Theologie

Kann denn aus Freiburg etwas Gutes kommen? Es kann. Über die Freiburgbärin bin ich auf das 33tägige Gebet für die Ungeborenen gestoßen — und infolgedessen auf den „Babyrosenkranz„.

An und für sich stehe ich solchen „Umnutzungen“ des Rosenkranzes etwas skeptisch gegenüber, aber das ist vielleicht mein persönliches Problem. In diesem Fall war das anders — nachdem mein Blick auf die Texte gefallen ist. Wer nur ein kleines bißchen apokalyptisches Blut in seinen Adern zu fließen hat, der kann gar nicht anders, als den „Babyrosenkranz“ sofort loszubeten. Die am meisten ins Auge stechende Stelle habe ich bereits in den Titel gepackt. Mt 27,25 ist m.E. eine der unterschätztesten und fälschlich schlecht beleumundesten Stellen des NTs, denn hier steckt eine unglaubliche Tiefe drin, die hier ins Gebet gegossen wird. Aber auch die anderen Stellen haben’s in sich: „Weint nicht über mich, sondern über euch und eure Kinder.“ (Lk 23,28) „Die Rettung kommt von unserem Gott, der auf dem Thron sitzt, und vom Lamm.“ (Offb 7,10).

Also: Jeder, der (wie ich) einen kleinen Apokalyptiker in sich beherbergt, schnell mal rüber.

An und für sich neige ich nicht zu Verschwörungstheorien. Normalerweise bin ich auch immer noch dazu geneigt, Menschen, insbesondere Bischöfen, weder Dummheit noch Böswilligkeit zu unterstellen. Auch bemühe ich mich seit dem Papstbesuch, mich weder von der Empörungsmaschinerie der Blogoezese noch von den Niederungen des realexistierenden Katholizismus aufregen zu lassen. Es ist es ja eigentlich alles nicht wert und kostet nur Energie, die besser in die Neuevangelisierung gesteckt würde.

Jetzt hat mich aber doch wieder der Zorn gepackt. Und zwar nicht, weil andere Blogger sich aufregen oder die Kommentare bei kath.net zur Äußerung Kardinal Lehmanns auf dem Katholikentag zu den Kelchworten so qualitativ hochwertig wären, sondern weil ich mir den Originalmitschnitt angetan habe. Eigentlich hatte ich mich schon aufgeregt, was da dem Kardinal wieder alles unterstellt wird, denn in der offiziellen Berichterstattung war eigentlich nichts zu finden, was dem Papst direkt widersprochen hätte. Johannes hat aber freundlicherweise das Originaldokument ausgebuddelt:

Dieses Originaldokument macht bei genauerer Betrachtung nämlich das „johanneische“ Emotionsprotokoll überflüssig, wenn man sich den Wortlaut genauer anguckt und Behauptungen überprüft.

Lehmann behauptet, der Papst habe in seinem Brief die Übersetzung „für alle“ wörtlich mit „ist und bleibt sehr gut“ (18:05) gewürdigt. Nachdem ich schon über das falsche Datum gestolpert war (Lehmann datiert kurz vorher bei 17:55 den Brief auf den 10.04., der Brief sich selbst aber auf den 14.), habe ich dann doch mal dieses „wörtliche“ Zitat versucht zu finden. Fehlanzeige. Im Brief kommt nicht einmal das Wort „gut“ vor. Was der Papst aber tatsächlich sagt, ist:

„Die Wiedergabe von „pro multis“ mit „für alle“ war keine reine Übersetzung, sondern eine Interpretation, die sehr wohl begründet war und bleibt, aber doch schon Auslegung und mehr als Übersetzung ist.“

Also, zum Mitmeißeln: Der Papst hat die Übersetzung nicht als „ist und bleibt sehr gut“ gewürdigt, sondern die Interpretation als „sehr wohl begründet“ bezeichnet, gleich aber hinterhergeschoben, daß sie eben eine Interpretation und keine Übersetzung ist.

Mit diesem Originalzitat wäre es jedoch nicht möglich gewesen hinterherzuschieben, wie es Lehmann tut: „Natürlich hat man dann etwas Schwierigkeiten zu verstehen, warum es geändert werden muß.“ Dabei hat Lehmann durchaus verstanden, daß es um die Frage von Übersetzung oder Interpretation geht, auch wenn er nur „ein Stück weit Interpretation“ in dem „für alle“ sieht (16:29).

Nunja, die Lektüre des Briefes offenbart auch noch eine zweite Schwäche der Argumentation des Kardinals. Denn er meint, man hätte Mißverständnisse vermeiden können, wenn man vorangestellt hätte, daß das Fundament der ganzen Debatte natürlich sei, daß Christus für alle gestorben ist (14:36, 16:00 u.ö.). Der Papst verwendet in seinem Brief 15x „für alle“, dabei 4x als Benennung der Übersetzung, einmal in ganz anderem Kontext („in alle Hochgebete übernommen“), aber 10x (ZEHN MAL) im Sinne von „Christus IST FÜR ALLE gestorben“. Ganz davon abgesehen, daß der Papst ja schon 2007 dazu aufgefordert hatte, die „Aufregung“ mit Hilfe von Katechesen zu verhindern, gibt es im Papstbrief sogar einen Absatz, der im wesentlichen Schriftstellen mit „für alle“ zusammenstellt.

Ohne jetzt die Frage nach „für alle“ oder „für viele“ überhaupt diskutieren zu wollen (eigentlich wäre mir das egal, wenn nicht schon 2007 selbst in der Tagespost unzählige Leserbriefe erschienen wäre, die eindeutig die Apokatastasis vertraten): Was Kardinal Lehmann hier macht, ist mindestens ein sinnentstellendes Zitieren des Papstbriefes.

Es gab eine ganze Menge Leute, die die Predigt des Papstes in Erfurt für schwach hielten. Im wesentlichen hätte er geschichtliche Fakten aufgezählt. Das ist zwar nicht falsch, und es gibt tatsächlich einige Passagen der Predigt, die man wohl getrost überspringen kann, wenn man nicht gerade wissen will, wie die Jugendhäuser der Bistums Erfurt heißen. Dennoch war ich schon damals der Meinung und bin es, nachdem ich die Predigt nochmal gelesen habe, heute umso mehr, daß der Papst in diesen geschichtlichen Fakten und vor allem in der Auswahl der Fakten eine deutlich aufs Hier und Heute gerichtete Botschaft vermitteln wollte.

Papst Benedikt hat eine ernstgemeint freundliche, werbende Sprache und versucht die Situation ausgewogen zu würdigen, auf einer tieferen Ebene aber gibt er sehr wohl deutlich zu erkennen, in welche Richtung es seiner Meinung nach gehen müßte. Schon im September habe ich geschrieben: „Nicht nur sind [seine Predigten und Botschaften] punktgenau auf den jeweiligen Ort und Anlaß geschrieben, sondern sie haben auch jeweils eine klare Kernaussage.“ Der Impuls in und für Erfurt paßte wie die Faust aufs Auge.

Der Einstieg erfolgt über die zwei Diktaturen, die über die thüringer Lande hinweggerollt sind und bis heute Spätfolgen zeitigen. 1989 war zwar ein großer Aufbruch in neue Freiheit, aber hat er uns mehr an Glauben gebracht? Ich erlaube mir, die rhetorische Frage mit Blick auf die hiesige Situation zu beantworten: Nein, und daran leiden hier gerade die Älteren, denen das Festhalten am Glauben zu DDR-Zeiten zum Teil große Opfer abverlangt hat, wie der Papst hervorhebt.

