Nachdem ich es schon seit drei, vier Jahren vor hatte und die DVD auch schon seit zwei Monaten bei mir rumstand, habe ich jetzt endlich mal „The Exorcist“ geguckt. Irgendwann während meiner Diss wurde mir bewußt, daß nicht nur ein Gutteil textlicher Inhalte des Metals aus Horrorfilmen stammt, sondern daß es auch eine ästhetische Verwandtschaft zwischen beidem gibt, die bis hin zur Wirkung auf den Zuhörer/Zuschauer geht. Das habe ich zwar damals nicht weiter vertieft, trotzdem wäre es mal spannend, der Frage nachzugehen, wie der Metal es mit musikalischen Mitteln schafft, eine ähnliche Wirkung hervorzurufen wie die Filme, die mit der Kombination aus Bildern und Tönen es wesentlich einfacher haben müßten, bestimmte Emotionen hervorzurufen.
Haben müßten. Während ich den Film gesehen habe, kam mir spontan ein Dialog aus Monty Pythons Spanish Inquisition-Sketch in den Sinn: „Is that really all it is?“ — „Yes, lord.“ — „I see. I suppose we make it worse by shouting a lot.“ In der ersten halben Stunde — das ist ein gutes Viertel des Films — passiert so gut wie gar nichts. Sie ist reine Exposition und dafür viel zu lang geraten, zumal einiges von dort später keine Rolle mehr spielt, ich mich also gefragt habe, was mir diese Szenen eigentlich sagen sollten. Nach 23 Minuten kam immerhin mal ein Ouija-Bord vor, aber wie auch später — mit Ausnahme des tatsächlichen Exorzismus am Ende des Films — gibt es hier eine ganz kurze Andeutung, dann geht es im normalen Alltag weiter. Die kurzen Phasen, in denen die Besessenheit dargestellt wird, bestehen vor allem aus schreienden Frauen. Super. Ist wie im Blair Whitch Project: Ohne Ton (unfreiwillig) komisch, aber ganz sicher nicht ängstigend.
Es mag sein, daß der Film Anfang der 70er wirklich kraß war. Sprachlich bestimmt. Keine Ahnung, wie das auf Deutsch ist, auf Englisch ist in den Besessenheitsphasen großzügig geschätzt jedes zweite Wort ein „Four-Letter-Word“. Nicht nur das mit „f“, sondern gleich mehrere mit „c“ und eines mit „s“, die allesamt aus derselben subabdominalen Gegend stammen. Wie überhaupt die Besessenheit vor allem was mit Sexualität zu tun haben scheint.
Es ist zwar nicht ganz fair, einen neueren Film gegen einen älteren auszuspielen, nur weil ich ihn früher gesehen habe, trotzdem fand ich „The Ritual“ besser als „The Exorcist“. Obwohl die Parallelen (bis hin zu den Gründen der Entstehung und dem Aufbau auf einer realen Geschichte) unübersehbar sind, ist beim „Ritual“ alles besser: Das Drehbuch, der Schnitt, die Spannung, die Darstellung der Besessenheit, ja, die ganze Story. Der „Exorzist“ ist irgendwie komisch „objektiv“, das heißt: Er bietet überhaupt keine Identifikationspersonen. Es ist nicht einmal klar, wer eigentlich die Hauptrolle hat. Die besessene Regan? Ihre Mutter? Father Karras? Aber warum heißt der Film dann „The Exorcist“? Der Exorzist ist vielmehr Father Merrin, der nur am Anfang und am Ende des Filmes vorkommt, für mich aber noch am ehesten zur Identifikationsfigur getaugt hätte — wenn er denn mehr Anteil am Film gehabt hätte. Im wesentlichen ist er nur am Anfang auf seiner Ausgrabungsstätte zu sehen und am Ende beim Exorzismus. Ok, er hält damit tatsächlich den Film als ganzes zusammen, aber auch nur so weit, daß er nicht in Fragmente gesprengt wird.
Aber immerhin weiß ich jetzt, woher Marduk das „Fuck me, Jesus“-Motiv haben und daß der Anfang von Possesseds „The Exorcist“ Mike Oldfields „Tubular Bells“ ist, m.a.W.: Das einzige einprägsame musikalische Motiv im ganzen Film (also selbst die Musik ist allenfalls durchschnittlich). Warum der Film das Prädikat „besonders wertvoll“ bekommen haben soll, ist mir ein Rätsel, genauso warum manch einer der Kommentatoren im Internet meint, wenn nicht dieser, welcher Film sollte dann FSK 18 sein. Ich gehe da eher mit dem in der Wikipedia zitierten Everson:
Man kann nicht bestreiten, dass „The Exorcist“ ein Publikum wirklich mitreißt; und trotzdem ist es ein billiger und minderwertiger Film – häufig ungeheuer plump in seiner Unfähigkeit, auch nur glatte Szenenanschlüsse zustandezubringen […]. Trotz all seines Hokuspokus gelingt es „The Exorcist“ nicht, den Teufel fürchterlicher erscheinen zu lassen als die Vampirin in Carl Dreyers „Vampyr“ [kenne ich zwar nicht, wird aber mit Sicherheit stimmen]. Es ist wohl ein Symptom für unsere wirre Zeit, daß die Leute in „The Exorcist“ gerannt sind, um sich Angst machen zu lassen, weil sie schreien wollten, verschreckt und angeekelt wieder herauskommen, aber irgendwie doch stolz darauf, daß sie es ausgehalten haben.“
Jetzt hoffe ich, daß die Omen-Reihe besser ist. Oder ich gehe doch wieder zu meinen Zombies zurück. Die sind, wenn sie schon nicht bedrohlich wirken, wenigstens lustig.