Vinzenz nämlich in den folgenden Kapitel ausführt, ist der Kanon nicht kumulativ, sondern sukzessiv zu verstehen. Das heißt: Erst wenn das erste Kriterium nicht reicht, kommt das zweite ins Spiel, und das dritte interessiert erst, wenn die ersten beiden versagt haben. Richtig heißt es: „überall, immer, von allen“.

Relevant werden diese Kriterien überhaupt erst dann, wenn eine Lehre in ihrer Rechtgläubigkeit umstritten ist. Normalerweise reiche zwar die Schrift vollkommen aus, aber leider hätten sich auch die Irrlehrer immer wieder auf die Schrift bezogen und besonders gerne schwer verständliche Stellen zur Begründung ihrer Lehre angeführt, indem sie sie in ihrem Sinne auslegten. Daher bedürfe es der kirchlichen Auslegung der Schrift, und wie man diese feststellt, dazu solle der Kanon dienen: Zunächst sei nach der einmütigen Lehre der Kirche in der Gegenwart zu fragen („überall“). Ist diese nicht eindeutig festzustellen, dann müsse „das Altertum“ befragt werden, wobei Vinzenz mit „Altertum“ die Zeit meint, bevor die umstrittene Lehre aufkam („immer“). Ist aber auch aus „dem Altertum“ keine eindeutige Sicht auf die umstrittene Lehre zu gewinnen, dann müsse man nach einem Konzilsentscheid in dieser Frage suchen, und falls es den nicht gibt, müsse man wohl oder übel die Kirchenväter der Reihe nach durchgehen („von allen“).

Für uns heute ist diese Frage sehr viel einfacher zu bearbeiten. Anders als Vinzenz haben wir es heute relativ einfach, die verläßliche Lehre der Kirche zu bestimmen (Katechismus, vergleichsweise leicht zugänglich lehramtliche Äußerungen). Und damit könnte man es dann auch bewenden lassen, denn nach Vinzenz‘ Kriteriologie ist die Sache eigentlich erledigt.

Eigentlich: Wenn da nicht die Merkwüdigkeit wäre, daß Vinzenz seine Dreiteilung nicht bis zum Ende durchhält, ja bereits bei der ersten Erläuterung das „ab omnibus“-Kriterium selbst noch einmal teilt, und bei genauerer Betrachtung seine eigentliche Kreativität nicht auf den „Kanon“, sondern auf den Fortschritt verwendet hat. Ein Großteil des Commonitoriums ist nämlich völlig frei von eigenen Gedanken Vinzenz‘, nur die griffige Formulierung geht auf ihn zurück (der Rest steht schon bei Tertullian und Irenäus von Lyon), praktisch ohne traditionsgeschichtlichen Vorläufer ist aber das Kapitel 23.

Dieses Kapitel 23 behandelt die Frage, ob es unter den Voraussetzungen des „Kanons“ überhaupt eine Entwicklung geben könne, oder ob immer alles beim Alten bleiben müsse. Vinzenz verneint diese Frage. Es gäbe sehr wohl Entwicklung, ja sogar echten Fortschritt in der Lehre, nur dürfe diese nicht einen Bruch mit der früheren Lehre darstellen, sondern ein natürliches Wachstum bereits angelegter Samen darstellen. Ausgerechnet diese Stelle ist auch die einzige, die jemals höchstlehramtlich zitiert wurde, nämlich durch das I. Vatikanische Konzil.

Wat also sacht uns dit janze? Das eigentliche Kriterium für Vinzenz war, so scheint es, die wesentliche Übereinstimmung der gegenwärtigen Lehre mit dem Ursprung, und wie diese Übereinstimmung dem Wesen nach bestimmt werden kann, verrät weniger der Kanon als vielmehr die Anwendungsbeispiele im Commonitorium selbst: Treue zur Kirche aller Zeiten. Als ich darüber meine Diplomarbeit geschrieben habe (2004), hatte ich noch nicht viel von einer Hermeneutik der Kontinuität gehört. Aber eigentlich ist das genau das, was Vinzenz in seinem Commonitorium entwickelt.