Dagegen ermutigt er: Gott ist Zukunft, und diese Zukunft beschreibt er anhand der Vergangenheit. Die heilige Elisabeth

„führte ein intensives Leben des Gebets, verbunden mit dem Geist der Buße und der Armut des Evangeliums. […] Ihr Leben auf dieser Erde war nur kurz – sie wurde nur vierundzwanzig Jahre alt –, aber die Frucht ihrer Heiligkeit reicht über die Jahrhunderte hin.“

Damit verweist er noch einmal auf den einleitenden Abschnitt: Wer hätte im Elisabethjahr 1981 ahnen können, daß die Mauer acht Jahre später fällt? Wer 1941, daß vier Jahre später das „Tausendjährige Reich“ in Schutt und Asche versinken würde? Wir wissen nicht, was sich in vier oder acht Jahren an Rahmenbedingungen geändert haben wird, wir wissen nicht, wer in dieser Zeit vielleicht den Unterschied machen wird. Und ich erlaube mir, meinen eigenen Eindruck hinzuzufügen: Wir haben hier in Erfurt alle Voraussetzungen für einen großen Aufbruch, wenn wir nicht sogar schon mittendrin sind.

Und noch einen weiteren Verweis hat er bei Elisabeth eingebaut, indem er die Fülle des Glaubens, seine Schönheit, seine Tiefe und seine verwandelnde und reinigende Kraft erwähnt. Später nämlich sagt er:

„Wenn wir uns dem ganzen Glauben in der ganzen Geschichte und dessen Bezeugung in der ganzen Kirche öffnen, dann hat der katholische Glaube auch als öffentliche Kraft in Deutschland Zukunft.“

Quod semper, quod ubique, quod ab omnibus creditum est. 🙂

Dafür steht auch Bonifatius, der

„in wesentlicher Einheit und in enger Einheit mit dem Bischof von Rom, dem Nachfolger des heiligen Pertrus wirkte; er wußte, daß die Kirche eins sein muß um Petrus herum.“

Damit hat der Papst nicht nur das wesentliche Charisma von Bonifatius auf den Punkt gebracht, sondern wiederum auf Späteres in der Predigt verwiesen, wo es heißt, niemand könne alleine für sich glauben, und „das große Miteinander der Glaubenden aller Zeiten, […] ohne das es keinen persönlichen Glauben geben kann, ist die Kirche“. Auch hier, denke ich, haben wir in Erfurt die besten Voraussetzungen, zumindest wesentlich bessere als „drüben“. Bei allen kleingeistigen Querelen, die es auch hier gibt, erstaunt mich die Einheit der Kirche im Bistum (zumindest im Vergleich), die mit Sicherheit auch mit der Überschaubarkeit des Bistums zu tun hat.

Am Ende kommt er noch einmal auf die Ausgangsfrage nach der gewonnenen Freiheit und dem Mehr an Glauben zurück. Die Motivation, zu DDR-Zeiten am Glauben festzuhalten und dafür Nachteile auf sich zu nehmen, verortet er in der Sehnsucht nach Wahrhaftigkeit. Dieses Zeugnis mache uns zusammen mit dem Zeugnis der Heiligen Mut, die neue Situation zu nuten und die gewonnene Freiheit verantwortlich zu nutzen:

„Wir wollen, wie die Heiligen Kilian, Bonifatius, Adelar, Eoban und Elisabeth von Thüringen als Christen auf unsere Mitbürger zugehen und sie einladen, mit uns die Fülle der Frohen Botschaft, ihre Gegenwart und ihre Lebenskraft und Schönheit zu entdecken.“

Betrachtet man, wo sich die aufeinander bezogenen Stellen finden, ergibt sich, daß sie keinesfalls zufällig sind, sondern daß sie in einer Art Chiasmus in der Mitte der Predigt gespiegelt sind:

Geschichte Gegenwart
Einstieg: Kirche in der DDR heutige Gefahr: Glaube als Privatsache
Elisabeth: aus der Fülle des Glaubens viel bewirkt in kurzer Zeit ganzer Glauben, ganze Geschichte, ganze Kirche; dann haben Glaube und Kirche Zukunft
Bonifatius: Einheit mit dem Papst Glauben ist wesentlich Mitglauben (der einzelne ist von Gott gerufen durch und in der Kirche)
Zur Radikalität der Heiligen ist jeder einzelne direkt von Gott her berufen
In der Radikalität der Heiligen die Fülle des Evangeliums verkünden und einladen, ihre Gegenwart und ihre Lebenskraft und Schönheit für den einzelnen in der Gemeinschaft der Kirche zu entdecken.

Es handelte sich also mitnichten um eine langweilige Predigt, die historische Fakten aufzählte und nur sagte, was an diesem Ort unbedingt zu erwarten war. Das war sie auch, aber sie war eben viel mehr. Selbst die drögen historischen Fakten hat der Papst kunstvoll strukturiert zu einer klaren und geistlich tiefen Aussage aufgepimpt.

Der Diskussion beim Nachtbriefträger zugehörig.

Matthäus 26 Markus 14 Lukas 22 Paulus
1 Kor 11
Meßbuch
(2. HG)
Meßbuch
(1. HG)
26 Während des Mahls nahm Jesus das Brot und sprach den Lobpreis; dann brach er das Brot, reichte es den Jüngern und sagte: 22 Während des Mahls nahm er das Brot und sprach den Lobpreis; dann brach er das Brot, reichte es ihnen und sagte: Und er sagte zu ihnen: Ich habe mich sehr danach gesehnt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen. 16 Denn ich sage euch: Jesus, der Herr, nahm in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot, 24 sprach das Dankgebet, brach das Brot und sagte: Denn am Abend, an dem er ausgeliefert wurde und sich aus freiem Willen dem Leiden unterwarf, nahm er das Brot und sagte Dank, brach es, reichte es seinen Jüngern und sprach: Am Abend vor seinem Leiden nahm er das Brot in seine heiligen und ehrwürdigen Hände, erhob die Augen zum Himmel, zu dir seinem Vater, dem allmächtigen Gott, sagte dir Lob und Dank, brach das Brot, reichte es seinen Jüngern und sprach:
Ich werde es nicht mehr essen, bis das Mahl seine Erfüllung findet im Reich Gottes. 17 Und er nahm den
Kelch, sprach das Dankgebet und sagte:
18 Denn ich sage euch: Von nun an werde ich nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken, bis das Reich
Gottes kommt.
19 Und er nahm Brot, sprach das Dankgebet, brach das Brot und reichte es ihnen mit den Worten:
Nehmt und esst; das ist mein Leib. Nehmt, das ist mein Leib. Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis! Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis! Nehmet und esset alle davon: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Nehmet und esset alle davon: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird,
27 Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet und reichte ihn den Jüngern mit den Worten: 23 Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet, reichte ihn den Jüngern und sie tranken alle daraus. 24 Und er sagte zu ihnen: 20 Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sagte: 25 Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sprach: Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch, dankte wiederum, reichte ihn seinen Jüngern und sprach: Ebenso nahm er nach dem Mahl diesen erhabenen Kelchin seine heiligen und ehrwürdigen Hände, sagte dir Lob und Dank, reichte den Kelch seinen Jüngern und sprach:
Trinkt alle daraus; 28 das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird. Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird.Nehmt den Wein und verteilt ihn untereinander! Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis! Nehmet und trinket alle daraus: Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Tut dies zu meinem Gedächtnis. Nehmet und trinket alle daraus: Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Tut dies zu meinem Gedächtnis.

