Elsa wunderte sich vor einiger Zeit über die „Feier der Lebenswende“, einer Art katholische Alternative zur atheistischen Jugendweihe, und fragte sich

ob es jetzt um die atheistische Jugendweihe geht, oder eine Form der Jugendweihe, die als alternativer christlicher Ersatz – freilich ohne Sakramentenspendung, um selbstverständlich, da sei Gott vor, niemanden über Gebühr zu fordern: Vor allem natürlich nicht den Priester in der Strapaze, christliche Wahrheiten stringent zu vermitteln,- oder letztlich whatever gehen soll? Was wird das denn bitte? Ein achtes Sakrament?

Nachdem jetzt die Weihnachtspause vorbei ist, kann ich endlich was Substantielles beitragen. Eins jedoch noch vorneweg: Elsa war auf die „Lebenswende“ auf den Seiten des Bistums Magdeburg gestoßen, mein „Informant“ hat beim „Original“ in Erfurt als Ehrenamtlicher mitgemacht. Deshalb vorweg: Jeder „Veranstalter“ der „Lebenswende“ ist selbständig und greift nur die Grundidee auf. Es kann also sein, daß die Feier in Magdeburg anders abläuft und andere Hintergründe hat als die in Erfurt.

Die ursprüngliche Initiative ging nicht von kirchlicher Seite, sondern von ungetauften Jugendlichen aus, die die katholische Edith-Stein-Schule besuchten. Dort ist Religionsunterricht für alle Pflichtfach, die „Heidenkinder“ (ich zitiere!) bekommen jedoch in der fünften und sechsten Klasse einen Crash-Kurs „Religion“. Genau dieser Religionsunterricht, unter anderem vom damaligen Erfurter Dompfarrer (und heutigen Weihbischof) Dr. Reinhard Hauke gegeben, und obwohl (oder gerade weil?) er rein informativ und nicht (direkt) missionarisch ist (soll heißen: es geht um Faktenwissen, nicht um Bekehrung), führte dazu, daß einige der Schüler die atheistische Jugendweihe als hohl erkannten und, ohne freilich zur Taufe bereit zu sein, etwas Tieferes suchten. Als nun ihre getauften Mitschüler zur Firmung oder Konfirmation „anstanden“, gingen sie auf Dr. Hauke zu, der als kirchliche Antwort die „Feier der Lebenswende“ entwickelte.

Ziel dieser Lebenswendefeier war nicht, der Jugendweihe Konkurrenz zu machen, die ja ihrerseits als atheistische Konkurrenzveranstaltung zu Firmung/Konfirmation gedacht war, sondern das äußerst zarte Pflänzchen eines beginnenden Umdenkens bei den Schülern nicht zu zerstören. Natürlich konnte es dabei nicht um die „harten“ Glaubensfakten gehen – also „christliche Wahrheiten stringent zu vermitteln“. Dazu waren die Schüler noch lange nicht weit genug! In aller Regel hatten sie vor dem Besuch der Edith-Stein-Schule praktisch überhaupt keinen Kontakt mit Religion welcher Art auch immer, und im besten Fall hatten sie wenigstens keine Vorurteile a la „Mittelalterlichkeit der Kirche“ oder „Unwissenschaftlichkeit jeglicher Religion“. Implizites Ziel der längeren Vorbereitungszeit auf die Lebenswendfeier ist daher „lediglich“, überhaupt erstmal den Horizont zu eröffnen, in dem der christliche Glaube innerlich angenommen werden kann (denn darum muß es ja jetzt über das bloße Faktenwissen hinaus tatsächlich gehen).

Dieser besondere Entstehungshintergrund äußerte sich auch darin, daß für die „Feier der Lebenswende“ in Erfurt keine aktive Werbung betrieben wird (oder zumindest wurde, solange das ganze noch Dr. Hauke als Dompfarrer verantwortete; wie es jetzt ist, wußte mein „Informant“ nicht). Denn es soll ja durch diese „Feier der Lebenswende“ gerade nicht der Jugendweihe das Wasser abgegraben werden, sondern Ungetauften, die tatsächlich auf einem Weg sind, ein kleines bißchen der Weg gewiesen werden – was eben auch nur Sinn hat, wenn das ganze nicht punktuell bleibt, sondern auch eine Rückbindung im Alltag (Besuch einer katholischen Schule, Religionsunterricht etc.) hat.

