5 comments on “Satanischer Krach

  1. Du schreibst, die Meidung der übermäßigen Quarte gehe bis ins frühe Mittelalter (9. Jhd.) zurück. (Was ist mit der verminderten Quinte?) Wie kommst du zu der Zeitangabe? Mus. Ench.? Heißt das, vorher sei sie deiner Auffassung nach nicht gemieden worden? Was schreiben denn die ollen Griechen dazu? In welchen europ. Musiktraditionen taucht er denn auf (und in welchen Kontexten)?

    Du schreibst, der Tritonus sei »schlicht ungewöhnlich, unüblich« und »schwer zu singen« gewesen. Zu fragen wäre aber doch, warum er unüblich gewesen. Unübliche Intervalle gibt es auch andere, aber z. B. der Microl. verwendet wohl kaum auf etwas so viel Mühe, wie auf die Ausmerzung des Tritonus. Und Guido gerät ja auch gerade dabei in so große Bedrouille und kommt zu seiner missglückten Grenztonlehre.

    Schließlich könnte man noch anmerken, dass der einen Tritonus (verm. Quint, nicht überm. Quart) enthaltende Dominantseptakkord immer einer Auflösung bedarf, also immer in einen stabilen Zustand überführt werden muss. Das heißt, um seine Bedeutung zu erfassen, genügt es nicht, nur zu konstatieren, ah, hier und hier und da auch kommt ein Tritonus vor, sondern seine Stellung im Stück und die weitere Progression müssten schon mit betrachtet werden.

    (Was meint du damit, dass der Tritonus im D7 »gleich doppelter Bestandteil« sei?)

    (Mit grundsätzlichen Anmerkungen und Einwänden warte ich erstmal ab, bis die Serie weiter ausgebreitet ist.)

  2. Bin, bevor ich fromm wurde und später ebenso ein eifriger Hörer und Produzierer ziemlich harter Rockmusik gewesen. In der Frommwerdphase kam es auch bei mir zu der von Dir angedeuteten allgemeinen Verunsicherung. Hab die Sache dann einigermaßen für mich klären können und weiter sowohl Musi gemacht, als auch nach Herzenslust, nicht nach intellektueller Abwägung, gehört. Wahrscheinlich gibt es gar wenige Sataniker, die sich in perverser Extase Ernst Mosch reintun. 😉
    Wie immer auch, mir gibt der mittelalterliche Thomas die intelligentesten Antworten, auch in diesen Fragen. Aber meine Frage wäre: Krieg ich die Diss?

  3. @ultramontanus: Es geht mir um die Interpretation der Bezeichnung "diabolus in musica" als Beschwörungsintervall, die es erst seit dem 18. Jh. gibt, während die Meidung des Tritonus sehr viel älter ist. Mit dem 9. Jh. bin ich da auf der sicheren Seite (denn zwischen dem 9. und 16. Jh. ist sie breit belegt), was nicht ausschließt, daß es die Meidung schon vorher gab. Allerdings trifft man im ambrosianischen Choral wohl tatsächlich häufiger (wenn auch nicht gerade regelmäßig) auf Tritonus als im gregorianischen.

    Warum er unüblich war, hat mit den Hexachorden zu tun, ich vermutete allerdings eher geringeres Interesse an solche Details (außerdem sprengte das hier den Rahmen). Ein Hexachord besteht aus zwei Ganztonschritten, einem Halbtonschritt und noch einmal zwei Ganztonschritten, schließt also drei Ganztonschritte eigentlich systematisch aus. Beim Wechsel zwischen Hexachorden kann es aber unter Umständen ("mi contra fa…") doch zu einem Drei-Ganztonsprung kommen. Da normalerweise zweieinhalb oder dreieinhalb Töne und nur ausnahmsweise genau drei Töne gesprungen wird, ist es natürlich bedeutend schwieriger, den Tritonus zu singen als die reguläre Quarte oder Quinte. Dieses Intervall wirft also ein System durcheinander, woher eben die Bezeichnung "diabolus", Durcheinanderwerfer, stammen dürfte. Daß dem Intervall aufgrund der ihm innewohnenden Spannung auch nicht so recht ein Platz in der sich als himmlische Musik verstehenden Kirchenmusik eingeräumt wurde, kommt gerade für das Mittelalter noch erschwerend hinzu, ist aber für die Bezeichnung eher nebensächlich.