Irgendwann in den nächsten zwei bis drei Jahren dürfte ich mein zwanzigjähriges Internetjubiläum haben. Am Anfang war es ein großes Spielzeug, eine Möglichkeit, andere Bekloppte kennenzulernen, was bei mir damals eher mit Al Bundy als mit Jesus Christus zu tun hatte… Richtig spannend wurde es erst nach der Entdeckung des Usenets (Foren waren mir mit ’nem Modem einfach zu langsam, und umständlich finde ich sie heute noch; bei den sozialen Netzwerken fehlt mir das „hierarchische Element“ ;-). Und damit begann auch mein „Beklopptheitswandel“ zu mehr Glaubensdiskussionen.

Meine Erfahrung war ziemlich schnell, vor allem in der Auseinandersetzung mit Freikirchlern, daß es uns Katholiken zum einen ganz mächtig an Faktenwissen mangelt, zum anderen aber an einer spezifischen Katholiziät in der Argumentation. Wenn ich mich auf eine Diskussion mit einem Freikirchler einlasse, ohne mir bewußt zu sein, daß ich seine Voraussetzung der rein biblischen Argumentation nicht teile, dann habe ich früher oder später das Problem, daß ich ihm die katholische Lehre nicht erklären und schon gar nicht begründen kann. Denn ich argumentiere ja gar nicht katholisch, sondern freikirchlich. Wie soll da also was Katholisches bei rumkommen? Zum Glück gab es da immer auch ein paar besonders „Bekloppte“, die genau diese Diskrepanz thematisierten: „Klar, unter deinen Voraussetzungen kann man das gar nicht anders denken. Aber wir Katholiken haben andere Voraussetzungen. Und daß nur die Schrift allein zähle, läßt sich mit ihr selbst gar nicht begründen. Wohl aber die Tradition, denn die ist älter.“

In den Folgejahren habe ich das dann anzuwenden versucht. Die neue Erfahrung war: Wenn man wirklich von den Grundlagen bis zu den Details katholisch argumentiert, erreicht man zwar nicht unbedingt Zustimmung, schon gar nicht existentielle, aber doch selbst von bekennenden Atheisten Respekt für die (wider Erwarten?) vorhandene innere Logik des christlichen (katholischen) Glaubens. Und manchmal auch mehr.

Reißt man aber auch nur an einer kleinen, nach der Hierarchie der Wahrheiten vermeintlich unbedeutenden Stelle ein notwendiges Element der Lehre heraus, bricht über kurz oder lang das ganze, über knapp 2000 Jahre sorgsam austarrierte Gebäude zusammen. Eine Zeitlang wird man mit wilden Stützbauten den Zusammenbruch noch aufhalten können, aber für diese Stützbauten muß man weitere tragende Elemente abtragen, die dann ihrerseits Stützbauten brauchen. Schließlich werden diese Stützbauten aber nicht mehr auf dem tragenden Fundament stehen, das Christus selbst ist. Spätestens dann wird einem die ganze Bautätigkeit um die Ohren fliegen.

Liegt also die gegenwärtige Schwäche der katholischen Kirche (im deutschsprachigen Raum) zu einem nicht ganz unwesentlichen Teil nicht daran, daß schon die Grundlagen nicht bekannt sind und intuitiv eher protestantisierende Selbstverständlichkeiten für katholisch gehalten werden? Erst kürzlich hatte ich eine Diskussion in eigentlich bewußt-katholischem Kontext. Die Mitdiskutanten haben den Vorwurf des Protestantisierens entrüstet von sich gewiesen. Und doch lief da immer untergründig so eine unkatholische „Fortschrittsfeindlichkeit“ mit, nach der eine Lehre, die erst im Mittelalter entstand und heute nochmals ganz anders ausehe als zu ihrer Entstehung, ja nicht so wichtig sein kann. Tja, und es kam wie es kommen mußte: Nachdem diese Lehre über Bord gegangen war, wurden auch gleich weitere Lehren, mit denen ich argumentieren wollte, als offenbar „nicht mehr zeitgemäß“ (oder so) abgelehnt. „Ad Fontes“ in allen Ehren — aber wo bleibt da der „Geist, der uns in alle Wahrheit einführen wird“?

