Me Myself and I

Das Grundproblem des Gehorsams ist heute: Wie kann ich gehorsam sein, wenn der, dem ich gehorsam sein soll, selbst nicht gehorsam ist? Wie soll ich damit umgehen, wenn ein Weisungsbefugter Dinge tut oder gar anweist, die er nicht anweisen darf und die ich nicht tun kann, ja darf, ohne Christus zu verleugnen?

Die einfache Antwort lautet: Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen (Apg 5,29).

Klingt gut und klar, hat aber einen gewaltigen Haken: Beschränkt sich der Gehorsam dann nicht darauf, den Vorgesetzten so lange zu gehorchen, wie sie Dinge wünschen und anordnen, die mir in den Kram passen? Und ist das überhaupt noch Gehorsam? Gerade bei kirchlichen Vorgesetzten, Geweihten solchen allzumal, sollte man eigentlich annehmen, daß sie, in persona Christi handelnd, im Normalfall den Willen Gottes besser ausdrücken und vertreten als ich. Dafür sind sie ja da. Wenn ich ihren Anweisungen meine persönlichen Auffassungen über Gott vorziehe, dann ist mein Gehorsam gar kein Gehorsam, sondern zufälliger Gleichklang.

Nein, Gehorsam besteht gerade darin, freiwillig auch das zu tun, was ich nicht von selbst getan hätte, und jemand anderem den Vorrang vor meinen eigenen Meinungen zu geben.

Wo aber ist dann die Grenze? Meint Gehorsam dann tatsächlich blinden Gehorsam, daß ich dem, dem ich gehorsam zu sein mich entschieden habe oder dem gehorsam zu sein mir vorgegeben ist, unter allen Umständen Folge leisten muß? So sehr ich zu Nibelungentreue neige: Μὴ γένοιτο! Aber wenn ich nur dann gehorsam sein darf, wenn ich die Richtigkeit des Befehls eingesehen habe, was bleibt dann vom Gehorsam?!

Die Frage ließ sich für mich nicht lösen und brachte mich in den letzten 10 Jahren regelmäßig in gewaltige Gewissenskonflikte. Des Rätsels Lösung war: der blinde Gehorsam ist eine recht moderne Erfindung, die noch nicht mal 400 Jahre alt ist.

Seine Ursprünge liegen im Zeitalter des Absolutismus, das in etwa mit dem 30jährigen Krieg beginnt. Tatsächlich gibt es die (in meinen Augen ausgesprochen stimmige!) Interpretation des 30jährigen Kriegs als eines Kriegs wider den angestrebten Absolutismus des deutschen (österreichischen) Kaisers. Bereits sein Auslöser zeigt das, nämlich die Einschränkung böhmischer Standesrechte und damit der vor-absolutistischen Libertät, die mehr mit unseren heutigen demokratischen Vorstellungen zu tun hat als die absolutistische Erbmonarchie mit der bis dahin üblichen Wahlmonarchie.

Anders als die Interpretation als nach-reformatorischer Religionskrieg (was nicht heißen soll, daß Religion keine Rolle gespielt hätte) erklärt diese Interpretation auch, warum katholisches Frankreich und protestantisches Schweden am selben Strang zogen und warum sich der katholische Kaiser recht schnell mit der katholischen Liga überwarf. Ironie der Geschichte: Der Kaiser wurde nie zum absoluten Herrscher, die Könige von Schweden und Frankreich schon.

Ebenso erklärt diese Interpretation, die dem Absolutismus selbst dort, wo er legal eingeführt wurde (wie in Schweden), die Legitimität abspricht (weil in Schweden der Reichstag, der die „Envälde“ zum Gesetz machte, von königlichen Truppen umstellt, mithin in seiner Entscheidung nicht frei war) und ihn als Diktatur versteht, die Wurzel der nach-monarchischen Diktaturen des 20. Jahrhunderts im allgemeinen und warum im speziellen Hitler als großes Vorbild den absolutesten (und willkürlichsten) der absoluten Herrscher, Friedrich II., hatte.

Aber ich schweife ab. Bis zum Absolutismus und selbst noch bei den allgemein als philosophische Begründer des Absolutismus angesehenen Staatstheoretikern Thomas Hobbes und Jean Bodin wurde jede Herrschaft durch einen Vertrag begründet. Und das nicht nur theoretisch, sondern praktisch: Das gesamte vorabsolutistische Krönungszeremoniell drückte den Unterschied zwischen dem einzusetzenden Monarchen und „der Krone“, die Machtbalance zwischen Herrscher und Ständen aus, und der König wurde tatsächlich auf einen gegenseitigen Vertrag verpflichtet, in dem er die ständischen Freiheiten und Privilegien anerkennen und zu schützen versprechen mußte. Entsprechend gehörten ihm auch nicht die Krongüter, sondern er war nur ihr Nutznießer. So versteht man gleich viel besser, welche massive Sprengkraft in Ludwig XIV. Wort: „Der Staat bin ich“, liegt und was die Eigenkrönung absolutistischer Herrscher bedeutet!

Genau darin besteht der eigentliche Knackpunkt des Absolutismus, der häufig über das Zwischenstadium einer noch ständisch-libertär geprägten Erbmonarchie eingeführt wurde: Eine Herrscherdynastie bemächtigt sich des Staates und seines Besitzes. Jegliche dem entgegenstehenden Rechte und Freiheiten waren ihr dabei natürlich ein Dorn im Auge, weshalb sie Aristokratie und Bürgertum gleichermaßen ausschalten mußte. Das gelang in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich gut. Während in Schweden die Envälde in der Regel nach dem Tod des Monarchen wieder abgeschafft wurde, also sobald sich die Stände wieder trauten aufzumucken, gab es niemals eine stärkere und mächtigere absolute Herrschaft als die der Hohenzollern in Preußen. Die deutsche (preußische) Gehorsamstradition und Autoritätsgläubigkeit nimmt hier ihren Ursprung und gebiert hieraus ihren späten Bastard.

Die Idee des absoluten Gehorsams ist also die Erfindung einer illegitimen Diktatur, die zuvor bestehende (und sicher unvollkommene) Freiheitsrechte der Bevölkerung negierte (oder strenger: der Stände, wobei die Rechte und Privilegien der verschiedenen Stände sehr unterschiedlich ausfallen konnten; in manchen Ländern waren z.B. die Bauern in den Standesvertretungen repräsentiert, in anderen nicht). Letztlich maßen sich die absoluten Herrscher den Besitz zunächst der Krondomänen und später des ganzen Landes an – und zwar wörtlich in dem Sinne, daß sie die eigentlichen Eigentümer des Bodens sein. Remota itaque iustitia quid sunt regna nisi magna latrocinia?

Natürlich wäre jeder erlaubte Widerspruch gegen solche Vorgänge desaströs. Mithin muß die absolute Herrschaft mit absolutem Gehorsam der Beherrschten einhergehen und ihn mit allen Mitteln – Geheimpolizeisystem, Spitzeltum, willkürliche Verhaftungen und blanke Gewalt – durchsetzen. Der blinde Gehorsam ist geboren.

