Dieses Bild, auf das ich Dank Johannes gestoßen bin, erinnerte mich daran, daß ich da noch was in der geistigen Pipeline hatte. Um meinen Status als Bekloppter in Christentum und Metal zu verteidigen.
Das Lied ist zunächst einmal musikalisch grandios. Die Riffs nachzuspielen (soweit sie nicht völlig ins Chaotische abgleiten) ist eine wahre Freude, weil sie als (mehr oder weniger) chromatische ebenso leicht zu spielen wie von der Wirkung her überwältigend sind (meine Frau kann bestimmt ein Lied davon singen – haha, Wortspiel!). Alleine die halbe Minute nach dem Breakdown ab ca. 2:10 ist der Hammer (ultimativer Moshpart, in der Studioversion noch krasser – Gänsehaut [auf Youtube aber in grottiger Tonqualität, also kauft Euch das Album :-)])!
Aber auch textlich hat das Lied es durchaus in sich. Ok, meine Interpretation entspricht vielleicht nicht ganz der Intention des Autors. Aber das ist bei (guten) Metal-Texten eigentlich immer so, daß die Interpretation mehr über den Ausleger als das Ausgelegte aussagt. Die abschließende Interpretation gibt es nicht.
Trapped in purgatory A lifeless object alive Awaiting reprisal Death will be their acquisition |
Gefangen im Fegefeuer Ein lebloses Objekt lebt Erwartet Vergeltung Tod wird ihr Gewinn sein |
The sky is turning red Return to power draws near Fall into me, the sky’s crimson tears Abolish the rules made of stone |
Der Himmel wird rot Die Rückkehr zur Macht ist nahe Fallt in mich, des Himmels purpurne Tränen Verwerft die steinernen Regeln |
Pierced from below, souls of my treacherous past Betrayed by many, now ornaments dripping above |
Durchbohrt von unten, Seelen meiner verräterischen Vergangenheit Betrogen von vielen, nun trieft oben Schmuck |
Awaiting the hour of reprisal Your time slips away |
Erwartend die Stunde der Vergeltung Deine Zeit entschlüpft Dir |
Raining blood From a lacerated sky Bleeding its horror Creating my structure Now I shall reign in blood |
Es regnet Blut Von einem zerrissenen Himmel Blutet seine Greuel aus Erschafft meinen Körperbau Nun werde ich herrschen in Blut |
Der Text fängt ja, wenn man die Intention des Texters voraussetzt, schon mit einem schweren Fehler an. Wenn es um jemanden ginge, der aus dem Himmel verstoßen wurde, ist er nicht im Fegefeuer, sondern in der Hölle zu suchen. Und im Fegefeuer ist man nicht gefangen, es hat einen Ausgang, und nur einen Ausgang, nämlich in Richtung Himmel. Nur in einer Konstellation kann man überhaupt (wenngleich anachronistisch) von „gefangen im Fegefeuer“ reden: die Gerechten des Alten Bundes bevor sie von Christus auf Seiner Höllenfahrt befreit wurden.
Damit ist schonmal die zeitliche Einordnung klar: Vor Jesu Auferstehung. Und von dort ausgehend beginnt der Rest einen gänzlich anderen Sinn zu bekommen. Ich würde, bekloppt wie ich bin, in diesem Song eine Beschreibung der Höllenfahrt Jesu sehen wollen. Entsprechend weist der Eingangsriff nach unten. Zwar beginnt es mit einem hinaufweisenden Dreiklang, aber die eigentliche Dynamik des Riffs ergibt sich aus dem Folgenden, wodurch der Anfangsdreiklang als Auftakt erkennbar wird. Das eigentliche Riff geht in Quartparallelen chromatisch abwärts: b-f-a-e-as-es-g (oder so ähnlich, die scheinen das öfter mal in Verschiedenen Tonarten resp. Gitarrenstimmungen zu spielen). Das folgende Thrash-Geballere bleibt zunächst statisch, nur in jedem vierten Takt mit einem kleinen Hinweis auf den folgenden Aufstieg, geht dann aber in Chaos über. Aufbegehren der niederhöllischen Herrscher, die bemerken, daß sie sich haben in die Falle locken lassen? Zum Gesang aber wieder ein Riff, der eher nach oben weist.