Mich macht das immer ein wenig traurig. So wird das jedenfalls nichts mit der Neuevangelisierung…

Der Herr ist auferstanden! Und ich hatte gestern noch ein besonderes Auferstehungserlebnis:

Vor dem hyperref-Paket hatte ich immer tierischen Horror. Zu oft habe ich gelesen, daß man aufpassen muß, wie und an welcher Stelle man es einbaut, weil es so viele Makros auch aus dem LaTeX-Kern umdefiniert. Zu viele Schwierigkeiten hatte ich bereits mit dem Zusammenwirken von weniger komplexen Paketen. Zu lang war mir die Dokumentation, die aus mehreren ineinander verschachtelten PDFs besteht. Und solange es eh nur um die Druckvorlage für das einzureichende Manuskript ging, hatten klickbare Links im PDF auch keinen praktischen Sinn.

Jetzt aber geht es um die Druckvorstufe, aus der der Verlag auch gleich noch das E-Book bastelt — und eins der Formate wird schlicht und ergreifend PDF sein. Da der Adobe-Reader offenbar aus allem, das mit http: beginnt und wie eine URL aussieht, einen anklickbaren Link macht (zumindest wenn die Schriften korrekt eingebettet sind), aber Zeilenumbrüche als Ende des Links interpretiert, so daß die Links ins Nirvana führt, war es nun keine wirkliche Option mehr, das alles so zu lassen, wie es ist.

Alles andere war schon fertig, aber das wurmte mich noch. Ok, in kleineren, für den online-Gebrauch vorgesehenen Dokumenten hatte ich hyperref bereits erfolgreich verwendet, aber in einem Dokument, in dem zahlreiche Pakete und eigene Makros[1] zum Teil nur fragil miteinander zum Funktionieren gebracht wurden, und eigentlich schon fertig ist? Μὴ γένοιτο!

Ich hab’s dann doch gemacht. Gestern nachmittag bin ich im Geiste nochmal durchgegangen, was eigentlich noch zu tun ist. Irgendwie kam mir dabei der Gedanke an hyperref gar nicht mehr so schrecklich vor, und was sollte schlimmstenfalls passieren? Mehr als hinterher genausoweit wie vorher zu sein, ging doch gar nicht.

Habe ich mich also drangesetzt, einfach mal \usepackage{hyperref} in die Präambel geschrieben und zitternd auf „Ausgabe erstellen“ geklickt. Meine schlimmsten Befürchtungen wurden wahr. Nach 100 Fehlern hat pdflatex den Kompilierungsversuch dann einfach mal abgebrochen. Nach nur zwanzig Seiten hat sich hyperref an einem selbsterstellten Makro aufgehängt.

Glücklicherweise hatte ich gestern die Ruhe und die Nerven, nicht gleich vor Schreck alles wieder rückgängig zu machen, sondern den Fehler beheben zu versuchen. Was ein guter Plan war: Wie sich zeigte, war das der einzige Fehler, und bei genauerer Betrachtung war es nur ein einziges Paket, das Schwierigkeiten machte — weil es versuchte, mit hyperref besser zusammenzuarbeiten, als ich es wollte. Die entsprechende Standardeinstellung umgebogen — und fertig! Keine Fehler, keine Warnungen. Noch ein paar Feinarbeiten, und alles sah so aus, wie ich es mir nur in meinen kühnsten Träumen gewünscht hatte.

Lange Rede, kurzer Sinn: Nach gerademal dreieinhalb Stunden hatte ich hyperref bis in die Details hinein erfolgreich eingebunden. Auch eine Form von Ostern 🙂

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[1] In den Naturwissenschaften scheint wohl keiner mehr echte Tafeln zu verwenden, sondern entweder Abbildungen, die nicht über eine Seite hinausgehen, oder Tabellen. Als ich den Wizards mein Problem schilderte, kein Paket gefunden zu haben, mit dem ich meine zum Teil nicht auf eine Seite passenden Songtextübersetzungen als gleitendes Objekt einbinden kann, habe ich nur Unverständnis hervorgerufen. Wozu braucht man denn sowas? Was sind denn Tafeln[2]? Klare Antwort: Das, was ihr benutzt, um Tabellen einzubinden, sind eigentlich Tafeln, in die ihr dann eine Tabelle setzt. — Aha. Dann nimm doch longtable. — Ja, super. Genau das ist doch das Problem: longtable müßte eigentlich longtabular heißen, denn es setzt überlange Tabellen (und zwar nicht als Fließobjekte!), nicht fließende, überlange Tafeln.