Wichtig ist, zu verstehen, daß Gehorsam bis dahin an eine Gegenleistung gebunden war. Ein weiterer historischer Exkurs mag das verdeutlichen: Der Ursprung des Feudalwesens lag im Staatsversagen des untergehenden Römischen Reichs. Als dieses seine Bauern nicht mehr vor den vordringenden und marodierenden Germanen schützen konnte, begaben sich jene unter den Schutz lokaler Mächtiger, die eigene Polizei- und Kampftruppen aufbauten. Die Bauern verkauften ihr Land und letztlich sich selbst den regionalen Starken und bekamen im Gegenzug so etwas wie Rechtsdurchsetzung und Schutz vor Angriffen. Ja, das ist stark vereinfacht, aber die dem vorabsolutistischen System zugrundeliegenden Strukturen lassen sich damit tatsächlich besser verstehen: Der König hatte Recht und Schutz zu gewähren. Solange er dies zumindest ernsthaft versuchte, war ihm Gefolgschaft zu leisten. Wesentlich war, daß zumindest dem Versuch nach der Herrscher nach innen das Recht und nach außen militärischen Verteidung garantierte, so schlecht in vormodernen Zeiten der Rechtsschutz tatsächlich auch gewesen ist.

Entsprechend war etwa der Umgang mit Tyrannen kein so großes Gewissensproblem wie für die Verschwörer vom 20. Juli, die persönlich und bedingungslos auf Hitler vereidigt waren. Denn ein Tyrann zeichnete sich gerade dadurch aus, daß er seinen Teil des Vertrags nicht erfüllte und damit seinen Anspruch auf Gehorsam und Gefolgschaft verwirkte, wenngleich dadurch noch lange nicht der Tyrannenmord gerechtfertigt war, der aber infolgedessen auch erst sehr viel später überhaupt als mögliche Notwendigkeit in den Blick rückte. In gewisser Weise waren damit gewisse, wenn auch unvollkommene, vormoderne checks and balances gegeben.

Dasselbe Denken findet sich auch auf kirchliche Vorgesetze bezogen. Womit sich sofort der Konziliarismus erklärt, und mittelbar Gallikanismus, Febronianismus usw. Der Unterschied besteht freilich darin, daß Christus unbedingten Gehorsam fordern kann und darf sowie daß der Christ ihm diesen unbedingten Gehorsam auch leisten darf und muß. Christus kann nicht irren, Er kann nicht täuschen, Er kann nicht mißbrauchen.

Das gilt jedoch nicht so für seine weltlichen Vertreter. Deren Anspruch auf Gehorsam beruht zwar auf dem absoluten Gehorsam, der Christus zu leisten ist, sie können ihn aber nur für Christi Forderungen, nicht aber für ihre eigenen Wünsche beanspruchen. Entsprechend gibt es – bis heute auch ins Detail geklärte – enge Grenzen dessen, was ein Papst unfehlbar tun kann; und von alters her gibt es die Diskussion, ob ein häretischer Papst eo ipso seines Amtes verlustig geht. (Da gibt es praktische Probleme, z.B. wer das feststellen kann, ohne in den Konziliarismus abzugleiten, aber in der Theorie klar: Ja!)

Diese Grenze ist aber nicht durch meine persönlichen Vorstellungen von Christi Forderungen gesetzt, sondern kirchlich gesetzlich geregelt. Der Gehorsam, der dem Vorgesetzten geleistet werden muß, ist begrenzt auf das, was der Vorgesetzte im Rahmen seiner klar definierten Kompetenzen fordern kann. Dabei gilt nicht, daß der Vorgesetzte durch jeden Irrtum oder menschlicher Schwäche geschuldeter Ungeschicktheit den Anspruch auf Gehorsam verwirkt, sondern erst dort wo er wissentlich und willentlich seine Kompetenzen überschreitet.

Entsprechend endet jede Gehorsamsforderung eines kirchlichen Vorgesetzten dort, wo er systematisch:

  • selbst das Recht verletzt – und das nicht, weil er es nicht kennt, obwohl er das natürlich sollte, sondern weil es ihm egal ist (ja, das ist nichts anderes als Willkür);
  • den Schutz der ihm anvertrauten Gläubigen unterläßt (und das nicht, weil er sie vor den Wölfen nicht schützen kann, sondern weil er es, obwohl er könnte, nicht tut!)
  • die kirchliche Lehre leugnet (und das nicht, weil er sich ehrlich irrt, sondern weil ihm die kirchliche Lehre nicht in den Kram paßt!)
  • die Sakramente willkürlich verweigert oder gar nicht mehr spendet (nicht weil er z.B. physisch daran gehindert ist, sondern weil er bspw. zu faul ist, seinen Arsch rechtzeitig hochzukriegen, um dem Sterbenden vor dessen Tod die Sterbesakramente zu spenden).

Das Eintreten dieses Falles ist weiterhin nicht leicht festzustellen, zumal es hier alle möglichen Abstufungen zwischen einmalig und systematisch gibt und man dem Geweihte selbst dann noch für die Forderungen Christi, die er stellt, Gehorsam schuldet. Es bleibt eine Gewissensentscheidung im Einzelfall, die man sich nicht zu leicht machen darf, und sie hängt durchaus von den Umständen ab. Meine Gehorsamsverweigerung muß ultima ratio und verhältnismäßig bleiben, also nicht mehr Unheil anrichten, als ich zu vermeiden trachte.

Das Verständnis eines vertraglich geschuldeten Gehorsams, der ein entsprechendes Wohlverhalten des Vorgesetzten voraussetzt, also auf Gegenseitigkeit beruht, hilft aber, überhaupt einen Weg zu finden, den Gewissenskonflikt zu lösen.

Im letzten Post schrieb ich, dass Er mir zeigte, „wie falsch die bisher von mir fast unhinterfragt übernommenen Kategorien waren“, ohne dass ich erklärt hätte, was ich damit meinte. Ich wollte den Post nicht überfrachten. Es ist aber die eigentliche Erkenntnis aus der geschilderten Erfahrung, und sie verändert nicht nur die Wahrnehmung, sondern auch die Entschiedenheit.

Bisher bewegte sich mein Denken über die gegenwärtige kirchliche Situation – wie gesagt, unhinterfragt – in den üblichen, in der Regel digitalen Kategorien: „konservativ“ vs. „progressiv“, „vor-“ und „nachkonziliar“, „Traditionalisten“ und „Modernisten“. So richtig hilfreich waren diese Kategorien nicht, um die Gegenwart zu verstehen. Es blieb immer ein viel zu großer Überschuß nicht damit erklärbarer Umstände, was wesentlich daran liegen dürfte, daß es sich um (kirchen-)politische Kategorien handelt, die als solche von der Wahrheitsfrage absehen. Hilfreicher war da das Verständnis als Deutungsmusterkonflikt mit einer dritten Kategorie (noch dazu weniger aggressiv benamst): „traditional“, „modern“, „post-modern“ (M. Widl), wobei das moderne Deutungsmuster das älteste war und das traditionale erst Anfang der 1980er und das postmoderne in den 1990ern wahrnehmbar wurde. Trotzdem konnte ich mich dort nicht recht verorten; ästhetisch war/bin ich nix davon. Auch fühlte ich mich mit dem einfachen Ausweg des „dritten“ Weges „postmodern“ nicht wohl; das wäre zu einfach (und klingt zu dialektisch – These, Antithese, Synthese).