Insofern ist der „Mundpropaganda“-Erfolg des Projektes über den ursprünglichen Kreis der ungetauften Edith-Stein-Schüler sicherlich nicht unproblematisch, wie sich kürzlich gezeigt hat, als einem katholisch getaufter, aber der Kirche völlig fern stehender Jugendlichen die Teilnahme an der „Lebenswende“ mehr oder weniger demonstrativ verweigert worden sein soll. Allerdings soll sich Weihbischof Dr. Hauke mit dem Gedanken einer „Weg-Feier“ für solche Jugendliche tragen, die aber eben im Gegensatz zur Lebenswendefeier sehr viel konkreter zu Glaube und eben auch Kirche führen, also „christliche Wahrheiten stringent … vermitteln“ sollen würde.

Der springende Punkt der ganzen Idee der „Feier der Lebenswende“ ist also die spezifische Situation der genannten Schüler. Paulus spricht in 1 Kor 3 davon, den „unmündigen Kindern in Christus“ (also getauften Christen!) Milch anstatt wie Geisterfüllten feste Nahrung gegeben zu haben. Dieses Bild träfe eher auf die Idee der „Weg-Feier“ für fernstehende katholische Jugendliche zu als auf die „Feier der Lebenswende“, denn bei der Lebenswende geht es um Menschen, die noch nicht einmal die banalsten Voraussetzungen hatten, die Paulus überall voraussetzen konnte: Daß es überhaupt etwas über das Materielle hinaus gibt. Wenn man das paulinische Bild ein wenig überstrapaziert: Es muß hier überhaupt erstmal der Ei-Follikel heranreifen, damit irgendwann einmal ein Christ gezeugt werden könnte!

Für die anvisierte Zielgruppe scheint mir daher die Lebenswendefeier, zumindest nach dem, was ich aus Erfurt erfahren habe, völlig angemessen zu sein. Sie setzt aber eine ganz bestimmte Situation und eine ganz bestimmte Zielgruppe voraus, die es „bei uns im Westen“ kaum gibt: eine mehrheitlich ganz selbstverständlich ungetaufte Gesellschaft, in der ein ebenso selbstverständlicher praktischer Materialismus vorherrscht, und das schon in der dritten, vierten Generation.

Bleibt natürlich die Frage, wo es heut die feste Nahrung für in Christus Heranwachsende gibt. Aber das ist ein anderes Thema…

[Disclaimer: Was ich geschrieben habe, kann ich nicht selbst beurteilen, sondern habe es nur aus (glaubwürdiger!) zweiter Hand. Mir erscheint es freilich stimmig.]

Jeder Mensch sei schnell im Hören, langsam aber im Reden und langsam im Zorn. (Jak 1,19)

Natürlich heißt das nicht, man solle besser nur Zuhören und selbst dann nichts sagen, wenn das Gegenüber völligen Unfug verzapft. Aber wie im ganzen Brief geht es Jakobus auch hier um eine Einstellung: Die Position des Anderen als die Position des Anderen ernstnehmen und verstehen zu wollen, bevor man ihn kritisiert.

Andererseits kann der „Leidensdruck“ auch so stark werden, daß man gar nicht mehr anders kann, als ihn herauszuschreien. Und eine wenig „lashing-out“ ist mitunter auch psychohygienisch sehr hilfreich und wichtig. Doch wo kommt solcher Leidensdruck denn her? Nach meiner Erfahrung: Daß ich selbst nicht ernst genommen werde, daß mir keine Chance gelassen wird, mich zu rechtfertigen, daß Vorurteile und Stereotype ein Gespräch im Keim ersticken: „Meine Meinung steht fest, bitte verschonen Sie mich mit Tatsachen.“

Wo das nicht der Fall ist, kommt häufig ein recht fruchtbares Gespräch zustande, bei dem sich zwar keine grundlegenden Auffassungen verändern, aber Verständnis für den Anderen entsteht. In einer postmodern-pluralistischen Gesellschaft kann es eigentlich auch gar nicht anders auf Dauer gutgehen: Bei aller Ablehnung seiner Auffassung, muß ich den Anderen doch als Menschen und Geschöpf Gottes respektieren. Warum funktioniert das aber im Gespräch mit nicht-katholischen Christen, ja sogar mit Atheisten oder Neuheiden meist besser als mit ach so „modernen“ Katholiken? Oder nochmals mit Jakobus:

Wieso gibt es Kriege und wieso Streitereien bei euch? (Jak 4,1)

Am 1. Januar 2010 tritt eine Gesetzesänderung zu Spätabtreibungen in Kraft. Wesentlicher Kern des Gesetzes ist die Ausdehnung der Beratungsregelung auf die sogenannte medizinische Indikation. Solange nicht unmittelbarer Lebensgefahr abgeholfen werden muß, darf der diagnostizierende Arzt jetzt erst drei Tage nach der Diagnose das Voliegen der medizinischen Indikation nach § 218b, Absatz 1 StGB schriftlich beurkunden. Zudem muß die Schwangere dem Arzt bestätigen, daß er seiner Beratungspflicht nachgekommen ist. Diese Beratungspflicht umfaßt unter anderem die Erörterung der medizinischen und psychosozialen Aspekte, die sich aus der Diagnose ergeben, der möglichen medizinischen, psychischen und sozialen Fragen sowie der Möglichkeiten zur Unterstützung bei psychischen und physischen Belastungen. Schließlich soll der Arzt die Schwangere auch auf Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen aufmerksam machen und gegebenenfalls sogar Kontakt herstellen.

Soweit so gut. Damit wird einer Klage der Ärzte abgeholfen, die sich mit der Situation in rechtlicher Unsicherheit alleingelassen fühlten. Denn bisher war der diagnostizierende Arzt in der Praxis fast immer zugleich der einzige Berater der Schwangeren, setzte er sich aber für das Leben des ungeborenen Kindes ein, lief er Gefahr, später schadensersatzpflichtig zu werden („Kind-als-Schaden-Urteil“). Nun soll es also eine Bedenk- und Beratungszeit von drei Tagen geben, und an der Beratung sollen auch andere Berater, vor allem auch Fachärzte für die diagnostizierte Behinderung des Kindes beteiligt werden.

Natürlich hängt nach wie vor viel am Engagement des einzelnen Arztes, zumal die Beratung „ergebnisoffen“ erfolgen soll. Dennoch wird deutlich, daß die ursprüngliche Absicht des Gesetzentwurfes war, die „medizinische“ Indikation, die 1995 die aus guten Gründen abgeschaffte „eugenische“ bzw. „embryopathische“ Indikation indirekt mit aufnahm, einzuschränken: Der Schwangeren soll die Möglichkeit eines Lebens mit behindertem Kind aufgezeigt, die Heilungs- und Linderungsmöglichkeiten vorgestellt und die Folgen einer Abtreibung auch und gerade für die Mutter klargemacht werden.

Daher ist auch die eigentliche medizinische Indikation von der Beratungsregelung ausgenommen: Besteht Gefahr für das Leben der Mutter, kann nach wie vor abgetrieben werden. Der Tod des Kindes ist in dieser Situation ja auch gar nicht intendiert, vielmehr handelt es sich um eine unerwünschte Nebenfolge, die mit allen Mitteln zu verhindern gesucht wird. Anders aber bei der „medizinischen“ Indikation im weiteren Sinne, die der Bezeichnung absolut Hohn spricht: Denn hier handelt es sich um ein unerträgliches rechtliches Konstrukt, durch das krampfhaft versucht wurde, die Behinderung des Kindes zwar nicht mehr als Abtreibungsgrund (eugenische oder embryopathische Indikation) erscheinen zu lassen, faktisch aber durch die Hintertür der „psychischen Gesundheitsbeeinträchtigung der Mutter jetzt oder später“ diesen Abtreibungsgrund beizubehalten. Denn eine zukünftige Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit der Mutter ist sowas von vage, daß es letztlich allein an der Entscheidung der Mutter liegt, ob abgetrieben wird oder nicht.

Am deutlichsten aber wurde die Absicht, diese de facto eugenische Indikation einzuschränken, am 4. Absatz des Gesetzentwurfs. Dieser Absatz fand aber im Bundestag keine Mehrheit und wurde in den Medien auch immer nur beiläufig mit „ach, da ging’s ja nur um Statistisches“ abgehandelt. Zwar ging es tatsächlich „nur“ um die Regeln zur statistischen Erhebung, aber die drei zusätzlichen Erhebungpunkte hatten es in sich! Denn es handelte sich um:

– vorgeburtlich diagnostizierte Fehlbildung oder Genomauffälligkeiten,
– Tötung des Embryos im Mutterleib bei Mehrlingsschwangerschaften,
– Tötung des Embryos im Mutterleib in sonstigen Fällen.