[2] Die deutschsprachige Wikipedia kennt wenigstens neben der Bildtafel auch noch die Zeittafel und damit einen Anwendungsfall von Tafeln im Drucksatz, der sich über mehrere Seiten erstrecken kann[3]. Einen Überbegriff „Tafel (Drucksatz)“ gibt es aber nicht. Die englische leitet Tabular gleich nach Table (information) weiter, unter denen sie ausschließlich Tabellen versteht… Demnach gäbe es im englischsprachigen Raum noch nicht einmal eine Möglichkeit, meinen Anwendungsfall ohne lange Erklärungen in Worte zu fassen…

[3] Der Artikel verlinkt auf einen englischen Eintrag namens Timeline. Der kennt aber, obwohl der deutschsprachige Eintrag ausgerechnet die Encyclopedia Britannica als Erstverwender solcher Tafeln nennt, gerade keine mehrseitigen Timelines. Und wenn man ganz korinthenkackend drauf sein will, kann man selbst bei der Zeittafel sagen, hier kommt man auch mit longtable hin, man muß halt nur darauf verzichten, sie fließen zu lassen (argh!). Falls also jemand immer noch die Existenz des Anwendungsfalls einer mehrseitigen Tafel jenseits meines Spezialproblems in Zweifel ziehen will: Versuch mal komplexe Verwandtschaftsbeziehungen etwa in einem Herrschergeschlecht über mehr als zwei, drei Generationen ohne Auslassen (vermeintlich) unwichtiger Nebenlinien auf einer Seite unterzubringen…

In einem Leserbrief wurde letztens kritisiert, die Kirchenmusik hätte in der katholischen Kirche allenfalls den Rang einer Begleitung oder eines Lückenbüßers. So ganz stimmig war die Argumentation nicht, und ein paar Tage später gab es auch einen weiteren, widersprechenden Leserbrief. Dennoch steckt ein wahrer Kern steckt in der Kritik.

Seit einiger Zeit ging die Gabenbereitung irgendwie immer ein wenig an mir vorbei. Ich habe mich gefragt, woran das liegt, und habe daraufhin angefangen, mit Hilfe des Gotteslobs actuosa zu participieren. Das hieß: Das Lied zur Gabenbereitung links liegen lassen.

Und dann fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren, als dann ein richtiges[tm] Lied zur Gabenbereitung gesungen wurde: Häufig werden zur Gabenbereitung tatsächlich reine Lückenfüller gesungen, die die Gemeinde beschäftigen, bis die Gaben bereitet sind und die Messe weitergehen kann. Sie lenken also (zumindest mich) von der Gabenbereitung ab und erklären sie für nicht so wichtig. Anders die richtigen[tm] Gabenbereitungslieder. Die paraphrasieren oder zititeren die stillen Gebete des Priesters während der Gabenbereitung und/oder führen zum Opfer und seiner Bedeutung für mich hin.

Ich habe zwar nicht Buch geführt, wie oft so’ne oder solche Lieder zur Gabenbereitung gesungen wurden. Aber ein einfaches „Strophen 4 und 5 des Eingangslieds“ geht für mich zur Gabenbereitung überhaupt nicht mehr. Und wenn es noch so schön ist.[1]

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[1] Vergangenen Montag war es „O Haupt voll Blut und Wunden“. Da konnte ich mal eine Ausnahme machen 🙂

Ich kann’s immer noch nicht glauben. Am Freitag habe ich erfahren, daß in meine Tauf- und Heimatkirche eingebrochen wurde. Was wurde geklaut? Der TABERNAKEL! Zielstrebig und ausschließlich!! Samt Inhalt!!!

Da sind mir Ziel und Motiv relativ egal.

Die Einbrecher haben sich nicht für andere Kunst- und Wertgegenstände interessiert, aber in der Sakristei die dort gelagerten Schlüssel durchsucht. Es liegt nahe, daß sie den Tabernakelschlüssel gesucht haben.

In der Gemeinde existieren zwei Theorien. Die erste ist: Die Einbrecher waren Satanisten auf der Suche nach zu verunehrenden Hostien. Nachdem sie den Schlüssel nicht gefunden haben, haben sie gleich den ganzen Tabernakel mitgehen lassen.

