Wenn ein Mensch lügt, ermordet er einen Teil der Welt. Das sind die bleichen Tode, die Menschen für ihr Leben halten. All das kann ich nicht länger mit ansehen. Kann nicht das Reich der Erlösung mich heimholen? (Cliff Burton)
Beim Papstbesuch in England gab es eine große Anti-Papst-Kampagne aus atheistischer/kirchenfeindlicher Richtung, so daß einige Angst hatten, der Besuch könne zum Desaster werden. In Deutschland scheint mir das anders zu sein. Eine große öffentliche Kampagne scheint es mir nicht zu geben, die Protestler scheinen über ihre linksextremistisches Milieu hinaus wenig zu bewirken.
Klar, die „typisch deutschen“ Bedenken gibt es auch hier, insbesondere wird kritisiert, das sei alles viel zu teuer, man solle das Geld doch lieber für den Hunger in Afrika spenden usw. Also nichts, was man wirklich ernstnehmen müßte in einem Land, in dem z.B. die privatwirtschafltliche Bundesliga die Folgekosten sozialisiert, vulgo: in dem ich mit meinen Steuern dafür bezahle, daß sich Wirtschaftsunternehmen nicht um das zum Teil asoziale Verhalten ihrer Kundschaft rund um ihr „Ladenlokal“ kümmern. (Jeder Wirt, der eine stockbesoffenen Gast sehenden Auges zu seinem Auto gehen läßt, kriegt zu Recht einen auf den Deckel…)
Im großen und ganzen wirkt der öffentliche Diskurs um den Papstbesuch auf mich verhältnismäßig sachlich, was sich nicht zuletzt daran zeigt, daß unsachliche Beiträge als solche kritisiert werden. Ganz anders erscheint mir aber der innerkirchliche Diskurs um den Papstbesuch. Auch hier geht es „typisch deutsch“ zu, auch der Papstbesuch wird — anstatt daß sich mal alle einfach freuen könnten — zur Vertiefung kirchenpolitischer Gräben genutzt.
Natürlich, trollen ist keine Spezialität der „Papsttreuen“. Auch mir gehen die Hauptamtlichen auf dem Wecker, die auf den Papstbesuch angesprochen abfällig vom „Personenkult“, den sie nicht nötig hätten, schwadronieren. Ebenfalls ist mir nicht verborgen geblieben, daß es „im anderen Graben“ Leute gibt, die sich wünschten, daß der Papstbesuch ein Desaster würde und sogar recht offen jede Unterstützung verweigern (natürlich nicht so, daß man ihnen disziplinarrechtlich eins vors Schienbein treten könnte).
Was mich aber viel mehr ärgert, ist „der eigene Graben“, wo sich nicht wenige nicht nur von jeder Nachricht über die Vorbereitungen in ihrer Ansicht bestätigt fühlen, daß es eine hauptamtliche Verschwörung gegen den Papst und seinen Besuch gäbe, sondern auch noch jede Gelegenheit nutzen, gegen die Vorbereitungsgruppen und die verantwortlichen Bischöfe zu hetzen.
Natürlich kann man Vieles kritisieren, allerdings macht immer noch der Ton die Musik, und im Ton scheinen mir viele angeblich so „papstreue“ Katholiken in letzter Zeit ganz schön daneben zu greifen. Wer eine Entscheidung kritisiert, sollte wenigstens ein bißchen Ahnung von dem haben, was er da kritisiert, und möglichst für eine bessere Alternative werben. Wenn jemand sagt, man solle doch statt vor das Schloß Charlottenburg ins Olympiastadion gehen, ist das konstruktiv. Wenn jemand rhetorisch (!) fragt, ob es denn in Erfurt keinen besser geeigneten Platz als den Domplatz gäbe, dann muß er dumm oder böswillig sein (die Antwort lautet nämlich auf die Stadt bezogen ganz einfach „nein“, aufs Bistum bezogen hingegen „Etzelsbach“).
Bei diesem völlig unkonstruktiven Ton („die deutschen Bistümer können einfach keinen Papstbesuch organisieren“), der jegliche Differenzierung vermissen läßt (wie lange war denn bitte die Vorbereitungszeit? seit wann steht das Programm überhaupt fest? wieviele Leute reden mit [Vatikan, Land, Stadt…]? wie oft haben deutsche Bistümer schon einen Papstbesuch organisiert? wie wollten es denn die Kritiker besser machen?), drängt sich mir der Eindruck auf, daß manche „Papsttreue“ froh wären, wenn der Papstbesuch tatsächlich ein Desaster würde, damit sie sich in ihren Vorurteilen bestätigt fühlen können.
Christlich ist anders!
(Anmerkung: Ich bin weder Mitglied im Koordinierungsbüro noch freiwillig in einem „Graben“.)
Mittlerweile ist mein dreisemestriger Ausflug ins Priesterseminar schon seit einem Jahrzehnt vorbei. Viele haben damals den Eindruck gewonnen, ich hätte ihn wegen des Zölibats beendet. Durchaus nachvollziehbar aufgrund zeitlicher Koinzidenzien. Tatsächlich war aber eine ganz andere Ursache maßgeblich, die mich überhaupt erst für einen anderne Lebensentwurf wieder offenwerden ließ.