Es ging also um nicht mehr und nicht weniger als die statistische Erhebung, wieviele der nach „medizinischer“ Indikation durchgeführten Spätabtreibungen faktisch embryopathische Gründe hatten, also um die Aufdeckung der Folgen der 1995 eingeführten Hintertür! Der abgelehnte Absatz wäre also eine Zeitbombe für die Abtreibung aufgrund einer Behinderung des Kindes geworden, denn dann wäre statistisch erhoben worden, was heute nur zu vermuten ist: Daß der allergrößte Teil der Spätabtreibungen nach medizinischer Indikation de facto embryopathisch „indiziert“ ist. Diese „Zeitbombe“ wollte die Mehrheit unserer Abgeordneten gar nicht erst zu ticken beginnen lassen. Die mit Jahresbeginn in Kraft tretende Neuregelung zeigt so die ganze Heuchelei der deutschen Abtreibungsgesetzgebung.

Hünermann fiel mir in diesem Jahr außerdem bei (wenn ich mich recht entsinne) gleich zwei Tagungen (vielleicht war die eine davon schon 2008) mit einer These zum Stellenwert der Beschlüsse des zweiten Vatikanums auf. Er räumt nämlich zwar unumwunden ein, daß das Konzil natürlich keine Dogmen verkündet hat. Den Umkehrschluß aber, daß es dann also auch keine Canones und folglich keine Anathematismen verkündet hat und damit das Bestreiten einzelner Aussagen und Lehren des Konzils keine unmittelbare Kirchenstrafe nach sich ziehen kann, läßt er nicht gelten. Denn zum einen handle es sich ja um einen gültigen, nur halt nicht unfehlbaren Akt des außerordentlichen Lehramts (soweit ja richtig), zum anderen müsse man doch aber auch die Textgattung beachten. Tatsächlich habe das Konzil deswegen keine Dogmen verkündet, weil es das, was es vorhatte, gar nicht in Einzeldogmen mit Canones und Anathematismen fassen konnte. Wer jetzt aber an die pastorale Ausrichtung des Konzils denkt und, unwissend, worauf das hinauslaufen soll, zustimmen will, wird äußerst überrascht sein, wenn er hört, welche Textgattung Hünermann auf das Konzilskompendium angewendet haben möchte: Das des Verfassungstextes. Ich wiederhole: Das Zweite Vatikanische Konzil hat nach Peter Hünermann nicht mehr und nicht weniger als einen Verfassungstext der Kirche beschlossen!

Da ist ganz klar: Wer auch nur ein einziges Jota hinwegnehmen will, muß mit dem Kirchenbann bestraft werden – wie eben die Piusbruderschaft. Hünermanns These ist dermaßen absurd, daß ich sie überhaupt nicht mit ihrem Verfasser zusammenbringen kann. Sollte der Kirche etwa 1935 Jahre lang gefehlt haben, was zum Heile nötig ist, nämlich ihre „Verfassung“, die 16 „Heiligen“ Schriften das II. Vatikanischen Konzils: Sacrosanctum Concilium, Inter Mirifica, Lumen Gentium, Orientalium Ecclesiarum, Unitatis Redintegratio, Christus Dominus, Optatam Totius, Perfectae Caritatis, Gravissimum Educationis, Nostra Aetate, Dei Verbum, Apostolicam Actuositatem, Dignitatis Humanae, Ad Gentes, Presbyterorum Ordinis und Gaudium et Spes?

Warum fehlen dann aber Inter Mirifica, Christus Dominus, Optatam Totius, Perfectae Caritatis, Gravissimum Educationis, Apostolicam Actuositatem, Ad Gentes und Presbyterorum Ordinis im Denzinger-Hünermann? Am formalen Stellenwert der Texte kann es jedenfalls nicht liegen, da Nostra Aetate und Dignitatis Humanae es mit der formal niedrigsten Stufe der „Erklärung“ in die Auswahl geschafft haben, die aussortierten Texte aber bis auf Gravissimum Educationis allesamt Dekrete sind. Folglich muß es an ihrer theologiegeschichtlichen Bedeutung liegen, und – schwupps! – schon können es keine Verfassungstexte mehr sein, weil sie andere Texte voraussetzen, um überhaupt ihre eigene Bedeutung zu erlangen, Verfassungstexte aber die grundlegende Eigenschaft haben, aus sich selbst heraus Geltung zu beanspruchen.