Denn die Einwohner von Jerusalem und ihre Führer haben Jesus nicht erkannt, aber sie haben die Worte der Propheten, die jeden Sabbat vorgelesen werden, erfüllt und haben Ihn verurteilt.
(Apg 13,27, aus der heutigen Lesung)

Ich habe mich immer gewundert, warum Matthäus nach dem Ende des Judas (3 Verse) noch so viel über das Blutgeld (5 Verse) schreibt (Mt. 27,3-10). Die Verwunderung wird nicht unbedingt geringer dadurch, daß es auch eine — abweichende — lukanische Variante aus dem Munde Petri gibt (Apg 1,16-20). Auffällig ist aber an beiden Stellen, daß sie auf ein Schriftzitat zulaufen. Es geht also nicht so sehr um Judas als um eine theologische Aussage, die sich im Schriftzitat zuspitzt. Das ist bei der Apostelgeschichte recht einfach: Über „sein Gehöft soll veröden“ (Ps 69,26) kommt Petrus zu „sein Amt soll ein anderer erhalten“ (Ps 109,8).

Ok, das ist für heutige Zitierstandards etwas schwach begründet, mal eben 40 Psalmen weiterzuspringen. Allerdings war das damals etwas anders. Es handelt sich eben nicht um Steinbruchexegese, sondern es ist immer auch der ganze Psalm gemeint. Und dann paßt es in der Petrusrede doch halbwegs zusammen, wenn auch eher assoziativ: Beide Psalmen lassen sich auf das Verhältnis Judas — Jesus hin lesen, wobei Ps 69 eher die jesuanische Perspektive und Ps 109 die des Judas in den Vordergrund stellt.

Tja, und von dieser Erkenntnis ausgehend, habe ich mich dann mal dem Schriftzitat in Mt 27,9f. gewidmet. In der gedruckten Fassung sind die Schriftzitate ja convenient in kursiv hervorgehoben und die Quellen am Ende des Abschnitts angegeben.

Erste Überraschung: Was da von Matthäus etwas leichtfertig Jeremia zugeschrieben wird, entpuppt sich als „freie Verbindung von Stellen aus Sacharja, Jeremia und Exodus“ (Fn. zu 27,9), genauer: Sach 11,12f., Jer 18,2f., 32,8f. und Ex 9,12 in der griechischen Übersetzung der Septuaginta.

Zweite Überraschung: Das Zitat ist bei genauerer Betrachtung mit Hilfe der EÜ nirgendwo zu finden. Es handelt sich eher um Assoziationen (siehe die Petrusrede in Apg) als um Belegstellen:

Mt 27,9f. Sach 11,12-13 Jer 18,2f. Jer 32,8f. Ex 9,12
9So erfüllte sich, was durch den Propheten Jeremia gesagt worden ist: Sie nahmen die dreißig Silberstückedas ist der Preis, den Er den Israeliten wert war10und kauften für das Geld den Töpferacker, wie mir der HErr befohlen hatte. 12Ich sagte zu ihnen: Wenn es euch recht scheint, so bringt mir meinen Lohn; wenn nicht, so laßt es! Doch sie wogen mir meinen Lohn ab, dreißig Silberstücke. 13Da sagte der HErr zu mir: Wirf ihn dem Schmelzer hin! Hoch ist der Preis, den Ich ihnen wert bin. Und ich nahm die dreißig Silberstücke und warf sie im Haus des HErrn dem Schmelzer [andere übersetzungsmöglichkeit: ins Schatzhaus] hin. 2Mach dich auf und geh zum Haus des Töpfers hinab! Dort will Ich dir Meine Worte mitteilen. 3So ging ich zum Haus des Töpfers hinab. Er arbeitete gerade mit der Töpferscheibe. 8Tatsächlich kam Hanamel, der Sohn meines Onkels, dem Wort des HErrn gemäß zu mir in den Wachhof und sagte zu mir: Kauf doch meinen Acker in Anatot [im Land Benjamin]; denn du hast das Erwerbs- und Einlösungsrecht. Kauf ihn dir! Da erkannte ich, daß es das Wort des HErrn war. 9So kaufte ich von Hanamel, dem Sohn meines Onkels, den Acker in Anatot und wog ihm das Geld ab; siebzehn Silberschekel betrug die Summe. 12Aber der HErr verhärtete das Herz des Pharao, so daß er nicht auf sie hörte. So hatte es der HErr dem Mose vorausgesagt.
Ich habe die Parallelen großzügig farblich hinterlegt, also nicht kleinkarriert leichte grammatikalische Abweichungen unberücksichtigt gelassen. Bei der Ex-Stelle ist Übereinstimmung im Griechischen allerdings tatsächlich 100%. Mit farbigem Text habe ich die weiteren Parallelen zu der Judas-Perikope markiert.

Es wird sehr deutlich, daß die Bezüge zu Jeremia eher marginal sind, die zum Sacharja-Text aber sehr groß. Hat Matthäus also Jeremia und Sacharja verwechselt und den Rest dazufabuliert? Eher unwahrscheinlich. Denn der Sacharjatext liegt der ganzen Vorpassionsgeschichte zugrunde. Bis auf den Teil mit dem Kauf des Töpferackers findet man die gesamte Judas-Perikope bei Sacharja, und auf die dreißig Silberstücke legte Matthäus bereits im Kapitel zuvor großen Wert. Er wird also schon gewußt haben, daß er hier Sacharja zitiert und nicht Jeremia.

Wahrscheinlicher scheint mir, daß er wegen der eher marginalen Bezüge ausdrücklich auf Jeremia hingewiesen hat. Denn die Bezüge kann man leicht übersehen, handelt es sich doch im wesentlichen nur um den Namen „Töpferacker“. Die damit angesprochenen Stellen bei Jeremia sind aber wichtige prophetische Reden (Töpfergleichnis) bzw. Taten (prophetischer Ackerkauf)! Im Gegensatz zum Exodus-Bezug, der wirklich eher marginal (obgleich es sich um eine zentrale Stelle handelt) ist, können sie kein Zufall sein, denn der Name „Töpferacker“ spielt sonst nirgendwo eine Rolle.

Hinzu kommt noch, daß es sich hier — abgesehen von Ps 22, der als Subtext die gesamte Passion bestimmt — um das letzte Schriftzitat bei Matthäus handelt. Die Schriftzitate bei Matthäus sind bekanntlich zentral. Sie sollen Jesus als die Erfüllung der alttestamentlichen Prophetien erweisen, insbesondere in der Form des Reflexionszitats, das häufig mit „damit sich erfüllte“ oder wie hier „so erfüllte sich“ eingeleitet wird. Darauf verzichtet Matthäus in der Passion. Obwohl er dort auf Schritt und Tritt die Kreuzigung als Erfüllung des Psalms 22 deutet, überläßt er es Johannes (19,24), auf das Loswerfen um das Gewand als Schrifterfüllung hinzuweisen.

Man merkt wohl, worauf ich hinaus will: Die Perikope um das Ende des Judas und vor allem die Geschichte um das Blutgeld sind nach meinem Eindruck die matthäische (Voraus-)Deutung des Kreuzesopfers. Und die hat es in sich, wenn man die Bezugstellen des Reflexionszitats genauer und vor allem in ihrem Kontext unter die Lupe nimmt:

Sacharja 11
Hier ist die Rede von schlechten Hirten, deren prächtige Weiden zerstört sind, von Mächtigen, die vernichtet wurden. Von Käufern, die die gekauften Schafe ohne Strafe schlachten, und Verkäufern, die sich über ihren Reichtum freuen, aber keinerlei Mitleid mit den Schafen haben. So verkündet dann der HErr:

„Wahrhaftig, Ich habe kein Mitleid mehr mit den Bewohnern des Landes – Spruch des HErrn. Seht, jeden Menschen liefere ich seinem Nächsten aus und seinem König. Sie zerschlagen das Land und Ich rette es nicht aus ihrer Hand.“

Als ob das, angewandt auf Judas oder vielmehr die Hohenpriester, nicht schon kraß genug wäre — die Hohenpriester zerschlagen durch ihr Handeln das Land –, kommt das dicke Ende noch, nämlich in Sacharjas prophetischer Handlung. Er nimmt sich zwei Ruten, nennt sie „Freundlichkeit“ und „Verbindung“ und hütet damit die Herde. Die anderen Hirten werden seiner überdrüssig, was auf Gegenseitigkeit beruht, und er sagt:

Ich hüte euch nicht. Was im Sterben liegt, soll sterben; was sich verloren hat, sei verloren; und von den Übriggebliebenen soll einer des andern Fleisch fressen. Dann nahm ich meine Rute Noam [Freundlichkeit] und hieb sie in Stücke, um Meinen Bund zu zerbrechen, den Ich mit allen Völkern geschlossen hatte. So wurde er an diesem Tag zerbrochen.