    Was den doppelten Tritonus im Dominantseptakkord angeht: Das war eine glatte Fehlleistung. Da kommt er natürlich nur einmal vor, gedanklich war ich da schon beim verminderten Septakkord, der es dann nicht in die Endfassung des Posts gebracht hat.

    Der Einwand bzgl. der Stellung im Stück geht insofern an meiner Argumentation vorbei, als es mir nicht um eine musiktheoretische Untersuchung der Bedeutung des Tritonus im Metal geht, sondern um den Vorwurf, der Tritonus könne evtl. sogar ungewollt den Teufel beschwören. Da reicht es schon, darauf hinzuweisen, daß das dann ja bei jedem Dominantseptakkord der Fall sein müßte, das Argument also nicht (allein) gegen den Metal taugt.

  4. Ich hatte ja nach den konkreten Werken gefragt, aus denen du eine Meidung des Tritonus ableitest.

    Die Hexachordlehre stammt, soweit ich weiß, von Guido, Ende des 10. Jhds., Anfang des 11. Jhds. Wieso also 9. Jhd.?

    Ich bin durchaus mit dir einer Meinung, dass man die Meidung des Tritonus in Musiktraktaten bereits im 9. Jhd. erweisen kann. Da hat sie aber logischerweise noch nichts mit der Hexachordlehre zu tun.

    Interessant wird das Tritonusthema vor allem dann, wenn man nicht die symphonia von nacheinander gesungenen Tönen, sondern die von gleichzeitig erklingenden voces betrachtet. In diesem Zusammenhang tauchen ja die Tritonusvermeidungskonzepte im 9. Jhd. auf.

  5. Noch einmal: Es geht um die Bezeichnung "diabolus in musica" und ihre Deutung, damit werde ein satan(olog)isches Intervall bezeichnet. Diese Deutung ist jedoch nachweislich wesentlich jünger als die Meidung des Tritonus, die ihrerseits älter ist als die Bezeichnung "diabolus in musica". Auch der Merkspruch "Mi contra fa est diabolus in musica" ist erst in der Neuzeit nachgewiesen, es wird aber für denkbar gehalten, daß er auf mündliche Tradition ins Mittelater zurückgeht (mündliche Tradition ist naturgemäß nicht wirklich datierbar). "Mi contra fa" verweist auf das Hexachordsystem, sonst ergäbe der Satz keinen Sinn.

    Da ich Theologe und nicht Musikwissenschaftler bin, mußt Du, was die Details und Begründungen angeht, die Leute fragen, die sich mit sowas auskennen und von denen ich das abgeschrieben habe (es gibt allerdings recht wenig spezifische Literatur; das MGG aus den 1990er Jahren hat, im Gegensatz zu der 30 Jahre älteren Ausgabe, nicht einmal mehr einen eigenen Eintrag für den Tritonus):

    – Ruhnke, Martin: Intervall. I. Historisch (Theorie bis zum 16. Jahrhundert); in: ²MGG IV (1996), 1069–1080.

    – Hammerstein, Reinhold: Diabolus in Musica. Studien zur Ikonographie der Musik im Mittelalter; Bern/München: Francke, 1974 (hier ist nur die Einleitung interessant, der Rest dreht sich weniger um den Tritonus als um Zuschreibungen bestimmter Instrumente zu metaphysischen Sphären, also eben um Ikonographie).

    – Reese, Gustave: Tritonus; in: MGG XIII (1966), 699–712.

    – Moser, Hans Joachim: Diabolus in musica; in: Musik in Zeit und Raum. Ausgewählte Abhandlungen; Berlin: Merseburger, 1960, 262–280.

    Mein spontaner Einwand zu deiner Aussage "im 9.Jh. könne die Meidung des Tritonus nichts mit der Hexachordlehre zu tun haben" wäre: Eine Lehre setzt, gerade im Mittelalter, eine vorangehende Praxis voraus. Aber wie gesagt: Es geht mir nicht um die Meidung des Tritonus an sich, sondern um seine Bezeichnung als "diabolus in musica" und deren Deutung, man könne mit dem Tritonus den Teufel beschwören.

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