Die zweite ist im Kern auch die der Polizei: Wie auf diesem Bild zu sehen ist, ist der Tabernakel ein dunkler Klotz (mit zwei eingesetzten Bergkristallen) auf hellem Travertin — KUPFER. In dieser Deutung könnte die (nach einem Zeugen) möglicherweise osteuropäische Herkunft der Täter dafür sprechen, daß sie den Tabernakelschlüssel gesucht haben, um den Inhalt gerade nicht mitnehmen zu müssen.

Aber das ist schlußendlich völlig egal.

Ich hatte heute eine Mail von meiner Frau in meiner Mehlbox.[1] Drin war ein Link (via Seraphic).

Ich muß ja sagen, das hat ohne Frage Stil! Obwohl die Übernahme dieser Regeln gravierende Änderungen an meinem Äußeren nach sich zögen, hatte ich schonmal angefangen zusammenzurechnen, welchen Preis ich dafür zu zahlen hätte (vor allem die Trennung von einem guten halben Meter Haar…). Aber dann gab es doch gravierende Rückschläge. Weder wollte mich meine Frau zu meinem Geburtstag mit passenden Kleidungsstücken beglücken, noch war sie in Punkt 2 des Manifests verhandlungsbereit. Wenn ich anfange zu rauchen, fliege ich raus.

Na gut, dann bleibt’s wohl vorläufig doch bei Jeans und Turnschuhen. Wobei, ein Kamelhaarumhang mit Ledergürtel…

[1] Ja, wir schreiben uns vom Wohnzimmer in die Küche[2] Mails.
[2] Küche steht hier übrigens für meine Wenigkeit. Seit ich mein Arbeitszimmer zugunsten der sich mehrenden Kinderschar aufgegeben habe, habe ich den Küchentisch als Arbeitsplatz okkupiert[3].
[3] Occupy Kitchen! Yeah!

Es gibt einen Fluch. Er lautet: Mögest Du in Interessanten Zeiten leben! Terry Pratchett: Interesting Times

Mein Opa ist im Krieg geblieben. Nur weiß keiner so genau wo. Die letzte Nachricht stammt vom 22. Januar 1945 aus Oppeln. Am 24. Januar besetzte die Rote Armee Oppeln. Seine letzte bekannte Position war also in Frontnähe, der Schluß, daß er wohl dort gefallen sein dürfte, liegt nahe. Aber: It’s too simple, too clear cut. I’d better wait. No, too simple, too clear cut. Denn mein Großvater war eigentlich weit weg von der kämpfenden Truppe und im Stab: Spieß in einer Kompanie der Luftwaffen-Pioniere. So ist denn auch die gesamte Kompanie wieder nach hause gekommen — bis auf meinen Großvater und zwei Kameraden.

Die Familienüberlieferung weiß von einem Kommandounternehmen, auf das eben jene drei Soldaten geschickt wurden, der Sprengung eines (deutschen) Flugplatzes, der bereits hinter den feindlichen Linien lag (diesen hier). Das Unternehmen soll erfolgreich gewesen sein (die Wikipedia weiß davon aber nichts), und selbst die Rückkehr zur Einheit scheiterte nicht an den Russen — sondern der Wehrmacht, die jeden, der eine Waffe benutzen konnte, brauchen konnte und den Kommandotrupp in den Schützengraben gesteckt haben soll. Weiterhin wurde in der Familie davon ausgegangen, daß er am 14. Juni 1945 in einem Lazarett bei Landsberg/Warthe gestorben ist. Dort gab es jedenfalls einen verzeichneten Toten mit seinem Rufnamen.

Die Internet-Gräbersuche des Volksbundes Kriegsgräberfürsorge bestätigte die überlieferten Angaben, so daß wenig Grund zum Zweifel bestand. Bis ich vor gut fünf Jahren aus einer spontanen Idee heraus nochmal nach dem Gefallenen suchte — und plötzlich weitere Daten ausgegeben bekam. Und nichts stimmte. Der in Landsberg/Warthe im Kriegsgefangenenlazarett Verstorbene war fünf Jahre älter als mein Großvater, hatte andere weitere Vornamen, stammte nicht aus Westfalen, sondern aus Hinterpommern und war auch kein Oberfeldwebel der Luftwaffenpioniere, sondern ein Volkssturmmann.