Was mir die Ereignisse der letzten zwei Jahre gezeigt haben, ist, dass diese Kategorien völlig an der Sache vorbei gehen. Es ist kein Deutungsmusterkonflikt, er ist kein Konflikt zwischen Vor- und Rückwärtsgewandten. Es gibt nur zwei ernst zu nehmende Kategorien: Christussucher und Nicht-Christussucher – und die gibt es in jedweder Ausprägung, modern, traditional, postmodern. Die Skala ist hier sicherlich breit und man kann die Kategorien weiter aufsplitten, etwa in Gläubige (Sich-Vergöttlichung-Schenken-Lassende), Suchende, Indifferente und Satanisten (Selbst-Vergöttlicher) (vgl. S. 89f. meiner Diss). Aber es bleibt bei der grundlegenden Entscheidung: Suchst Du Christus – oder nur Dein eigenes Wohlergehen?

Was landauf, landab abgeht, hat nichts mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil oder gar seiner Liturgiereform zu tun, nicht einmal mit dem Konzil der Medien und schon gar nicht mit irgendeinem obskuren Geist des Konzils. Es ist Folge eines steifen, unveränderlichen, christusfernen Traditionalismus, der sich in agnostischer Unentschiedenheit schließlich von der letzten Ehrfurcht vor Gott und der Gottesverehrung frei gemacht hat.

Spannenderweise ist der von der Kirche im 19. Jahrhundert verurteilte Traditionalismus ein direkter Vorläufer des Modernismus, und seine Vertreter, insbesondere die erste Tübinger Schule aus den 1830er und 1840er Jahren, feierten Mitte des 20. Jahrhunderts fröhlich Urständ, und die bis heute gemeinsame Wurzel ist – Agnostizismus: Glaubst Du das wirklich? Kann man das überhaupt glauben? Wie kannst Du Dir so sicher sein? Das ist mir zu dogmatisch! Zweifel gehören zum erwachsenen Glauben. – Alles falsch: „Zehntausend Schwierigkeiten machen noch nicht einen Zweifel“ (Seliger John Henry Newman).

Weitläufig erleben wir noch heute, im Jahr 2019, die vorkonziliare Bet-Sing-Messe: mit nur einer Lesung, den Kurzfassungsliedern anstelle der Ordinariumsgebete (was vorkonziliar liturgisch sogar noch einigermaßen Sinn ergab, aber in den Messen in der außerordentlichen Form, die ich jemals besucht habe – was zugegebenermaßen so viele nicht sind –, war viel mehr von Sacrosantum Concilium zu spüren als in einem durchschnittlichen deutschen Gemeindegottesdienst), dem „Zwischengesang“ anstelle des Antwortpsalms und derselben Lieblosigkeit und Schluderigkeit, mit der viele altehrwürdige Meßfeiern verunstaltet wurden („ich schaffe eine gültige Messe in 9 Minuten!“) – es hat sich nur das Meßbuch geändert, das mißachtet wird. Dafür ist der Mensch in den Mittelpunkt des „Gottes“dienstes getreten, und die Gemeinschaft unter den „Gläubigen“ geht über alles. Oder anders gesagt: Die Liturgiereform ist in Deutschland noch überhaupt nicht angekommen! (Disclaimer: Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel, aber deren Zelebranten sind dann entweder 75+ oder <45 Jahre alt und/oder sind schon lange in der Schublade "konservativ" gelandet.)

Oder genauer: in der meistens zu erlebenden deutschsprachigen Liturgie. Egal ob bei den Kroaten, den Portugiesen oder den Amerikanern – in jeder, wirklich in jeder Liturgie für Fremdsprachler, die ich in den letzten beiden Jahren besucht habe, konnte offenbar jeder ganz selbstverständlich das Ordinarium auswendig sprechen, also inklusive Gloria und Großem (!) Glaubensbekenntnis. Psalm und Halleluja sind hier völlig normal, bevor man sie durch ein Lied ersetzt, spricht man sie, und es scheinen keine ach so pastoralen Gründe für das Weglassen einer Lesung zu existieren (wenn man den ganzen unliturgischen Killefitt zwischendrin weglässt, dauert es mit zwei Lesungen auch nicht länger…). Absolut entlarvender Höhepunkt war die Formulierung des englischen Zelebranten, mit der er die Erklärung einleitete, warum man sich heute ausnahmsweise mit Stuhl-Ellipse um Altar und Ambo inmitten des Kirchenschiffs anstatt im (riesigen!) Altarraum mit Hochaltar befinde, weil das Licht dort oben heute nicht funktioniere: „We are in the german section of the church today…“

Ich habe es so satt, irgendwelche „politischen“ oder „pastoralen“ Rücksichten zu nehmen, die letztlich zu nichts anderem als einer Schere im Kopf führen, die aus „Rücksicht“ nicht sagt, was wahr ist, sondern selbst dort schweigt, wo Reden notwendig ist, ja sogar die Wahrheit zum Schweigen zu bringen versucht, wo sie gesagt wird. Dann braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn überhaupt keiner versteht, was an so einer Vergewaltigung schlimm sein soll: „Das ist doch ganz normal, das machen wir doch immer so.“ – Natürlich macht der Ton die Musik und man soll die Wahrheit nicht wie ein nasses Handtuch den Leuten um die Ohren schlagen, aber dieser Einwand zeigt doch nur exakt die Schere im Kopf: Die Wahrheit zu sagen könne doch nur in der Form des nassen Handtuchs geschehen, also lieber sie verschweigen als irgendjemand irgendetwas zumuten. Das ist schlimmer als jede Häresie – das ist laaaangweilig!

Erst jetzt, wo allmählich rauskommt, dass auch andere Mißbrauchsfälle keine versehentlichen Unfälle waren, sondern dass dahinter mitunter äußerst böswillige und zerstörerische Absicht, ja manchmal sogar System steckte, und dass dieses System von Verantwortlichen gedeckt wurde, wird mir klar, dass das alles nichts mit mir zu tun hatte, dass ich niemals irgendetwas dagegen hätte tun können und dass es an vielen Orten und in großer Zahl ständig und immer wieder passiert(e). Dass hinter vielen dieser Berichte nicht nur Versehen, Unwissen oder „gut gemeint“ steckte – sondern Böswilligkeit, Glaubensabfall und Zerstörungswut: Wenn ihr Mich liebtet, hieltet ihr Meine Gebote!