Jesus ist tot, aber dennoch lebendig. Er vergilt den Mächten des Bösen, was sie Ihm angetan haben, indem Er ihnen die Toten entreißt. In Christi Tod erfolgt ihre Erwerbung, werden sie für den Himmel gewonnen. Durch das Kreuz können die Menschen in Christus das Leben erwerben, gewinnen „acquirieren“. Und zwar gerade durch Christi Tod, der das steinerne Gesetz überwindet, das nach Paulus nur die Macht der Sünde offenbaren, aber nicht von ihr befreien kann und infolgedessen zum Tod führt. Der Himmel wird rot von Seinem Blut, durch das Er die Herrschaft über die Welt zurückgewinnt. Und insofern heißt „fallt in mich, des Himmels purpurne Tränen“ nichts anderes als „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“.
Bei ca. 1:30 folgt der nächste Riffwechsel. In das straighte Thrash-Geballere schleichen sich jetzt Melodie und gewisse Filigranität (also so vergleichsweise) ein. So weist der Riff auch mehr Klarheit und Struktur auf. Interessanterweise ist der Riff zweigeteilt. Zu Beginn weist er nach oben, indem der zweite Takt den ersten zwar imitiert, dann aber auf höherem Tonniveau endet. Der sich gleich anschließende zweite Teil bleibt zunächst etwas tiefer, aber statisch, rutscht dann aber bis nach unten zum Ausgangspunkt ab. Für mich ein Hinweis auf eine Erhöhung, die nach unten weist, und damit Szenenwechsel nach Golgotha: Er wird durchbohrt von unten. Wegen unserer Verbrechen. Wir, die Seelen Seiner verräterischen Vergangenheit. Von vielen verraten – wen kümmerte Sein Geschick? -trug Er die Sünden von vielen. Er wird geschmückt mit Seinem Anteil an der Beute, die von Seinem Blute trieft. Es sind die Befreiten, die Christen, die Kirche.
Erneuter Wechsel bei ca. 1:50. Der Anfangsriff wird wieder aufgegriffen, zurück in die Jetztzeit, Höllenfahrt: Die erwartete Vergeltung ist jetzt. Das Kreuz ist Gericht über die Welt, deren Zeit abläuft. Die Zeit tickt im gut halbminütigen Breakdown, verbunden mit dem himmlischsten Riff der Metalgeschichte, der übrigens eine ganz spannende Variation des Eingangsriffs ist. Es geht nicht einfach chromatisch abwärts, sondern immer wieder vom Grundton aufwärts, wenn auch immer eine kleine Sekunde weniger weit hoch; der Riff entwickelt sich also so deutlich wie im ganzen Lied noch nicht nach oben, obwohl er vom Grundprinzip immer noch nach unten zeigt. Warten auf die Auferstehung.
Jetzt ist die Zeit abgelaufen. Der Heiland reißt den Himmel auf, damit Sein Blut auf die Welt regnet und Seinen Leib erschafft, der die Kirche ist. Es ist Gericht, der Himmel blutet seine Greuel aus, verliert seinen Schrecken, der in seiner Unerreichbarkeit bestand, die durch das genugtuende Opfer überwunden wird. Normals Thrash-Geballere während des Gesangs. Das dann aber in erhebendes (und wohlgemerkt sturkturiertes!) Chaos übergeht, das sich immer weiter nach oben entwickelt und in einer metaluntypischen Rückkopplungsorgie noch metaluntypischer ohne klaren Schlußpunkt ausklingt. Musikalischer Ausdruck von Ewigkeit. Die Welt ist gerichtet. Er herrscht jetzt in Ewigkeit über die Welt in Seinem Blut.
Ich bin ein komischer Typ, ich weiß.