Ich weiß nicht, warum es wichtig ist, den genauen Todesort und -zeitpunkt zu kennen. Ich weiß auch nicht, warum mir mein knapp 35 Jahre vor meiner Geburt gefallener Großvater soviel näher steht als meine anderen Großeltern, die gestorben sind, als ich acht, 15 bzw. 20 war. Logisch ist das nicht. Trotzdem läßt mir das Schicksal meines Opas keine Ruhe. Was umso frustrierender ist, als es kaum Ansatzpunkte zur Nachforschung gibt. Die Deutsche Dienststelle (ehemals Wehrmachtsauskunftstelle) konnte nur Auskunft über seine Erkennungsmarke, seine Einheit und zwei Meldungen (die datierte von 1940 aus Norwegen) geben; andere Unterlagen lägen nicht vor und seien vermutlich durch Kriegseinwirkung verlorengegangen. Vom Suchdienst des DRK habe ich auf Anfage im Jahr 2000 nur die Mitteilung bekommen, daß ein Suchantrag seit 1948 besteht. Sonst nichts.

Also blieb nur die vage Hoffnung, daß bei den Umbettungsmaßnahmen des Volksbundes die Erkennungsmarke meines Großvaters gefunden wird oder andere Daten auftauchen, aus denen sich neue Erkenntnisse ergeben. Irgendwoher müssen ja auch die neuen Erkenntnisse über den Toten in Landsberg gekommen sein. Andererseits gibt es genug Arschlöcher, die für Erkennungsmarken der Wehrmacht gutes Geld bezahlen und so Grabräuber (may they rot in hell!) auf den Plan rufen. Die Umbetter kommen dann meist zu spät. Außerdem sind die russischen Akten, die nach 1990 zugänglich wurden, mittlerweile ausgewertet. Wenn mein Opa da verzeichnet gewesen wäre, hätten wir bestimmt schon davon gehört, dächte ich mir jedenfalls.

Silvester 2010 kam jedoch neue Bewegung in die Sache, wieder über die Gräbersuche des Volksbundes. Da gehe ich, wieder mal aus spontaner Idee, die Karl Berndts durch. Und plötzlich steht da: Karl Berndt, *17.06.1905 Mettmann. Daneben gab es noch den Eintrag, den der Volkbund nach meinen Erkundigungen vor 10 Jahren angelegt hatte. Name, Geburtsdatum, Geburtsort — paßte (fast: der zweite Vorname Johann fehlte) perfekt. Nicht so sonderlich gut paßt: Vermißt seit 1. Januar 1945 in Bublitz/Bärwalde b.Neustettin. Weder ist er seit Anfang Januar vermißt, noch war er im Januar in Pommern.

Eine kurze Mail mit der Bitte um Aufklärung resultierte innerhalb eines Monats in einem recht ausführlichen, erkennbar nicht aus Satzbausteinen bestehenden Brief (ich bin begeistert!). Datenquelle sei das DRK, die Doppelregistrierung sei wegen des fehlenden zweiten Vornamens nicht aufgefallen (schlecht programmierte Software, würde ich mal sagen, aber egal). Die Unstimmigkeit (daß eine private Nachricht aus Oppeln vom Ende des Monats existiert) scheint dem Volksbund nicht bekannt zu sein. Daher haben sie die Datensätze zusammengeführt.

Nächster Anlaufpunkt wieder das DRK, das immerhin die Quelle des Datensatzes aus Pommern sein soll. Da dauert die Antwort schon deutlich länger und besteht auch erstmal nur aus einem Fragebogen und der Einwilligung in die Datenschutzauflagen. Zwei Monate, nachdem ich die zurückgeschickt hatte, bekam ich nun Ende Januar eine neue, diesmal ausführlichere Antwort als vor 12 Jahren. Darin enthalten zum einen die Daten von der Deutschen Dienststelle sowie aus dem Suchauftrag meiner Oma von 1948 — auf den auch die Registrierung als „Karl Johann“ statt „Johann Karl“ zurückgeht. Zusätzlich noch ein Hinweis auf das Todeserklärungsverfahren von 1951 (ob ich mit dem Aktenzeichen wohl noch was kriege? :-). Die Suche sei darüber hinaus erfolglos geblieben. Ein Einsatz der fraglichen Einheit in Pommern sei nicht bekannt. Schließlich lag in Kopie ein Gutachten von 1978 bei, das „bis zu einer möglichen Schicksalsklärung seine Gültigkeit“ behalte.