Kurz zusammengefaßt: Nach einem völlig idealistischen Start habe ich mir ein Semester lang zunehmend erstaunt die Verhältnisse angesehen (die, wie ich später erfahren habe, bei uns sogar noch relativ harmlos waren), ein weiteres Semester Material gesammelt und im dritten den — wie ich heute weiß: aussichtslosen — Versuch gestartet, was zu ändern (und bevor sich ein Conblogger beschwert: natürlich war ich nicht alleine :-).
Grundübel war, daß nach außen hin Heile Welt gespielt wurde, im stillen Kämmerlein aber ein Großteil der Seminaristen über den mehr oder weniger unsinnigen Alltag meckerte (und das nicht [nur] zu Unrecht; bis heute verstehe ich nicht, warum der einzige absolut indispensable tägliche Pflichtprogrammpunkt das Mittagessen war — wegen der Ankündigungen!). Solche Heuchelei hat mich damals aufgeregt, und sie tut es heute noch viel mehr.
Dummerweise wurden wir als die Überbringer der schlechten Nachricht von der Hausleitung als das eigentliche Problem angesehen. Im Grunde wäre es ja eine berechtigte und sogar notwendige Reaktion der Leitung, denjenigen, die damit provozieren, im Seminar fielen Anspruch und Wirklichkeit fundamental auseinander, die Ohren lang zu ziehen. Das ist aber nicht passiert. Die direkten Gespräche waren von einer recht sachlichen, fast freundlichen Atmosphäre geprägt, man hat nicht wirklich Konflikte angesprochen oder gar ausgetragen, sondern viel geredet und im Grunde nichts gesagt.
Irgendwann (nach der nächsten direkten Provokation) wurden wir dann ohne viel Federlesens zum Bischof geschickt. Wow, dachte zumindest ich mir, vielleicht nimmt uns jetzt endlich mal einer ernst. Pustekuchen. Der Bischof empfing uns demonstrativ zwischen Tür und Angel (er schien sich gerade zwischen zwei Terminen umzuziehen) und wies unsere Bitte ab, ein Gespräch ohne die Hausleitung zu führen. Danach kam ein bißchen belangloses Geplänkel, dann durften wir wieder abziehen. Was uns damals mächtig enttäuscht hat. Heute habe ich (nach mehr Erfahrungen mit kirchlichen Führungsstilen und nämlichem Bischof) eine andere Deutung: Nicht uns hat er abblitzen lassen, sondern die Hausleitung, die sich nicht selbst zu helfen wußte denn genau das hat er uns geantwortet auf die Frage, warum wir denn dann überhaupt dieses Gespräch hätten: „Weil mein Freund, der Regens, mich darum gebeten hat.“ Bei genauerer Betrachtung die schwächste aller möglichen Begründungen.
Das alles schreibe ich hier nicht so ausführlich, weil ich zehn Jahre alte Ereignisse öffentlich verarbeiten muß, sondern weil dies meine erste Konfrontation mit einem Schema war, das ich seitdem immer wieder in (nicht nur, aber vor allem) kirchlichen Kontexten erlebt habe: Leitungsversagen durch Mangel an Verantwortungsübernahme. Denn genau das ist Leitung im wesentlichen: Übernahme von Verantwortung für andere und ihr Handeln (woraus sich im Umkehrschluß Gehorsam bzw. Weisungsgebundenheit der „anderen“ ergibt). Was ich damals noch für eine ziemlich merkwürdige und eigentlich völlig unwahrscheinliche (drei von vier Angehörigen der Hausleitung waren, nunja, vorsichtig formuliert: nicht die optimalste[sic!] Besetzung), zufällige Ausahmesituation hielt, ist eher die Regel als die Ausnahme, insbesondere in der Kirche, da wir ja niemandem weh tun dürfen.
Die Ursache ist mittlerweile aber wohl weniger eine irrige ekklesiologische und/oder moraltheologische Ansicht als vielmehr das häufige Fehlen positiver Vorbilder. Selbst (oder vielleicht sogar gerade) die, die als Untergebene den Führungsstil ihrer Vorgesetzen kritisieren, reproduzieren genau diesen Stil, wenn sie in Amt und Würden kommen. Nun heißt das Peterprinzip ja nicht deshalb so, weil es ausgerechnet am Beispiel der Kirche entwickelt wurde, aber die Kirche wäre ein guter Untersuchungsgegenstand, um es empirisch zu belegen. Denn während etwa die Bundeswehr auch nicht gerade ein Hort lauter aufrechter und herausragender Führungspersönlichkeiten ist, geht die Kirche nicht gleich(!) im Gefecht unter, wenn die Unterführer taktisch ihr eigenes Ding machen, statt die Strategie des Stabes umzusetzen. Meine Pastoralprofessorin pflegte zu sagen, jedes Wirtschaftsunternehmen wäre schon lange pleitegegangen, wenn in ihm (wie in der deutschen Kirche) ersteinmal alles als völliger Bockmist abqualifiziert würde, was von der Zentrale kommt. Natürlich hinkt der Vergleich, gerade auf theologischer Ebene, aber er bringt einen Aspekt gut auf den Punkt: Kein normaler Angestellter könnte sich leisten, was im kirchlichen Dienst häufig die Regel ist.