Und dass meine Hilflosigkeit kein Unvermögen meinerseits, sondern Methode ist: Wenn diejenigen, die für die Menschen zum Dienst am Herrn geweiht sind, die ersten sind, die Ihn vergewaltigen, dann müssen die Menschen, die auf ihren Dienst angewiesen sind, notwendig hilflos sein. Was sollen sie denn tun? Sich die Situation „schöntrinken“ und mit vergewaltigen? Sich in ihr Schicksal ergeben und in jeder Heiligen Messe erneut erleben, wir ihr Herr und ihr geistliches Verlangen mit Füßen getreten werden? Μὴ γένοιτο! Im einen wie im anderen Falle läuft es auf Dauer darauf hinaus, sich an das Undenkbare zu gewöhnen und geistlich abzustumpfen, letztlich also zu verweltlichen. Was wohl genau das ist, was angestrebt ist.

Hier stehe ich, ich kann nicht anders. ¡Viva Cristo Rey!

Der Post-Titel ist der Schlachtruf der Edain des Nordens im Kampf gegen Morgoth. Tolkien selbst übersetzt: „Flame, light! Flee, night!“ Folgt man den Nerds und Geeks, die sich ernsthaft mit dem Sindarin auseinandergesetzt haben, müsste es soviel heißen wie: Möge Licht aufstrahlen! Möge Dunkelheit fliehen! – Wer weiß, wer Morgoth ist und was die Licht-Dunkelheit/Nacht-Dichotomie in diesem Kontext meint, kann vielleicht nachvollziehen, warum dieser Titel der einzig passende für diesen Post war!

Und überhaupt: The scale might be wide but there’s no need to be blind – between black and white there is no room for two.

Mein bester Freund wurde vergewaltigt.

Mein bester Freund wurde vergewaltigt, und ich konnte nichts dagegen tun.

Mein bester Freund wurde vergewaltigt, ich stand daneben, und ich konnte nichts dagegen tun.

Mein bester Freund wurde vergewaltigt, in aller Öffentlichkeit, ich stand daneben, und ich konnte nichts dagegen tun.

Das ist jetzt über zwei Jahre her. Der Versuch, einfach weiterzumachen, als wäre nichts geschehen, war schnell gescheitert. Der Versuch, darüber zu reden auch. Meine Frau hatte den Arsch in der Hose gehabt, die Vergewaltiger zur Rede stellen zu wollen. Da dachten wir noch, daß alles nur ein großes Mißverständis sei. Die eisige, unser Bemühen, mit dem Erlebten leben zu können, lächerlich machende Reaktion hätte uns eines Besseren belehren sollen. Es gibt einfach Dinge, die man sich nicht vorstellen kann, bevor man sie nicht erlebt hat.

Auch mit den anderen, die dem Geschehen beiwohnten, haben wir nicht wirklich reden können. Kaum jemand schien etwas daran auszusetzen zu haben. Höhepunkt war, nicht einmal eine Stunde später, die zynische Äußerung: „Wenn Ihn das stört, dann ist Er nicht Gott.“

Uns ging es, wie es normalerweise den Vergewaltigungsopfern, nicht den Zeugen geht: Erst wird uns nicht geglaubt, dann wird uns selbst die Schuld zugeschoben. Die Anzeige schließlich der dritten schweren Vergewaltigung brachte zwar eine schnelle Reaktion, hatte letzlich aber keine Folgen. Die Vergewaltigungen gehen weiter, wenn auch in kleinerem Maßstab.

Ein Gutes hatte das ganze: Die Verbindung zwischen Ihm und mir ist dadurch sehr vertieft worden. Gleich nach diesem ersten Erlebnis wollte ich Ihn trösten, und doch hat Er mich getröstet. Je mehr mein Schockiertsein durch Rationalisierung des Erlebten zurückging, desto deutlicher zeigte Er mir, wie falsch die bisher von mir fast unhinterfragt übernommenen Kategorien waren.

Von den wenigen, die uns verstanden haben, haben sich die meisten bald aus der Pfarrei zurückgezogen und sind in Nachbarpfarreien geflüchtet. Ob es da besser ist? Nach meinem Eindruck nur graduell. Besser verpackt, weniger offensichtlich, mit weniger Böswilligkeit, ja, aber im Grunde derselbe Menschengemeinschaftsgötzendienst. Einmal sensibilisiert, auf die ersten kleinen Schritte zu achten, die der großen Vergewaltigung vorausgingen, erkennt man die eigentlich völlig überflüssigen, weil recht verstanden an Sinn und Verständlichkeit nichts ändernden Umformulierungen im Hochgebet an allen Ecken und Enden; das Weglassen des Embolismus, die ewige Form C des Bußaktes (in der Regel ohne irgendeine Vergebungsbitte) usw. usf.

Nein, ich will mich nicht vertreiben lassen. Wohin sollte ich gehen? Nur Er hat Worte des ewigen Lebens. Ich will das Leid an-, mein Kreuz auf mich nehmen und Ihm nachfolgen – nach Golgotha. Welche Ironie: Die unblutige Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers wird zur realsten Kreuzwegerfahrung.

Mein bester Freund wurde vergewaltigt, und ich konnte nichts tun – außer es mit Ihm zu tragen, Ihm aufzuopfern und mich von Ihm trösten zu lassen.

Ἐκένωσεν.

In einem Text sollte ein Smiley eingefügt werden. Für ein einziges Symbol wollte ich nicht ein zusätzliches Paket laden, also habe ich es erstmal mit Bordmitteln versucht. \"{$\smile$} funktioniert nicht, da die Mixtur aus Normal- und Mathesatz nicht das gewünschte Ergebnis hervorbringt.

Also doch ein zusätzliches Paket? Während noch der Browser startete, fiel mir ein, dass ich für Handy- und E-Mail-Symbole sowieso schon das Paket marvosym geladen habe. Vielleicht gibt es dort auch einen Smiley? texdoc marvosym… Tatsache, gibt es. Wie das wohl aufgerufen wird? Boah: \Smiley. Das wäre irgendwie zu einfach gewesen…

Und die Moral von der Geschicht: Nächstes Mal probiere ich ohne Nachzudenken erstmal aus, ob das, was ich suche, mit einem \ davor bereits das gewünschte Ergebnis liefert.

Einer kommt und will den brachliegenden Bau der Gottesstadt fortsetzen und die Mauer vollenden: die Kirche/eine Gemeinde aufbauen und befestigen. Dabei hat er die Unterstützung des Königs (Christus). Doch andere, Sanballat, Tobija und Geschem (weltlich gesinnte Menschen in der Gemeinde oder drumherum, jedenfalls solche, die nicht wirklich dem Volk angehören, aber Macht über es ausüben, wenngleich nicht im Einklang mit dem König, dem sie sehr wohl unterstehen), „verdroß [es] sehr, daß da ein Mann kam, der sich für das Wohl der Israeliten einsetzte“ (Nehemia 2,10).

Nehemia beginnt, die Mauer wieder zu errichten, die Spötter spotten – und machen das Werk verächtlich. Nehemia aber antwortet ihnen: „Der Gott des Himmels wird uns Erfolg verleihen. Wir, Seine Knechte, wollen ans Werk gehen und bauen. Ihr hingegen haben weder Anteil [an der Stadt] noch Anrecht [auf sie]; es gibt keine Erinnerung an euch in Jerusalem.“ (2,20) [Sehr interessant, daß er nicht auf die weltlich-königliche Unterstützung verweist, sondern direkt auf den Herrn – was die allegroische Auslegung stützt!]