Das Gutachten ist zwar ganz spannend, da es die Kriegsgeschehnisse von Januar bis Mai 1945 in Niederschlesien rekonstruiert, trägt aber wenig zur konkreten Frage bei. Es läuft im wesentlichen auf den Schluß hinaus: Er ist nicht mit seiner Einheit zurückgekehrt, er ist nirgendwo in Gefangenschaft gesehen worden, es liegen auch sonst keine Hinweise auf seinen Verbleib vor, also wird er wohl irgendwann zwischen Januar und Mai 1945 gefallen sein.

Auch das paßt nicht mit den anderen Daten zusammen. Vor allem ist „Einheit war nicht in Pommern“ keine Antwort auf die Frage, wie die Daten beim Volksbund zustandekommen, insbesondere wenn man die Geschichte mit der Flugplatzsprengung mit einbezieht, die ja eine Trennung von der eigentlichen Einheit beinhaltet. Auch wundert mich, daß im Gutachten kein genaueres Vermißtendatum als Januar bis Mai 1945 (nur im Kopf des Gutachtens ist von Mai 1945 die Rede — auf welcher Grundlage?) und für das Fehlen eines solchen nur „gerade im Häuserkampf oder bei Nachtgefechten sind viele gefallen, ohne daß es die Kameraden bemerkt hätten“ angeführt wird. Ergibt das Sinn bei einem Stabsangehörigen, der als einer von nur drei Angehörigen seiner Kompanie nicht aus dem Krieg zurückgekommen ist?

Ok, wenn ich das vorliegende Datenmaterial betrachte, kann ich die Schlüsse des DRKs durchaus nachvollziehen — streicht man die Familienüberlieferung, klingt alles ganz logisch. Daher habe ich angefangen, nach Unterlagen zu suchen (bzw. meinen Vater suchen zu lassen), aus denen insbesondere das Kommandounternehmen hervorgeht. Und tatsächlich: Es gibt einen Brief einer Schwester meines Großvaters an den Volksbund von 1947, der ausweislich des Eingangsstempels auch bei der Beantragung der Witwenrente für meine Oma eine Rolle gespielt haben dürfte, in dem dieser Einsatz als Tatsache geschildert wird, und zwar genau so, wie die Familie ihn überliefert hat. Daneben ein Zeitungsausschnitt, der die Todeserklärung meines Großvaters bekannt macht (auch unter dem Namen Karl Johann statt Johann Karl) und die Geburtsurkunde, auf der (endlich mal wieder, ich fing schon an zu zweifeln) Johann Karl steht (und noch ein paar andere interessante Dinge über die Familie, die offenbar Anfang des Jahrhunderts „christlich dissident“ war, aber darüber vielleicht ein andernmal).

Vielleicht greife ich ja nach Strohhalmen. Trotzdem werde ich versuchen, daß DRK und Volksbund sich mal ordentlich austauschen und die jeweils gesammelten Erkenntnisse tatsächlich austauschen. Vielleicht verraten die sich ja gegenseitig mehr als mir.

Tschaka! Jetzt ist die Kommentarfunktion bei Blogger endlich nicht mehr auf „Bulletin Board“-Ansicht beschränkt, sondern es gibt die Möglichkeit, sie so einzurichten, daß es auch unterschiedliche Kommentarfäden gibt. Habe ich gleich mal entsprechend umgestellt. Damit kann man sich in Zukunft das blöde „@Hastenichgesehen“ sparen. Tschaka!

Bei meiner Auseinandersetzung mit dem Finanzamt habe ich mich zuletzt für die Erklärung „Inkompetenz“ entschieden. Was ich erst jetzt mitbekommen habe: „Viele“ Finanzämter und der Bundesfinanzhof haben die Inkompetenz bereits Ende November/Anfang Dezember selbst eingeräumt und der Politik den Schwarzen Peter zugeschoben. Die Steuergesetze seien für die Finanzämter nicht mehr verständlich/anwendbar. Da ist doch echt was faul im Staate „Bunte Republik“.