Und überhaupt: Wieso sollten die Beschlüsse des 21. ökumenischen Konzils wichtiger sein als das Glaubensbekenntnis des 1.? Oder grundsätzlicher: Wenn es überhaupt einen Verfassungstext der Kirche geben sollte (und ich betone hier den Konjunktiv, denn der christliche Glaube ist eben keine Buchreligion!), dann müßten das doch die 72 Bücher der Heiligen Schrift sein!

Vielleicht verstehe ich auch die mündlichen Ausführungen Hünermanns, die ja auf Tagungen fragmentarisch bleiben müssen, einfach bloß falsch. Möglicherweise meint er ja was ganz anderes. Auf eine schriftliche Quelle dazu bin ich bisher nicht gestoßen (ehrlichgesagt verspürte ich bisher auch noch nicht die nötige Demut, aktiv nach einer zu suchen). Salvo meliori iudicio muß ich aber in beiden Fällen sagen: Was hat ihn da bloß geritten?!

Die Zeit „zwischen den Jahren“ ist ja immer auch die Zeit der Jahresrückblicke. Wenn ich auf das vergangene Jahr zurückblicke, dann sehe ich zwar viel, was passiert ist, aber eigentlich nur ein wirklich weltbewegendes Ereignis: Die Aufhebung der Exkommunikation der Pius-Bischöfe. Und „weltbewegend“ meine ich nicht im journalistischen Sinne, sondern daß (sofern im weiteren Verlauf hauptsächlich homines bonae voluntatis beteiligt sind) daraus viel Gutes hervorgehen kann.

Natürlich darf man nicht blauäugig erwarten, daß jetzt alles wie von selbst ins Lot kommt, aber zumindest ist nun wenigstens vorrübergehend die Gewöhnung an eine neue schismatische Gegenkirche mit apostolischer Sukzession aufgehalten. Offenbar fühlten sich aber viele in ihrer Gewöhnung gestört, in der sie sich so behaglich eingerichtet hatten – und das auf beiden Seiten! Denn während sich der publizistische Blätterwald auf Williamson stürzte (dem die Ausstrahlung seiner Holocaustleugnung auch nicht ganz unangenehm gewesen zu sein scheint), hörten „tines“ nicht auf, den Papst als Modernisten zu verunglimpfen, der schon als junger Professor und auch heute noch Häresien lehre. Da wird noch viel Gnade vom Himmel fließen müssen, bevor über allen Schützengräben Lilien blühen können!

Damit bin ich auch schon bei einer Einzelpersönlichkeit, die mir dieses Jahr mehrfach aufgestoßen ist: Peter Hünermann. Um Mißverständnissen vorzubeugen: Hünermann ist ein netter Mensch und ganz sicher ernsthaft und aus aufrichtigem Glauben um die Kirche besorgt; auch will ich seine wissenschaftlichen Verdienste keineswegs in Abrede stellen. Aber mit seinem Artikel in der Herderkorrespondenz, in dem er die Aufhebung der Exkommunikation als „schweren Amtsfehler“ des Papstes bezeichnet, hat er nun wirklich einen Bock geschossen. Mich wundert eigentlich nur, daß das kaum einer bemerkt zu haben scheint!

Denn seine ganze Argumentation setzt voraus, daß die Exkommunikation 1988 nicht nur wegen der unerlaubten Bischofsweihe ausgesprochen wurde, sondern auch wegen Häresie. Nur deswegen kann er fordern, daß die Piusbrüder erst ihren Irrlehren abschwören müßten (um den „Mangel an Reue“, den Hünermann beklagt, mal frei in Klartext zu übersetzen), und behaupten, die dem zuvorkommende Entscheidung des Papstes verstoße gegen das Kirchenrecht und sei mithin ein schwerer Amtsfehler, weil kirchenrechtlich eben die Reue über die Ursache der Exkommunikation vorausgesetzt ist.

Diese Voraussetzung hat er aber zu Beginn seines Artikels erst selbst geschaffen! Dort argumentiert er nämlich mit dem Motu proprio „Ecclesia Dei“ Johannes Pauls II., dem Begleitschreiben zum Dekret der Bischofskongregation, das die Exkommunikation feststellte. In diesem Schreiben äußerte der damalige Papst die Vermutung(!), man könne(!) die Wurzel dieses schismatischen Aktes in einem theologischen Irrtum, näherhin einem unvollkommenen und widersprüchlichen Begriff von Tradition selbst erkennen. Diese Vermutung einer Möglichkeit wird im weiteren Artikel Hünermanns zu einer Begründung der Exkommunikation mit Häresie.