Auf die fragliche Matthäusstelle angewendet kann das nichts andere bedeuten als: Im Kreuz beendet GOTT den Alten Bund!

Aber halt! Folgt nicht erst jetzt die Stelle mit dem Geld, die Matthäus tatsächlich zitiert? Oh ja, aber es wird nicht besser, im Gegenteil:

Danach hieb ich meine zweite Rute, Hobelim [Verbindung], in Stücke, um den brüderlichen Bund zwischen Juda und Israel zu zerbrechen. Der HErr sagte zu mir: Nimm nochmals das Gerät des nichtsnutzigen Hirten! Denn Ich lasse einen Hirten im Land auftreten. Um das Vermißte kümmert er sich nicht, das Verlorene sucht er nicht, das Gebrochene heilt er nicht, das Gesunde versorgt er nicht. Stattdessen ißt er das Fleisch der gemästeten Schafe und reißt ihnen die Klauen ab. Weh Meinem nichtsnutzigen Hirten, der die Herde im Stich läßt. Das Schwert über seinen Arm und über sein rechtes Auge! Sein Arm soll völlig verdorren, sein rechtes Auge soll gänzlich erblinden.

Hier ist nur noch von einem Hirten die Rede, und was hier zerbrochen wird, ist der Bund zwischen Israel (dem Gottesstreiter, also auf die Mt-Stelle bezogen wohl Jesus) und Judas.

Kraß, krasser, am krassesten. Aber noch lange nicht genug. Denn es geht weiter:

Töpfergleichnis
Jeremia beobachtet einen Töpfer:

Mißriet das Gefäß, das er in Arbeit hatte, wie es beim Ton in der Hand des Töpfers vorkommen kann, so machte der Töpfer daraus wieder ein anderes Gefäß, ganz wie es ihm gefiel. Da erging an mich das Wort des HErrn: Kann Ich nicht mit euch verfahren wie dieser Töpfer, Haus Israel? Spruch des HErrn. Seht, wie der Ton in der Hand des Töpfers, so seid ihr in Meiner Hand, Haus Israel.

Auch hier kündigt Gott dem Volk Israel an, daß Er jedes Volk oder Reich auch ausreißen und vernichten könne, darauf aber verzichtet, wenn es auf Seine Drohung hin umkehrt. Doch auch umgekehrt reue Ihn das Gute, das Er einem Volk getan habe, wenn es tut, was Ihm mißfällt.

Daher schickt Er Jeremia zum Volk Juda und den Einwohnern Jerusalems mit einer Unheilsbotschaft, die Er nicht auszuführen gedenkt, wenn sie umkehrten. Doch Er weiß bereits, daß sie nicht umkehren werden. Und dann wird’s wieder kraß:

Deshalb spricht der HErr: Fragt unter den Völkern, wer je Ähnliches gehört hat. Ganz Abscheuliches hat die Jungfrau Israel getan. […] Mein Volk aber hat Mich vergessen; nichtigen Götzen bringt es Opfer dar. Doch Ich lasse sie straucheln auf ihren Wegen, den altgewohnten Bahnen, so daß sie auf ungebahnten Pfaden gehen müssen. Ich will ihr Land zu einem Ort des Entsetzens machen, zum Gespött für immer. Jeder, der dort vorbeikommt, wird sich entsetzen und den Kopf schütteln. Wie der Ostwind zerstreue Ich sie vor dem Feind. Ich zeige ihnen den Rücken und nicht das Gesicht am Tag ihres Verderbens.

Das Töpfergleichnis bestätigt die Interpretation des Sacharjabezuges: Auch hier kündigt Gott an, Seinen Bund mit dem Volk zu beenden. Und zwar nicht, weil Er untreu geworden wäre, sondern weil die Menschen Ihm untreu geworden sind. Weil das Volk den Bund gebrochen hat, ist auch Er nicht mehr an Seinen Bund gebunden. (Soviel zur Argumentation, der Alte Bund sei für die Juden immer noch Heilsweg, weil Gottes Treue gegen einen Bruch dieses Bundes stehe. Um es mit Luther [der in diesem Punkt, es ging um die Realpräsenz, ja tatsächlich recht hatte] zu sagen: Streicht mir die Stellen, die das Gegenteil belegen, aus der Bibel, und wir können über alles reden…)

Wie zu erwarten macht das für Jeremia bloß alles noch schlimmer, so daß er sich in seiner Verzweiflung mit einer Art Fluchpsalm an Gott wendet:

Gib du, HErr, Acht auf mich und höre das Gerede meiner Widersacher! Darf man denn Gutes mit Bösem vergelten? Denn sie haben (mir) eine Grube gegraben. Denk daran, wie ich vor Dir stand, um zu ihren Gunsten zu sprechen und Deinen Zorn von ihnen abzuwenden. Darum gib ihre Kinder dem Hunger preis und liefere sie der Gewalt des Schwertes aus! Ihre Frauen sollen der Kinder beraubt und zu Witwen werden, ihre Männer töte die Pest, ihre jungen Männer erschlage das Schwert in der Schlacht. Geschrei soll man hören aus ihren Häusern, wenn Du plötzlich plündernde Horden über sie kommen läßt. Denn sie haben (mir) eine Grube gegraben, um mich zu fangen; meinen Füßen haben sie Schlingen gelegt. Du aber, HErr, Du kennst all ihre Mordpläne gegen mich. Nimm für ihre Schuld keine Sühne an, lösch bei Dir ihre Sünde nicht aus! Laß sie zu Fall kommen vor Deinen Augen, handle an ihnen zur Zeit Deines Zorns!

Diese Stelle auch noch auf die Kreuzigung Jesu zu beziehen, machte zwar deren Gerichtscharakter deutlich, ließe aber keinerlei Hoffnung mehr auf ein gutes Ende. Dann bedeutete der Tod Jesu tatsächlich ein Scheitern Gottes im Werben um den Menschen. Dann wäre der Mensch unrettbar verdammt und dem Herrn dieser Welt ausgeliefert.

Vielleicht ist es diese Überlegung, die Matthäus dazu bewogen hat, vom Töpferacker zu reden, also nicht nur auf das unheilvolle Töpfergleichnis zu verweisen, sondern im selben Atemzug auch auf Jeremias prophetischen Ackerkauf. (Zumal ja auch die Apg von einem Ackerkauf weiß, wenn auch durch Judas selbst.)

Ackerkauf
Die Ausgangslage ist düster: Nebukadnezar belagert Jerusalem, das angekündigte Unheil ist also eingetreten, und Jeremia selbst ist Gefangener des Königs Zidkija. Entsprechend der Vorhersage Gottes kommt in genau dieser düsteren Situation, in der sich alles Unheil verwirklicht, das Jeremia angekündigt hat, ein Cousin Jeremias namens Hanamel und will seinen Acker verkaufen. Hintergrund ist, wie durch den Bezug auf das „Einlösungsrecht“ deutlich wird, daß Hanamel in einer Notlage war (was auf dem Hintergrund des Krieges mit den Babyloniern wohl nicht nur bei ihm so war). Gerade in dieser Situation, in der eigentlich weder für das Land im allgemeinen noch für Jeremia im besonderen eine realistische Hoffnung auf Besserung bestand, kaufte Jeremia dennoch den Acker auf das Wort des HErrn hin — und zwar in aller Öffentlichkeit. Er läßt die Kaufurkunden in Tonkrüge stecken, damit sie lange Zeit erhalten blieben, mit der Begründung:

Denn so spricht der HErr der Heere, der Gott Israels: Man wird wieder Häuser, Äcker und Weinberge kaufen in diesem Land.