Darauf motiviert Nehemia die Priester und Bewohner der Stadt (die, die wahrhaft zu Christus gehören) an der Befestigung der Stadt mitzuwirken – jeder an seinem Platz, da wo er wohnt. Trotz des andauernden Spotts der Feinde bauen sie so die Befestigung halb fertig.

Da beginnen die Feinde, den Aufbau von außen zu stören – doch der Herr sorgt dafür, daß die Störaktionen und Angriffe bekannt werden, bevor sie Schaden anrichten können. Nehemia stellt Wachen auf, und wer arbeitet, arbeitet mit dem Speer in der Hand und dem Schwert um die Hüfte (vgl. Eph 6!).

Doch dann kommt es zu Unfrieden in den eigenen Reihen. Die Ungerechtigkeiten innerhalb des Volkes fordern ihren Tribut. Um weiterbauen zu können, muß erst eine gerechte, dem Gebot Gottes entsprechende Ordnung hergestellt werden; die Zeit der Brache hat zuviel Unkraut sprießen lassen, auch bei den Bewohnern der Stadt. Nehemia verzichtet daher sogar auf den ihm zustehenden Unterhalt, d.h. um Gerechtigkeit herzustellen, muß jeder auf das verzichten, auf das er verzichten kann, obwohl es zu fordern nicht ungerecht wäre; aber nur so bekommen alle, was sie unbedingt brauchen.

Die Feinde versuchen nun Nehemia direkt auszuschalten – schlag den Hirten und du zerstreust die Herde. Nehemia geht jedoch nicht in ihre Falle. Sie bedrohen ihn sogar offen mit Anzeige beim König und setzen Gerüchte über ihn in die Welt. König dürfte hier weltlich verstanden sein, d.h. es ist an Anzeige beim Staat oder beim Bischof zu denken. Nehemia tritt dem offen entgegen und weist die Gerüchte als unwahr zurückt, d.h. die Gerüchte ans Licht zerren, dann zerfallen sie, da sie nur im Schatten gedeihen können. Selbst einen Bewohner Jerusalemes können sie für einen Anschlag auf Nehemia dingen. Er soll Nehemnia zu einer Sünde verleiten, die es ihnen ermöglicht hätte, Nehemias Ruf zu schädigen und sein Handeln unwirksam zu machen. Nehemia erkennt aber die Sündhaftigkeit des Vorgeschlagenen und riskiert lieber sein Leben als zu sündigen. So bewahrt ihn der Herr vor allen Bedrohungen, Angriffen und Verrätern, und Nehemia kann die Mauer vollenden. Erst danach, vor den Feinden geschützt, beginnt der innere Wiederaufbau der Stadt Gottes und Seines Volkes.

D.h. für den, der am Aufbau des Reiches Gottes mitwirken will, ist es wichtig, die Unterscheidung herbeizuführen, wer zum Volk Gottes gehört und wer nicht, und er muß das Volk Gottes vor den Feinden durch Bollwerke schützen. Diese geistliche Mauer wird wohl durchaus durch die Menschen hindurchgehen, niemand ist ganz Freund oder ganz Feind Gottes. Daher muß er vor allem darauf bedacht sein, Gerechtigkeit in der Gemeinde herzustellen, Angriffe als solche zu erkennen und zurückzuschlagen, Lügen offen entgegenzutreten sowie sich von aller Sünde fernhalten und auch in der Angst nicht unbedacht handeln.

Um das tun zu können, muß er im Auftrag des Herrn wirken, es muß ihm zuerst um das Reich Gottes gehen. Er muß selbst aus der Nähe des Königs kommen (Nehemia war dessen Mundschenk) und im Gebet und im Handelm Ihm verbunden bleiben. Es gibt aber noch eine Voraussetzung: den (im Kern) rechten Gottesdienst; ihn findet Nehemia bereits vor, er wurde schon im Buch Esra wiederhergestellt.

Gewissermaßen Fortsetung von dem hier und inspired by this.

Nach dem etwas knappen Ende des letzten Posts muß ich wohl noch einen hinterherschieben, damit mir keiner Antijudaismus unterstellt.

In der christlichen Tradition wird schon das Alte Testament an den Stellen, die auf Jerusalem, Israel usw. verweisen auf den Neuen Bund hin gelesen, d.h. Jerusalem steht für das Neue Jerusalem, Israel für das neue Volk Gottes usw., also die Kirche.

Wenn es daher zum Abschluß der alttestamentlichen Lesungen in den Karmetten heißt: „Jerusalem, Jerusalem, bekehre Dich zum Herrn, deinem Gott“, dann ist das kein selbstgerechter Aufruf an die (sowieso nicht anwesenden) Juden, die doch endlich Christen werden sollten, sondern angesprochen sind – wie mit der ganzen Lesung! – die anwesenden Christen und die ganze Kirche, deren Liturgie es ja ist. Das Neue Jerusalem soll sich bekehren!

Und wenn in den (leider meist unterschlagenen) Improperien (Anklagen) während der Kreuzverehrung in der Karfreitagsliturgie im Anschluß an Micha 6 (v.a. 3f.) Gott Seinem Volk Vorwürfe macht, wieso es seinem Erlöser das Kreuz bereite, nach all dem Guten, das Er an ihnen getan hat, dann ist das an die versammelte Gemeinde gerichtet, die im Leben jedes einzelnen ihrer Mitglieder sich immer wieder der empfangenen Taufe unwürdig gezeigt hat. Unwillkürlich klingt mir Vers 9 von Ps 95 im Ohr, der jeden Morgen das Stundengebet eröffnet: „sie haben mich auf die Probe gestellt und hatten doch mein Tun gesehen“; genau so ist es: Wir stellen Gott immer wieder durch unser mangelndes Vertrauen auf die Probe und wundern uns dann noch drüber, daß Er sich unserem Zugriff entzieht.

Genau deshalb bin ich bis heute nicht über die Stelle „wir haben keinen König außer dem Kaiser“ hinweg. Wenn die Hohenpriester in der Unbedachtheit einer angespannten Situation sich guten Glaubens selbst verfluchen und das Urteil sprechen können, ohne es zu merken – wie oft dann ich?

P.S.: Das spannendste an den Improperien ist eigentlich das „Hagios ho Theos etc.“. Denn das ist quasi die stammelnde „Antwort“ der Angeklagten auf die Vorwürfe: Du bist der Heilige Gottes, nur Du kannst uns retten, wohin sonst sollten wir gehen? (Joh 6,69)

Einer der emotionalen Höhepunkte (wenn auch nicht unbedingt der reinsten Freude) ist die Lesung der Johannespassion in der Karfreitagsliturgie. Sicherlich gehören die vorausgehenden Lesungen aus Jesaja und dem Hebräerbrief dazu, diesen Höhepunkt aufzubauen. Und nicht zuletzt gehört die Kreuzverehrung als unsere Antwort auf die Passion zu diesem Gesamtkunstwerk, aber ich will mich hier mal auf die Passion selbst beschränken.