Als Kind war für mich die Welt noch einfach. Die heiligen drei Könige waren die heiligen drei Könige, Casper, Melchior und Balthasar mit Namen, einer davon schwarz. Krippenfiguren prägen. Daß im Matthäusevangelium weder ausdrücklich von drei Besuchern an der Krippe noch überhaupt von Königen die Rede ist, hat mich nie gestört. Irgendwann habe ich dann registriert, daß sie in der Einheitsübersetzung als Sterndeuter bezeichnet werden. Ok, hatten die Könige also ein Hobby, das sie auf die Spur von Weihnachten gebracht hat. Wie gesagt, für ein Kind ist die Welt noch einfach.

Im Religionsunterricht habe ich dann gelernt, all das in Frage zu stellen. Steht ja nicht in der Bibel. Zu Königen habe sie erst die Tradition gemacht, die Namen wurden auch einfach mal irgendwann erfunden, und daß ein Schwarzer darunter war, das gebe die Bibel mit ihrer Angabe „aus dem Osten“ auch nicht so recht her. Ich kann mich leider nicht daran erinnern, daß dafür irgendwas Positives dagegen gesetzt wurde, also nach dem Niederreißen meines Kinderglaubens etwas Neues aufgebaut wurde. In der Folgezeit wurde mir Weihnachten immer fremder, der 6. Januar hatte nur noch Bedeutung als Ende der Weihnachtszeit (was er ja eigentlich gar nicht ist).

Im Studium erfuhr ich dann dank Griechischkenntnisse, daß die Sache nochmal deutlich komplizierter ist, denn da ist auch nicht einfach von Sterndeutern die Rede, sondern von Magiern. Die Deutungen derselben reich(t)en von Diasporajuden aus Babylon bis Zarathustrapriester. Bei ersteren besteht die berechtigte Frage, warum Diasporajuden a) sich mit Astrologie abgeben und b) nicht gleich auf die Idee kamen, nach Bethlehem zu ziehen (diese Frage wurde aber durch die Problemstellung schwer gemacht: Warum sollten Heiden sich für den Messias interessieren? *Kopf–>Tischkante*). Letztere Deutung hingegen ist auch unter Nichttheologen verbreitet, wird sogar als terminus technicus für eben jene Priester genannt.

Und so war es dann (ausgerechnet 🙂 ein ziemliches Urgestein der Historisch-Kritischen Exegese in der katholischen Theologie, der mir im Laufe der Zeit wieder einen Zugang zu den heiligen drei Königen und so indirekt auch zu Weihnachten eröffnet hat. Denn die Auslegung lief im wesentlichen darauf hinaus, daß die Magoi als Vertreter der Heiden an die Krippe kommen und Matthäus dadurch deutlich macht, daß Jesus von Anfang an auch der Retter für die Nicht-Juden war und mit ihm die Endzeit angebrochen ist. Ausgerechnet Matthäus, der für Judenchristen schrieb? Ja, gerade der, denn Mt 2 greift die jüdische Tradition der endzeitlichen Völkerwallfahrt zum Zion auf (vgl. v.a. Jes 60), die die christliche Tradition dann weiter ausgebaut hat.

Tjaha, und da schließt sich dann der Kreis — was aber viel einfacher zu haben gewesen wäre mit einem nicht-destruktiven Religionsunterricht, der statt Bestehendes zu zerstören und eine tabula rasa zu hinterlassen auf dem Bestehenden aufgebaut hätte (was, nebenbei gesagt, eigentlich sowieso pädagogisch-didaktisches Grundlagenwissen ist oder sein sollte). Denn daß da einer der Könige schwarz ist, ist keineswegs willkürlich, sondern bezieht sich genau auf das Motiv der Völkerwallfahrt, wo weniger „von Osten“ als von Seba und Saba und von Tarschisch die Rede ist. Seba/Saba, das heißt von Israel aus: aus dem Süden (vermutlich im heutigen Jemen, wobei die Königin von Saba eher aus Äthiopien gestammt haben dürfte; zur Zeit Jesu eher ein mythisches Reicht „irgendwo im Süden“). Tarschisch dürfte vermutlich in Spanien zu suchen sein. Zusammen mit des Matthäus Ortsangabe „von Osten her“ ergibt sich also ein König aus dem Osten (Asien), einer aus dem Süden (Afrika) und einer aus dem Westen (Europa) als Repräsentanten der (Heiden-)Völker — und das steht sogar alles so in der Bibel… Da war also die „kindische“ Tradition näher an der historisch-kritischen Exegese als der ach so historisch-kritische Religionsunterricht.