Damit sind wir auch schon beim eigentlichen, das Problem reproduzierenden Kern, der wie dieser Post im Seminar beginnt: Woher sollen die späteren Führungskräfte wissen, wie man leitet, wenn sie nicht zu den wenigen gehören, denen es quasi angeboren ist, die Führung zu übernehmen. Wer schon im Seminar lernt, Klappe halten, nicht aufmucken, Formalia erfüllen und ansonsten das eigene Ding durchziehen, und das dann als Kaplan verinnerlicht, woher soll der dann wissen, wenn er als Pfarrer das erste Mal wirklich Leitungsverantwortung übernehmen muß, wie das gehen soll. (Ersetze wahlweise „Seminar“, „Kaplan“ und „Pfarrer“ durch „Pastroalassistentenzeit“, „Pastoralreferent“ und „Abteilungsleiter“.) Der Fisch stinkt, wenn nicht vom Kopf, so doch von der (ausgesprochen breiten) mittleren Führungsebene her.
Daß das auch in Rom nicht unbemerkt geblieben ist, zeigt sich nach meinem Eindruck übrigens in der relativ geräuschlosen Verlängerung der Dienstzeit deutscher Bischöfe zum Teil auch trotz schwerer Erkrankungen über den 75. Geburtstag hinaus (Passau, Mainz, Dresden-Meißen…), die sich weniger mit der überragenden Leistung der entsprechenden Bischöfe als mit der Herkulesaufgabe der Nachfolgeregelung erklären läßt…
Wer keine Karte für die Papstmesse in Erfurt bekommt, hat noch eine andere Chance: Es werden noch rund 200 Helfer gesucht (sowie 1.500–2.000 für Etzelsbach). Für Helfer von Auswärts ist sogar eine Übernachtungsmöglichkeit gegeben. Wobei sich ehrlicherweise die Frage stellt: Wenn der Einlaß um 7 Uhr morgens endet, wozu braucht man als Helfer dann eine Übernachtungsmöglichkeit?
Wie auch immer: Wer „volunteeren“ möchte, findet hier den Anmeldebogen. Wer den Papst sehen will, sollte sich aber nicht als „Verkehrsvolunteer“ melden — die stehen zum Teil kilometerweit weg vom Domplatz, auch während der Messe…
Mittlerweile habe ich auch verstanden, wie die unsäglich niedrige Zahl von erlaubten Besuchern auf dem Domplatz zustandekommt: Der Papst blockiert gleich zwei Fluchtrichtungen, nur nach Norden und Osten kann der Platz evakuiert werden. Das ist der Preis dafür, daß doch das einmalige Ensemble auf dem Domberg den Hintergrund der Papstmesse bilden wird… :-/
Per Mail kam zu meiner Frage nach „Glaubensinfos for takeaway“ der Hinweis auf die Karl Leisner Jugend. Vielen Dank dafür.
Die hatte grundsätzlich auch schon auf dem Schirm. Das Material beschäftigt sich jedoch immer mit einer konkreten Frage — was sehr gut ist, wenn man bedenkt, dass das entweder unter FAQ und Katechese läuft.
Was ich im konkreten Fall bräuchte, wäre ein Schnelldurchlauf durch den Kern des Glaubens. Und das Problem: Ich selbst komme vom Hölzchen aufs Stöckchen und kann nicht klar sagen, wo ist jetzt eigentlich die Grenze des Kerns?
Im Grunde geht es um Erstverkündigung gegenüber „Gewohnheitsatheisten“ der dritten oder vielleicht schon vierten Generation. Die Frage „Wissen oder Glauben“ könnte ich mir da schon noch vorstellen. Trotzdem erwarte ich eher weniger Vorbehalte, denen man apologetisch begegnen müßte, als vielmehr Interesse: Wofür steht ihr eigentlich? Und die Antwort sollte irgendwas mit Erlösung, Neuschöpfung usw. zu tun haben. Aber wie gesagt, von dort komme ich vom Hölzchen aufs Stöckchen — und wundere mich, daß es solche Kurzzusammenfassungen offenbar nicht gibt. Andererseits dürfte sogar schon das apostolische Glaubensbekenntnis einen erschlagenden Umfang haben…
Bin gerade etwas ratlos… Um es nochmal auf den Punkt zu bringe: Ich suche Material zur „passageren“ Erstverkündigung, also zu einer ersten, kleinen, aber entscheidenden Information über den katholischen Glauben, die man bei kurzfristigen, eher zufälligen und anonymen Treffen (nennen wir es doch einfach mal „Straßenevangelisation“) weitergeben kann. Hm, mir kommt da noch der Gedanke, bei der Citypastoral anzufragen, aber irgendwie habe ich den Verdacht, da nicht unbedingt das zu bekommen, was mir vorschwebt. Hat da jemand Erfahrungen mit?