Hünermanns kirchenrechtliche Argumentation muß dem Dogmatiker so letztlich auf die Füße fallen. Nicht im Begleitschreiben, sondern im Exkommunikationsdekret selbst steht die kirchenrechtlich relevante Begründung der Exkommunikation und damit implizit auch die kirchenrechtlich nötige Reue für eine Aufhebung der Exkommunikation. Das hätte ihm spätestens daran auffallen müssen, daß eben nur die vier Bischöfe exkommuniziert waren, aber nicht die Priester der Bruderschaft. Das, sowie das Fortdauern der Suspension, diskutiert er aber allenfalls andeutungsweise am Rande.

Der Fehler, die zwingende Richtigkeit des späteren Schlusses bereits in die Prämissen einzubauen, ist eigentlich ein so simpler und altbekannter Logikverstoß, daß man sich wundern muß, wie er einem solch verdienten Mann unterlaufen kann – zumal er mit dem Artikel Hünermanns allein belegt werden kann, da Hünermann alle notwendigen Informationen mitliefertn (Anmerkung: In Herders „Theologie Kontrovers“-Band zu „Vatikan und Pius-Brüder“ wird auch im „Dokumentation“-Teil nur das Motu proprio „Ecclesia Dei“ aufgeführt, nicht aber das eigentlich Exkommunikationsdekret der Bischofskongregation. Honi soit qui mal y pense…)

Aber vielleicht hängt dieser schwere Denkfehler mit einem anderen Punkt zusammen, auf den ich morgen zu sprechen kommen will.

Eigentlich hatte ich ein schönes Weihnachtsfest (und eigentlich feiern wir ja noch immer, nur daß Karwoche, Oster- und Weihnachtsoktav schon fast meinen halben Jahresurlaub kosten würden :-(). Spätestens seit der ersten Lesung der Christmette kann mir das schon seit Jahren kaum mehr anders gehen:

Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht; denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf.

Als dann beim Credo zumindest im Altarraum kräftig die Knie gebeugt wurden und ich am Weihnachtstag selbst auch noch das leider eher seltene Glück hatte, den Johannesprolog in seiner ganzen Schönheit zu hören, war ich endgültig versöhnt. Versöhnt? Ja, versöhnt; denn der Anfang des diesjährigen Weihnachten war alles andere als optimal: die Krippenandacht.

Freiwillig kriegen mich da sowieso keine zehn Pferde rein, dafür habe ich schon viel zu viel Merkwürdigkeiten erlebt. Auf der anderen Seite weiß ich, wie wichtig für mich als Kind die Krippenandacht war. Es gehörte einfach dazu, in die Krippenandacht zu gehen, und wenn wir wieder nach hause kamen, war das Christkind dagewesen. Deswegen sind wir mit unseren Kindern auch dieses Jahr in die Krippenandacht gegangen.

Aber, oh Graus, so was Schreckliches habe ich noch nicht erlebt! Die Krippenandacht soll doch eigentlich gerade für Kinder sein! Wie kann man dann ein durch und durch politisiertes und moralisierendes Krippenspiel aufführen?! Ständig drehte es sich um die schweren Zeiten, die arroganten Reichen, die immer reicher werden, und die armen Armen, die immer ärmer werden und mit denen keiner mehr spielen will, und ständig war ganz offensichtlich: Das sollte „Verheutigung“ sein.

Als mir allmählich das Messer in der Tasche aufklappte und ich ganz und gar unweihnachtliche Gefühle entwickelte, faselte die „Maria“ da vorne was von: „Mein Kind soll später bei dieser ganzen Verflucherei nicht mitmachen!“ – Weh dir, Chorazin! Weh dir, Betsaida…! – „Die Bösen sind doch gar nicht so böse, denen muß man doch nur mal was Gutes tun!“ – Das kommt bei Charles Dickens wenigstens ästhetisch ansprechender rüber, wird dadurch aber nicht richtiger… – „Mein Kind soll mal gut zu allen sein!“ – Als ob Maria mehr als „Sie haben keinen Wein mehr“ dazu zu sagen hatte! Uarghs!