Dieser Ackerkauf steht zudem an einer Scharnierstelle im Buch Jeremia: Es ist der Übergang von den unzähligen Unheilsprophetien Jeremias zu den (vergleichsweise wenigen, aber kräftigen) Heilsworten Gottes. Der Ackerkauf bringt als prophetische Handlung zum Ausdruck, was in den folgenden Texten ausdrücklich gesagt wird: Es wird eine Zukunft für das Land und seine Bewohner im allgemeinen sowie Jeremia im besonderen geben.

Siehe, Ich bin der HErr, der Gott aller Sterblichen. Ist Mir denn irgendetwas unmöglich? Darum – so spricht der HErr: Ich gebe diese Stadt in die Hand der Chaldäer und in die Hand Nebukadnezzars, des Königs von Babel, und er wird sie einnehmen. Die Chaldäer, die gegen diese Stadt ankämpfen, werden eindringen, die Stadt in Brand stecken und einäschern samt den Häusern, auf deren Dächern man dem Baal Rauchopfer und fremden Göttern Trankopfer dargebracht hat, um Mich zu erzürnen. Denn die Leute von Israel und Juda haben von Jugend an immer nur das getan, was Mir mißfiel, ja, die Leute von Israel haben Mich durch ihr Verhalten stets nur erzürnt – Spruch des HErrn. In der Tat, diese Stadt hat seit ihrer Gründung bis zum heutigen Tag Meinen Zorn und Grimm erregt, so daß Ich sie von Meinem Angesicht verstoßen muß wegen all des Bösen, das die Leute von Israel und Juda verübt haben, um Mich zu erzürnen, sie, ihre Könige, ihre Beamten, ihre Priester und ihre Propheten, die Leute von Juda und die Einwohner Jerusalems. Sie haben Mir den Rücken zugewandt und nicht das Gesicht. […] Jetzt aber – so spricht der HErr, der Gott Israels, über diese Stadt, von der ihr sagt, sie sei durch Schwert, Hunger und Pest dem König von Babel preisgegeben: Seht, ich sammle sie aus allen Ländern, wohin ich sie in Meinem Zorn und Grimm und in großem Groll versprengt habe. Ich bringe sie wieder zurück an diesen Ort und lasse sie in Sicherheit wohnen. Sie werden Mein Volk sein und Ich werde ihr Gott sein. Ich bringe sie dazu, nur eines im Sinn zu haben und nur eines zu erstreben: Mich alle Tage zu fürchten, ihnen und ihren Nachkommen zum Heil. Ich schließe mit ihnen einen ewigen Bund, daß Ich Mich nicht von ihnen abwenden will, sondern ihnen Gutes erweise. Ich lege ihnen die Furcht vor Mir ins Herz, damit sie nicht von Mir weichen. Ich werde Mich über sie freuen, wenn Ich ihnen Gutes erweise. In Meiner Treue pflanze Ich sie ein in diesem Land, aus ganzem Herzen und aus ganzer Seele. Denn so spricht der HErr: Wie Ich über dieses Volk all das große Unheil gebracht habe, so bringe Ich über sie all das Gute, das Ich ihnen verspreche. Man wird wieder Felder kaufen in diesem Land, von dem ihr sagt: Es ist eine Wüste, ohne Mensch und Vieh, der Hand der Chaldäer preisgegeben. Äcker wird man wieder kaufen für Geld, Kaufurkunden ausstellen und versiegeln und Zeugen hinzunehmen im Land Benjamin, in der Umgebung Jerusalems, in den Städten Judas und des Gebirges, in den Städten der Schefela und des Negeb. Denn Ich wende ihr Geschick – Spruch des HErrn. (Jer 32, 27-33.36-44)

Gott kündigt also an, daß er das Unheil vollstrecken, den Bund als beendet ansehen wird, wie im Töpfergleichnis und anderswo angekündigt (man beachte den Verweis auf Rücken und Gesicht — ius talionis…). Aber Er kündigt zugleich einen neuen, ewigen Bund an, den Er schließen wird und in dem Er die Menschen mit allen Mitteln ausstatten wird, die sie brauchen, um gottesfürchtig zu sein und zu bleiben.

Der knappe Jeremiabezug in der Perikope vom Ende des Judas bei Matthäus deutet also in großer Tiefe die bevorstehende Passion, und es sind gerade diejenigen, die die Schuld an Jesu Kreuzestod haben, die in ihren Handlungen unwissentlich prophetisch deuten, was im folgenden auf einer tieferen, geistigen und metaphysischen Ebene passieren wird.

In dieser Interpretation erscheint dann der Bezug auf die Exodusstelle auch nicht mehr allein als zufällig. Es könnte durchaus sein, daß Matthäus auch an die Plagen in Ägypten dachte, an das Unheil, das der verstockte Pharao als Führer über sein Volk brachte (wie die Hohenpriester über ihr Volk), die zugleich die Voraussetzung für die Befreiung des Volkes Israel aus der Knechtschaft waren. Nicht umsonst ist der Durchzug durchs Rote Meer die einzige Lesung der Osternacht, die niemals und unter keinen Umständen entfallen darf. (Was leider nicht heißt, daß man sich auch daran hielte. Mir erklärte ein emeritierter Theologieprofessor mal, angesichts des Nahostkonflikts könne er diese Lesung gerade in der Osternacht nicht ertragen und habe daher in seiner Gemeinde durchgesetzt, daß sie nicht gelesen werde. *facepalm*)

Diese unscheinbare und in ihrer Ausführlichkeit geradezu irritierende, störende Stelle hat es theologisch also in sich.

Und, wie Dorothea es so treffend auf den Punkt brachte, „da man schließlich so etwas heute einzeln erklären muß„: Matthäus ist selbst Jude und er schreibt, so der weitgehende Konsens der Exegeten, für eine judenchristliche Gemeinde. Es geht hier also nicht darum, antijüdische Gefühle zu wecken und sie pauschal zu Gottesmördern zu erklären. Nein, es geht um viel mehr, wie schon die Rede von Völkern und Reichen bei Jeremia und vom „Bund, den ich mit allen Völkern geschlossen hatte“ bei Sacharja zum Ausdruck bringen. Es geht darum, daß der Mensch von sich aus selbst im Alten Bund nicht in der Lage war, Gott (dauerhaft) zu fürchten und seinen Gesetzen entsprechend zu leben. Der Alte Bund, das Gesetz konnte nur die Sünde als Sünde offenbar machen, wie Paulus schreibt (Röm 2-8, v.a. Röm 7). Das jüdische Volk steht also erkennbar pars pro toto für die Menschheit.

Über meinem Blog steht: „In ipsa item catholica ecclesia magnopere curandum est, ut id teneamus, quod ubique, quod semper, quod ab omnibus creditum est.“ Der geneigte Leser wird sich wohl die Quelle dieses „Kanons“ angesichts des „Commonitoria“ (commonitorium.blogspot.com war schon besetzt und außerdem spricht Vinzenz ja selbst von zwei Mahnbüchern, von denen aber der zweite Teil schon ihm selbst gestohlen worden sein soll) und des Bloggernamens „Vincentius Lerinensis“ zumindest ergoogeln können. Allerdings möchte ich dann doch mal darauf hinweisen, daß ich mich damit nicht selbst schubladisieren will. Auf der einen Seite hat mich ein wenig der Schalk geritten, als ich auf diese Idee kam, zum anderen hatte ich schon seit meiner Diplomarbeit die passende E-Mail-Adresse.