Wo ich gerade wiedermal meinen Blog geöffnet habe, kann ich auch gleich eine Frage loswerden: Kennt jemand gutes Informationsmaterial über den katholischen Glauben und die Kirche (anlaßbezogen: vor allem auch über den Papst und seine Rolle in der Kirche), das man zu Aufstellern und/oder Flyern verarbeiten kann — oder noch besser: gibt es sowas irgendwo zu beziehen?
an .U., die einfach zu lang für den Kommentarbereich wurde:
„Ich habe zum Einen deinen Post gelesen (das mit den Löwen), zum anderen hat Metal, zumindest in einigen Subgruppen, eine starke Nähe zum Satanismus, und dieser Gruppe werden z.B. auch Kirchenbrandstiftereien zur Last gelegt.
Du schreibst ja selber, dass bei dem, was du hörst, der Inhalt zur Musik passe.“
Ah, jetzt verstehe ich. Du vermischst verschiedene Ebenen. Die eine ist mein Konzertbesuch am Freitag, die andere ist die Frage, ob ich als guter Katholik überhaupt Metal hören darf. Ich würde darum bitten, daß wir diese Ebenen entsprechend trennen. Deine Augangsfrage war, wieso ich mit meinem Eintrittsgeld antichristliche Propaganda unterstütze, und ich habe bestritten, das getan zu haben. Darauf hast Du, wenn ich es mal ein wenig überzeichnen darf, gesagt, alle Metaller seien antichristliche Satanisten. Jetzt hast Du es auf einige Subgruppen eingeschränkt. So kommen wir nicht weiter. Ich bestreite nicht, daß es problematische Aspekte im Metal gibt. Daß es dort ein paar Bekloppte gibt, hält mich jedoch genausowenig davon ab, mich dort wohlzufühlen, wie WisiKis und Konsorten mir mein Katholischsein verleiden können.
1. Konkret zum Freitag: Sodom haben mal als „satanische“ Band angefangen, das ist aber bald drei Jahrzehnte her, war nie ernstgemeint und hatte sich dementsprechend schnell totgelaufen. Sie haben ein sehr entspanntes, selbstironisches Verhältnis zu ihren Ursprüngen, die Musik war und ist wichtiger. Was Die Hard angeht: Wie Du auf der Eintrittskarte sehen kannst, wußte ich bis zum Konzert nicht einmal, wer die Supportband ist. Darüber hinaus wäre mir „Die Hard“ auch kein Begriff gewesen. Die Encyclopaedia Metallum läßt auch nicht erkennen, daß antichristliche Themen bei ihnen im Vordergrund stünden.
Damit sind wir bei meiner Antwort „das ist bei genauerer Betrachtung gar keine Propaganda“. Mein Fremdwörterlexikon definiert Popaganda als:
„1. systematische Verbreitung politischer, weltanschaulicher o.ä. Ideen und Meinungen mit massiven publizistischen Mitteln mit dem Ziel, das allgemeine politische Bewußtsein in bestimmter Weise zu beeinflussen. 2. Werbung, Reklame (bes. Wirtsch.).“
Dafür sind zwei Lieder im letzten Drittel des Sets, die zudem noch bei genauerer Betrachtung rein beschreibend sind und das Beschriebende so gut es geht nicht bewerten, einfach zu wenig. Hinzu kommt, daß Metaller in der Regel einen Hang zu selbständigem Denken haben, das sich zwar gerne in seinen Vorurteilen (insofern sind solche Songs durchaus evangelisatorische Anknüpfungspunkte) bestätigen, aber sich nicht von Bands vorgeben läßt, was es zu Denken hätte. Also: Die, die sich von dem antichristlichen Gehabe beeinflussen lassen, hatten diese Einstellung schon vorher, die anderen werden dadurch nicht antichristlicher. Zumal die Ankündigung des Songs eigentlich einen Selbstwiderspruch enthält: Das starke römische Reich habe versucht, die schwachen Christen auszurotten (wovon der Song handele). Komischerweise ist das römiche Reich untergegangen, die Christen gibt es immer noch. Da müßte man sich mal über Stärke und Schwäche unterhalten… — Warum ich das überhaupt erwähnt habe: Ausgerechnet diese beiden Songs waren die einzigen, die mir musikalisch überhaupt gefallen haben, der Rest war in meinen Ohren einfaches Rumgeschrammel.
2. Wenn ich schreibe, daß Inhalt und Musik für mich zusammenpassen müßten, und Du daraus schließt, daß die Texte der von mir bevorzugten Musik alle satanistisch seien, dann hieße das im Umkehrschluß, daß die Musik Deiner Meinung nach selbst satanistisch sei. Dann könnte man daraus aber auch nicht mit christlichen Texten White Metal machen. Dann wäre die Musik immer noch satanistisch, und die Texte würden nur darüber hinwegtäuschen. Das ist übrigens das Argument von niemand geringerem als Joseph Ratzinger (wobei er nicht so sehr von „satanistisch“ spricht, sondern vielmehr eine gnostische Selbsterlösungsstruktur andeutet). Er bezieht das allerdings auf sämtliche Pop- und Rockmusik. Dieses Argument würde ich grundsätzlich gelten lassen, es jetzt hier auszudiskutieren würde aufgrund der vielfältigen theologischen, philosophischen und soziologischen Voraussetzungen, die es hat, den Rahmen sprengen. Nur soviel: Es läßt sich kaum widerlegen, aber auch nicht bestätigen. Es hängt daran, ob man die Voraussetzungen akzeptiert/teilt oder nicht, und ob man in der soziologischen Praxis eine Bestätigung findet.