Sie ist schon als solche hammermäßig genug, aber was noch viel krasser ist, man kann sie nie oft genug gehört haben, man kann immer noch Neues entdecken. In den letzten Jahren sind mir zwei Stellen besonders ins Herz gesunken, zum einen die Stelle ganz am Anfang, wo die Häscher vor Ihm zurückweichen und zu Boden stürzen, zum anderen die Stelle, in der die Hohenpriester(!) antworten: „Wir haben keinen König außer dem Kaiser.“

Jesus, der alles wusste, was mit Ihm geschehen sollte, ging hinaus und fragte sie: Wen sucht ihr? Sie antworteten Ihm: Jesus von Nazaret. Er sagte zu ihnen: Ich bin es. Auch Judas, der Verräter, stand bei ihnen. Als Er zu ihnen sagte: Ich bin es!, wichen sie zurück und stürzten zu Boden. (Joh 18,4–6)

Ich kann mich erinneren, daß mir schon als Kind klar war, daß es nur einen Grund geben kann, warum die Häscher zurückweichen und zu Boden stürzen: die Würde Jesu, letztlich also ihre Anerkenntnis Seiner Göttlichkeit. Warum aber an dieser Stelle – sie wußten doch, wen sie festzunehmen auszogen – und warum sehen sie dann von der Verhaftung nicht ab?

Die Lösung dieser Fragen lag dort, wo ich sie nie erwartet hätte; in den scheinbar unbedeutenden Worten: „Ich bin es.“ Es gibt noch eine zweite Stelle, bei Mk, in der (fast) dasselbe Phänomen auftritt, nur ein wenig abgemildert durch die vorangehende Frage des Hohenpriesters, ob Er „der Messias, der Sohn des Hochgelobten“ sei und die fortgesetzte Rede Jesu: „Ich bin es. Und ihr werdet den Menschensohn zur Rechten der Macht sitzen und mit den Wolken des Himmels kommen sehen.“ Dafür ist noch deutlicher, welchen Anspruch Er erhebt, insofern der Hohepriester Seine Antwort ausdrücklich als offensichtliche Blasphemie verurteilt.

Alles hängt tatsächlich am „Ich bin es“. Daß es bei mir Jahre gedauert hat zu verstehen, warum genau dieser Satz die Göttlichkeit Jesu zum Ausdruck bringt, liegt an der (in diesem Punkt „§%U/!) Einheitsübersetzung, die keinen Hinweis darauf gibt, was Jesus hier zitiert, nämlich Ex 3,14, nichts geringeres als den peinlichst in der Aussprache vermiedenen Gottesnamen!

Die Einheitsübersetzung übersetzt Ex 3,14 (schlicht falsch!): „Ich bin der Ich-bin-Da“; in einer Zeitschrift des Katholischen Bibelwerks habe ich gestern sogar „Ich bin der Ich-bin-da-für-euch“ gelesen. Das ist einfach nicht das, was dasteht, das ist insofern eine schlicht falsche Übersetzung, als sie den schillernden, vielfältig deutbaren Namen Gottes auf eine einfache, allzu klar verständliche Aussage reduziert. Eigentlich steht nämlich (ungefähr, das hebräische JHWH ist tatsächlich nicht leicht zu übersetzen) da: „Ich bin, der ich bin.“

Mir hat es sich tief eingebrannt, als mein AT-Professor in einer Nebenbemerkung mal rantete, das sei eigentlich genau das Gegenteil dessen, was die EÜ draus macht, nämlich die Verweigerung eines Namens. Noch heute sagten Juden, wenn sie auf eine Frage, z.B. wohin sie gerade gehen würden, de facto mit „das geht dich einen feuchten Kehricht an“ antworten wollten: „Ich gehe dahin, wo ich hingehe.“ Insofern sei der Name JHWH als Nicht-Name zu verstehen, als Verweigerung, einen Namen zu nennen; was sich auch klar daraus ergibt, daß im orientalischen Weltbild die Kenntnis des Namens eines Gottes Verfügungsgewalt über ihn beinhaltete, und genau dieser Verfügungsgewalt entziehe sich Gott hier durch die Nicht-Nennung Seines Namens.

Später fiel es mir nochmal wie Schuppen von den Augen, als ich die klassische Interpretation des Gottesnamens, die aber sowas von 100%ig anschlußfähig an die griechische Philosophie ist, kennenlernte. Griechisch lautet die Stelle mit dem Gottesnamen nämlich: ἐγώ εἰμι ὁ ὤν, Ich bin der Seiende. Gott identifiziert sich hier also mit dem, der allein sein Sein aus sich selbst heraus hat, und das bildet die Grundlage jeglicher christlicher Philosophie bis zur Reformation.

All diese Mit-Bedeutungen des Gottesnamen unterschlägt die Einheitsübersetzung (selbst die Anmerkung zu Ex 3,14 ist eher verschleiernd!). Entscheidend für die Passion ist jedoch, wie der griechische Originaltext von Jesu Antwort lautet: ἐγώ εἰμι. Deshalb fallen die Häscher bestürzt zu Boden. Was an sich eben nichts anderes bedeutet als „Ich bin’s“, ist im Munde Jesu eine klare Anspielung auf den Gottesnamen, den er für sich selbst in Anspruch nimmt. Übrigens an x anderen Stellen, insbesondere, aber (s.o.) nicht nur bei Johannes (bei Johannes baut bereits der Prolog ganz entscheidend hierauf auf!).

Die Reaktion der Häscher entspricht daher in etwa der Jesajas in seiner Berufungsvision, es ist also die Reaktion des sündigen Menschen angesichts der Herrlichkeit Gottes. Sie drückt aus, daß Jesus Sein Leben freiwillig hingibt, die Verhaftung problemlos hätte verhindern können, und daß Gott – auch wenn uns jetzt ein Name unter dem Himmel gegeben ist – sich nach wie vor unserer Verfügbarkeit entzieht.

Die andere Stelle steht damit in gewisser Weise in Beziehung:

Pilatus sagte zu den Juden: Da ist euer König! Sie aber schrien: Weg mit ihm, kreuzige ihn! Pilatus aber sagte zu ihnen: Euren König soll ich kreuzigen? Die Hohenpriester antworteten: Wir haben keinen König außer dem Kaiser. (Joh 19,14f.)

Diese Stelle ist noch viel krasser, andererseits auch unauffälliger, weil fast nichts auf die hintergründige Bedeutung der Aussage hindeutet. Hier brauchte es die Inszenierung von Mel Gibson, um mir das Krasse an dieser Aussage bewußt werden zu lassen: Die Hohenpriester verleugnen hier nichts anderes als ihre grundlegende Daseinsberechtigung, das Königtum Gottes über Sein Volk. Wie Gott es selbst sagt in 1 Sam 8,6:

Nicht Dich haben sie verworfen, sondern Mich haben sie verworfen: Ich soll nicht mehr ihr König sein.