Vor allem aber bin ich seit der tiefergehenden Beschäftigung damals (freundlich ausgedrückt:) erstaunt, wie wenig der Vinzenz wirklich gelsen wurde und wird. Irgendwas mal über ihn gehört haben viele, besonders in konservativeren Gruppen kann man auch den sogenannten Kanon zitieren. Aber nur aus dem Zusammenhang gerissen! Denn er erscheint ja auf den ersten Blick so klar und verständlich, weil er so knackig formuliert ist.

Aber es fängt schon mit der Reihenfolge der Einzelkriterien an. Erst seit knapp 200 Jahren wird der sogenannte Kanon als das, was „immer, überall, von allen“ geglaubt wurde, zitiert. Steht aber gar nicht da, und das ist wichtig! Wie Vinzenz nämlich in den folgenden Kapitel ausführt, ist der Kanon nicht kumulativ, sondern sukzessiv zu verstehen. Das heißt: Erst wenn das erste Kriterium nicht reicht, kommt das zweite ins Spiel, und das dritte interessiert erst, wenn die ersten beiden versagt haben. Richtig heißt es: „überall, immer, von allen“.

Relevant werden diese Kriterien überhaupt erst dann, wenn eine Lehre in ihrer Rechtgläubigkeit umstritten ist. Normalerweise reiche zwar die Schrift vollkommen aus, aber leider hätten sich auch die Irrlehrer immer wieder auf die Schrift bezogen und besonders gerne schwer verständliche Stellen zur Begründung ihrer Lehre angeführt, indem sie sie in ihrem Sinne auslegten. Daher bedürfe es der kirchlichen Auslegung der Schrift, und wie man diese feststellt, dazu solle der Kanon dienen: Zunächst sei nach der einmütigen Lehre der Kirche in der Gegenwart zu fragen („überall“). Ist diese nicht eindeutig festzustellen, dann müsse „das Altertum“ befragt werden, wobei Vinzenz mit „Altertum“ die Zeit meint, bevor die umstrittene Lehre aufkam („immer“). Ist aber auch aus „dem Altertum“ keine eindeutige Sicht auf die umstrittene Lehre zu gewinnen, dann müsse man nach einem Konzilsentscheid in dieser Frage suchen, und falls es den nicht gibt, müsse man wohl oder übel die Kirchenväter der Reihe nach durchgehen („von allen“).

Für uns heute ist diese Frage sehr viel einfacher zu bearbeiten. Anders als Vinzenz haben wir es heute relativ einfach, die verläßliche Lehre der Kirche zu bestimmen (Katechismus, vergleichsweise leicht zugänglich lehramtliche Äußerungen). Und damit könnte man es dann auch bewenden lassen, denn nach Vinzenz‘ Kriteriologie ist die Sache eigentlich erledigt.

Eigentlich: Wenn da nicht die Merkwüdigkeit wäre, daß Vinzenz seine Dreiteilung nicht bis zum Ende durchhält, ja bereits bei der ersten Erläuterung das „ab omnibus“-Kriterium selbst noch einmal teilt, und bei genauerer Betrachtung seine eigentliche Kreativität nicht auf den „Kanon“, sondern auf den Fortschritt verwendet hat. Ein Großteil des Commonitoriums ist nämlich völlig frei von eigenen Gedanken Vinzenz‘, nur die griffige Formulierung geht auf ihn zurück (der Rest steht schon bei Tertullian und Irenäus von Lyon), praktisch ohne traditionsgeschichtlichen Vorläufer ist aber das Kapitel 23.

Dieses Kapitel 23 behandelt die Frage, ob es unter den Voraussetzungen des „Kanons“ überhaupt eine Entwicklung geben könne, oder ob immer alles beim Alten bleiben müsse. Vinzenz verneint diese Frage. Es gäbe sehr wohl Entwicklung, ja sogar echten Fortschritt in der Lehre, nur dürfe diese nicht einen Bruch mit der früheren Lehre darstellen, sondern ein natürliches Wachstum bereits angelegter Samen darstellen. Ausgerechnet diese Stelle ist auch die einzige, die jemals höchstlehramtlich zitiert wurde, nämlich durch das I. Vatikanische Konzil.

Wat also sacht uns dit janze? Das eigentliche Kriterium für Vinzenz war, so scheint es, die wesentliche Übereinstimmung der gegenwärtigen Lehre mit dem Ursprung, und wie diese Übereinstimmung dem Wesen nach bestimmt werden kann, verrät weniger der Kanon als vielmehr die Anwendungsbeispiele im Commonitorium selbst: Treue zur Kirche aller Zeiten. Als ich darüber meine Diplomarbeit geschrieben habe (2004), hatte ich noch nicht viel von einer Hermeneutik der Kontinuität gehört. Aber eigentlich ist das genau das, was Vinzenz in seinem Commonitorium entwickelt.

  1. Frauenordination und Zölibat liegen theologisch auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Die Diskussion über ihre jeweilige Berechtigung, Möglichkeit und Nützlichkeit muß getrennt geführt werden.
  2. Gemeinsam ist ihnen beiden aber, daß über sie bereits alles gesagt ist. Nur vielleicht noch nicht von jedem. (Wobei ich an letzterem zu zweifeln beginne…)
  3. Über die Frauenordination wurde bereits zwei Jahrzehnte diskutiert lang diskutiert, als Papst Johannes Paul II. unter Berücksichtigung der Fachdiskussion 1994 die als endgültig zu haltende Entscheidung verkündete, daß die Kirche keine Vollmacht habe, Frauen zu Priestern zu weihen.
  4. Diese Lehre wurde einmütig von allen nachkonziliaren Päpsten vertreten und kann sich auf eine ungebrochene Tradition von alters her berufen.
  5. Das Argument, daß Jesus aus rein zeitgebundenen Gründen nur Männer als Priester eingesetzt hat, verblaßt, wenn man sich die Formulierung genau ansieht: Die Kirche hat keine Vollmacht Frauen zu Priestern zu weihen.
  6. Das Wörtchen Vollmacht deutet auf den entscheidenden Aspekt hin: Bei der Priesterweihe handelt es sich um ein Sakrament.
  7. Sakramente sind von Christus eingesetzte Heilsmittel. Es gibt sie außschließlich aufgrund dieser Einsetzung.
  8. Nicht die Kirche spendet die Priesterweihe, sondern Christus durch die Hand Seines dazu von Ihm bevollmächtigten Bischofs. Der Bischof kann daher nur tun, wozu ihn Christus Selbst eingesetzt hat.
  9. Daher kann die Kirche nur die Menschen zu Priestern weihen, die gemäß der Einsetzung des Sakraments durch Christus fähig sind, die Weihe zu empfangen.
  10. Wenn es also keine ausdrückliche Bevollmächtigung zur Weihe von Frauen gibt — was ganz offensichtlich der Fall ist, sonst müßte man ja nicht argumentieren, Christus habe sich hier allein nach den damaligen Konventionen gerichtet –, kann niemand eine Frau zum Priester weihen, da es Christus Selbst tun müßte.
  11. Selbst wenn sich also Christus bei der Einsetzung der Priesterweihe aus Rücksicht auf damalige gesellschaftliche Konventionen — welch absurde Vorstellung, haben die Frauen in Seiner Nachfolge doch eine geradezu skandalöse Rolle gespielt! — auf Männer beschränkt hätte, wäre diese Beschränkung für uns immer noch bindend. Die Motive sind uns nicht nur erkenntnistheoretisch entzogen, sie sind für uns auch völlig irrelevant: Wir haben die Sakramente nicht eingesetzt, wir können auch nicht nach Belieben über sie verfügen.
  12. Die Kirche kann zwar unter Umständen weitere Bedingungen für den Sakramentenempfang aufstellen und ihre Spendung verweigern, insbesondere bei individuell nicht heilsnotwendigen Sakramenten wie der Priesterweihe, aber sie kann die von Christus gemachten Einschränkungen nicht aufheben.
  13. Täte sie es, setzte sie sich über die fehlende Vollmacht hinweg und versuchte Frauen zu Priestern zu weihen, dann passierte schlicht und ergreifend — gar nichts!
  14. Es gäbe dann mit kirchlicher Autorität vermeintlich geweihte Priesterinnen, die scheinbar in persona Christi handeln könnten, tatsächlich aber nicht geweiht wären, weil Christus Sich zwar in Seiner Freiheit eingeschränkt und an die kirchliche Handlung gebunden hat (also nicht an der Kirche vorbei weiht), sich aber durch nichts und niemanden zwingen lassen kann, das Sakrament nach Lust und Laune der Kirche auszuweiten (also die Kirche nicht ohne Christus weihen kann).
  15. Das wäre das Ende des Weihepriestertums. Spätestens wenn Frauen auch zu Bischöfen geweiht werden, könnte niemand mehr sicher sein, ob der PriesterIn da vorne tatsächlich Priester Jesu Christi ist oder nicht. Wer Sakramente von diesen SimulationspriesterInnen „gespendet“ bekäme, hätte sie tatsächlich nicht empfangen.
  16. Wer Frauen ordinieren will, kann daher konsequenterweise nur das Weihepriestertum abschaffen.
  17. Daher gehört die Unmöglichkeit der Priesterweihe von Frauen tatsächlich zum unaufgebbaren Kern des christlichen Glaubens. Denn diese Frage betrifft tatsächlich, wie es Johannes Paul II. formulierte, „die göttliche Verfassung der Kirche selbst“.