Ich teile es jedenfalls nicht. Aber ich betreite auch nicht, daß Metal Böses musikalisch verarbeitet. Jedoch verherrlicht er das Böse in der Regel nicht, sondern stellt es einfach bloß dar, um es künstlerisch als Böses darzustellen. Es geht um eine Auseinandersetzung mit dem Bösen, die durch musikalische Mittel auch auf die emotionale Ebene gebracht wird. Rein rationale Auseinandersetzung mit dem Bösen, das aus sich selbst heraus irrational ist, verkennt das eigentlich Gefährliche am Bösen, nämlich seine emotionale Wirkung, es bekämpfen zu wollen, was bloß zu einer Reproduktion des Bösen führt, weil das Böse nicht durch Vernichtung zu bekämpfen ist; immer kann nur der Träger des Bösen vernichtet werden, nicht aber das Böse selbst, das eben gerade in einem Mangel an Guten und an Sein besteht.
Genau deshalb halte ich Metal für etwas Gutes und eine theologische Herausforderung. Genau diese emotionale Seite des Bösen ist in einer einseitig rationalen Theologie unter den Tisch gefallen — was eine der Ursachen sein dürfte, daß viele Bestandteile der kirchlichen Lehre, die als ganze Antwort auf das Böse ist (KKK 309), heute vielen nicht mehr verständlich erscheinen: Ablaß, Abtötung, Askese, Beichte, Buße, Dämonen, Erbsünde, Fegefeuer, (Jüngstes) Gericht, Hölle, Konkupiszenz, Reue, Schuld, (läßliche/schwere) Sünde, zeitliche Sündenstrafen, Teufel, Todsünde, Vergebung, Versuchung und Wiedergutmachung zum Beispiel.
Soweit das Grundsätzliche. Im Speziellen weist der Metal natürlich auch immer wieder problematische Aspekte und Entwicklungen auf. Allerdings ist das mit den Kirchenbrandstiftungen nun doch schon ungefähr 15-20 Jahre her, und der Hauptverantwortliche für das Überschreiten der Grenze hat die meiste Zeit davon im Gefängnis verbracht. Zwar gibt es alle paar Jahre ein paar pubertierende Jugendliche, die das toll finden und nachmachen wollen, aber im großen und ganzen hat „der Metal“ diese Taten damals bereits verurteilt und verurteilt sie heute noch um so entschiedener. Ausgenommen der NSBM, der aber schon in seinem Titel eine weltanscheulich-propagandistische Grundausrichtung aufweist. Und nein, den unterstütze ich genausowenig wir Gaahl, der meint, gegen die christlichen Kirchen sei Krieg zu führen:
„Wir müssen jede Spur der semitischen Religionen, vor allem vom Christentum, vom Islam und vom Judentum auslöschen. Es handelt sich dabei wirklich um eine Krankheit, die hier nicht hingehört und keine Daseinsberechtigung hat – sie gehört einfach nicht zu uns. Es sollte ihr nicht erlaubt sein, uns mit ihrem Licht an ihre Werte zu erinnern, sondern sie sollte ausgelöscht werden.“ (Wanzek, Thor: Gorgoroth. Gorgoroth-Interview. Im Kampf mit der Welt und mit sich selbst ; in: Legacy. The Voice from the Dark Side, Nr. 43 (Juni/Juli 2006), 18–20.)
[Anmerkung am Rande: Kann sein, daß das alles nur zur Konstruktion eines Images gedient hat, seit sich Gaahl als homosexuell geoutet hat, ist er sehr viel ruhiger geworden — macht die Aussage natürlich keinesfalls besser.]
Schließlich bleibt noch eine allgemeine Erfahrung anzumerken, nämlich die Nicht-Entsprechung von Bühnen und Backstage-Verhalten. Besonders kraß etwa bei Darkened Nocturn Slaughtercult: Auf der Bühne ziehen sie eine pseudo-okkulte Schweineblutshow ab, die mit esoterisch-magischen Versatzstücken garniert wird, abseits der Bühne sind sie völlig normale Menschen, die ihre Bühnenshow für genauso „true“ halten wie Alice Cooper (wie überhaupt Black Metal mal sehr treffend als „Wagner meets punk rock, dressed as Alice Cooper“ bezeichnet wurde). Oder Asega, der Frontmann der ach so satanischen Black Metal Band Lugubre (Niederlande), der während des Gigs das arrogante Arschloch raushängen ließ, nach dem Abschminken aber freundlich lächelnd durchs Publikum streifte, alle Bekannten herzlich umarmte und im großen und ganzen den Eindruck eines großen, lieben Teddybärs machte (also völlig untrü — warum er was gegen das Christentum hat, steht übrigens hier; die darin enthaltene Gesellschaftskritik teile ich übrigens, sehe aber eine andere Ursache, nämlich gerade einen Verlust an christlichem Glauben). Oder verallgemeinert gesagt, man sollte auch bei Metalbands in der Lage sein, zwischen künstlerischer Darstellung und Ansichten des Künstlers zu trennen.