Nach vierzig Minuten Krippenandacht sind wir dann endlich gegangen – Maria und Josef waren übrigens immer noch auf Herbergssuche! Ich frage mich, was so schwer daran ist, die Weihnachtsgeschichte in evangeliumsgemäßer Fassung und kindgerechter Länge zu spielen?! Warum muß da immer so viel reininterpretiert werden, was vielleicht auch irgendwo drinsteckt, aber eben doch reichlich nebensächlich ist? Ist nicht die Inkarnation, die Menschwerdung Gottes bereits in sich und auch für Erwachsene so unverständlich, daß man eigentlich nicht mehr machen kann, als sie in Bildern zum Ausdruck zu bringen? Warum muß es jedes Jahr ein neues Krippenspiel sein? Kinder brauchen gerade die Wiederholung! Meine Kinder haben nicht einmal verstanden, daß das was mit Weihnachten zu tun haben sollte! Ehrlichgesagt: Ich hätte heulen können!

Aber wahrscheinlich ist bereits den Erwachsenen selbst ein so großes Geheimnis unzumutbar. Wenn etwas nicht auf den Punkt gebracht werden kann, dann muß halt um den heißen Brei herumgeredet werden, dann muß halt die Herbergssuche endlos ausgedehnt und ausgebaut werden, die bei Lukas nur einen Halbsatz (Lk 2,7d) ausmacht. So begann also mein Weihnachten ohne Hirten, ohne Krippe – ohne Menschwerdung. Kein Wunder, daß ich in der Christmette noch nach Versöhnung suchte…

Warum praktiziere ist selbst dann eigentlich Mundkommunion? Jedenfalls nicht, weil ich die Handkommunion für unangemessen hielte. Der Grund ist die mittlerweile fast überall praktizierten Form, sich in langen Reihen zur Kommunion anzustellen. Ganz davon abgesehen, daß man so ganz plötzlich vortritt und mehr oder weniger unvorbereitet „dran“ ist, tritt einem häufig der Nächste bereits in die Hacken, wenn man zu lange braucht; zumindest empfinde ich das so.

Erst habe ich mich bewußt nicht „wegdrängeln“ lassen, aber dieses „Bewußtsein“ verträgt sich irgendwie nicht so recht mit einem bewußten Kommunionempfang. Interessanterweise ist mir am Sonntag aufgefallen, daß doch recht viele sich ebenfalls nicht „wegdrängeln“ lassen. Möglicherweise ist das also alles nur mein Problem…

Jedenfalls empfand ich es nicht als Alternative, den Schritt zur Seite zu machen und dann zu kommunizieren. Das widerspricht meinem Empfinden vom Sinn der Kommunion. Natürlich, es geht um Kommunion mit dem Herrn, und den hätte ich ja in der Hand (uh, was für ein Ausdruck!). Aber als Mensch bin ich doch irgendwie mehr auf Äußerlichkeiten angewiesen, und da der Kommunionspender (zumindest, wenn es ein Priester ist) ja in persona Christi handelt, wenn er die Kommunion spendet, drängt mich mein Empfinden zur Kommunion vor dem Priester. Folglich blieb mir nur die Mundkommunion.

Bei Elsas Nach(b)revier gab es letztens einen Post über eine Gruppe von Jugendlichen, die ihrer Meinung nach mit wenig Ehrfurcht (hand-)kommunizierte. Am Sonntag habe ich selbst mal darauf geachtet (da ich im Advent eucharistisch faste und einen wunderbaren Platz hatte, hielt ich das ausnahmsweise mal für o.k.).

Und ich muß sagen: Im großen und ganzen wurde der Herr durchaus würdig empfangen, obwohl in Zweierreihen und fast ausschließlich in Handkommunion. Fast alle kommunizierten entweder unmittelbar vor dem Kommunionspender oder ebenfalls in würdiger Ruhe, nachdem sie einen Schritt zur Seite gemacht hatten. Vermutlich aufgrund des durchgängigen Vorbildes tat das auch der Jugendliche, der mit den Händen in den Taschen nach vorne stoffelte. Nur ganz vereinzelt schob sich einer die Hostie im Weggehen in den Mund.

Ganz offensichtlich liegt es also weniger an der äußeren als an der inneren Weise des Kommunionempfangs bzw. am Vorbild der Mehrheit, ob (äußerlich) ehrfürchtig kommuniziert wird oder nicht…