Darüber bin ich bis heute noch nicht weg…

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Apropos Sacrum Triduum: Eigentlich ist das Sacrum Triduum sowas wie ein Festival. Ein cooles Festival, ja das coolste Festival des Jahres:

  • Es geht über drei Tage.
  • Es beginnt Donnerstag abend und endet am Sonntag.
  • Der abendliche/nächtliche Krach (z.B. Glockenläuten) geht den Nachbarn auf die Nerven.
  • Es gibt Headliner (Abendmahlsmesse, Karfreitagsliturgie, Osternacht, Osterhochamt).
  • Es gibt Vorbands (Karmetten, Ölbergstunde).
  • Es gibt ein Vorglühen (Fastenzeit, Palmsonntag, Kartage).
  • Es gibt ein Nachglühen (Ostervesper, Ostermontag, Osteroktav, Osterzeit, Pfingsten).
  • Es gibt „Show“-Elemente, die man nur hier erleben kann (special presentation: Kreuzverehrung, Verstummen der Orgel, Klappern, Osterfeuer, Exsultet…; wenn man Glück hat, sogar die Improperien.)
  • Schlaf ist fakultativ.
  • Hinterher braucht der Nicht-Mehr-Jugendliche die eine oder andere Woche Urlaub.

Besonders cool machen es aber die Unterschiede:

  • Die Festivallocation ist in angenehmer Entfernung, was das Campen überflüssig macht.
  • Es gibt keine Assis, die schon vor dem ersten Gig knülle besoffen in der Ecke liegen oder, noch schlimmer, nur da sind, um cool zu tun, aber nicht wegen der Musik, und nie ihr Camp verlassen.
  • Der absolute Festivalheadliner „spielt“ in der Nacht zu Sonntag je nach Tagesform zwei bis zweieinhalb Stunden oder (mit Erwachsenentaufen) auch länger.
  • Die Aftershow-Party (oder das Äquivalent zur „Metal-Disco“) dauert nicht nur bis in die frühen Morgenstunden (für die, die wollen: Ganznachtfeier der Mutter aller Vigilien bis zum Sonnenaufgang), sondern geht bis in den spätern Sonntagnachmittag (Ostervesper).
  • Emotionale Berg-und-Tal-Fahrt, wie sie keine andere Running Order hinkriegt.
  • Tagtägliches intimes Meet & Greet mit dem Festivalorganisator und -chef (für die, die auf dem Schlauch stehen: Kommunion).
  • Es ist nicht (nur) Show. Es ist wahr.

Further Reading: Die längste Messe der Welt

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Sacrum Triduum – Karfreitag

In den letzten Wochen bin ich beim Verfassen meiner Posts immer wieder an eine Grenze gekommen, so daß die Posts nie fertig wurden und mein Vorrat an verwertbaren Entwürfen inzwischen so ziemlich gegen Null tendiert.

Die Grundidee, an der ich mich abgearbeitet habe, betrifft einige merkwürdige Phänomene, die ich in der Kirche beobachten konnte. In allen diesen Situationen und in, wie mir scheint, immer mehr weiteren (ja, ich bin paranoid), erreiche ich gedanklich einen Punkt, an dem ich merke: So kommst Du nicht weiter. Du kannst diese Phänomene zwar auf den Punkt bringen, das wird aber nichts ändern. Es läßt sich einfach nichts ändern, zumindest nicht, indem man die konkreten Probleme direkt angeht: Es handelt sich um einen „Catch 22“.

„Catch 22“ ist ursprünglich ein Anti-Kriegsroman des Amerikaners Joseph Heller. Das Buch ist, wie ich finde, ausgesprochen anstrengend zu lesen, was wohl daran liegt, daß es die Sinnlosigkeit der beschriebenen Ereignisse und Umstände auch in der literarischen Gestaltung der Erzählung zum Ausdruck bringt. Ich bin froh, das Buch gelesen zu haben, ob ich es empfehlen kann, bin ich mir nicht so sicher.

Von diesem Buch ausgehend hat sich der Begriff „Catch 22“ im Englischen für Situationen, wie sie im Buch beschrieben werden, eingebürgert. Die deutsche Wikipedia nennt diese Situationen „Dilemmata“, das ist mindestens ungenau. Ein Dilemma ist eine Situation, in der ich, egal wie ich mich entscheide, etwas falsch mache. Bei einem „Catch 22“ kann ich zwar nichts richtig machen, aber das liegt nicht daran, daß ich etwas falsch mache, sondern daß die Situation so konstruiert ist, daß unabhängig von meiner Entscheidung das angestrebte Ziel schlicht nicht erreicht werden kann.

Das erste und bekannteste Beispiel für einen „Catch 22“ aus dem Buch ist eine Regelung, nach der wahnsinnige Piloten keine Angriffe fliegen dürfen, sondern von der Front abgezogen werden müssen. Einzige Voraussetzung dafür ist, daß der Pilot eine psychologische Untersuchung beantragt. Der „Catch“ dabei ist, daß die Beantragung dieser Untersuchung zeigt, daß er völlig gesund ist, denn nur ein Wahnsinniger würde Angriffe fliegen wollen. Infolgedessen kann der Gesunde nicht vorspiegeln, geisteskrank zu sein, und der Wahnsinnige kann nicht nach hause geschickt werden, weil er sich selbst ja nicht für wahnsinnig hält und entsprechend keinen Antrag stellen wird, und selbst wenn sich ein Wahnsinniger selbst für wahnsinnig hielte und einen Antrag stellte, würde ihm das als eindeutiges Zeichen geistiger Gesundheit ausgelegt.

Ein Catch 22 drückt sich also in der Unmöglichkeit aus, systemkonform ein Ziel, das das System als mögliches vorspiegelt, erreichen zu können. Ein (moralisches) Dilemma hingegen ist eine Situation, in der zwei absolute Werte miteinander konkurrieren, in der also die Güterabwägung nicht mehr funktioniert, um zu einer klaren Entscheidung zu kommen. Am ehesten vergleichbar ist ein Catch 22 daher mit dem Passierschein A38 aus „Asterix erobert Rom“ oder dem „Was?! Ihr müßt mir doch eine Chance lassen da raus zu kommen! Also gut, ich bin der Messias!“ aus dem „Leben des Brian“.

Allerdings ist der Catch 22 deutlich brutaler. Asterix kommt an den Passierschein A38, indem er den Spieß umdreht und nach Passierschein A39 fragt. Ein Catch 22 kann zwar anfangs noch solche Lücken haben, sie werden aber geschlossen werden und sind nicht systemimmanent wie bei Asterix. So auch im Buch: Ein Soldat entdeckt, daß er den schützenden Rang eines Private First Class auch nach einer Beförderung durch unerlaubtes Entfernen von der Truppe, das eine Degradierung nach sich zieht, immer wieder erreichen kann – bis eben diese Lücke als solche erkannt und geschlossen wird. Brian kann sich verbergen, die Volksmenge hat keine direkte Macht über ihn, und daß er am Ende am Kreuz endet, hat nichts mit der Messiasfrage, sondern mit der Beteiligung an einem terroristischen Akt zu tun. Beide Varianten sind bei einem Catch 22 nicht möglich. Egal was Du machst, egal wie Du Dich entscheidest, die gestellte Aufgabe ist nicht lösbar, denn es gibt nicht nur keine Möglichkeit, die gestellte Bedingung zu erfüllen, die Bedingung selbst ist vielmehr völlig unsinnig: die Bedingung, um „Ziel“ erreichen zu können, besteht in „Nicht-Ziel“.