Kurzer Hinweis: In der FAZ findet sich heute auf Seite 8 ein längerer Beitrag über „Licht der Welt“ von Jörg Bremer. Ein paar Auszüge:
„In einem Industriekonzern gäbe es Entlassungen, aber beim Heiligen Stuhl geht offenbar niemand. […] Dass sich […] der Eindruck festsetzte, in dem Buch gehe es dem Papst vor allem um eine Lockerung des Kondomverbots, war ein schiefes Licht auf das Buch. Der Papst hat seine Haltung zur Verwendung von Kondomen nicht geändert.“
Danach fängt der Artikel erst richtig an, bevor er schließlich zusammenfaßt:
„Doch was hilft das, wenn die Kurie diesen Büchern [des Papstes] nicht ihren gebührenden Platz einräumt. Dann muss der Papst dies wieder ausbügeln.“
In Kirchengeschichte habe ich gelernt, daß alle Päpste, die sich an einer Kurienreform versuchten, daran gescheitert sind. Daß es die Kirche trotzdem immer noch gibt, ist für mich fast schon ein Gottesbeweis.
P.S.: Wenn jemand den Beitrag kostenfrei online findet, bitte Bescheid geben!
Liest man in der FAZ meinen Blog?! Jedenfalls ist man dort gleich auf meinen Wunsch eingegangen und hat Daniel Deckers den gestrigen Leitartikel (Freitag) über den Kondom-Satz des Papstes schreiben lassen. Dorothea wird vermutlich alles Mögliche daran auszusetzen haben, und tatsächlich kan man in einigen Punkten anderer Meinung als Deckers sein. Insbesondere der Schluß, es handele sich tatsächlich um eine Revolution und nicht nur um eine Reform, ist ein wenig sehr aus weltlicher Perspektive verfaßt, die auch sonst in Deckers Artikel immer mal wieder durchscheint, etwa wenn die kirchliche Sexualmoral und ihre Beurteilung der Empfängnisverhütung bei ihm erst mit „Humanae Vitae“ zu beginnen scheint (mich hat immer gewundert, daß Dogmatik heute fast ausschließlich aus Dogmengeschichte zu bestehen scheint, Moraltheologie aber ohne ausführliche Würdigung der kirchlichen Lehrentwicklung auskommt und allenfalls mal am Rande Thomas von Aquin erwähnt). Aber, und das ist der Grund, warum ich mich über den Artikel freue, er ist sachlich, beleuchtet verschiedene Seiten der „Kondomchose“ und arbeitet selbst an den Punkten, wo ich Deckers Meinung nicht teile, mit nachvollziehbaren Argumente, die immerhin eine sinnvolle Gegenargumentation ermöglichen.
Die Sachlichkeit und Differenziertheit ermöglicht es auch, einige Dinge in den Vordergrund zu stellen, die in unserer heute meist empört-aufgeregten öffentlichen Meinung zugunsten des Vorurteils, die Kirche sei unmodern, unter den Tisch fallen. Gleich zu Beginn etwa, daß die Kondomaussage so gar nicht zum (Voruteils-)Bild des dogmatistischen „Panzerkardinals“ passen will. Deutet er damit an, daß manche Leute offenbar in jeder Suppe ein Haar finden wollen? Auch im folgenden Absatz räumt er zunächst ein, daß „Humanae Vitae“ wie keine andere päpstliche Aussage als Zeichen für die Unvereinbarkeit von Glaube und Moderne stehe. Doch sei diese nicht nur kirchlich gesehen systemimmanent, sondern gerade „den Gebildeten unter den Verächtern der Religion sollte das nicht unsympathisch sein“ — oder anders ausgedrückt: Muß denn automatisch die Moderne im Recht sein, wenn jemand ihr gegenüber skeptisch ist? Wenn das — als ob nicht der ganze andere Stil schon gereicht hätte! — mal nicht ein redaktionsinterner Seitenhieb auf Geyer ist! Aber Deckers ist nicht so eindimensional, sich ein Privatgefecht mit einem Kollegen zu liefern, sondern fährt fort:
„Daher wäre es nur fair, wenn wenigstens heute anerkannt würde, daß ein Großteil des Hohns und Spotts, der sich damals wegen der Enzyklika über Paul VI. ergoß, nicht gerechtfertigt war.“
Denn die Kirche habe sich damit zurecht gegen eine westliche Welt gestellt, die die das Argument einer Bedrohung der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit als Alibi verwendet hat, die mit dem Bevölkerungswachtum in der Dritten Welt verbundene, gerechtfertigte Bedrohung des ressourcenverbrauchenden Lebensstils des Westens zu bekämpfen anstatt die eigene Bequemlichkeit.
Dieses Unrecht gegen Paul VI. vergleicht Deckers mit dem aktuellen Argument, die Kirche sei schuld an der Ausbreitung von Aids, das genauso niveaulos sei (Deckers drückt das natürlich viel eloquenter und verklausulierter aus ;-). Tatsächlich stehe doch die Kirche an vorderster Front im Kampf gegen Aids, nämlich bei den Kranken und Gefährdeten, denen Hinweise, man solle doch Rote Bete und Knoblauch (Mbeki) verwenden, um sich zu schützen, genausowenig helfen, wie „das großzügige Sponsoring männlicher Promiskuität mit Großpackungen voller Gummis“. Es hülfen nur „Aufklärung über die Risiken, Kampangen für die eheliche Treue, die Stärkung der Rolle der Frauen und die Sorge für Kranke und Waisen“. Ist das nun radikal konservativ oder radikal links? Egal: Es ist radikal katholisch im besten Sinne dieses Wortes, und allein das auf der ersten Seite der FAZ zu lesen, entschädigt für vieles, was in den letzten Tagen zu schlucken war — auch in der FAZ!