Als ob ich es mit meinem gestrigen Posting beschworen hätte, erreichte mich heute über Facebook folgendes Video mit der Bitte, die Fragen des Anrufers richtig zu stellen (Achtung! Massive Kopf-Tischkanten-Gefahr):

Eigentlich kann ich an den Fragen des Anrufers nichts richtigstellen. Die Fragen sind an sich richtig. Nur der Typ am Mikro redet sich um Kopf und Kragen (um das festzustellen reichen 45 Sekunden) und kann sie nicht adäquat beantworten.

Man muß ihm zwar zugute halten, daß auch alles, was ich im folgenden an theologischen Überlegungen wiedergebe, kein exaktes Wissen ist, sondern nur die Demonstration der Denkmöglichkeit dessen, was in der Bibel beschrieben wird. D.h. es muß nicht so sein, wie es sich die Theologie zu erklären versucht (wer hat schon Gott je gesehen?), aber das, was wir glauben, kann logisch widerspruchsfrei gedacht werden. Doch als Katholik kriege ich die Krise bei einem solch naiven Biblizismus, wie er hier zum Ausdruck kommt.

Zum Schriftverständnis

Nach katholischer Lehre ist die Bibel im Kontext ihrer Auslegung durch Raum und Zeit zu lesen. Diesen Kontext nennen wir Tradition und verstehen ihn als gleichrangige Offenbarunggsquelle. Entscheidend ist nicht, was da in der Bibel steht, sondern was in Jesus Christus geschehen ist. Deswegen spricht der Papst auch ständig davon, daß das Christentum keine Buchreligion sei. Im Gegensatz zum Koran ist die Bibel nicht selbst unmittelbar von Gott offenbart, sondern Menschen haben sie als Zeugnis von der Selbstoffenbarung Gottes verfaßt, wenngleich wir glauben, daß sie durch den Beistand Gottes daran gehindert wurden, völligen Schwachfug zu schreiben.

Zur Trinität:

Drei Personen, zwei Hervorgänge, ein Gott. Ein Gott in drei Personen, das heißt jede Person ist ganz Gott, aber eben nur in den Beziehungen zu den anderen Personen; d.h. die Person für sich wäre nicht Gott, wenn sie nicht mit den anderen beiden Personen in Beziehung stünde. Denn in Gott gibt es zwei Hervorgänge: Der Sohn geht aus dem Vater hervor, und der Heilige Geist geht aus dem Vater und dem Sohn hervor. Diese zwei Hervorgänge etablieren die drei Personen: Der Vater wäre nicht der Vater, wenn aus Ihm nicht der Sohn und der Heilige Geist hervorgingen; der Sohn wäre nicht der Sohn, wenn Er nicht aus dem Vater hervorginge und der Heilige Geist aus Ihm hervorginge; und der Heilige Geist wäre nicht der Heilige Geist, wenn er nicht aus dem Vater und dem Sohn hervorginge.

Oder einfacher gesagt: Als Christ glaube ich an einen Gott, der in sich Beziehung, reine, selbstlose Liebe ist. Im Islam hat Gott nur Beziehungen zu seinen Geschöpfen. Aus christlicher Perspektive ist dieses Gottesbild nicht vollkommen, weil Gott hier auf die Beziehung zu seinen Geschöpfen angewiesen ist. Daraus ergibt sich auch eine ganz andere Gottesbeziehung, nämlich (um es mal drastisch auszudrücken) die zwischen Herr und Sklave.

Im Christentum ist diese Beziehung mehr. Auch hier gilt zwar: die Beziehung zwischen dem Schöpfer und Seinem Geschöpf ist durch eine unendliche Unterschiedlichkeit geprägt, wir stehen selbstverständlich auch nicht auf einer Ebene mit Gott. Aber sie ist — durch Jesus Christus — mehr:

„Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe.“ (Joh 15,15)

Mit anderen Worten: Durch die Menschwerdung des Sohnes läßt Gott den Menschen an Seinem Wesen, das eben in Beziehung, in Liebe besteht, teilhaben — und zwar gnadenhalber. Der Mensch hat weder einen Anspruch noch von sich aus eine Möglichkeit, an dieser Liebe teilzuhaben, sondern muß sich diese Vergöttlichung schenken lassen.

Zum Kreuz:

Jesus Christus war wahrer Gott und wahrer Mensch, da kommt also noch mehr dazu als nur Gott. Zwar sagt man auch, daß Gott am Kreuz gestorben ist, aber da Gott nicht sterben kann (er ist ewig), ist das keine exakte, sondern eine analoge Aussage: Insofern in Jesus Christus der Sohn Mariens und der Sohn Gottes eins sind, kann man von der zweiten göttlichen Person (und damit, s.o., von Gott selbst) sagen, daß sie (und damit Er) in Jesus Christus am Kreuz gestorben ist. Zu sagen, wenn Gott tot ist, dann hätte doch die Welt aufhören müssen zu existieren, setzt Zeitlichkeit in Gott voraus.

Auch hätte Jesus sich machtvoll der Kreuzigung wiedersetzen können. Aber wie hätte das mit Seinem Auftrag zusammengepaßt, den Menschen die Liebe Gottes (s.o.: Kenchte oder Freunde) zu bringen?

Zur Sündenvergebung

Ja, er ist für unsere Sünden gestorben, und ja, auch die Juden, die ihn ans Kreuz gebracht haben, können gerade durch das Kreuz ins Paradies gelangen — aber nicht automatisch, sondern eben durch Annahme des Geschenkes (s.o.). Christus war zu den Juden als Volk gesandt. Trotz einigen Erfolgs hat sich auch ein Teil des Volkes, vor allem die Führungsriege, dieser Sendung widersetzt. Daher ist das Kreuz sozusagen der Plan B Gottes — wie das Geschenk dennoch zu den Menschen, jetzt aber nicht mehr durch die Zugehörigkeit zum jüdischen Volk, sondern durch die individuelle Annahme des Geschenks in der Taufe, die ein Mitgekreuzigt- und Mitauferstehen mit Christus ist (also genau jene Vergöttlichung durch das Geschenk der Liebe).