Und so gelingt es Hauptmann Yossarian, dem Antiheld von Catch 22, schließlich eher zufällig, weiteren Angriffsflügen zu entgehen, indem er zur Strafe zum Major mit Innendienstbeschreibung befördert wird. Denn jede andere Form von Bestrafung würde ihn von der Front abziehen, und dann könnten andere Piloten auch auf die Idee kommen, sich einfach zu weigern, Angriffe zu fliegen. Klingt unlogisch, ist es auch (wie der ganze Catch 22), denn es geht ausschließlich darum, den „Rebellen“ und „Abtrünnigen“ wieder ins System zu integrieren, indem man ihm gibt, was er will, ohne es explizit zu tun. Es wird also das individuelle Interesse ausnahmsweise erfüllt, um die Moral der Truppe im ganzen aufrecht zu erhalten. Und so zeigt sich der Catch 22 in einer Situation im Buch auch als das, was er tatsächlich ist: als blanke Ausübung von Macht.

Wie aber kommt man da raus? Die Antwort lautet: gar nicht. Es gibt aus einem echten „Catch 22“ keinen Ausweg, denn ein echter „Catch 22“ besteht gerade in seiner Alternativlosigkeit. Der Catch 22 ist zunächst eine reine Illusion, die die Ausübung der Macht gleichermaßen verschleiern wie absichern soll, und funktioniert selbst dann noch, wenn man ihn als solchen durchschaut hat, da er dann die Sinnlosigkeit des Versuchs offenbart, sich gegen den Catch 22 zu wehren.

Genau an diesem Punkt kam ich einfach nicht weiter. Es kann doch nicht sein, und es darf nicht sein, daß ich da wirklich nicht rauskomme, daß ich immer verliere. Und dann kam da der heutige Tagesheilige, Papst Johannes Paul II., ins Spiel. In der zweiten Lesung der Lesehore, die seiner Ansprache zu Beginn des Pontifikats entnommen ist, heißt es:

[Die Herrschaft des Herrn hat] ihre Ursprünge nicht in den Mächten dieser Welt, sondern im Geheimnis des Todes und der Auferstehung… Die uneingeschränkte und doch milde und sanfte Herrschaft des Herrn ist die Antwort auf das Tiefste im Menschen, auf die höchsten Erwartungen seines Verstandes, seines Willens und Herzens. Sie spricht nicht die Sprache der Gewalt, sondern äußert sich in Liebe und Wahrheit. […] Habt keine Angst, Christus aufzunehmen und Seine Herrschergewalt anzuerkennen! […] Habt keine Angst! Öffnet, ja reißt die Tore weit auf für Christus! […] Habt keine Angst! Christus weiß, ‚was im Innern des Menschen ist‘. Er allein weiß es! Heute weiß der Mensch oft nicht, was er in seinem Innern, in der Tiefe seiner Seele, seines Herzens trägt. Er ist deshalb oft im Ungewissen über den Sinn seines Lebens auf dieser Erde. Er ist vom Zweifel befallen, der dann in Verzweiflung umschlägt. Erlaubt also … Christus, zum Menschen zu sprechen! Nur Er hat Worte des Lebens, ja des ewigen Lebens!

Da ging mir auf: Der Catch 22 basiert auf der erbsündlichen Verfaßtheit weltlichen Denkens, auf der Angst vor dem Tod, auf dem Streben nach Ehre, Anerkennung, dem Wunsch, etwas zu gelten – und nutzt diese brutal aus. Im Buch funktioniert der Catch 22 genau deshalb, weil die Soldaten Angst vor dem Tod haben (und jeder, der keine Angst vor dem Tod hat, wird als wahnsinnig dargestellt). Die Frage aber, ob der Krieg tatsächlich gerechtfertigt, ja vielleicht sogar notwendig ist (und wir reden hier immerhin vom Zweiten Weltkrieg), auch wenn es vielleicht nicht jeder einzelne Angriff ist, und ob das ständige Heraufsetzen der Flugzahl, bevor man auf Heimaturlaub darf, vielleicht aus Personalmangel tatsächlich notwendig ist, um den Krieg führen und gewinnen zu können – das alles spielt im Buch überhaupt keine Rolle. Es beginnt bereits mit dem Versuch, aus der (vorausgesetzten) Sinnlosigkeit des Sterbens auszubrechen.

Das Sterben in Christus aber ist nicht sinnlos. Die im Buch behandelte Sinnlosigkeit findet ihre Antwort tatsächlich in Christus, der dem nach weltlichen Maßstäben sinnlosen Leben einen Sinn geben kann. Nicht im Sinne einer Vertröstung auf das Jenseits, sondern in dem Sinn, daß er die Wahrheit und Gerechtigkeit als Maßstäbe erkennen läßt, für die es sich lohnt, Leib, Leben, Anerkennung, Würdigung, Bedeutung hin- und aufzugeben, weil Er selbst sie ist. Wer in Christus stirbt, dem wird das Leben nicht entrissen, er gibt es hin; wer in Christus stirbt, dem wird das Leben nicht genommen, sondern gewandelt.

Sicherlich ergibt das alles nur Sinn, wenn ich davon ausgehe, daß die Wahrheit und die Gerechtigkeit sich letztlich durchsetzen werden. Und der einzige Garant dafür ist Jesus Christus selbst. Sich gegen all die Catches 22 zu wehren, geht nur aus der Beziehung und Liebe zu Jesus Christus. Die Wahrheit wird euch frei machen: Wer (wirklich) in Christus lebt, ist für die weltliche Macht uneinnehmbar geworden, da er weder mit Drohungen noch mit Versprechungen korrumpierbar ist – zumindest solange er sich nicht wieder dieser Macht unterwirft.

Lebe ich mit Christus, springe ich nicht mehr über jedes Stöckchen, das mir hingehalten wird, ich kümmere mich um das, was (mir) wirklich wichtig ist, und ich entziehe mich dem Zugriff der Macht auf eine Weise, die die Logik der Macht schlicht nicht verstehen kann. Zugleich führt diese Freiheit aber notwendig in Verachtung, Ausgrenzung und vielleicht sogar Verfolgung; gerade weil ihr mit der Logik der Macht nicht beizukommen ist. Und die Verachtung, Ausgrenzung und Verfolgung erfolgt besonders da, wo es mir am meisten weh tut (wie ich im letzten halben Jahr mehrfach schmerzlich feststellen mußte). So ist das Leben mit Christus kein Zuckerschlecken. Es wird erst so richtig zum Kampf, zum Kampf aus der immer schlechteren Position, immer bergauf, aber es ist ein Leben in Freiheit, vor allem auch innerer Freiheit, in Identität mit sich selbst. Leiden tut immer weh, aber Leiden mit Christus kann die Welt verändern (aber eben nicht, indem die Probleme direkt angegangen werden), vor allem aber den mit Christus Leidenden befreien.

Habt keine Angst! Öffnet die Türen für Christus!