Danach aber geht Deckers von der Apologetik zum Angriff über, bezeichnet Passagen in „Humanae Vitae“ über die Folgen der sexuellen Revolution als „fast prophetisch“, und das „fast“ verdankt sich eher der Kritik an einer zu schwachen Rede von der „Aufweichung der sittlichen Zucht“ für das, was eigentlich nur als „durchgängige Sexualisierung des Alltags“ und „erschreckende[r] Mangel an der Erziehung der Herzen“ beschrieben werden könne.
„Der Münchner Kardinal Marx hat Recht: Die katholische Kirche ist die letzte Verfechterin des Ideals romantischer Liebe.“
(Und es wäre hinzuzufügen: Einer der größten Gegner ist Hollywood mit seinen niveaulosen Schnulzen, die immer dann enden, wenn Liebe erst wirklich zu sich selbst kommen könnte, nämlich wenn sich die beiden Protagonisten nach allerlei äußeren Irrungen und Wirrungen endlich gefunden haben und nun mit dem inneren Leben des anderen klar kommen müßten…)
Vorsichtig schließt er an, daß daraus ein unumstößliches Verbot künstlicher Methoden von Empfängnisverhütung resultiere, habe selbst die Nachdenklichsten nicht überzeugt, von den Frauen in der Kirche ganz zu schweigen. Damit hat er natürlich recht, denn dieses Verbot resultiert nicht aus dem Ideal der romantischen Liebe, sondern aus dem Recht des Kindes, kein Wunschkind sein zu müssen, sondern um seiner selbst willen und ungeplant (aber gewollt) zur Welt zu kommen, also daß sein Leben nicht von einer menschlichen Zustimmung zur Geburt abhängig ist, sondern allein von Gottes und der Menschen Liebe. Genau deshalb ist die Empfängnisverhütung (ich habe mehr Argumentationsschwierigkeiten mit der Erlaubtheit der natürlichen Methode als mit dem Verbot von Verhütungmitteln) tatsächlich der Abtreibung geistig verwandt (und dieser Konnex muß gegen Deckers‘ Kritik an Johannes Paul II. verteidigt werden!), denn es geht in beiden Fällen ums „Selbermachen“, um den Irrtum, sein Leben selbst im Griff haben zu können und sich selbst über andere und letztlich sogar Gott zu stellen. Systematisierte man diese Einstellung als Weltanschauung, dann wäre man bei dem, was theologisch gesehen als Satanismus zu bezeichnen wäre.
Sagt man sowas aber öffentlich, wird man selbst von einem bekannten deutschen Moraltheologen im Stich gelassen, der im anschließenden privaten Gespräch von sich aus einräumt, man habe natürlich recht, aber das könne man öffentlich nun einmal nicht sagen, weil das keiner verstehe, also die Argumentationsbasis und Überzeugungskraft schmälere. Aber, verdammt nochmal!, was soll man denn sonst sagen? Soll ich Argumente einführen und vertreten, die ich selbst nicht nachvollziehen kann? Wie soll ich dann einen anderen überzeugen?! Und sei es nur, daß mein Gegenüber einräumte, er teile diese Auffassung nicht, aber er sehe zumindest, daß die katholische Position in sich konsistent sei, wie ich mal nachts um drei nach stundenlanger, hitziger Diskussion erleben durfte (eine Erfahrung, für die ich sehr dankbar bin).
Auch ist es keine Überdehnung päpstlicher Autorität, eine moraltheologische Karriere an Kritik an Humanae Vitae scheitern zu lassen. Natürlich kann jeder Katholik jede beliebige Meinung zu jeder beliebigen päpstlichen oder Glaubensaussage haben und sie gerne auch äußern. Er braucht dann aber nicht zu erwarten, daß er dann noch von der Kirche als Lehrer für den Glauben dieser Kirche und Ausbilder künftiger Priester eingesetzt wird. Denn ein Reich, das in sich gespalten ist, kann keinen Bestand haben. Das heißt natürlich nicht, daß man nur Ja-Sager braucht (es gibt durchaus legitim nebeneinander stehende, miteinander nicht harmonisierbare theologische Ansätze, aber Theologie ist etwas anderes als Glaube und Lehramt, denn es setzt beides voraus, ohne es selbst schaffen zu können), aber man braucht jedenfalls keine Theologen, die dem Zeitgeist dergestalt hinterherrennen, daß sie sich nicht die Mühe machen, ihm unangenehme Elemente der kirchlichen Lehre zu erklären. Wenn Deckers meint, infolge der päpstlichen Autoritätsüberspannung sei das „intellektuelle Niveau des Episkopats […] heute so niedrig wie lange nicht“, stellt sich — selbst wenn diese Auffassung zuträfe und nicht nur Ausdruck seiner eigenen Arroganz sein sollte, jeden Vertreter von Argumenten, die er nicht versteht, für intellektuell minderbemittelt zu halten — die Frage, ob er da nicht Ursache und Wirkung miteinander verwechselt.