Gott liebt jeden Menschen. Das heißt aber nicht, daß Er alles liebt, was der Mensch tut. Gott haßt die Sünde, die im Kern eine Abwendung von Gott ist. Insofern kann man auch sagen, daß Gott den Sünder haßt, insofern und so weit er die Sünde tut, aber ihn liebt, insofern er Sein Geschöpf ist. Gerettet werden kann, wer sich seine Schuld durch Gott vergeben läßt.

Zum alttestamentarischen Gesetz

a) Die Kultgesetze (Reinheits- und Opfervorschriften) sind durch Christus aufgehoben. Das Kreuzesofper (und seine unblutige Vergegenwärtigung in der Messe) haben den mosaischen Kult ersetzt.

b) Die Kollektivgesetze (also die, die das zusammenleben des Volkes Gottes regeln) haben durch die Schaffung des neuen Volkes Gottes (durch das Kreuz: s.o., nicht mehr die Zugehörigkeit zum jüdischen Volk, sondern die Annahme des Kreuzes ist entscheidend) ihre Grundlage verloren. Hier gehören auch die Strafvorschriften (Wer seine Mutter schlägt, soll des Todes sein) hin. Sie haben aber als Hinweis auf die Folgen der Sünde nach wie vor ihre Funktion („soll des Todes sein“ nicht als Strafvorschrift verstanden, die durch den Menschen umgesetzt werden soll, sondern als Hinweis auf die Folge der Sünde, die einfach unmittelbar aus dem Tun selbst geschieht: die Trennung von Gott, die nach der Offenbarung des Johannes „der zweite Tod“ ist, der ewige, die Tradition nennt diesen Ort der ewigen Gottesferne die Hölle).

c) Die Individualvorschriften wie die 10 Gebote gelten nach wie vor weiter, sind aber in Bergpredigt und Liebesgebot auf eine neue Ebene gehoben. Es geht nicht darum, ihren Wortlaut zu erfüllen, sondern ihren Sinn, der sich eben nicht in der Erfüllung ihrer Minimalforderung erschöpft, sondern eher maximal zu verstehen ist — wie eben in der Bergpredigt:

„Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist: Du sollst nicht töten; wer aber jemand tötet, soll dem Gericht verfallen sein. Ich aber sage euch: Jeder, der seinem Bruder auch nur zürnt, soll dem Gericht verfallen sein; und wer zu seinem Bruder sagt: Du Dummkopf!, soll dem Spruch des Hohen Rates verfallen sein; wer aber zu ihm sagt: Du (gottloser) Narr!, soll dem Feuer der Hölle verfallen sein.“ (Mt 5,21f.)

Zum Peter-Jürgen-Scheiß am Ende

Peter ist auch Peter ohne Jürgen und Jürgen ist Jürgen ohne Peter. Aber Gott Vater ist nicht Gott Vater ohne Gott Sohn und ohne Gott, den Heiligen Geist. Gott Vater ist nicht Gott Sohn und Gott Sohn nicht Gott Vater und Gott der Heilige Geist ist nicht Gott Vater und auch nicht Gott Sohn. Sie alle sind Gott. Der eine nicht ohn den anderen, aber jeder ist in seiner Beziehung zu den anderen beiden ganz Gott. Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich.

Fazit

Drum sei mir dieses geguttenbergte Zitat erlaubt: Roses are gay, violets are gayer, fuck this bullshit and listen to Slayer. Die haben wenigstens mehr Niveau.

Irgendwann in den nächsten zwei bis drei Jahren dürfte ich mein zwanzigjähriges Internetjubiläum haben. Am Anfang war es ein großes Spielzeug, eine Möglichkeit, andere Bekloppte kennenzulernen, was bei mir damals eher mit Al Bundy als mit Jesus Christus zu tun hatte… Richtig spannend wurde es erst nach der Entdeckung des Usenets (Foren waren mir mit ’nem Modem einfach zu langsam, und umständlich finde ich sie heute noch; bei den sozialen Netzwerken fehlt mir das „hierarchische Element“ ;-). Und damit begann auch mein „Beklopptheitswandel“ zu mehr Glaubensdiskussionen.

Meine Erfahrung war ziemlich schnell, vor allem in der Auseinandersetzung mit Freikirchlern, daß es uns Katholiken zum einen ganz mächtig an Faktenwissen mangelt, zum anderen aber an einer spezifischen Katholiziät in der Argumentation. Wenn ich mich auf eine Diskussion mit einem Freikirchler einlasse, ohne mir bewußt zu sein, daß ich seine Voraussetzung der rein biblischen Argumentation nicht teile, dann habe ich früher oder später das Problem, daß ich ihm die katholische Lehre nicht erklären und schon gar nicht begründen kann. Denn ich argumentiere ja gar nicht katholisch, sondern freikirchlich. Wie soll da also was Katholisches bei rumkommen? Zum Glück gab es da immer auch ein paar besonders „Bekloppte“, die genau diese Diskrepanz thematisierten: „Klar, unter deinen Voraussetzungen kann man das gar nicht anders denken. Aber wir Katholiken haben andere Voraussetzungen. Und daß nur die Schrift allein zähle, läßt sich mit ihr selbst gar nicht begründen. Wohl aber die Tradition, denn die ist älter.“

In den Folgejahren habe ich das dann anzuwenden versucht. Die neue Erfahrung war: Wenn man wirklich von den Grundlagen bis zu den Details katholisch argumentiert, erreicht man zwar nicht unbedingt Zustimmung, schon gar nicht existentielle, aber doch selbst von bekennenden Atheisten Respekt für die (wider Erwarten?) vorhandene innere Logik des christlichen (katholischen) Glaubens. Und manchmal auch mehr.

Reißt man aber auch nur an einer kleinen, nach der Hierarchie der Wahrheiten vermeintlich unbedeutenden Stelle ein notwendiges Element der Lehre heraus, bricht über kurz oder lang das ganze, über knapp 2000 Jahre sorgsam austarrierte Gebäude zusammen. Eine Zeitlang wird man mit wilden Stützbauten den Zusammenbruch noch aufhalten können, aber für diese Stützbauten muß man weitere tragende Elemente abtragen, die dann ihrerseits Stützbauten brauchen. Schließlich werden diese Stützbauten aber nicht mehr auf dem tragenden Fundament stehen, das Christus selbst ist. Spätestens dann wird einem die ganze Bautätigkeit um die Ohren fliegen.

Liegt also die gegenwärtige Schwäche der katholischen Kirche (im deutschsprachigen Raum) zu einem nicht ganz unwesentlichen Teil nicht daran, daß schon die Grundlagen nicht bekannt sind und intuitiv eher protestantisierende Selbstverständlichkeiten für katholisch gehalten werden? Erst kürzlich hatte ich eine Diskussion in eigentlich bewußt-katholischem Kontext. Die Mitdiskutanten haben den Vorwurf des Protestantisierens entrüstet von sich gewiesen. Und doch lief da immer untergründig so eine unkatholische „Fortschrittsfeindlichkeit“ mit, nach der eine Lehre, die erst im Mittelalter entstand und heute nochmals ganz anders ausehe als zu ihrer Entstehung, ja nicht so wichtig sein kann. Tja, und es kam wie es kommen mußte: Nachdem diese Lehre über Bord gegangen war, wurden auch gleich weitere Lehren, mit denen ich argumentieren wollte, als offenbar „nicht mehr zeitgemäß“ (oder so) abgelehnt. „Ad Fontes“ in allen Ehren — aber wo bleibt da der „Geist, der uns in alle Wahrheit einführen wird“?

Mich macht das immer ein wenig traurig. So wird das jedenfalls nichts mit der Neuevangelisierung…