Da ich neugierig bin und gerne wisse, mit wem ich es zu tun habe, versuche ich regelmäßig herauszubekommen, worüber ein „Dr.“ eigentlich promoviert wurde. In der Deutschen Nationalbibliographie wird man in der Regel fündig. Manchmal ist das Ergebnis witzig, meistens mehr oder weniger uniteressant, aber zumindest schonmal für eine Grobkategorisierung tauglich.
Was mich jetzt in den letzten Wochen erstaunt hat: In den meisten katholischen Einrichtungen landauf landab scheinen fast ausschließlich Exegeten zu sitzen, zumindest was die Laien angeht (insbesondere Ordensleute können sich ja auch nicht immer aussuchen, in welchem Fach sie promovieren). Dabei werden die meisten theologischen Dissertationen in den systematischen Fächern (mit deutlichem Abstand vorne: Dogmatik) abgefaßt, während in AT in einigen Jahren voraussichtlich kaum noch ordnungsgemäße Berufungsverfahren möglich sein werden.
Es mag ja sein, daß meine Stichproben schlicht nicht repräsentativ sind. Ich berichte hier ja nur von meinem subjektiven Eindruck. Aber merkwürdig finde ich das schon. Was machen eigentlich die ganzen praktischen Theologen? Was die Systematiker? Gibt es in der Deutschen Kirche ein Kastenwesen? Systematisker an die Uni, Pastoraltheologen an die Front und Exegeten in die kirchliche Verwaltung?!
Das würde bedeuten: Die Systematiker denken sich auf Basis des Deutschen Idealismus (oder neuerdings des, meist leider nur unzureichend, weil nicht in seinem anti-ontologischen, rein immanent-soziologischen Anspruch verstandenen, französischen Poststrukturalismus) was Tolles[tm] aus, was die Exegeten in der Verwaltung dann entmythologisierend (wir können doch nicht Computer benutzen und an einen personalen Gott glauben!) historisch-kritisch interpretieren (was wollte der Dogmatiker welcher konkreten Gemeinde sagen, wie können wir diese Gemeinde anhand der uns vorliegenden Textfragmente rekonstruieren und was heißt das allgemein für Kirche in anderen Situationen?) und in eine Dienstanweisung übersetzen, die dann die Pastis total betroffen heideggersch–phänomenologisch interpretieren und mit um die gestaltete Mitte (einst als Altar bekannt) gruppierten mündigen Christen nach Gutdünken ausführen, sofern sie was Politisch-Moralisierendes draus machen können. – Was im Umkehrschluß bedeutet: Am Ende kommt zwar eine vergreisende entmythologisierte-politisierte Philosophie (wenn ich böse wäre: weltimmanente Gnosis), aber keine Glaubenspraxis heraus.
Vielleicht bin ich ja nur paranoid, aber selbst das hieße ja nicht, daß sie nicht hinter mir her sind…
[Update: Wie ich gerade erfahren habe, tut man an deutschen theologischen Fakultäten auch alles, um die wenigen verbliebenen Wissenschaftler unter den Exegeten auch noch in die Verwaltung zu verdrängen. In Münster sind beide Exegetenprofessuren (AT, NT) ausgeschrieben, in beiden Fällen nur mit W2 (aber immerhin wird AT mit einem Priester besetzt werden), während die Fundamentaltheologie mit W3 ausgeschrieben ist. Verrückt. Die könnten ja mal bei der Fakultät nachfragen, die seit knapp zehn Jahren die W2-Professur für alte Kirchengeschichte und Patrologie nicht dauerhaft besetzen kann, weil die wenigen Patrologen, die es noch gibt, sich nicht unter Wert verkaufen wollen…]
Leider keine Realsatire, sondern durchdachte Analyse der Realität.
Gruß von Dr. Paria
Och, da haben es die beiden Professoren in Münster ja nicht lange ausgehalten. Da war wohl noch lange der Übervater Zenger im Spiel, was?
Was Deine Erwähnung zum Einsatz eines Priesters anbelangt: Bei der Besetzung des anderen NT-Lehrstuhls in Münster sollte es auch unbedingt ein Priester sein, obwohl ein Laie, der sich auch auf die Stelle beworben hatte, durchaus dafür geeignet schien. Nun hat die Professur ein Priester inne, der nicht an die Realpräsenz glaubt und die Jungfrauengeburt in den Bereich der Mythen verbannt.
Ich finde es allgemein bedenklich, wie wenige Priester noch unter den Theologieprofessoren sind. Natürlich gibt es lausige Priester und brilliante Laien unter den Theologen. Das Problem ist doch aber: Irgendwo muß doch das Lehramt der Kirche herkommen. Wenn kaum noch Priester Theologie lehren, gibt es auch kaum noch Theologieprofessoren, die als Bischof in Frage kommen. Im Umkehrschluß sind dann immer weniger Bischöfe (und damit Vertreter des ordentlichen Lehramtes) durch die Tiefen der Theologie gegangen.
Gut, könnte man unter gegenwärtigen Umständen vielleicht sogar besser finden, bessert aber die Gesamtsituation nicht, in der sich Lehramt und Theologie von einander entfernen. Ganz übel ist doch heute, als Theologe auf Linie des Lehramtes zu liegen. Da bräuchtest du dir zwar keine Sorgen ums Nihil obstat zu machen — aber du wirst auch nie in die Gefahr geraten, ein solches zu brauchen, weil du in der Theologie nicht den richtigen "Stallgeruch" hast…