Daß dies sehr viel wahrscheinlicher ist als Deckers‘ Annahme, zeigt sich auch daran, daß er ähnlich wie Geyer die Erklärung Lombardis, es gäbe nicht nur eine Hierarchie der Glaubenswahrheiten sondern auch der päpstlichen Äußerungen, einfach durch Behauptung wegredet. Was der Papst in einer Enzyklika mit noch dazu ziemlich hohem lehramtlichen Anspruch verkündet, steht nun einmal auf einer anderen Ebene als die persönliche Äußerung zu einem bestimmten Sonderfall in einem Interview. Oder anders gesagt: Wer eine Enzyklika grundsätzlich in Frage stellt, tut etwas anderes, als der, der der eine Interviewäußerung für überinterpretiert und im Licht der bisherigen Lehre zu verstehen fordert. Das eine äußert der Papst in seiner Funktion als oberstes ordentliches Lehramt, das andere nicht. Hat nicht Papst Benedikt selbst in seinen Jesus-Büchern sehr ausdrücklich betont, es gäbe einen Unterschied zwischen lehramtlichem und theologischem Reden? Die Vorstellung, der Papst nutze ein Interview, um die Lehre der Kirche zu ändern, ist irgendwie… amüsant.
Nach wie vor zu beweisen wäre die Behauptung, daß sich selbst „kirchenverbundene Katholiken“ ohne Gewissenbisse einfach über die Lehre der Kirche hinwegsetzten. Vielleicht versteht Deckers ja etwas andereres unter kirchenverbundene Katholiken als ich und vielleicht lebe ich ja auch einfach in einem Fundamentalistenhort, jedenfalls spricht die durchschnittliche Kinderzahl junger Familien in meiner Gemeinde (müßte grob über den Daumen gepeilt über drei liegen) nicht gerade für exzessiven Gebrauch von Kondom und Pille (und auch bei uns gibt es gravierende Differenzen über den recht gelebten Glauben). Vertrauenskapital haben bei mir jedenfalls die verspielt, die rundheraus in Frage stellen, wonach ich (bei allen bleibenden Schwierigkeiten) mein Leben auszurichten versuche! Woher wollen all die, die die katholische Sexualmoral ganz oder teilweise ablehnen, eigentlich wissen, daß sie nicht der Weg zu einem reichen und erfüllten Leben ist? „Komm und sieh“ and try it yourself. Aber Vorsicht: Gefahr der Umkehr. BTDT.
Gegen Ende kriegt Deckers allerdings doch wieder die Kurve, seinen Leitartikel nicht in polemische Kirchenkritik abgleiten zu lassen. Er weist darauf hin, daß der Papst hier ganz offensichtlich nicht sich selbst korrigierte, denn er hat sich nie ausführlich zu Kondom und Pille geäußert, dafür in „Deus caritas est“ — das Deckers zu empfehlen nicht müde wird — das „Hohelied der Sexualität“ gesungen. Und zwar ganz ohne den Nebenschauplatz Empfängnisverhütung zu betreten, gehe es ihm doch nicht um Verbote, sondern um „positive Orthodoxie“, also zu zeigen, daß und warum der katholische Glaube das beste ist, was einem Menschen passieren kann. Es ist mehr als nur schade, daß dieses Ziel immer wieder durch das Herausgreifen einzelner, nur scheinbar wichtiger Aussagen aus dem Zusammenhang konterkariert und der Papst immer wieder auf ein Diskussionsniveau deutlich unter der Gürtellinie heruntergezogen wird. Irgendwie liegt es nahe, das auch geistlich zu interpretieren…
Insofern ist es aber besonders schade, daß Deckers am Ende sogar seinen eigenen Kommentar konterkariert, indem er die Interviewaussage des Papstes wieder in den Vordergrund stellt und sogar als lehramtlich interpretiert, wenn er schreibt:
„Daß in dieser Perspektive [der Verantwortung von Mann und Frau füreinander und für die Weitergabe des Lebens] auch eine Güterabwägung vonnöten sein kann, und zwar nicht als Übel, sondern als sittliche Pflicht, das ist keine Reform, sondern eine Revolution“,
bleibt er eindeutig unter seinem eigenen Niveau, denn von Verantwortung für Mann und Frau und Weitergabe des Lebens hat der Papst im Kontext seiner Interviewäußerung nun wirklich nicht gesprochen. Oder hat Prostitution mittlerweile etwas mit Verantwortungüberahme für den Ehepartner und die Weitergabe des Lebens zu tun?! Da müßte mir etwas entgangen sein…
Ich bin ein leidenschaftlicher Christ, der Jesus Christus und Seine Kirche hingebungsvoll liebt. Ich bin zu Überstunden im Weinberg des Herrn bereit und habe wenig Geduld mit denen, die weniger willens oder fähig sind als ich. Meine Leidenschaften führen mich häufig in Bereiche der Versuchung von Zorn, Wollust und Stolz.